Protocol of the Session on April 18, 2002

Abschließend noch ein Wort zum Thema Nachtrag: Ich will nicht ausschließen, dass es einen Nachtrag gibt, aber das kann man ehrlicherweise nie. Aber ich sehe keineswegs jetzt schon voraus, dass es einen Nachtrag gibt. Das ergibt sich erst aus der Abwägung aller Einnahme- und Ausgabefaktoren. Ich glaube nicht nur, sondern weiß, dass dieser Haushalt – bis auf das Risiko Solidarpakt – außerordentlich risikoarm aufgestellt wurde. Insofern glaube ich immer noch, dass man einen Nachtrag vermeiden kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Senator Dr. Sarrazin! – Wir kommen nun zur zweiten Rederunde. Es liegen Wortmeldungen vor. Zunächst hat die CDU in Gestalt des Kollegen Zimmer das Wort, der nach unserer Uhr noch fünf Minuten Redezeit hat. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Dr. Sarrazin, ich möchte aus der Beantwortung der Großen Anfrage nur einen Punkt herausgreifen: Man kann vorweg sagen, dass der Senat nicht verantwortlich ist für die Äußerungen seiner einzelnen Mitglieder. Das nehme ich so zur Kenntnis. Dennoch haben die Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters für mich auch politisch ein gewisses Gewicht. Dazu muss der Senat, dessen integraler Bestandteil der Regierende Bürgermeister als Primus inter Pares ist, sich eigentlich verhalten können. Wenn er es nicht will, dann muss man das zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise hat das seine Gründe.

Was mich bei der großen Anfrage irritiert hat, war die Antwort auf die Frage, wie es mit einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung aussieht. Mit Sicherheit fordert keiner von uns, dass Sie bei jeder Absenkung in irgendeinem Titel oder Kapitel tatsächlich eine betriebswirtschaftliche Tiefenprüfung vornehmen. Das wäre mit Sicherheit zu viel erwartet und auch nicht effizient. Aber die Frage, inwieweit bei großen Projekten im Vorfeld eine solche Überlegung angestellt wird, ist mit Sicherheit nicht zu viel verlangt.

Da kann man als Beispiel durchaus noch einmal das UKBF aufgreifen, das wir nachher auf der Tagesordnung haben. Auch das war ein Projekt der rot-roten Koalition, bei dem man mit großen Brimborium versucht hat zu zeigen, dass man einen Mentalitätswechsel in der Haushaltspolitik will. Dabei hat man meines Erachtens letztlich aber völlig außer Acht gelassen, dass es dort in der Tat die Möglichkeit gibt – gegeben hat und geben wird –, die dort getätigten Investitionen, das Humankapital, die Talente und Fähigkeiten in einer anderen Form weiterhin für das Land Berlin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem für die Patientinnen und Patienten zu nutzen.

Da erwarte ich schon mehr als reines Schauen auf die Zahlen und Aussagen, dass der Haushalt durch Herausstreichen dieser Positionen um bestimmte Beträge entlastet wird. Das ist definitiv zu kurz gedacht. Einen solchen Anspruch kann man auch an einen Volkswirt, wie Sie es sind, Herr Sarrazin, stellen, und erwarten, dass er das auch in einem etwas größeren Zusammenhang sieht!

Ich möchte an dieser Stelle einmal mit einer Mär hinsichtlich der Änderung der Verfassung – jetzt komme ich noch einmal zu dem Vorschaltgesetz – aufräumen. Wenn ich mich recht entsinne, haben weder der Kollege Lindner noch ich gefordert, die Verfassung zu ändern. Wir haben vielmehr gesagt, dass Sie die Verfassung ändern müssten, wenn Sie tatsächlich der Meinung sind, Sie müssten Ihre Kreditermächtigung über die Summe der Investitionen ausdehnen – zur Frage nach dem gesamtwirt

schaftlichen Gleichgewicht komme ich gleich noch –. Deswegen haben wir Sie aufgefordert, dieses Unterfangen in Angriff zu nehmen, wenn Sie es wollen. Dafür brauchen Sie nicht nur eine Zweidrittelmehrheit hier im Haus, sondern müssten sich auch die Frage stellen, ob das überhaupt mit übergeordnetem Verfassungsrecht vereinbar ist. – Herr Wolf, ich habe Ihre Wortmeldung gesehen. Indes, ich verzichte auf Ihre Zwischenfrage an dieser Stelle. – Da Sie aber der Meinung sind, es ist der einfachere und bequemere Weg, es mit einer einfach gesetzlichen Regelung zu tun, muss ich dem entgegenhalten, dass es genau diese Art von Umgang mit der Verfassung ist, wie man sie nun wahrlich nicht an den Tag legen sollte. Das bedeutet, dass die Verfassung nicht mehr Wert ist als ein Stück Papier, das man in irgendeiner Form im Schrank zu liegen hat. Das ist uns an dieser Stelle definitiv zu wenig.

