Protocol of the Session on March 9, 2000

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Schönen Dank, Herr Niedergesäß! Frau Kollegin Oesterheld, Sie haben die Gelegenheit, darauf zu erwidern, und zwar für eine Minute. Bitte schön!

Herr Niedergesäß! Ich bin Ihnen für diese Zwischenfrage sogar sehr dankbar. Heute passiert nämlich dasselbe, was damals passiert ist: Wir haben gewarnt vor dieser Art von Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Es liegt nicht daran, dass es Sozialwohnungen sind. Es lag immer daran, wie die Förderung gemacht wurde. Es gab viele, die gesagt haben, ihr könnt so nicht fördern, weil ihr dann irgendwann in ein finanzielles Desaster kommt, das ihr heute gar nicht berücksichtigt. Und es wurde trotzdem so gefördert. Genau das Gleiche ist es, was ich heute und hier will. Hören Sie auf, als Erstes GSW und GEWOBAG zu verkaufen, sonst stehen Sie hinterher da und sagen, wir haben das Desaster.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Es ist genau dasselbe Problem, das damals niemand hören wollte: Es war ganz absurde Förderung. Und jetzt möchte niemand hören, dass man die GSW nicht verkaufen darf.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Dr. Arndt. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die derzeitige Diskussion in der Stadt, aber auch hier im Hause, die sich in der Großen Anfrage der SPD und in der Aktuellen Stunde niederschlägt,

[Frau Michels (PDS): Der PDS!]

Sicher, die PDS – greift sicherlich Befürchtungen und Ängste in dieser Stadt auf, Befürchtungen, die wir – ebenso wie die hier vorgebrachten Argumente – als Sozialdemokraten ernst nehmen. Aber die Stoßrichtung Ihrer beiden parlamentarischen Initiativen zeichnet sich in einigen Punkten im Detail durch Sachlichkeit, jedoch im Ganzen durch intellektuelle Armut aus.

[Heiterkeit bei den Grünen]

Sie reduzieren die soziale Wohnungswirtschaft allein auf die Eigentumsfrage. Ein verhängnisvoller Fehler, den die Linke in der bundesrepublikanischen Geschichte immer gemacht hat: Wohnungswirtschaft – oder überhaupt Wirtschaft – allein mit der Eigentumsfrage zu verbinden.

[Frau Künast (Grüne): In der bundesrepublikanischen! – Wolf (PDS): Weltweit!]

Der Senator sprach am Anfang der Debatte an, was wir hier in Berlin in den letzten Jahren für die soziale Wohnungswirtschaft an Finanzmitteln investiert haben. Diese Leistungen fallen nicht wie Manna vom Himmel; sie müssen von den Menschen hier in der Stadt erarbeitet werden, von den Steuerzahlern. Soziale Wohnungswirtschaft benötigt erhebliche finanzielle Ressourcen. So hat Berlin im Vergleich zu den anderen Bundesländern – der Senator führte es an – ein Vielfaches in die soziale Wohnungswirtschaft investiert, pro Einwohner 930 DM. Das ist das Fünffache von Hamburg mit 170 DM und von Bremen mit 190 DM. Im Städtebau hat Berlin 90 DM pro Einwohner investiert, Hamburg 30 DM, Bremen 10 DM; der Länderdurchschnitt liegt bei 30 DM.

[Wolf (PDS): Ist das jetzt gut oder schlecht? – Ich finde das schlecht!]

Diese Leistungen haben sich nach unserer Auffassung gelohnt. Das können Sie nicht bestreiten. Das wird auch in der Stadt nicht bestritten.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Frau Michels (PDS): Worüber reden wir denn eigentlich?]

Das sind Leistungen, die allerdings den Berliner Haushalt erheblich beansprucht haben. In einigen Punkten sind Fehlentwicklungen aufgetreten, die aufgelöst werden müssen. Allerdings wird es auch in der Zukunft nur möglich sein, eine soziale Wohnungswirtschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln, wenn die Wohnungswirtschaft hierzu einen Beitrag leistet – nicht nur für die Konsolidierung des Haushalts, sondern vor allen Dingen auch für die weitere Modernisierung und Instandsanierung. Diese Mittel müssen weiter so eingesetzt werden, dass die Stadtteile, die derzeit noch nicht im guten Zustand sind, auch so saniert werden, dass dort Urbanität und wirtschaftliches Leben einkehrt.

