Protocol of the Session on April 13, 2000

Zweites großes Beispiel – das Krankenhaus Buch: Es ist in einer sehr chaotischen Vorgängerpolitik hin- und hergezerrt worden. Es ist in einer Phase, in der wir alle noch von Bundesgeldern geträumt haben, von Herrn Orwat gigantisch geplant worden, mit einem Interventionszentrum, das so groß werden sollte, dass man für nahezu 20 Millionen DM einen Tunnel hätte bauen müssen – aber es ist nicht realisiert worden.

[Zuruf der Frau Abg. Künast (Grüne)]

Nach dem Gezerre – Sie alle können sich daran erinnern – um den Wissenschafts- oder Orwat-Standort gab es die Neubauplanung mit einem privaten Investor, und dann wurde das Ganze ausgeschrieben. Jetzt haben wir die Situation – letzte Woche musste es die Senatsverwaltung offen legen –, dass es keinen Investor gibt. Es ist also wieder so, dass alle anderen Krankenhäuser in dieser Stadt modernisiert werden, nur im Krankenhaus Buch passiert gar nichts. Dort wird nur geplant, und es werden Visionen betrieben, aber nichts passiert. Dieses Krankenhaus sieht noch genauso aus wie zur Wende. Es hat ein bisschen Farbe bekommen – das will ich gar nicht bestreiten –, aber ansonsten ist nichts passiert. Wenn das noch ein Jahr so weitergeht, dann haben wir eine ganz andere Diskussion in dieser Stadt: Dann gibt es nämlich die Überlegung, ob wir überhaupt noch ein Krankenhaus benötigen oder vielleicht eines mit

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300 Betten. Das kommt dann auf die Tagesordnung, und das hätten Sie zu verantworten. Natürlich sind Sie, Frau Senatorin, nicht dafür verantwortlich, dass diese Ausschreibung nicht geklappt hat, denn das beruht noch auf Fehlern Ihrer Vorgängerin – das will ich Ihnen zugestehen. Aber jetzt zu sagen, wir schreiben neu aus, das ist das so ähnlich wie Ihr Wahlplakat: Hier kommt Gabi mit den Stöckelschuhen und schreibt mal eben neu aus, denn das Alte hat nicht geklappt.

[Beifall und Heiterkeit bei den Grünen]

Das geht nicht! Das klappt nicht! Man kann nicht einem großen Krankenhaus, das immer nur die Wurst vor die Nase gehalten bekam, sagen: Na, dann schreiben wir eben neu aus, vielleicht finden wir ja einen Neuen. Ich halte das für keine tragfähige Überlegung und bitte Sie, in Buch die Fakten auf den Tisch zu legen.

Das Krankenhaus Buch hat im Augenblick 27 Millionen DM Schulden – Stand: Beginn dieses Jahres. Wenn dieses Jahr abgelaufen ist, dann vermute ich, dass wir weitere 15 bis 20 Millionen DM oben draufpacken können und einen Schuldenstand von mindestens 40 Millionen DM haben werden. Was machen wir damit? – Diese Schulden müssen bei der Privatisierung in den Haushalt übernommen werden, denn kein neuer Investor wird diese Schulden übernehmen. Oder wir müssen eine Lösung finden, wie wir in einer anderen Rechtsformkonstruktion dieses Krankenhaus betreiben können, aber es liegen keine Vorschläge vor.

Das Allerschlimmste, das in letzter Zeit im Gesundheitsbereich passiert ist, ist die Offenlegung eines schweren Desasters in der Finanzierung zu Artikel 14. Ich stehe nicht zum ersten Mal hier vorne und warne auch nicht zum ersten Mal davor, welches Haushaltsrisiko wir mit der falschen Finanzierung Berlins in einem Bundesmodellprogramm eingegangen sind. 1998 habe ich hier gestanden und gesagt: Wenn Sie das so weitermachen wie bisher – und zwar alle Verantwortlichen in der Koalition und nicht nur die damalige Senatsverwaltung –, dann laufen wir in ein Risiko, das eventuell eine Größenordnung von 120, 130 Millionen DM umfasst. Jetzt haben wir uns einen Bericht vorlegen lassen, in dem es heißt: 140 Millionen DM Bundesmittel sind definitiv verloren, wir können sie nicht mehr zurückholen. Man muss sich einmal vorstellen: Was die U 5 anbelangt, regt sich die gesamte Stadt auf, weil potentielle Bundesmittel in Höhe von 160 Millionen DM zurückgezahlt worden sind. Hierbei merkt überhaupt niemand, dass wir schon 140 Millionen DM verloren haben. Und wir haben wir noch ein weiteres Haushaltsrisiko von 100 Millionen DM, weil das Investitionsvolumen nicht mehr vorhanden ist, mit dem wir komplementär die Bundesmittel bedienen können.

