Protocol of the Session on April 18, 2002

lfd. Nr. 3, Drucksache 15/335:

I. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Die Fraktion der Grünen hat inzwischen ihren Beratungsvorbehalt zurückgezogen. – Dies ist so der Fall. – Danke schön! – In I. Lesung haben wir daher nur über die Überweisung abzustimmen. Der Ältestenrat empfiehlt zur Beratung die Überweisung an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dies so beschlossen.

Die lfd. Nr. 4 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5, Drucksache 15/362:

I. Lesung des Antrags der Fraktion der CDU über Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU vor in der Drucksache 15/362-1. Bei diesem Änderungsantrag handelt es sich um einen Ersetzungsantrag. Der Ursprungsantrag ist damit zurückgezogen.

Inzwischen hat die Fraktion der CDU um Beratung gebeten. Hierzu steht uns nach unserer Geschäftsordnung wie immer eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Ich eröffne somit die I. Lesung und gebe zunächst das Wort dem Abgeordneten Reppert von der Fraktion der CDU. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße auch die Vertreter der freien Schulen oben in den Rängen!

Die bisherigen Grundlagen des Gesetzes über die Privatschulen und den Privatunterricht sehen eine Förderung von Schulen in freier Trägerschaft erst nach Durchlaufen einer erheblichen

Wartefrist vor. Zwar hat der Gesetzgeber hier bereits eine Differenzierung vorgesehen; Schulen, die komplett neu gegründet werden, müssen die Wartezeit voll durchlaufen, was im Einzelfall auch richtig sein kann, da hier in Bezug auf die freien Träger keinerlei Erfahrungen vorliegen.

[Allgemeine Unruhe]

Herr Abgeordneter! Entschuldigen Sie! Gestatten Sie bitte, dass ich Ihnen zuvor die nötige Ruhe verschaffe. – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, die jetzt in den Rängen und hinten stehen, die Gespräche einzustellen; das Wort hat der Abgeordnete Reppert und niemand anderes. – Bitte schön, Herr Reppert!

Ich kann die Unruhe nachvollziehen. Wir diskutieren nicht das erste Mal hierüber. – Bei Schulen hingegen, die ihr Angebot erweitern wollen – sei es um die Grundschule oder die Sekundarstufe II –, ist die unmittelbare Förderung als Kann-Bestimmung vorgesehen, aber eben als Kann-Bestimmung, die seit 1996 nicht mehr angewendet wird. Eine bundeseinheitliche Regelung hierfür gibt es nicht; Bildungspolitik ist letztlich Ländersache; jedes Bundesland hat seine eigenen Regelungen, die oft sehr unterschiedlich sein können. Gleichwohl gibt es Bundesländer, die die von uns angestrebte Regelung haben. Und dies sind keineswegs nur CDU-geführte Länder; auch in Nordrhein-Westfalen gibt es diese Regelung.

Mit dem vorliegenden Antrag möchte die CDU-Fraktion Schulen in freier Trägerschaft stärken. Hier soll eine klare, transparente, nicht von der jeweiligen Haushaltslage abhängige und nachvollziehbare Regelung zur Zahlung von Zuschüssen für bewährte freie Träger geschaffen werden. Die vorgesehenen Einsparungen und die bisherigen Regelungen hemmen in ungerechtfertigter Weise den Ausbau der Privatschulen. Die CDU will ein nach allen Seiten offenes Bildungssystem. Dazu gehören auch Schulen in freier Trägerschaft.

Ich habe es nicht zu hoffen gewagt, dass ich nach der unerträglichen Diskussion um die 7-prozentige Mittelkürzung für Schulen in freier Trägerschaft, die seitens der Regierungskoalition in dieser Stadt angezettelt wurde, am Montag in der „Berliner Morgenpost“ nachlesen konnte, dass Sie, meine Damen und Herren der SPD, dafür plädieren, die Frist zu verkürzen oder ganz aufzuheben. Sparklausuren haben doch ihre Wirkung!

Dennoch: Die in dieser Stadt geführte Diskussion um Einsparungen im Bildungsbereich hat uns veranlasst, diesen Antrag zu stellen. Man muss schon sagen: Es ist eine verdammte Dreistigkeit von Ihnen! Was glauben Sie eigentlich, wie groß die Halbwertszeit Ihrer eigenen Wahlplakate ist? Wie vergesslich sollen eigentlich die Wähler sein? Gerade Sie, meine Damen und Herren von der SPD und von der PDS, haben – im Wahlkampf plakatiert – die Förderung im Bildungssektor angemahnt. Und welchen Zustand haben wir jetzt? – Es wird nach dem Rasenmäherprinzip gespart. Überall wird etwas abgeschnitten. Das halten wir für wenig hilfreich und sinnvoll.

