Protocol of the Session on May 16, 2002

Hier gibt es eine Wortmeldung z u r G e s c h ä f t s o r d n u n g. Bitte schön, Herr Gewalt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stallorder aus dem Senat an Rot-Rot lautet offensichtlich: Durchmarsch mit der Brechstange. Heute Nachmittag hat eine Runde der Geschäftsführer getagt, wie das am Rand des Plenums so üblich ist. Es wurde von Rot-Rot signalisiert, dass man es zum einen nicht akzeptieren wird, dass die Dringlichkeit des Antrags der Opposition auf Durchführung eines gruppenbezogenen Auswahlverfahrens hier zugelassen wird. Zum anderen – was ich noch problematischer finde – ist es abgelehnt worden, diesen Tagesordnungspunkt mit der Wahl des Polizeipräsidenten zu verbinden.

[Gaebler (SPD): Wie lautet Ihr Antrag?]

Ich gehöre seit 12 Jahren diesem Haus an. Ich habe noch nie erlebt, dass dem Ansinnen der Opposition auf Dringlichkeit eines Antrags oder auf Verbindung – wenn es offenkundig ist – widersprochen wurde. Offensichtlich hat die rot-rote Mehrheit in diesem Haus Angst, so etwas zu diskutieren.

[Doering (PDS): Das stimmt nicht!]

Das finde ich ausgesprochen bedauerlich. Sie versuchen hier, mit der Brechstange die Wahl eines Ihnen genehmen Kandidaten durchzusetzen. Damit werden Sie – um das ganz klar zu sagen – das Amt des Polizeipräsidenten beschädigen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Henkel (CDU): Das haben sie schon!]

Jeder, der die Berliner Polizei kennt – Herr Wieland kennt sie noch ein bisschen länger als ich –, weiß, dass dieser Weg, den Sie hier beschreiten wollen, ein Irrweg ist.

[Doering (PDS): Welchen Antrag stellen Sie?]

Sie werden damit nicht nur Sturm ernten, sondern Ihr Schiff wird damit aus dem Ruder laufen. Ich unternehme daher für die CDUFraktion noch einmal den Versuch und beantrage, dass der Antrag der Opposition auf Durchführung eines gruppenbezogenen Auswahlverfahrens zum einen mit Dringlichkeit hier behandelt wird und zum anderen mit dem Tagesordnungspunkt Wahl des Polizeipräsidenten verbunden wird. Dann haben Sie doch wenigstens den Mut, diesen Antrag hier abzustimmen und nicht über den Weg der kalten Küche versenken zu wollen. Das ist schäbig! [Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege. – Zur Geschäftsordnung hat nunmehr der Kollege Gaebler das Wort! Bitte schön, Herr Gaebler!

[Czaja (CDU): Kampfhund Gaebler tritt in die Bütt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem ist zunächst die Frage, was eigentlich beantragt ist. Die Dringlichkeit kann man natürlich erst dann feststellen, wenn der Tagesordnungspunkt aufgerufen ist. Insofern gehe ich davon aus, dass Sie jetzt darüber reden wollen.

[Zuruf]

