Protocol of the Session on April 13, 2000

Benjamin Hoff, ich muss mit einem gewissen Bedauern oder Augenzwinkern feststellen, dass wir manchmal doch gleicher Meinung sind. Ich halte es für mindestens ebenso schade wie Sie, dass wir entscheidene Zukunftsfelder wie Wissenschaft und Kultur zu so später Stunde hier aufrufen müssen. Ich hoffe, dass wir uns in der Bedeutung dieser Einrichtungen trotzdem einig sind und es lediglich der Haushaltssystematik des Einzelplans 17 geschuldet ist, dass wir erst jetzt dran sind. Oder sehen wir es umgekehrt so: Wir setzen zum Schluss der Debatte eben doch ein Zeichen für eine Prioritätensetzung zugunsten von Wissenschaft und Kultur. Das sind doch immerhin die wichtigsten Zukunftsfelder des Landes Berlin auch in Zeiten knapper Finanzen. Heutzutage wird ja leider jede politische Entscheidung zugunsten der Wissenschaft, auf die wie stolz sind, erkauft mit unerlässlichen Opfern auch in diesem sensiblem Bereich.

Man kann eben kaum noch echte Erfolge verzeichnen, immer sind sie auch geprägt – ich drücke es positiv aus – von einem Bewusstsein für den Landeshaushalt als Ganzes. Das geht an die Adresse des Finanzsenators.

Ein Ausdruck der herausragenden Bedeutung der Wissenschaft für Berlin mag aber immerhin der Umstand sein, dass wir es mit einem Haushaltsvolumen von knapp 3,4 Milliarden DM – Herr Hoff, nicht 3,3 Milliarden DM –, mit dem drittgrößten Haushalt des Landes zu tun haben. Davon fließen in die Hochschulen, die wir mit 4-jährigen Verträgen abgesichert haben, allein im Jahr 2000 immerhin 2,2 Milliarden DM. Aber das ist so ein Opfer, das wir nur notgedrungen erbringen. Die Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen leisten auch einen erheblichen Konsolidierungsbeitrag. Die Etats sind von 1999 auf 2000 bereits um rund 90 Millionen DM – inklusive Medizin – gekürzt worden. Im Vergleich zum Wintersemester 1998 sind heute nicht mehr 136 000 Studierende in Berlin immatrikuliert, sondern nur noch knapp 130 000. Dass ich das nicht begrüßen kann, werden Sie hier verstehen. Einsparungen in dieser Größenordnung, die Absenkung der Studienplatzanzahl auf 85 000 in Berlin sind allenfalls ein Zeichen dafür, wie dramatisch die finanzielle Gesamtlage Berlins ist.

Ich möchte aber auch benennen, was trotz dieser Schwierigkeiten immerhin gelungen ist und – wie ich meine – nirgendwo so erfolgreich wie im Wissenschaftsbereich gelaufen ist. Anders als in allen anderen Ressorts haben wir es geschafft, in bemerkenswert kurzem Zeitraum die Hochschulen des Landes Berlin durch ein bisher nirgendwo erprobtes Instrument abzusichern, nämlich durch Vierjahresverträge, und zwar abzusichern vor allzu rigiden Einsparungen. Diese Besserbehandlung der Hochschulen ist eben das, was man eine politische Prioritätensetzung nennt. Die Verträge sind den Unis nur mühsam abgehandelt worden, wussten die Verantwortlichen doch auch, dass sie es in Zukunft mit weiteren Kürzungen der Globalzuschüsse zu tun haben würden.

Der Staat muss deshalb darauf bedacht sein, das einmal gewonnene Vertrauen nicht zu zerstören. – Da gebe ich Ihnen Recht. – Die Hochschulen mahnen das im Moment deshalb an, weil wir 27 Millionen DM als Konsolidierungsbeitrag zum

Haushalt 2000 aus dem im Kontext der Verträge zugesagten Überbrückungsfonds genommen haben. Aber, Herr Hoff, machen Sie einen besseren Vorschlag! Ich halte diesen Weg trotz der berechtigten Klage der Unis immer noch für erträglicher als jeden anderen, der die Etats immerhin direkt getroffen hätte.

[Eßer (Grüne): Das ist ein Vertragsbruch!]

Immerhin schließen die Verträge – auch das hätten Sie erwähnen müssen – eine Tarifvorsorge von 1,5 % ein, außerdem eine Berücksichtigung der Versorgungslasten und eine Steigerung der Sachmittelausgaben von 1 %. Die Kultureinrichtungen, die Sie erwähnt haben, wären froh, wenn sie das hätten.

