Protocol of the Session on March 9, 2000

[Zurufe von den Grünen – Allgemeine Unruhe]

denn dort ist diese Fläche seit eh und je als Bauland mit landschaftlicher Prägung ausgewiesen.

Schauen Sie sich den Wettbewerb zur geplanten Bebauung der Elisabethaue an. Erst dann werden Sie sehen, was nachhaltige Bebauung in der Stadt möglich machen kann.

[Beifall bei der CDU – Frau Oesterheld (Grüne): Das ist doch gar nicht das Problem!]

Für die Fraktion der PDS hat das Wort Frau Abgeordnete Hinz. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bauausstellung ist abgesagt. Und darüber sind wir gar nicht einmal so böse.

[Niedergesäß (CDU): Typisch für euch!]

Was wird nun mit der Grün- und Freifläche im Norden Berlins, der Elisabethaue? Hat sie möglicherweise durch diese Absage eine neue Chance?

Zunächst noch eine Anmerkung zu der Situation im Bezirk: Zu der Bebauung dieser sensiblen Freifläche haben wir schon immer ein kritisches Verhältnis gehabt und haben das auch hier im Parlament und im Ausschuss dargestellt. Wir sehen diese Fläche als eine beliebte Erholungsfläche für die vielen Neu-Buchholzer aus dem Neubaugebiet Buchholz West an und denken, dass diese Fläche dafür erhalten bleiben muss. Wir haben das Bauen auf dieser Fläche immer für überflüssig gehalten, weil in Pankow schon sehr viel Nachverdichtung stattgefunden hat und Wohnbauflächen zur Verfügung gestellt wurden. Bekannterweise hat gerade in Pankow der Einwohnerbestand sehr zu genommen – von 1992 bis 1999 um 14 %. Welcher andere Bezirk hat das aufzuweisen? – Dort muss man in Zukunft sensibler mit Flächen umgehen.

Der Bauboom im Norden von Berlin hat erhebliche Flächenversiegelung mit sich gebracht. Für die Bebauung der Elisabethaue, die in den Bebauungsplänen festgeschrieben werden sollte, war in der BVV in Pankow nur dadurch eine Mehrheit zu finden, dass in einem städtebaulichen Vertrag Infrastrukturmaßnahmen festgeschrieben wurden, die als Ergänzung zu dem schon vorhandenen Neubaugebiet Buchholz West notwendig waren und sind, z. B. eine Kita, eine Schule, der Ausbau des Rosenthaler Weges.

[Abg. Czaja (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Czaja?

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. – Die BVV in Pankow hat also den Flächenverlust, der dort geplant ist, als Kröte geschluckt, weil der Bezirk diese Infrastrukturmaßnahmen brauchte.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Dazu kam auch, dass im Rahmen der Bauausstellung wesentliche Ziele benannt wurden: umweltfreundliches Bauen, hohe Wohnqualität, städtebauliche und architektonische Qualität und Unterstützung der Gemeinschaftsbildung im Wohnquartier, was eine Verbesserung auch für Buchholz West bedeutet. Das hat zur Akzeptanz für dieses ökologisch fragwürdige Vorhaben geführt.

Was ist nun nach der Absage der Bauausstellung geblieben? – Es wurden Verträge und Vereinbarungen geschlossen. Hier in diesem Hause wurde der Grundstückseinbringungsvertrag geschlossen, nach dem die BLEG die Möglichkeit hätte, auf 60 % der Fläche 1 100 Wohneinheiten zu bauen. Dazu gab es auch den städtebaulichen Vertrag und auch den Grundstückserschließungsvertrag, der die Infrastrukturmaßnahmen mit sich gebracht hätte. Nach der Absage der Bauausstellung erhebt sich nun die Frage, inwieweit sich die Bauherren überhaupt noch an die Ziele der Bauausstellung gebunden fühlen und was ihr jetziges Interesse ist. Wie uns bekannt ist, ist das Interesse an diesem Gebiet deutlich gesunken. In der ersten Bauphase sollten 330 Wohneinheiten erstellt werden. Jetzt ist man offensichtlich der Auffassung, dass erst einmal der Markt getestet werden müsse. Man spricht jetzt etwa von 30 bis 50 Wohneinheiten als Testangebot. Es erhebt sich die Frage: Wie werden die Ziele, die in den Bebauungsplänen formuliert wurden, umgesetzt? Welcher Investor hat heute, in dieser veränderten Situation, noch Interesse daran, dort eine Kita zu bauen oder den Rosenthaler Weg auszubauen? – Das alles wird es nicht mehr geben; der Bezirk steht im Regen. Er hat sich auf die Vereinbarungen verlassen, die hier getroffen wurden, hat keine Gelder in den Bezirkshaushalt eingestellt und kann diese notwendigen Maßnahmen nicht mehr umsetzen.