Nein, der Antrag ist noch nicht aufgerufen. Sie wollen offensichtlich – so habe ich zumindest die diffusen Äußerungen verstanden – den Antrag stellen, die Diskussion zu verbinden. Wenn das so ist, kann ich Ihnen dazu nur sagen, dass wir die Wahl des Polizeipräsidenten auf der Tagesordnung haben. Alles andere, was Sie jetzt mit Ihrem Antrag wieder einbringen wollen, ist in diesem Parlament, im Plenum und im Innenausschuss, bis zur Erschöpfung diskutiert worden, zum letzten Mal am 15. April 2002. Dass Sie dann heute, eine Stunde vor Beginn der Plenarsitzung, einen Dringlichkeitsantrag mit den drei Fraktionen einreichen, ist schon ein gewisses Armutszeugnis, wenn Sie vier Wochen benötigen, um einen Antrag zu schreiben, dass Sie ein Verfahren anders gestalten wollen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Insofern muss sich natürlich jeder fragen, was der Antrag und was die Verbindung soll. Dazu kann ich nur sagen, dass dieser Trick, um eine Aussprache zu einer Personenwahl herbeizuführen, nicht neu ist. Er wurde bereits am 17. September 1992, damals von der Fraktion der Grünen versucht. Es ging um die letzte Wahl des Polizeipräsidenten. Der Antrag wurde damals von der Ex-Kollegin Saß-Viehweger von der Fraktion der CDU entrüstet zurückgewiesen mit dem Hinweis, diese Trickserei wolle man nicht mitmachen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Dem ist wenig hinzuzufügen. Es gibt ein ganz klares gesetzmäßiges Verfahren. Gerade eine Partei, die sich immer Recht und Gesetz verpflichtet fühlt, sollte in dieses Gesetz einmal hineinsehen. Der Senat hat einen Vorschlag unterbreitet. Über diesen hat das Parlament zu entscheiden. Alle anderen Fragen sind entweder hier schon diskutiert worden oder können dann an dem Punkt, an dem es notwendig ist, diskutiert werden.

[Dr. Lindner (FDP): Sie wollen nicht über aktuelle Belange sprechen: Bush-Besuch, die Wahl des Polizeipräsidenten!]

Das Verstecken hinter Verfahrensfragen ist unredlich. Sie müssen sich hier entscheiden, ob Sie einen neuen Polizeipräsidenten wählen wollen. Verfahrensfragen schaden eigentlich nur weiter dem Ansehen der Polizei, dem Ansehen der Stadt und diesem Parlament. Deshalb lehnen wir eine solche Verbindung an dieser Stelle ab.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Wenn ich das richtig verstanden habe, wünscht Herr Gewalt, dass der jetzt als Tagesordnungspunkt 45 C auf der Tagesordnung stehende Antrag Drucksache 15/468 der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der Grünen hier mit behandelt wird. Wer diesem A n t r a g z u r G e s c h ä f t s o r d n u n g auf Vo r z i e h e n d e r D r u c k s a c h e 15/468 die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Das ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Oppositionsfraktionen abgelehnt worden.

[Abg. Wieland (Grüne) meldet sich zur Geschäftsordnung.]

Sie möchten noch einen G e s c h ä f t s o r d n u n g s a n t r a g stellen, Herr Wieland? – Na gut! Wenn es denn hilft! Bitte schön, Herr Wieland!

Herr Präsident! Ob es hilft, werden wir sehen! – Der Antrag ist so einfach, dass ihn auch der Kollege Gaebler spontan verstehen wird.

[Verinzelter Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Ich stelle den geschäftsordnungsmäßigen Antrag, diesen Tagesordnungspunkt zu vertagen,

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

um noch einmal – dem Vorschlag der Opposition entsprechend – eine Reflexion über das Auswahlverfahren durchführen zu können. Der Kollege Benneter hat heute Mittag überzeugend gesagt: „Der 1. Mai gibt Veranlassung, der Polizeiführung zu danken. Sie hat alles richtig gemacht.“ – Deswegen gehen wir davon aus, dass die Wahl des neuen Polizeipräsidenten noch etwas Zeit hat. Die Polizeiführung ist im Moment offenbar in guten Händen, wenn ich Sie richtig verstanden haben, Herr Kollege Benneter!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es ist richtig, Herr Kollege Gaebler, dass wir – wie Sie zitieren – schon immer eine Diskussion über die Vorschläge zum Polizeipräsidenten wollten. Ich habe hier schon zweimal einen vorgeschlagenen Polizeipräsidenten nicht gewählt – einmal Georg Schertz und einmal Hagen Saberschinsky – und hatte in beiden Fällen hinterher wenig Veranlassung, dieses Votum zu bereuen.