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Auch dies ist ein Zeichen der Prioritätensetzung. Das ist auch richtig so, denn die Betrachtung der Ausgaben für Hochschulen unter den konsumtiven Ausgaben ist meines Erachtens falsch. Wir haben es bei den Wissenschaftseinrichtungen eben mit einem Teil der Zukunftsinvestition zu tun. Wer heute nicht in Qualifikation und Forschung investiert, kann für die Zukunft keine Erträge erwarten.

[Beifall bei der CDU, bei der SPD und des Abg. Hoff (PDS)]

Die Koalition wird an diesem Vorrang für Investitionen in die Zukunft festhalten. Wir haben deshalb der Vereinbarung der Ministerpräsidenten über Finanzierung von Max-Planck-Gesellschaft und DFG zugestimmt, die für diese Einrichtungen immerhin eine Steigerung von 3 % vorsehen. Berlin erhält über die hier ansässigen und im Aufbau befindlichen Institute der außeruniversitären Forschung für jede eigene DM zusätzliches Geld vom Bund und aus den anderen Ländern, was sich auch auf die Arbeitsplätze auswirkt. Die DFG koppelt darüber hinaus die Vergabe ihrer Mittel an eine überregionale Begutachtung. Ich möchte nicht verschweigen, dass die Berliner Hochschulen in diesem Wettbewerb sehr gut abschneiden. 23 Sonderforschungsbereiche zeigen die Leistungsfähigkeit der Forschung, 32 Graduiertenkollegs den Standard unserer Unis, vor allem im Bereich der Nachwuchsförderung. Deshalb wendet Berlin auch zusätzlich 1 Million DM mehr für das neue Emmy-Noether-Programm auf, das die frühe Selbständigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchs im Sinn hat. Und – wie versprochen noch vor der Osterpause – hat sich der Hauptausschuss nun tatsächlich dazu durchgerungen, einen ersten Schritt hin zur Realisierung des großen Bauprojekts TU und HdK-Bibliothek zu tun. Wir bekommen 60 Millionen DM vom Bund und 10 Millionen DM private Fördermittel. Es wäre schade, wenn wir das nicht gemacht hätten.

Das wichtigste strategische Zukunftsthema für die Wissenschaft steht jetzt kurz vor seiner Umsetzung. Der Wissenschaftsrat wird im Mai endlich seine Empfehlung für die Strukturentscheidung der Hochschulen in Berlin abgeben.

[Hoff (PDS): Ein Offenbarungseid!]

Wir sehen dem mit Spannung entgegen.

[Hoff (PDS): Mit Angst!]

Nein mit Spannung, Herr Hoff – Sie vielleicht mit Angst, aber wir mit Spannung. – Wir erwarten das Wissenschaftsgutachten über die Verteilung der Studienfächer und somit auch über die Profile der Unis. Das Gutachten wird sicherlich auch unangenehme Anmerkungen enthalten.

[Hoff (PDS): Dann geht das Hauen und Stechen erst richtig los!]

Aber was erstens das Vorgehen so bedeutend macht, ist, dass es sich das erste Mal seitens des Wissenschaftsrats um eine derart umfassende Empfehlung für ein ganzes Bundesland handelt. Zweitens bringt das Gutachten eine Gesamtstrategie zum Ausdruck, wie mit den Hochschulpotentialen in finanziell schwierigen Zeiten konzeptionell umzugehen ist. Eine Konzeption wie diese haben wenige Ressorts in solchen Zeiten auf Grund der Haushaltsnöte vorgelegt. Die Wissenschaft macht das, stellt sich auch den unangenehmen Empfehlungen eines Wissenschaftsrats.

Die zur Zeit so krisengeplagte Kultur kann sich an der Wissenschaft einmal ein Beispiel nehmen. Das ist jedenfalls besser, als das Geld aus dem Wissenschaftsbereich zu nehmen. – Herr Stölzl, ich muss Sie an dieser Stelle einmal ansprechen. Machen Sie bitte nie den Fehler, Teile Ihres Gesamtbudgets im Einzelplan 17 von der Wissenschaft zur Kultur umzuschichten oder umgekehrt! Das ist in der Vergangenheit schon passiert. Sie sollten es besser nicht wiederholen!

[Beifall des Abg. Hoff (PDS)]

Nehmen Sie sich lieber an einer Stelle ein Beispiel an der Wissenschaft, wo sie als Vorbild für die Kultur taugt. Ich nenne dazu 5 Punkte:

1. Hier ist ein Konzept von den Betroffenen selbst erstellt worden, das jetzt vom höchsten Fachgremium in Deutschland kommentiert wird. Diese Gesamtstrategie erscheint mir besonders wert, herausgehoben zu werden.

2. Die überfälligen Strukturreformen werden in der Wissenschaft sehr schnell angepackt, und zwar erstens durch die Verträge, die die Unis ein wenig vor der jährlichen Haushaltssystematik bewahren. Auch das halte ich für ein Musterbeispiel für die Kultur. Den Unis wird größere Autonomie gewährt, und dafür werden im Gegenzug Reformen eingeklagt, die auch kommen.