Das heißt, wenn der ganze Vorgang abgeschlossen ist im Jahr 2004, hat das Land Berlin eine Viertelmilliarde DM der ihm zur Verfügung stehenden Bundesmittel nicht abgefordert. Und es gibt keine Verantwortlichen: Die alte Senatorin ist weg, Staatssekretär Orwat ist auch nicht mehr greifbar, irgendwie regt sich keiner auf, die Viertelmilliarde DM ist weg – das ist eine Art und Weise, mit öffentlichem Geld umzugehen, die katastrophal, die unverantwortlich ist.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die Verantwortung liegt in Ihrer Hand, Sie haben es gewusst, die Koalition hat es gewusst, die Finanzpolitiker haben es gewusst und der Regierende Bürgermeister auch. Das ist eine inakzeptable Situation. Es ist auch betrüblich, weil wir in anderen Bereichen Kleinbeträge zusammenkratzen müssen, und hier geht es um eine Viertelmilliarde DM, die wir verlierenn.

Im Bereich der Krankenhauspolitik gibt es noch ein Problem, das ich hier kurz ansprechen möchte, das sich wahrscheinlich in den nächsten Monaten dramatisch zuspitzen wird: Ausbildungsplätze für Pflegekräfte. Wir bilden in Berlin über 4 500 Krankenpflegekräfte aus. Das ist der größte Ausbildungsberuf für Frauen in Berlin, das ist eine hochqualifizierte Ausbildung, und wir haben es bisher auf Grund unserer Intervention geschafft, diesen Ausbildungsbereich zu verteidigen.

Jetzt will ich Ihnen die Situation ausmalen, wie wir sie hier in einem Jahr vielleicht diskutieren: Wir haben eine Krankenpflegeschule im Krankenhaus Moabit, Moabit soll geschlossen werden; wir haben zwei Krankenpflegeschulen – eine im AugusteVictoria-Krankenhaus, eine im Wenckebach-Krankenhaus – die zusammengelegt werden sollen, da können Sie sich vorstellen, was passiert; wir haben eine Krankenpflegeschule im Klinikum Buch, das soll vielleicht privatisiert werden, wir wissen nicht, ob der neue private Betreiber sie übernehmen wird – ich kann jetzt die ganze Latte durchgehen. Wenn wir dort nicht intervenieren und uns nicht etwas überlegen, ein anderes Konzept machen, dann garantiere ich Ihnen, dass wir in einem Jahr etwa 1 000 Ausbildungsplätze für den qualifiziertesten Ausbildungsberuf und quantitativ stärksten Ausbildungsberuf für Frauen in den Sand gesetzt und keine Chance haben, sie wieder aufzubauen. – Ich bitte Sie noch einmal, Frau Senatorin, Sie sind ja auch Senatorin für Arbeit,

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Und Frauen!]

mitzudenken und Konzepte zu entwickeln, wie wir es schaffen, dass wir wenigstens den Stand, den wir im Augenblick haben, verteidigen können. Das ist eine wirkliche Bedrohung, die Krankenhäuser werden es aus eigenen Mitteln nicht schaffen, diese Schulen zu unterhalten.

[Beifall bei den Grünen]

Nächster Punkt: Drogenpolitik. Es wird ja immer gesagt, die Opposition meckere hier nur herum und habe keine Vorschläge. Da will ich Ihnen die Drogenpolitik entgegenhalten. In der Drogenpolitik sind wir nahezu die einzige Fraktion im Haus, die Konzepte entwickelt hat, wie wir eine moderne Metropolen-Antidrogenpolitik in Berlin machen können, die Folgendes leistet: 1. Wir wollen das Los der drogenabhängigen Personen verbessern, ihre elende Lage, die auch davon abhängig ist, dass sie durch Polizeimaßnahmen zusätzlich in die Illegalität getrieben werden. Dies muss als Problem erkannt und ihre Situation verbessert werden. 2. Natürlich wissen wir, dass drogenabhängige Personen ihr Umfeld mit kriminellen Methoden überziehen, weil sie zu Geld kommen müssen. Sie haben eine hohe Klaurate, sie haben andere Methoden, um an Geld zu kommen, das ist ein schwieriges soziales Problem.