Die Reduzierung der sozialen Wohnungswirtschaft auf die Eigentumsfrage vernachlässigt, dass soziale Wohnungswirtschaft vor allem zunächst Mietermarkt bedeutet. Über 150 000 Wohnungen sind seit 1991 gebaut worden. 4 000 Wohnungen wurden in den Plattenbauten saniert und modernisiert. Derzeit stehen 80 000 leere Wohnungen als Fluktuationsreserve zur Verfügung.

[Beifall des Abg. Gaebler (SPD) – Wolf (PDS): Das kostet pro Jahr 2 Milliarden DM!]

Das ist eine Leistung, die nicht oft genug unterstrichen werden kann. Wir werden diese Politik fortsetzen. Trotz der notwendigen Schritte zur Haushaltskonsolidierung werden wir als SPD-Fraktion dafür sorgen, dass weiter erhebliche Mittel für die Stadterneuerung bereitgestellt werden und weitere Flächenreserven für den Wohnungsneubau im Flächennutzungsplan und über das Planwerk Innenstadt ausgewiesen werden. Das sind Maßnahmen zur Entlastung des Wohnungsmarktes in der Zukunft. Das ist soziale Wohnungswirtschaft.

[Frau Michels (PDS): Das glaubt nur keiner!]

Soziale Wohnungswirtschaft reduziert sich nicht auf die Eigentumsfrage, sondern bedeutet erst einmal Vielfalt der Eigentumsstrukturen. Sie haben es aufgeführt.

[Frau Michels (PDS): Die wollen wir auch! – Zuruf des Abg. Wolf (PDS)]

Es ist falsch anzunehmen, dass Wohnungsunternehmen per se in die Wohnungspolitik investieren. Nein, ihre Entscheidungen sind individuell. Private, genossenschaftliche und städtische Unternehmen haben unterschiedliche Begabungen in der Bewirtschaftung, Erstellung und Betreuung von Wohnraum. Wir wollen diese Begabung für alle nutzen.

[Frau Michels (PDS): Wir auch!]

Wer auf einen Eigentumsträger setzt, der muss sich auch einmal auseinandersetzen.

[Frau Michels (PDS): Nein, wir wollen Ihrer Logik nicht folgen!]

Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich, wie aus der Sicht der städtischen Wohnungswirtschaft soziale Wohnungswirtschaft auszuschen hat. In einer Stellungnahme zum Vorschlag zur Mietrechtsvereinfachung heißt es in den BBV-Nachrichten, es geht eindeutig um eine erneute Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten derer, die Wohnungsversorgung ermöglichen. Die Absenkung der Modernisierungsumlage auf 9 % und der Kappungsgrenze bei der Mieterhöhung auf 20 % sind wohl die griffigsten Beispiele. Damit ist der Widerstand der Wohnungswirtschaft vorprogrammiert.

Soziale Wohnungswirtschaft ist eben mehr, als auf städtische Eigentumsstrukturen zu setzen. Trotz dieser Ausführungen sind wir stolz auf die städtischen Eigentumsstrukturen, weil sie in der Vergangenheit – und dies zeigen auch empirische Erhebungen – [Frau Michels (PDS): Ist ja richtig peinlich!]

wie keine andere Wohnform auch das Wohnen zur Miete hier in Deutschland, in Berlin modellhaft gefördert haben.

[Frau Michels (PDS): Der weiß ja gar nicht, worum es geht!]

Ich möchte nur noch einige andere Stichpunkte nennen. Soziale Wohnungswirtschaft reduziert sich nicht auf die Eigentumsfrage, sondern bedeutet moderate Mietentwicklung. Wir haben dafür gesorgt, die Stichworte fielen von Herrn Goetze und vom Herrn Senator. Soziale Wohnungswirtschaft reduziert sich nicht auf Eigentumsfrage, sondern bedeutet vor allen Dingen Einstieg in den Ausstieg steigender Betriebskosten. Wir haben hier in der letzten Periode angefangen, in den letzten zwei Jahren sind die Betriebskosten kontinuierlich gefallen. Wir werden in dieser Legislaturperiode in Angriff nehmen, dass die zweite Miete in dieser Stadt erheblich gesenkt wird. Ein Heizspiegel, den wir als Antrag hier eingebracht haben, der verbindlich sein will, eine Betriebskostenstelle beim Senat sollen zur Information und Hilfestellung der Bewohner dienen und sollen den Einstieg in den Ausstieg der steigenden Betriebskosten ermöglichen.