3. Diese Reformen werden in einem beachtlichen Tempo umgesetzt, und zwar durch die neuen Verfassungen, die sich die Unis im Zuge der Erprobungsklausel gegeben haben und die wir jetzt in ein neues Hochschulgesetz einfließen lassen. Auch das ist in weniger als 2 Jahren von der Idee zur Umsetzung gelungen.

4. Wir haben sowohl Tarifvorsorge getroffen als auch die Versorgungslasten in den Hochschulen berücksichtigt. Die Kulturhäuser wären froh, wenn sie das hätten.

5. Durch die im Zuge der Verträge gewonnene größere Flexibilität in der Haushaltssystematik und im öffentlichen Dienstrecht, das übrigens auf Bundesebene jetzt weitgehend novelliert wird, entstehen weitreichende Gestaltungsspielräume für eigenes Handeln der Universitäten bis hin zur leistungsbezogenen Mittelvergabe, zur Budgetierung der Fachbereiche, zur Erschließung von Einnahmequellen und die Chance, Studierende durch Auswahlgespräche für ihre Uni zu gewinnen, sind die Berliner Unis auf guten Weg, nicht nur Finanzprobleme zu meistern.

[Hoff (PDS): Höchstens 10 % der Professoren machen das!]

Ich gebe Ihnen Recht, ich wäre froh, wenn es 50 % wären, am besten 100 %. Aber ich wundere mich, dass Sie bei diesem Reformprozess jetzt so weit vorne stehen. Bisher war es immer die Opposition, die genau das nicht wollte.

[Beifall bei der CDU]

Im globalen Wettbewerb werden unseres Erachtens die Standorte bestehen, die mit intelligenten Ansiedlungen, mit jungen kreativen Leuten, mit Weltoffenheit und Leistungswillen nach vorne schauen.

Wissenschaft und Forschung sind das wertvollste Potential Berlins in diesem internationalen Vergleich. Deshalb werden wir unsere Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch in Zukunft schützen und sie in ihren Reformeifer unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Frau Grütters! – Für die Fraktion der CDU spricht nun Herr Lehmann-Brauns zum Thema Kultur. interjection: [Zurufe von links]

Ich gehe auch wieder, wenn ihr nicht wollt, dass ich rede.

[Zurufe]

Mein Freund Landowsky sagt, ich soll, dann mache ich das jetzt.

[Heiterkeit]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist wegen seiner Kulturprobleme ins Gespräch gekommen, übrigens europaweit. Landauf und landab wird nach Gründen, Ursachen, Perspektiven gesucht und gefragt. Nicht selten hört man auch, dass die Politik zu feige sei, um wirkliche Reformen durchzuführen, statt Dinge abzuschalten und auf andere Dinge draufzusatteln.

Diese Schlaumeier haben bisher jedenfalls noch nie benannt, wen sie denn umbringen wollen, und ebenso wenig, wer die glücklichen Überlebenden sein sollen.

[Frau Jantzen (Grüne): Wir wollen niemanden umbringen!]

Deshalb sind solche Vorschläge keine Lösung.

Ich möchte für die CDU feststellen, dass es für uns keinen schlimmeren Vorwurf gäbe als den, dass wir uns daran beteiligen würden, Kultureinrichtungen abzuschalten oder gar zu schließen.

[Wieland (Grüne): Das habt ihr doch gemacht!]

Es gibt nur einen Grund, Herr Wieland, weshalb ein Theater geschlossen werden muss, nämlich dann, wenn weder Sie noch die anderen Berliner dort hingehen.

Wenn keiner mehr hingeht, allerhöchstens die Familie des Intendanten, dann muss Schluss sein. Wir hatten so einen Fall schon einmal, die Freie Volksbühne im alten Westberlin. Sie können sich erinnern, und wenn nicht, dann müssen Sie das mit sich ausmachen.

Ab und zu fällt auch der Name Peter Radunski in dieser Debatte, und ihm wird das eine oder andere aufgeladen. Ihm wird insbesondere vorgehalten, dass er es daran hätte fehlen lassen, über Strukturen zu diskutieren – ein Vorwurf, der lediglich zeigt, dass die, die ihn erheben, entweder böswillig sind oder keine Ahnung von dem haben, was in der Kulturpolitik seit fünf Jahren los war.

[Beifall bei der CDU]

Es gibt keinen anderen Senator, mit dem wir nicht seit fünf Jahren in jeder Kulturausschusssitzung eigentlich nichts weiter diskutiert haben als Strukturverbesserungen. Sein Kreiselpapier ist auch von der Opposition mehr oder minder angenommen und akzeptiert worden.