Protocol of the Session on April 13, 2000

Es gibt keinen anderen Senator, mit dem wir nicht seit fünf Jahren in jeder Kulturausschusssitzung eigentlich nichts weiter diskutiert haben als Strukturverbesserungen. Sein Kreiselpapier ist auch von der Opposition mehr oder minder angenommen und akzeptiert worden.

[Zurufe von links]

Deshalb ist jede diese Art und Weise, die ich von links höre, so eine Methode „Haltet den Dieb!“ und nicht viel mehr, wenn nicht gar verlogen, jedenfalls nicht weiter führend.

Nun habe ich mir angehört, was die Opposition als Alternative vorschlägt. Das ist diffus.

[Wieland (Grüne): Ha! Was bieten Sie denn?]

Das ist diffus, Herr Wieland, Sie müssen es sich anhören! – Der Herr Wolf sagte neulich im Inforadio, es müsse in der Sommerpause Theater gespielt werden. Das ist ein braver Vorschlag, den wir seit Jahren vertreten. Ein bisschen haben wir uns auch durchgesetzt, aber Geld, lieber Herr Wolf, bringt das nicht zusätzlich in die Kassen.

[Wolf (PDS): Nehmen die dann keinen Eintritt?]

Dann höre ich von der PDS, man müsse die Spielpläne besser organisieren. Sie verlangt nach Kulturentwicklungsplänen, nach Planung – alte DDR, ick hör’ dir trapsen. Das bringt alles überhaupt nichts. Kultur kann man nicht planen. Kultur machen die Intendanten, Kultur machen die Künstler und nicht die Politik.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Meine Fraktion hat oft genug von dem Bermudadreieck gesprochen, in dem sich die Strukturdebatte befindet: Tariferhöhungen, kein Abfindungsfonds und keine betriebsbedingten Kündigungsmöglichkeiten. Einem Intendanten, einem Kulturmacher dieses Gepäck auf den Weg zu geben, heißt, ihn zu überlasten und zu überfrachten. Deshalb müssen wir aus diesem Bermudadreieck ausbrechen. Statt diese nebulösen Vorschläge zu

machen, hätte ich gerne, dass auch Frau Ströver, die heute noch sprechen wird, einmal klar vor dem Parlament sagt: Ist sie für betriebsbedingte Kündigungen? Ja oder Nein?

[Zuruf von den Grünen: Sagen Sie das gleich!]

Ist sie dafür, dass eine Abkoppelung der Institutionen von diesen Tariferhöhungen stattfinden kann, oder nicht?

[Zurufe von den Grünen]

Denn Sie können nicht eines machen: Sie können nicht einerseits verlangen, dass diese Einrichtungen selbständig sind, und ihnen andererseits die Mittel aus der Hand nehmen, diese Selbständigkeit auch umzusetzen.

[Beifall bei der CDU – Wolf (PDS): Machen wir doch nicht! – Hoff (PDS): Das ist doch das Haltet-den-Dieb-Spiel! Was ist denn Ihre Position?]

Ich bin gerade dabei, sie zu erklären!

Unterhalb der Strukturfragen, über die wir uns gemeinsam unterhalten, liegt die Grundsatzfrage der Kulturfinanzierung dieser Stadt auf Dauer. Meiner Ansicht nach können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen, und strukturell verbessern, was wir können, auf die Dauer werden wir nicht erreichen, dass der Berliner Haushalt ausreichend Mittel für die Kultur dieser Stadt zur Verfügung hat. Denn etwas auf den Kulturetat drauflegen heißt, es anderen Etats wieder wegnehmen. Auch die anderen Etats sind knapp. Deshalb verfängt diese Methode nicht und ist eine pure Fiktion.

[Zuruf von den Grünen]

Zwar hat Klaus Peymann Recht, wenn er sagt: Das Haushaltsvolumen für die Kultur sei mit der Bedeutung der Kultur für die Stadt in ein richtiges Verhältnis zu setzen, und das jetzige Verhältnis stimme nicht. Aber die Mittel dieser Stadt sind eben begrenzt.

[Frau Martins (Grüne): Keine Philosophie! Ihre Meinung!]

Ich komme dazu, haben Sie ein bisschen Geduld! – Deshalb fordere ich ihn und alle anderen, die über die Stadt nachdenken und es vor allem gut mit ihr meinen – dazu gehören Sie hoffentlich auch –, auf, für eine grundsätzliche Reform der Kulturfinanzierung zu werben. Wie muss diese aussehen? – Berlin ist eine intelligente, eine innovative, eine offene Stadt, aber eine arme Stadt. Was vielleicht gerade noch einer reichen Stadt wie München möglich wäre, ist bei uns auf die Dauer nicht zu schaffen. Gleichzeitig die freie Szene, die städtischen Einrichtungen und die großen Institutionen, die großen Dampfer, wie es heißt, die nationale, europäische Kulturarbeit leisten – das geht auf die Dauer nicht.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Das geht ebenso wenig, wie wir in der Lage wären, die Mittel für Bundesautobahnen zusätzlich zu unseren städtischen Ausgaben für den Straßenbau noch mit zu übernehmen.

[Hoff (PDS): Ihr Konzept ist etwas blass!]