(A) (C)

(B) (D)

Was wird also stattfinden? – Möglicherweise Billigbauen. Das ist nicht im Interesse des Bezirks, und es kann auch nicht im Interesse der Stadt liegen. Wir gehen davon aus, dass die vertraglichen Grundlagen, die einmal im Rahmen der Verträge vorhanden waren, nicht mehr vorhanden sind, dass die Basis verlassen wurde und dass ein neues Bebauungsplanverfahren notwendig ist. Dies eröffnet natürlich eine Chance für die Elisabethaue. Es ist neu über eine Bebauung nachzudenken, und wir sind – wie die Grünen – der Auffassung, dass man auf die Inanspruchnahme dieser Fläche verzichten sollte. Aus diesem Grund unterstützen wir nach wie vor den Antrag der Grünen und lehnen den Beschluss, der mehrheitlich im Ausschuss gefasst wurde, ab. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort Frau Dr. Neef. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag hat eine zweigeteilte Überschrift. Er hebt ab auf einen Schwerpunkt der Stadtentwicklung, den wir unbedingt weiterhin unterstützen, nämlich Innenverdichtung vor Außenzersiedlung. Das betrifft besonders die Innenstadt, wo vorhandene Infrastrukturen und Nachbarschaften zu nutzen sind. Dieses Prinzip, zu dem wir weiter stehen, besagt aber nicht, dass in anderen Bezirken auf größeren Flächen überhaupt nicht mehr gebaut werden sollte. Ein weiterer Grundsatz der Stadtentwicklung lautet nämlich, verschiedene Wohn- und Lebensformen zu entwickeln, und genau in diesen Kontext passt auch hinein, dass wir uns im Ausschuss nicht gegen eine Bebauung der Elisabethaue ausgesprochen haben. Wir sind der Meinung, dass für Wohnbedürfnisse vielfältiger Art, auch für die Ansprüche Besserverdienender, weiterhin Angebote vorgehalten werden sollten. Auch diese Bevölkerungsschicht ist in der Stadt zu halten. Meine Fraktion begrüßt es deshalb, dass das Vorhaben der Bauausstellung auf der hier in Frage stehenden Fläche im Nordostraum Berlins aufgelöst wurde und damit die verbundene Festlegung und Institutionalisierung und die Vernetzung bestimmter Interessenten, die sich hier entfaltet hat. Ich möchte zu den vielen Vorwürfen, die Frau Hämmerling hier gemacht hat, nichts sagen. Das wird sicher an anderer Stelle zu diskutieren sein, und es ist nicht Gegenstand des Antrags, der heute zur Debatte steht.

Das Gebiet der ehemaligen Rieselfelder, das auf die schöne Bezeichnung „Elisabethaue“ hört, ist bereits von Siedlungen umgeben, liegt relativ verkehrsgünstig und wird zukünftig durch den geplanten Straßenbahnanschluss auch an die Stadt angebunden sein. Deshalb halten wir es für sinnvoll, dass hier eine Fläche auf ganz normale Weise angepasst an eine sich entwickelnde und auch weiter zu vermutende Nachfrage zur Verfügung steht. Aus diesem Grund halten wir an unserem Beschluss fest. [Beifall bei der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung. Wer dem Antrag Drucksache 14/129 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenstimmen! – Das Letztere war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Wir sind uns hier einig. Wenn manche Fraktionen sehr lichte Reihen haben, dann wird es für uns hier problematisch.

Die lfd. Nr. 21 ist durch die Konsensliste erledigt.