Die Vorschläge, die wir gemacht haben, gehen auf beide Punkte ein. Wir haben vorgeschlagen, in Berlin Drogenkonsumoder Gesundheitsräume einzurichten, damit wir das wenigstens in einem Bereich etwas unter Kontrolle haben, damit wir Kontakt aufnehmen können zu diesen Personen. Dann können wir zu den Schwerstabhängigen sagen: Wir wollen euch wieder integrieren, nehmt Kontakt zu dem Hilfesystem auf, wir beschaffen euch einen Raum, wo ihr unter nicht illegalen Bedingungen Drogen konsumieren könnt. – Dies ist ein Konzept, das sich auch unter konservativen Regierungen in anderen Ländern bewährt hat. Die Schweiz macht das. Es gibt ähnliche Ansätze in Holland, in England. Sie sind alle evaluiert, Sie müssen das nur einmal lesen, die Ergebnisse sind eindeutig positiv. Es steht Berlin gut an, insbesondere deswegen, weil die Bundespolitik geändert wurde. Wir haben eine Chance, uns an einem kompletten Programm für die Bundesrepublik zu beteiligen,

[Bm Dr. Werthebach: Um Gottes Willen!]

ich halte es für eine Schande, dass die Hauptstadt, obwohl sie von diesem Problem sehr stark gebeutelt wird, sich nicht aktiv darum bemüht, sondern das im Augenblick eher aus Sichtweise der Innenpolitik ablehnt. Ich setze hier ganz auf die SPD,

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Bist du wahnsinnig?]

dass wir hier im Parlament eine Mehrheit zusammenbekommen, um das umzusetzen.

Als Letztes: Die Kürzungen bei den Sozialprojekten sind hier bereits angesprochen worden. 5 Prozent Kürzungen bei Projekten, die schlecht finanziert sind, die mit hohem Eigenengagement arbeiten und für die soziale Absicherung einer Stadt wichtig sind, sind nicht akzeptabel. Wir sollten diesen Bereich in Zukunft von solchen pauschalen Kürzungen verschonen. Diese

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Menschen in den Projekten leisten wichtige Arbeit für die Stadt und verdienen unsere Anerkennung und Unterstützung und nicht Kürzungen von 5 Prozent pro Jahr. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Für die Fraktion der SPD hat Frau Helbig das Wort – bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in der Diskussion wieder etwas mehr zurückkommen auf die eigentliche Haushaltsdebatte. Wir haben gerade zwar interessante Ausführungen gehört, aber wir sollten uns etwas mehr auf das konzentrieren, um das es hier heute geht.

[Frau Jantzen (Grüne): Es geht darum!]

Ich möchte es noch einmal betonen: Die konsequente Konsolidierungspolitik ist auch im Jahr 2000 das erklärte Ziel der Koalition. Das ist heute bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen. Von den mehr als 40 Milliarden DM Gesamtvolumen des Haushalts entfallen auf den Einzelplan 11 – Gesundheit und Soziales – rund 1,4 Milliarden DM. Das sind 3,5 Prozent des Gesamthaushalts. Das ist so genommen nicht viel, die Auswirkungen jedoch, die der Einzelplan Gesundheit und Soziales auf die Lebensverhältnisse der Menschen hat, ist dafür umso größer. In diesem Bereich befinden wir uns in einem gigantischen Umstrukturierungsprozess. Die politische Debatte der letzten Monate und mit Sicherheit auch der nächsten Zeit ist geprägt durch die Fragen, die sich aus der Umsetzung des Krankenhausplans ergeben und die mit den Strukturentscheidungen zur Bildung eines Landesbetriebs für die städtischen Krankenhäuser zusammenhängen.

Im Sozialbereich werden wir uns damit auseinander setzen müssen, welche Angebote für eine menschenfreundliche soziale Stadt notwendig, aber auch bezahlbar sind.