Berlin kann nicht gleichzeitig kommunale, regionale und bundesstaatliche Ausgaben finanzpolitisch wahrnehmen. Deshalb müssen wir, ebenso wie unser Steuersystem kommunale, regionale und bundesstaatliche Abgaben unterscheidet, auch zu einer vertikalen Kulturfinanzierung kommen. Im Klartext: Der Bund muss sich in größerem Umfang als bisher in den Grenzen des Föderalismus an der Kulturfinanzierung dieser Stadt beteiligen. Deshalb appellieren wir an Herrn Naumann, für eine derartige Reform zu sorgen.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Wir appellieren an ihn ebenfalls, endlich dafür zu sorgen, dass Mittel aus dem EU-Bereich in die Kultur der Stadt fließen. Das können Länder wie Frankreich und Österreich beispielsweise sehr viel besser. Das ist einer der wesentlichen Gründe für seine Existenzberechtigung, die Interessen der Länder gesammelt in Europa zu vertreten. Das kann ein einzelnes Land wie Berlin nicht mit solcher Durchschlagskraft. Da hat er bisher einen erheb

lichen Nachholbedarf. Mittel sind in Europa genügend vorhanden. Das wäre mir auch lieber als diese kraftlose Besserwisserei von ihm im Hinblick auf die Probleme, die wir hier in Berlin haben.

[Frau Martins (Grüne): Sie haben nicht ein Wort gesagt, wie Sie das im Landeshaushalt regeln wollen!]

Ich habe ihn auch vermisst, als es z. B. in Brandenburg darum ging, Schließungen und Struktursachen zu vermeiden.

Aber von Herrn Naumann reden, meine Damen und Herren, heißt, auf seinen neuen Gesprächspartner kommen, nämlich Christoph Stölzl, der heute schon zu Recht mit sehr viel Vorschusslorbeeren bedacht worden ist. Ich bin überzeugt, dass er die schwierige Aufgabe, die er übernommen hat, unter Einsatz seiner vielen intellektuellen Möglichkeiten und Kontakte lösen wird. Ich habe ihn Ende der achtziger Jahre kennen gelernt, als es darum ging, das Deutsche Historische Museum durchzusetzen gegen den gesammelten Widerstand dieser Grünen-Fraktion. Die PDS gab es damals glücklicherweise noch nicht.

[Zurufe von den Grünen]

Aber Stölzl hat sich damals als Kämpfer erwiesen und seine Aufgabe erfolgreich durchgesetzt. Auch die Achtung – das werden Sie ungern hören –, die ihm der Bundeskanzler Kohl zugedacht hat, ist nicht ein Ergebnis einer Parteimitgliedschaft gewesen, sondern ein Ergebnis aus Achtung vor seiner Leistungsfähigkeit. Deshalb streichen wir die schlecht gelaunten Sätze, Frau Ströver, die Sie neulich abgelassen haben, besser aus dem Protokoll. An sich ist das nicht Ihr Stil, sonst müsste ich sagen: Sie blamieren sich so gut, wie Sie können.

[Frau Martins (Grüne): Frau Ströver hat wenigstens etwas zu sagen!]

Ich erwarte von Christoph Stölzl, dass er die Berliner Kultur sichert und stärkt, dass er ihr aufhilft und Berlin den Ruf, eine europäische Kulturmetropole zu sein, verstärken hilft. – Vielen Dank! [Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Dr. LehmannBrauns! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Ströver das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Metropole reden, Herr Lehmann-Brauns, das ist immer gut. Aber was ist eine Metropole? – Eine Großstadt mit internationalem Flair, mit einem weltoffenen Ambiente, mit einer Gastfreundlichkeit, die es jedem, der in diese Stadt kommt, möglich macht, zu bleiben.

[Gram (CDU): Ja, so sind wir eben!]

In den zwanziger Jahren des gerade vergangenen Jahrhunderts war Berlin eine solche Metropole. Damals war sie Magnet für Künstlerinnen und Künstler und auch für Wissenschaftler aus aller Welt. Daran sollte sich Kulturpolitik messen lassen. Welche echte Metropole würde es sich erlauben, die Mittel für internationalen Kulturaustausch oder Kultur für ausländische Mitbürger zu kürzen, wie es diese Koalition tut? – Das hat nichts mit Weltoffenheit zu tun. Das zeugt von provinziellem Kleingeist.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

So wird Berlin nicht zur Drehscheibe in Europa und zum Tor nach Osteuropa.

Ich habe in den vergangenen Wochen häufig den Eindruck, dass die Reduzierung auf Finanz- und Strukturdebatten in der Kulturfrage den Blick verstellt für die Bedeutung, die die Kultur für eine Stadt wie Berlin als einen elementaren Lebensbestandteil hat und ein Zentrum der Lebensqualität selbst ist.

Dieser Senat stellt jeden Senator – und mag er auch so eloquent sein wie Herr Stölzl – angesichts der problematischen finanziellen Lage vor die gleichen Schwierigkeiten wie seine geflohene Vorgängerin, denn den großen Worten folgt eben

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keine auskömmliche Kultur- und Wissenschaftsfinanzierung. Herr Lehmann-Brauns, Sie haben gerade ein beredtes Beispiel dafür gegeben: Alles soll der Bund machen, aber wir machen nichts! – Sie geben an, Weltstadt sein zu wollen, aber wo gibt es weltstädtische Visionen in dieser Koalition?

[Gram (CDU): Schauen Sie sich um!]

Nach dem, was Sie gesagt haben, hat man eher das Gefühl, man ist in Posemuckel.