Herr Hoff, ich komme nun zur Frage nach der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Zunächst muss ich Sie fragen, ob Sie die Zahlen wirklich haben. Haben Sie das intensiv geprüft? Wo ist die Untersuchung, die feststellt, dass es in der Tat so ist? Wo sind die Indikatoren, die Ihnen sagen, im Land Berlin ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört? Man kann es mit Sicherheit nicht daraus ableiten, dass man die Zeitung aufschlägt und die Zahl der Insolvenzen, siehe Herlitz, feststellt. Auch das wäre etwas kurz gegriffen. Wenn es so wäre – es mag unbestritten ein Indiz sein –, müsste man auch von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der gesamten Bundesrepublik ausgehen. Man muss nur einmal sehen, in welcher Größenordnung dort Insolvenzen an der Tagesordnung sind.

Wenn ich mich recht erinnere, ist das etwas, was die Bundesregierung dezidiert verneint. Es wird insofern etwas schwierig. Selbst wenn es so wäre und Sie sagen, Sie hätten dies geprüft, müssten Sie natürlich auch, Herr Hoff – ich weiß, dass Sie ein expliziter Kenner der Materie sind –

[Zurufe von der PDS]

die PDS ist auch immer so großzügig mit Lob. Deshalb möchte ich dies an der Stelle auch einmal tun! – miteinbeziehen, dass gerade ein europäischer Stabilitätspakt zwingend zur Voraussetzung hat, dass nicht nur das Land, sondern auch der Bund an dieser Stelle prüft, ob dieses auch mit europarechtlichen Kriterien vereinbar ist. Dazu muss auch hier im Landesparlament eine Abwägung erfolgen. Haben Sie dazu gestern etwas im Hauptausschuss gehört? Ich habe jedenfalls nichts gehört. Haben Sie gestern etwas zu den Indikatoren gehört? Ich habe es nicht gehört. Ich erwähne dies, wenn Sie schon Keynes ins Feld führen, worüber man geteilter Meinung sein kann – ich weiß, dass dies die FDP dezidiert anders sieht als manch andere Partei.

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Herr Hoff, wenn es so ist, müssen Sie auch wenigstens eingestehen, dass diese Verfassungsausnahme auch nur der Tatsache geschuldet ist, dass man möglicherweise steuernd eingreifen möchte. Um steuernd einzugreifen muss ich auch irgendwo erkennen, dass Sie das Geld dafür verwenden wollen. Nicht einmal das tun Sie!

Herr Kollege!

Ich komme zu meinem letzten Satz, Herr Präsident! – Sie wollen damit nur Ihre Illiquidität vermeiden. Das ist mit Sicherheit nicht das, was mit dieser Verfassungsnorm gemeint ist. Deswegen ist es unlauter, sich darauf zu berufen. Es ist ehrlicher, wie es Herr Sarrazin gesagt hat. Das ändert aber nichts daran, dass dieses Verfahren mit Sicherheit einer tiefen Überprüfung nicht standhalten wird. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir diese Frage an anderer Stelle noch einmal diskutieren müssen, wenn Sie heute zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Zimmer. – Für die SPD ergreift Frau Kollegin Leder das Wort. – Sie haben noch sieben Minuten. Bitte schön!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der CDU mit der Überschrift „Fragwürdige Begleitumstände“ ist in der Tat eine fragwürdige und merkwürdige Sache an sich, war es doch gerade mit dieser CDU über die Jahre hinweg für die SPD-Fraktion nicht möglich, strukturelle Veränderungen des Haushalts vorzunehmen.

[Beifall bei der SPD]

Von den Begriffen Haushaltswahrheit und -klarheit war in einem von der CDU geprägten Haushalt wenig zu spüren, war es gerade Ihr Vorsitzender Landowsky, der jedem alles versprach, der sich überhaupt nicht darum kümmerte, wie eine solide Finanzierung aussehen konnte, für den es lediglich um eine verbale, ja virtuelle Haushaltskonsolidierung ging.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das war Sache der großen Koalition!]