Da wir immer gern mit Vergleichen zu anderen Bundesländern arbeiten, möchte ich Ihnen folgende Rechnung aufmachen: In Berlin lernen nur etwa 4,3 % aller Schüler – dieses entspricht etwa 16 500 Schülern – an Schulen in freier Trägerschaft – in Hamburg sind es 8,4 %. Diese Schulen werden zurzeit mit 97 % gefördert. Das bedeutet schon jetzt eine Einsparung in Höhe von 38 Millionen $ im Vergleich zu öffentlichen Schulen. Mit der von Ihnen ursprünglich geplanten Absenkung auf 90 % erhoffen Sie sich eine Einsparung von 5 Millionen $ im Jahr. Wenn es uns gelänge – dazu wollen wir ja gerade die Voraussetzung schaffen –, 4 000 neue Schulplätze zu errichten, brächte dies bereits eine Verdopplung des jährlichen Einsparungspotentials. Eine Anhebung der Berliner Quote auf das Hamburger Niveau brächte uns nicht 5 Millionen $, nein, wir würden 40 Millionen $ im Jahr sparen. Erfreulicherweise gibt es im Hinblick auf die vorgesehene Mittelkürzung nunmehr Bewegung Ihrerseits. Die CDU-Fraktion fordert Sie deshalb auf: Bewegen Sie sich noch weiter! Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen gegenüber

Schulen in freier Trägerschaft ab, denn diese sind Teil unserer Gesellschaft. Hören Sie auf mit der unerträglichen Diskussion, dass es sich bei Schulen in freier Trägerschaft um Schulen für Besserverdienende handelt. Nicht alle zahlen Schulgeld; es gibt eine Fülle von Freistellungen – die Zahlen belegen es. Sparen Sie intelligent und mit Verstand und nicht zu Lasten der Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen. Denn die Ausbildung unserer Kinder ist unsere Zukunft. Schließen Sie sich unserem Antrag an.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Für die SPDFraktion hat nun Frau Dr. Tesch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes besteht ein Recht zur Errichtung von privaten Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen. Sie bereichern die Schullandschaft und schließen teilweise Lücken, die die öffentlichen Schulen nicht füllen können. Die Genehmigung dieser Schulen untersteht den Landesgesetzen und ist im Berliner Privatschulgesetz geregelt. Sie wird dann erteilt, wenn ihre Lehr- und Lernpläne mit denjenigen der öffentlichen Schulen übereinstimmen. Für die Gewährung von Zuschüssen ist bislang eine Wartezeit von drei Jahren einzuhalten. Nun soll diskutiert werden, ob dies auch in Zukunft so beibehalten werden soll. Der jetzige Ersetzungsantrag – Herr Reppert, gestatten Sie mir dazu eine Bemerkung: Ich finde es nicht gerade einen Ausweis von besonders intensiver Beschäftigung mit dem Thema, wenn die CDU-Fraktion am Tag der Debatte noch einmal einen Ersetzungsantrag für ihren ursprünglichen Antrag einbringt.

[Rabbach (CDU): Ist doch prima! – Frau Senftleben (FDP): Die denken mit!]

Dieser Ersetzungsantrag über ein „Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes“ besteht aus zwei Punkten: Durch den Wegfall der Kann-Rregelung ist dem zuständigen Senatsmitglied die – ich gebe zu – weitgehend theoretische Ablehnungsmöglichkeit genommen. Dennoch: Ob man so weit geht, dieses im Gesetz festzuschreiben, muss im Ausschuss diskutiert werden.

Da das Wort Privatschulen eine gewisse Elitebildung assoziiert, sprechen deren Betreiber lieber von Schulen in freier Trägerschaft.

[Mutlu (Grüne): Sagen Sie doch mal was Neues!]

Nach der wochenlangen Debatte um die Kürzung der Personalzuschüsse konnte ich mir an zahlreichen Schulen in freier Trägerschaft ein Bild von deren Arbeit machen. Die Anhörung im Schulausschuss am 14. März und die weitere Diskussion am 11. April sowie zahlreiche Einzelgespräche haben ferner dazu beigetragen, dass uns die wichtige Arbeit dieser Schulen bewusst geworden ist.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Daher lassen Sie mich Folgendes feststellen: Auch die SPD ist sich bewusst, dass diese Schulen keineswegs Eliteschulen sind.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie sind laut Grundgesetz sogar gehalten, – ich zitiere – „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht zu fördern“.

[Abg. Dr. Lindner meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Auch die SPD ist für Pluralität in der Berliner Schullandschaft; sie will niemanden ausgrenzen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir wissen, dass an diesen Schulen auch viel gute soziale Arbeit geleistet wird, vor allem auch an den Behindertenschulen in freier Trägerschaft.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner?

Nein, dann ist meine Zeit zu kurz! – Ich habe deshalb immer betont, dass es keine originären bildungspolitischen Begründungen für die Absenkung gibt. Vielmehr zwingen uns vorrangig haushaltspolitische Gründe und das Solidaritätsprinzip zu dieser unpopulären Maßnahme.

[Beifall bei der SPD]

Auch habe ich immer wieder festgestellt, dass ich nichts gegen eine Erhöhung der Zahl von Schulen in freier Trägerschaft habe – meinetwegen eine Verdopplung von jetzt 4,3 % auf 8,6 %. Dieses würde im Übrigen den Hamburger Verhältnissen entsprechen.

[Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hoffmann (CDU)]

Ich sage aber auch ganz deutlich: Ich möchte nicht, dass die Privatschule zur Regelschule wird und die öffentliche Schule zu einer Restschule verkommt.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU udn der FDP – Dr. Lindner (FDP): Elite vermischen Sie mit Geldbeutel der Eltern! So ein Quatsch!]

Da stimmen mir im Übrigen auch viele der freien Träger zu. – Auch wenn ich den Wert der Privatschulen in unserer Schullandschaft ausdrücklich nicht leugne, sollen sie ein zusätzliches Angebot zu den öffentlichen Schulen bleiben.

[Beifall bei der SPD]