[Beifall bei der SPD]

Bei all unseren Maßnahmen müssen wir darauf achten, dass sich die Menschen in ihren Kiezen wohlfühlen und gerne in dieser Stadt leben, sich geborgen und zu Hause fühlen.

An dieser Stelle wollen wir an die vielen ehrenamtlich und hauptamtlich Arbeitenden in den Beratungsstellen und Projekten der Stadt erinnern, die mit relativ geringen Ressourcen hevorragende Arbeit leisten, die die öffentliche Hand so sonst nicht bezahlen könnte. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung.

Wie wird nun der hier zur Abstimmung vorliegende Haushalt diesen politischen Ansprüchen gerecht?

[Zuruf von links: Gar nicht!]

Lassen Sie mich einige Punkte herausgreifen.

Zunächst der Telebus: Auch wir begrüßen es, dass es im Zuge der Haushaltsberatungen gelungen ist, einen Weg zu finden, die Kürzung von 1999 rückgängig zu machen und damit von der Senatorin zugesichert worden ist, dass eine Angebotsminderung auf Grund fehlender Haushaltsmittel nicht eintreten wird. Andererseits sage ich an der Stelle auch: Sparen kann man auch durch Optimieren, insofern werden wir zu dem Thema im Rahmen der neuen Telebusverordnung sicher noch weiter zu diskutieren haben.

[Beifall bei der SPD]

Frau Schulze, ich frage mich, welchen Haushalt Sie eigentlich vorliegen hatten, wenn Sie vorhin dieses Szenario gemalt haben, indem Sie so tun, als ob die sozialen Projekte nun wirklich völlig am Ende wären. Ich will nicht schönreden, dass die fünfprozentige Kürzung der Zuwendungen aus dem Haushaltssanierungsgesetz hier ein großes Problem, aber wenn ich mir die Abschlusssummen des Einzelplans 11 anschaue, dann ist hier erkennbar, dass ein sogar noch leicht steigender Betrag an Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme der Investitionen etatisiert ist. Ein Szenario zu malen, dass davon ausgeht, hier sei alles auf der Kippe, das können wir so nicht teilen.

Im Gegenteil ist es gelungen, die Projektförderung im sozialen Bereich und in der Ausländerarbeit im Wesentlichen am Status quo abzusichern, obwohl das natürlich auf Grund der Kürzungen in den letzten Jahren schon eine sehr knappe Finanzierung ist. Es soll, wie ich es bereits eben sagte, nicht über die Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die sich aus den Kürzungen auf Grund des Haushaltssanierungsgesetzes ergeben.

Bei der Projektförderung stehen wir erst am Anfang der Diskussion. Es wird politisch unsere Aufgabe sein, einen Wandel von der Zuwendung in die Leistungsfinanzierung zu vollziehen. Dabei müssen wir die Betroffenen mitnehmen und auch die Qualitätsdebatte führen. Hier bin ich nicht so pessimistisch, wie es die Opposition vorhin für den Jugendbereich diskutiert hat. Ich denke, dass wir hier auf einem guten Weg sind.

Über die Arbeit der Hospizbüros möchte ich aus Zeitgründen nichts mehr sagen. Darüber hat die Kollegin Herrmann vorhin schon Ausführungen gemacht, wobei wir an einer Stelle etwas anderer Auffassung sind. Das Hospizbüro sollte unserer Meinung nach nicht zu Lasten ehrenamtlicher Hospizdienste finanziert werden.

Lassen Sie mich noch kurz ausführen – ich habe schon die rote Karte bekommen. – Wir begrüßen es, dass in großem Maße die Errichtung von Pflegeheimen im ehemaligen Ostteil der Stadt in Angriff genommen wird, denn hier haben wir durch die 80-prozentige Beteiligung die Chance, wesentliche Infrastrukturverbesserungen zu schaffen, auch das ist schon gesagt worden.

Wenden wir uns noch kurz dem Gesundheitsbereich zu.

[Zuruf: Nein!]

Es ist unsere soziale Verantwortung, die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger dezentral sicherzustellen und gleichzeitig unsere Verpflichtung, auch die Interessen der Beschäftigten im Auge zu behalten. Die immer wieder aufflammende Diskussion um betriebsbedingte Kündigungen, insbesondere im Gesundheitsbereich, in den letzten Wochen, ist nicht angemessen.

[Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]