Ich bin auch bereit, diesen Vorschlag heute zum dritten Mal nicht zu wählen, und gebe zu bedenken, ob man damit erstens dem Kandidaten Dieter Glietsch einen Gefallen tut und ob man zweitens der Berliner Polizei damit einen Gefallen tut, dass man hier den Eindruck erweckt, nach einem förmlichen Auswahlverfahren nach dem Verwaltungsreformgrundsätzegesetz habe letztendlich doch das Parteibuch den Ausschlag gegeben. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Gaebler (SPD): Zur Geschäftsordnung!]

Einer derjenigen, die in diesem Auswahlverfahren gewesen sind, war Herr Kniesel, den uns vor zehn Jahren die FDP vorgeschlagen hatte.

[Gaebler (SPD): Zur Geschäftsordnung!]

Ich begründe, warum gerade Sie, Herr Kollege Gaebler, noch einmal Muße haben sollten, Ihre Gehimwindungen einzuschalten, und warum Sie etwas abkühlen sollten! –

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Herr Kniesel sagte heute in der „taz“, befragt, wie dieses Auswahlverfahren gewesen sei: Man suche offenbar nur einen Sparkommissar. Das sei sozusagen die Elle Sarrazin; er lange in dieser Stadt offenbar noch nicht. Und dann sagte er den richtigen Satz: Der Fehler habe wohl darin gelegen, dass man eine politische Entscheidung mit dem Anschein eines objektiven Verfahrens habe verbrämen wollen. – Genau dies ist geschehen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Man hat letztlich eine politische Entscheidung getroffen, und wir sollen sie legitimieren und sollen so tun, als wäre es eine Entscheidung nach dem Maßstab der Bestenauslese gewesen. Jeder in dieser Stadt weiß, dass dies nicht der Fall war.

[Sen Dr. Körting: Das ist falsch!]

Herr Körting, Sie haben noch am 18. März im Innenausschuss auf Befragen gesagt: „Wir haben so viele hervorragende Kandidaten, dass wir es nicht nötig haben, von uns aus einen Außenstehenden anzusprechen und zu akquirieren.“ Zur Erinnerung: Es gab auch noch einen anderen Polizeipräsidenten im Bewerbungsverfahren, aus Ihrem jetzigen Wohnort Potsdam. Es gab also nicht etwa nur Nobodys oder „unbeschriebene Blätter“ in diesem Verfahren, sondern ausgewiesene Polizeiexperten und -praktiker.

[Benneter (SPD): Zur Geschäftsordnung!]

Sie selbst sind sich untreu geworden, weil Sie – wie jeder weiß – beim Regierenden Bürgermeister aufgelaufen sind. Dann schreiben Sie doch nicht lang und breit wie in der Begründung zu der Wahl heute, warum ausgerechnet Herr Glietsch diesen ellenlangen Vorsprung habe! Dieses „von der Pike auf gedient“ hatten wir auch schon bei Herrn Saberschinsky gehört. Das ist die Logik, nach der bei Daimler-Benz nur Vorstandsvorsitzender werden darf, wer als Kfz-Lehrling angefangen hat und 30 Jahre im gleichen Betrieb war. Das ist die Logik, nach der man hier den Leiter einer Behörde von immerhin 28 000 Beschäftigten sucht – eine Logik, die nicht überzeugt!

Ich sage deswegen abschließend:

[Beifall des Abg. Zackenfels (SPD)]

Gerade weil ich diese lange Erfahrung habe, gerade weil ich die Diskussion um Papierkorblisten bei der Polizei geführt habe, wo jeweils hinter der Führungsposition in Klammern „SPD“ und „CDU“ stand, und weil wir langsam weggekommen sind von diesem Zustand, dass das Parteibuch das Letzte, das Entscheidende ist, Kollege Lorenz. Es ist geradezu ein Witz, dass Sie uns Frau Saß-Viehweger als Beispiel anführen, als Zeugin sozusagen, wie man mit einem Auswahlverfahren umgeht. Das ist immer das Krebsübel gewesen: CDU-Parteibuch, SPD-Parteibuch, ausgekungelt, keine klaren Entscheidungen.

Können Sie zum Schluss kommen, Herr Kollege Wieland?