Die SPD hat, als sie erkannte, dass eine seriöse Politik mit dieser Fraktion nicht mehr zu machen war, die Koalition verlassen.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Nach 10 Jahren! – Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Die sitzen gelassene Fraktion stellt nun eine große Anfrage nach strukturellen Veränderungen!

[Beifall bei der SPD – Goetze (CDU): Das ist Ihnen unangenehm!]

Das ist die von Ihnen gern praktizierte Methode: Haltet den Dieb! Erst unsere Finanzsenatorin hat der Stadt und ihren Bürgern mit einem schonungslosen Kassensturz die Situation näher gebracht.

[Henkel (CDU): Deshalb habt Ihr sie nicht mehr aufgestellt!]

Weil man schlechte Nachrichten gar nicht gern hört, sind wir immer noch damit beschäftigt, die Tragweite der Finanzsituation zu erläutern.

Wir sind auch heute noch davon überzeugt, dass wir Sanierung schaffen. Sie wird uns gelingen. Jedoch die Anstrengung für ernsthafte, nachhaltige Änderungen sind immens. Wir unterschätzen sie in keiner Weise!

[Beifall bei der SPD – Frau Dr. Klotz (Grüne): Die SPD ist die Unschuld selbst!]

Dieses glaubt die CDU offensichtlich nicht. Sie unterstellt uns Leichtfertigkeit. Das ist ein unredliches, übles Spiel.

Natürlich bedauern wir, dass Investitionen nicht im gewünschten Umfang durchgeführt werden können. Natürlich bedauern wir Einnahmeausfälle. Natürlich bedauern wir Ausgaben von Mitteln, die mit Auslaufen von Projekten und Programmen einhergehen. Aber wir haben unsere Prioritäten in die Bildung gesetzt. Erst gestern hat der Finanzsenator noch einmal darauf hingewiesen, dass im Ressort Bildung und Jugend eine Zunahme der Mittel vorgenommen wird, dass im Ressort Wissenschaft und Kultur keine Absenkungen vorgenommen werden, während in allen anderen Ressorts nominale Absenkungen die Folge sein werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Es ist unglaublich, dass sich die CDU traut, das Beispiel Schiller-Theater anzuführen. Es war der Regierende Bürgermeister Diepgen, der den damaligen Senator für Kultur gezwungen hat, das Schiller-Theater zu schließen.

[Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU – Goetze (CDU): Das ist Geschichtsklitterung!]

Daher muss es als üble Nachrede angesehen werden, hier von Desinvestitionen zu sprechen.

Die Diskussion der Ergebnisse der Expertenkommission wird derzeit geführt. Die dort gegebenen Anregungen werden von uns sorgfältig besprochen. Voreilige Schlüsse wollen wir

dort nicht ziehen. Aufgaben von Privaten zu übernehmen und die private Finanzierung ist eine Sache, hinter der wir stehen. Allerdings muss die LHO dort auch Beachtung finden. Haben nicht gerade die Bäder-Betriebe private Betreiber für Freibäder gefunden? Sind nicht durch die finanziellen Engpässe alle Ressorts gezwungen, Ihre Aufgaben auf die Reduzierung von Kernaufgaben kontinuierlich zu überprüfen? Wird mit einer Umstrukturierung des Landesschulamtes nicht eine Fehlentscheidung der Vergangenheit rückgängig gemacht?

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Wer hat die damals eigentlich getroffen?]

Auch wenn wir meinen, dass die Ergebnisse des Doppelhaushalts noch optimiert werden können, sind wir mit den gegenwärtigen Haushaltsberatungen nicht ganz unzufrieden. Sorgfältige Vorbereitungen brauchen nun einmal viel Zeit. Auch eine neue Koalition braucht ihre Zeit. Umso überzeugender sind nachher die Ergebnisse!

[Beifall bei der SPD]

Von den unangemessenen polemischen Fragen der CDU lassen wir uns jedenfalls nicht ablenken.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Mit dieser miesen Stimmungsmache reden Sie die Stadt kaputt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Hoffmann (CDU): Das ist ja lächerlich! – Goetze (CDU): Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?]

Den Bürgern dienen Sie auch nicht!

[Beifall bei der SPD und der PDS]