Protocol of the Session on May 16, 2002

Und außerdem wollen wir uns darüber unterhalten, warum der Regierende Bürgermeister nicht von sich aus die Gelegenheit ergreift, im Bundestag – wo er auf der Regierungsbank Platz hat

[RBm Wowereit: Falsch!]

bzw. auf der Bundesratsbank,

[RBm Wowereit: Auch falsch! Vo r der Bank, Herr Kollege Lindner!]

und zwar am allerersten Platz – Platz zu nehmen, wenn der US-Präsident zu uns spricht. Die Stadt hat Anspruch, darauf Antworten zu erhalten, und zwar heute, vor dem Besuch.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und selbstverständlich wollen wir uns darüber unterhalten, wie es überhaupt mit dem Senat in seiner Gesamtheit bei diesem US-Besuch steht. Wir wollen uns darüber unterhalten, dass Teile des Senats offensichtlich an antiamerikanischen Demonstrationen teilnehmen wollen.

[Zurufe]

Damit hier gar kein Missverständnis aufkommt: Wir setzen uns für freie Meinungsäußerung ein; jeder hat das Recht, seine Meinung zu artikulieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von links]

Auch als Mitglied einer Regierung hat man Gelegenheit, Kritik an der Regierung Bush zu äußern. Die Teilnahme an voraussichtlich gewalttätigen Demonstrationen aber werden wir nicht dulden.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und wir werden auch nicht dulden, dass Sie sich hier herausreden unter dem Motto: „Wir würden ja gerne hingehen, aber leider erlaubt uns unser Terminplan eine Teilnahme nicht!“ – Wir wollen von Ihnen einzeln hören, wie Sie sich zu diesen anstehenden Demonstrationen stellen, ob Sie tatsächlich hingehen wollen oder nicht

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Ritzmann (FDP)]

und ob letztlich in dieser Frage auch der Regierende Bürgermeister die Kraft hat, hier Führung zu zeigen und den Senat auf eine einheitliche und glaubhafte Linie zu bringen. Deswegen werben wir dafür, heute hier nicht über die tatsächlich zentrale Frage der Medienpolitik zu diskutieren, sondern über den BushBesuch. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der SPD und auch für die PDS hat der Kollege Benneter das Wort! – Bitte schön, Herr Benneter!

[Unruhe – Gram (CDU): Die heiße Liebe zu Amerika!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen unterstützen

[Dr. Lindner (FDP): Ist klar!]

den Antrag der Grünen, über die Fusion von SFB und ORB

[Gelächter]

und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region zu diskutieren. – Frau Kollegin Ströver, nur eine kleine Korrektur an Ihrem Antrag: Die SPD hat dies nicht zehn Jahre verschlafen, wir haben auch immer darauf gedrängt; es war Landowsky, der seine Strippen im Rundfunkrat gezogen und im Verbund mit seinen brandenburgischen Freunden dafür gesorgt hat, dass es nicht dazu gekommen ist.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Gelächter bei der CDU und der FDP]

Frau Ströver hat schon im Einzelnen ausgeführt, warum diese Fusionsdebatte aktuellen Anspruch hat. Die Kirch-Insolvenzen und die Drohung, dass Berlusconi und Murdoch weite Teile der Medien in der Bundesrepublik bestimmen könnten, müssen uns dazu bringen, darüber nachzudenken, dass die Rundfunkanstalten hier in der Region einen Status bekommen, der sie zukunftsträchtig macht und der vor allen Dingen mit dafür sorgt, dass sie

eine Perspektive haben, wenn der ARD-Finanzausgleich ausbleiben sollte. Insofern ist es sehr wichtig, all das, was im Zusammenhang mit dem anstehenden Staatsvertrag zu diskutieren ist, in dieser Aktuellen Stunde zu behandeln.

Warum ist das Thema, das von FDP und CDU beantragt wurde, nicht aktuell? – Am 1. Mai ist entgegen Ihren Unkenrufen

[Zurufe von der CDU]

das „Konzept der ausgestreckten Hand“ aufgegangen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zuruf des Abg. Henkel (CDU)]

Wir konnten entgegen allen herbeigeredeten Horrorszenarien am 1. Mai ein gutes Polizeikonzept feststellen.

[Zuruf des Abg. Krestel (FDP)]

Deshalb ist Ihre heuchlerische Sorge nicht angebracht; die Polizei hat unser aller Lob verdient.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Henkel (CDU): Welche Aktuelle Stunde wollen Sie denn, meine oder Ihre?]

Wir sollten stolz sein – auch Sie sollten stolz darauf sein –, dass es der Berliner Polizei an diesem 1. Mai gelungen ist, alles im Griff zu behalten, obwohl es sehr viele Krawallmacher gibt, die zum 1. Mai hierher anreisen – aber auch viele, die häufig herbeigeredet werden. Auch noch einmal von dieser Stelle aus unser Bedauern und unsere Genesungswünsche an alle verletzten Polizisten, die am 1. Mai eingesetzt waren und ihren Einsatz mit Verletzungen erleben mussten. I h n e n gilt unsere Sorge und unsere Nachdenklichkeit und nicht dem heuchlerischen Bedürfnis, sich jetzt schon darüber zu äußern, was unter Umständen in der nächsten Woche passieren könnte.

Die Berliner Polizei ist für den bevorstehenden BushBesuch gut gerüstet;

[Dr. Lindner (FDP): Ist der Senat auch gut gerüstet?]

es gibt außer den vielen Warnungen überhaupt keine Anzeichen dafür, dass etwas aus dem Ruder laufen könnte. Es werden auch sehr viele Polizisten eingesetzt sein, da nicht auszuschließen ist, dass die Krawallmacher die geplanten friedlichen Demonstrationen missbrauchen könnten.

[Zuruf des Abg. Borgis (CDU)]

Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir einen Anspruch darauf haben, auch verantwortungsvolle Abgeordnete hier zu sehen, die im Sinne und im Interesse der Stadt handeln. Das, was sich CDU und FDP im Vorfeld zu diesem Bush-Besuch geleistet haben,

[Henkel (CDU): Über welche Aktuelle Stunde reden Sie denn?]

insbesondere, was die Reisepläne des Regierenden Bürgermeisters anging, war eine ganz üble Provokation.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Dieser Senat ist eine Provokation! – Henkel (CDU): Sie provozieren Staatsgäste!]

Und nur aus Sorge darüber, dass die Stadt durch diese Provokation in internationale Verwicklungen hineingeredet und missverstanden werden könnte, war es vernünftig und richtig, dass der Regierende Bürgermeister auf seine andere Verpflichtung, als Bundesratspräsident in diesem Fall, verzichtet hat. Er wollte verhindern, dass die Stadt durch Ihr Vorgehen Schaden nehmen könnte.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie geradezu enttäuscht sind, wenn Ihre vorhergesagten Horrorszenarien nicht eintreffen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Gewalt (CDU): Unverschämtheit! – Henkel (CDU): Dreckschleuder!]