Protocol of the Session on March 9, 2000

[Beifall bei der SPD]

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass rund 750 000 Haushalte weiterhin auf preiswerten Wohnraum in Berlin angewiesen sind. Zurzeit werden rund 220 000 öffentlich geförderte Wohnungen von sozialwohnungsberechtigten Haushalten bewohnt. Aber in der Tat haben wir weitere 600 000 nicht preisgebundene Wohnungen, die laut Mietspiegel unter den für vertretbar gehaltenen Nettokaltmieten von 9 DM pro Quadratmeter liegen. Das ist der Bereich der Einstiegsmieten – 8,50 DM, 9 DM heutzutage im sozialen Wohnungsbau. Von diesen Wohnungen befindet sich ungefähr die Hälfte im Westteil und die Hälfte im Ostteil, so dass wir dabei auch eine ziemlich gleichgewichtige Verteilung haben.

[Frau Oesterheld (Grüne): Ist überhaupt nicht wahr!]

Insgesamt besteht also damit ein Angebotspotential für einkommensschwache Haushalte in einer Größenordnung von 860 000 Wohnungen. Dieses Segment preiswerten Wohnens werden wir sichern, auch in Zeiten knapper Kassen. Wir tun auch in diesem Haushalt vieles dafür.

Im Haushalt meiner Verwaltung sind für das Jahr 2000 450 Millionen DM für Modernisierung und Instandsetzung vorgesehen. Damit und mit den darin enthaltenen Bundesmitteln werden in diesem Jahr 20 000 Wohnungen in Stand gesetzt und die Mieten begrenzt. In den vergangenen vier Jahren hat Berlin insgesamt 6,7 Milliarden DM für den Wohnungsneubau, für Modernisierung und Instandsetzung ausgegeben. Dies ist deutlich mehr als jedes andere Bundesland. Von 1991 bis 1998 wurden allein durch Förderprogramme Investitionen von mehr als 14 Milliarden DM für den Wohnungsmarkt ausgelöst. 41 % des gesamten Wohnungsbestandes sind von 1991 bis 1998 mit Mitteln für Neubau, für Plattensanierung, für Sanierung und Modernisierung bedacht worden. So lagen beispielsweise 1997 die Pro-Kopf-Ausgaben für Wohnungsbauförderung in Berlin fünffach über dem Deutschlanddurchschnitt.

[Dr. Arndt (SPD): Hört, hört!]

Die Städtebauausgaben lagen in Berlin dreimal so hoch wie im Deutschlanddurchschnitt. Dies sind enorme Anstrengungen der Stadt für ihre Bürgerinnen und Bürger. Daran werden wir festhalten. [Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Wir werden mit Modernisierungs- und Sanierungsförderungsmitteln das Angebot an preiswerten Altbau- und Plattenwohnungen aufrechterhalten, mit Milieuschutz und Sanierungsgebieten Mieterhöhungen begrenzen. Wir halten am Instrument des Mietspiegels fest, weil durch Transparenz Mietpreissteigerungen begrenzt werden. Der nächste Mietspiegel soll voraussichtlich im Frühsommer dieses Jahres als erster Gesamtberliner Mietspiegel veröffentlicht werden.

Und im Übrigen – auch soweit Wohnungen verkauft werden, stehen sie selbstverständlich dem Berliner Wohnungsmarkt weiterhin zur Verfügung. Vorhandene Belegungsbindungen bleiben auch nach dem Verkauf bestehen. Die städtebaulichen und sozialen Probleme einiger Großsiedlungen sind unübersehbar. Sie hängen mit den Größenordnungen zusammen. Deshalb kann es übrigens, um auf einen Teil Ihrer Frage einzugehen, auch richtig sein, in Zukunft Belegungsbindungen zu kaufen, weil Sie über gekaufte Belegungsbindungen eine andere räumliche Verteilung der Belegungsbindungen hinbekommen und nicht immer alles nur in bestimmten wenigen Orten konzentrieren müssen.

[Zurufe der Abgn. Frau Oesterheld (Grüne) und Over (PDS)]

Ob aber langfristig Belegungsbindungen hinzugekauft werden müssen, hängt vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Stadt ab. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist das vordringliche Ziel dieses Senats.

[Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Nicht die Subventionierung des Wohnungsmarkts wollen wir erreichen, sondern wir wollen die Steigerung der verfügbaren Haushaltseinkommen für alle in Berlin erreichen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

In den Jahren 1998/99 wurden durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften 3 700 Wohnungen an Mieter verkauft. Diese Zahl ist unbefriedigend. Sie wird weiter gesteigert angesichts der zum Verkauf angebotenen Wohnungen und der steigenden Akzeptanz von Wohneigentum. Der Kauf einer Bestandswohnung stellt wegen des durchschnittlich erheblichen Preisunterschiedes zum Kaufpreis einer Neubauwohnung für eine große Zahl von Haushalten mit Wohneigentumsnachfrage eine interessante Alternative dar. Die Eigentumsbindung wird nicht nur im Neubau, sondern mit der Bestandsförderung auch im Altbau unterstützt.