Soziale Wohnungswirtschaft reduziert sich nicht auf die Eigentumsfrage, sondern bedeutet vor allen Dingen die Förderung guter Nachbarschaft. Der entspannte Wohnungsmarkt ermöglichte seinerzeit einkommensstarken langjährigen Mietern den Wegzug aus den Beständen. Wir haben Probleme damit gehabt. Wir haben um die Durchmischung dieser Quartiere gebangt. Wir haben eine strategische Politik begonnen, die den Quartiersfrieden befördert hat. Wir werden diese Anstrengungen fortsetzen und die Fehlbelegungsabgabe innerhalb des S-Bahnrings abschaffen. Wir werden weitere Problemgebiete von der Fehlbelegung befreien und auflösen. Wir werden ferner die Zweckentfremdungsverbotsverordnung so weit novellieren, dass neue Wirtschaftsschichten hier auch im städtischen Wohnungsbestand wirken und arbeiten können. Ich glaube, das ist ein Zukunftsmodell für die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft Berlins. Das ist auch soziale Wohnungswirtschaft.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich möchte noch hinzufügen: Das Wort „Genossenschaften“ ist heute oft gefallen. Ich habe mit Herrn Borghorst aus meiner Fraktion dies in der Tat

umgesetzt und eine Kooperation begonnen. Er wird also den zweiten Teil der Rede fortführen und beenden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Schönen Dank, Herr Kollege! Also im Rahmen der Genossenschaft hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Borghorst für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege!

[Wieland (Grüne): Nur eine Minute oder wie lange?]

Nein, viel länger.

Herr Kollege Wieland, das ist keine Intervention; auch keine Genossenschaft, sondern eher eine Teamarbeit, würde ich mal sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

[Frau Künast (Grüne): Ich vermisse das Wort „Genossen“! ]

Ich würde ganz gern einige Anmerkungen machen zu Äußerungen aus den Oppositionsfraktionen, gerade auch zu dem Thema Genossenschaftsbildung und -gründung und auch zur Zukunft städtischer Wohnungsbaugesellschaften. Frau Michels, es ist ja gar keine Frage: Berlin wird auch in Zukunft eine Mieterstadt bleiben. Mieterstadt war Berlin aus der besonderen Situation des Westteils und des Ostteils. Ich denke, eine vernünftige Eigentumsbildungsstrategie kann und muss auch in Berlin sinnvoll sein und deshalb aus unserer Sicht auch angepackt werden. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben ohne Zweifel in den vergangenen Jahrzehnten, und ich glaube, auch gerade in den vergangenen Jahren nach der Wende, Enormes geleistet. Und ich finde, es ist wichtig, dieses hier auch hervorzuheben, dass hier wirklich hervorragende Leistungen entwickelt wurden und vor allen Dingen die Wohnungsbaugesellschaften sich auch zusehends zu Dienstleistungsunternehmen für die Mieterinnen und Mieter entwickelt haben. Das, finde ich, sollte man zur Kenntnis nehmen. [Beifall bei der SPD]

Und ich will Ihnen deshalb auch sehr deutlich sagen: Aus Sicht der SPD-Fraktion gibt es sicherlich sehr viele, ich gehöre auch mit dazu, denen es vielleicht nicht unbedingt immer Spaß macht, städtische Wohnungsbaugesellschaften zu verkaufen. Aber – und ich sage Ihnen, Herr Wolf, Sie haben hier nur ein einziges Beispiel aufgezeigt, wo Sie eine Alternative dargestellt haben; das war Genossenschaften.

[Landowsky (CDU): Ist doch gar keine Alternative!]

Ja, deswegen sage ich ja: Das ist natürlich ein kleines und wichtiges Element, das unterstützen wir. Wir halten Genossenschaftsgründung für sinnvoll, und wir halten auch den Kauf von Wohnungen durch Genossenschaften für sinnvoll. Aber damit lösen Sie die Fragen, die vor uns stehen in Berlin, überhaupt nicht hinreichend. Das ist viel zu kurz gegriffen.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Landowsky (CDU)]