[Frau Oesterheld (Grüne): Seit wann denn? Wer wollte das denn?]

Dies werden wir fortsetzen. Wie das Wort schon sagt, erhöhen Immobilien die Bindung an die Nachbarschaft. Wer seine Mietwohnung kauft, der bleibt im Quartier. Damit leisten wir einen Beitrag zur sozialen Mischung und zur Stabilität unserer Kieze. Ich wünschte mir, dass die Wohnungsbaugesellschaften beim Mietereigentum noch einen Zacken zulegen, gerade auch in den Altbaubeständen der Innenstadt.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und ich wünschte mir, dass sie sich dabei nicht nur auf die klassische deutsche Familie konzentrieren, sondern auch überlegen, wie Angebot und Information z. B. für Menschen anderer Herkunftssprachen gestaltet sein müssen. Wir wissen doch längst, dass die Aufsteiger der zweiten und dritten Generation – genauso wie alteingesessene Berliner – bestimmte Wohnbereiche verlassen, um in sozial gemischte Gebiete zu ziehen. Wohneigentum kann diesen Prozess positiv beeinflussen.

Für eigentumsorientierte Genossenschaften haben wir im Sommer des vergangenen Jahres eine neue Förderung aufgelegt. Daneben ist grundsätzlich die Inanspruchnahme der Modernisierungs- und Instandsetzungsförderung möglich. Wir wollen den Genossenschaftsgedanken wieder beleben. Wir wollen, dass sich neue Genossenschaften gründen, und wir werden dies tatkräftig unterstützen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Der Verkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften ist kein ordnungspolitisches Anliegen des Senats. Er ist ein Akt der Notwehr angesichts der Lücke im Berliner Haushalt, die zwischen Einnahmen und notwendigen Ausgaben klafft. Mir scheint es aber verantwortbar, einen Teil der Mittel, die wir in dieser Legislaturperiode für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ausgeben, also in den Wohnungsbestand dieser Stadt investiert haben, durch den Verkauf von Anteilen an städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu finanzieren. Damit sichern wir die Sanierungsgebiete im Ostteil der Stadt, damit finanzieren wir die Sanierung der Plattenbausiedlungen, und damit bauen wir neue Wohnungen. Wer dies alles nicht mehr will, der soll es hier sagen!

[Zurufe von links]

Mir liegen die Sanierungsgebiete und die Siedlungen in Hohenschönhausen, in Marzahn oder in Hellersdorf am Herzen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich will, dass sich das Land Berlin dort weiter engagieren kann. Ich will diese Gebiete nicht im Stich lassen. Deshalb lasse ich mich auf die Veräußerungen ein, um die Finanzierung für die nächsten 4 Jahre für diese Gebiete sicherstellen zu können.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

(A) (C)

(B) (D)

Sen Strieder

Ich glaube, nicht, dass sich dieses Thema zu parteipolitischen Kampagnen eignet.

[Beifall des Abg. Dr. Arndt (SPD)]

Überlegen Sie sich gut, ob Sie dem Gemeinwesen damit einen Gefallen tun!

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Angst schüren und Verunsicherung betreiben, wird sich für Sie nicht lohnen, weil die Mieterinnen und Mieter dies alles durchschauen werden.

Dem Senat ist wohl bewusst, dass die sichere und bezahlbare Wohnung ein Grundbedürfnis ist. Zu viele haben in den vergangenen Jahren im Ostteil die Erfahrung machen müssen, dass ihr Zuhause nicht gesichert war, dass Luxusmodernisierung für sie nicht bezahlbar war. Deshalb achten wir auf die Mieterrechte und setzen sie auch durch. Die Verträge sind so gestaltet, dass niemand um sein Zuhause fürchten muss.

Der Senat hat noch keine Entscheidung getroffen, wie und an wen die GSW zu privatisieren ist. Ich – das habe ich deutlich gemacht – halte das Angebot unserer Bankgesellschaft für gut. Wir werden es intensiv prüfen. Nichts würde sich dann für Mieter und Arbeitnehmer ändern, wenn die GSW aus dem Eigentum des Landes in das Eigentum der Bank des Landes übergeht. Außer an Mieter könnten keine Wohnungen verkauft werden, nicht an Investoren, nicht an Zwischenerwerber, nicht an Spekulanten, [Zurufe von links]

und Ihre Kampagne wäre geplatzt. Das ist es, was Sie in Wirklichkeit ärgert!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Mieterinnen und Mieter in Berlin sollen wissen, dass der Senat seine Entscheidung daran ausrichten wird, dass das gesicherte Zuhause für jeden und für jede ein Grundrecht ist. – Vielen Dank! [Beifall bei der SPD und der CDU]

Schönen Dank, Herr Senator! – Das Wort zur Besprechung hat nun Herr Kollege Wolf für die Fraktion der PDS. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator Strieder! Das eine ist Formulierung von Ansprüchen, das andere ist das politische Handeln und das politische Tun. Im Bereich der Ansprüche sind wir uns durchaus einig, wir wollen eine kommunale Wohnungswirtschaft innerhalb dieser Stadt weiter sichern. Denn wir sind der Auffassung, dass kommunale Wohnungswirtschaft, das Wohnungsunternehmen in der öffentlichen Hand, notwendig sind, um regulierend auf den Wohnungs- und Mietenmarkt Einfluss zu nehmen, mietpreisdämpfend und ein unverzichtbares Instrument des sozialen Ausgleichs und der Sicherung von sozialer Gerechtigkeit in dieser Stadt sind. So weit die verbale Übereinstimmung.

Die Realität ist allerdings eine andere. Die Realität ist, dass dieser Senat die kommunale Wohnungswirtschaft und eine soziale Wohnungsversorgung in dieser Stadt aufs Spiel setzt, weil er aus kurzfristigen, vorgeblichen haushaltspolitischen Interessen eine Privatisierungsoffensive einleitet, die unserer Ansicht nach nicht verantwortbar ist. Das werde ich versuchen, im Einzelnen nachzuweisen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Wir müssen als Ausgangspunkt zur Kenntnis nehmen, was die Situation der kommunalen Wohnungswirtschaft in dieser Stadt ist. Die Situation besteht nicht darin, dass die kommunalen Wohnungsunternehmen noch einen wesentlichen Beitrag zur Sanierung des Berliner Landeshaushalts leisten könnten, sondern diese kommunalen Wohnungsunternehmen – in ihrer Gesamtheit betrachtet – sind selbst ein Sanierungsfall, müssen saniert werden und wieder lebensfähig und handlungsfähig gemacht werden. Darum geht es in dieser Auseinandersetzung.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Zurufe von der SPD]

Und dazu gehört es, zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Gesellschaften – wenn man alle Wohnungsbaugesellschaften im Besitz des Landes Berlin insgesamt betrachtet – in den letzten Jahren in zunehmendem Maße ein negatives Betriebsergebnis erwirtschaftet haben. 1998 betrug das Defizit aus der kommunalen Wohnungswirtschaft mehr als eine halbe Milliarde DM, weil der Großteil der Gesellschaften – bis auf wenige Ausnahmen, über die wir nachher noch reden werden – defizitär arbeitet, weil diese Gesellschaften nicht in der Lage sind, aus ihren laufenden Einnahmen ihre Aufgaben sowohl der Bewirtschaftung als auch der Sanierung von Wohnungsbeständen zu finanzieren.

In Ihrer Beantwortung der Großen Anfrage, Herr Senator, haben Sie selbst festgestellt, dass die Gesellschaften in den letzten Jahren aus „wirtschaftlichen Gründen“ 42 000 Wohneinheiten haben veräußern müssen. Was heißt das denn: „aus wirtschaftlichen Gründen 42 000 Wohneinheiten veräußern müssen“? Das sind privatisierte Wohneinheiten, die über die Privatisierung, die nach dem Altschuldenhilfegesetz notwendig gewesen wäre, hinausgegangen sind. Das heißt ganz einfach, die Gesellschaften waren gezwungen, 42 000 Wohnungen zu veräußern – und davon den geringsten Teil an Mieter –, um ihr Überleben zu sichern, um ihre Liquidität zu gewährleisten. Das ist die Situation der kommunalen Wohnungswirtschaft in Berlin, über die wir hier reden müssen, die zur Kenntnis genommen werden muss und die zum Ausgangspunkt gemacht werden muss, wenn wir über die Frage diskutieren, wie dieser Sektor der Wohnungswirtschaft auch in Zukunft ein stabiler Sektor sein kann, der soziale Wohnungsversorgung und damit auch sozialen Ausgleich in dieser Stadt sichern und gewährleisten kann.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Was ist denn die Ursache dafür, dass diese Wohnungsbaugesellschaften, vor allem die Ostgesellschaften defizitär sind? Da ist zum einen nach wie vor ein extrem hoher Sanierungsaufwand. Sie haben ihn in der Antwort auf die Große Anfrage mit über 4,2 Milliarden DM selbst beziffert. Auf der anderen Seite ist die Verkomplizierung der Situation der Wohnungsbaugesellschaften, dass die Subventionen aus der Wohnungsbauförderung, die Anfang der neunziger Jahre noch reichlich geflossen sind, jetzt weitgehend ausbleiben. Dabei füge ich gleich hinzu, dass ich es immer als richtig empfunden habe, dass diese Subventionen abgebaut werden, weil es Fehlsubventionierungen gewesen sind. Gleichzeitig haben wir wachsende Leerstände bei diesen Gesellschaften, haben wir einen Rückgang von Wohnungsbeständen, ohne dass der Personalaufwand und der Verwaltungsapparat dieser Gesellschaften im gleichen Tempo abgebaut werden konnte. All das läuft auf ein wachsendes Defizit in diesem Bereich hinaus, das von Jahr zu Jahr wächst.

[Zuruf des Abg. Dr. Arndt (SPD)]