Lfd. Nr. 22:

a) Drucksache 14/213:

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 25. Februar 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Sicherung von Projekten in der Jugendarbeit, Drucksache 14/14

b) Drucksache 14/214:

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 25. Februar 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über neue Zumessungsmodelle für alle Bereiche der Jugendhilfe, Drucksache 14/25

c) Drucksache 14/215:

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 25. Februar 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Sonderstrukturprogramm zur Finanzierung der Kinderund Jugendarbeit, Drucksache 14/27

Eine Beratung ist, wie mir signalisiert wurde, nicht mehr vorgesehen. Aber die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. Ich bitte, die vorbereiteten Reden vorne abzugeben!

Die Anträge der PDS-Fraktion über neue Zumessungsmodelle in der Jugendhilfe und ein Sonderstrukturprogramm für die Kinder- und Jugendarbeit haben Sie, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, im Hauptausschuss abgelehnt. Dies ist mir völlig unverständlich. Unsere Anträge waren getragen von einem Minimalkonsens, den wir in langen Debatten erreicht glaubten. Davon zeugt auch die Tatsache, dass die Anträge fast wörtlich dem entsprachen, was der Landesjugendhilfeausschuss, in dem auch Sie vertreten sind, mit großer Mehrheit parteiübergreifend beschlossen hatte.

Nach jahrelangen Kürzungen droht die Kinder- und Jugendarbeit in diesem Lande immer mehr in der Versenkung zu verschwinden. Laut Berechnungen des Landesjugendamtes fehlen ca. 60 Millionen DM, um den gesetzlichen Anforderungen nachzukommen. Doch Sie setzen andere Prioritäten: Kanzler-U-Bahn, Schloss-Aufbau, Referenzstrecke für den Transrapid – das sind einige der milliardenschweren Projekte, die die CDU-Fraktion plant und denen der Koalitionspartner SPD unzweifelhaft zustimmen wird. Geld ist also genug da, und was noch fehlt, kratzen Sie wiederum im Kinder- und Jugendhilfeetat zusammen, wo längst nichts mehr zu holen ist. Ich weiß nicht, ob junge Menschen und deren Eltern das verstehen. Sicher, auch diese fahren U-Bahn, doch das kann keine Legitimation dafür sein, dass Sie auch in diesem Jahr im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit den Rotstift ansetzen, indem Sie den Bezirken weniger Geld geben, auf Landesebene die Regelfinanzierung im Umfang von über 8 Millionen DM zugunsten unsicherer Lottomittel ersetzen.

Gestatten Sie mir, Sie an das Jahr 1995 zu erinnern. Damals einigten sich die in diesem Hause vertretenen Parteien nach einem harten Gesetzgebungsverfahren einvernehmlich darauf, im Berliner Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz für die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit 10 % aller Jugendhilfeausgaben als angemessenen Anteil zu definieren. Allgemeine Zielstellung war es, den Anteil des Landes für die allgemeine Förderung junger Menschen konkret messbar und verbindlich für Land und Bezirke festzulegen. Ungefähr zeitgleich mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgte

−die Einführung der Globalhaushalte,

−die Änderung des Zuständigkeitsgesetzes, wonach nunmehr die Bezirke für die Finanzierung der Kinderund Jugendarbeit zuständig gemacht wurden

−und das öffentliche Aussprechen einer Wahrheit, die allgemein längst bekannt war: Berlin war faktisch pleite.

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Führer

Es scheint, dass das Zusammentreffen dieser Faktoren das Schicksal der Kinder- und Jugendarbeit in Berlin besiegelte, denn heute, mit dem Vorliegen des Entwurfs für den Landeshaushalt 2000 und der Bezirkshaushaltsentwürfe sind wir von dem 1995 gesetzlich festgelegten Anspruch weiter entfernt als je zuvor:

Was gut gedacht war, nämlich dass die Bezirke selbst entschieden, was nach bezirklicher Sicht für Kinder, Jugendliche und Familien getan und finanziert werden musste, verkehrt sich unter den Bedingungen von willkürlichen und am Bedarf völlig vorbeigehenden Zumessungen einerseits und drastischen Haushaltskürzungen andererseits ins Gegenteil. Laut Entwurf des Landesjugendplans wird das Land Berlin auch dieses Jahr seinen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werden. Nur ca. 7,7 % statt wie gesetzlich vorgegeben 10 % der Jugendhilfemittel werden für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stehen. Die Ost-Bezirke erreichen mit 9,2 % knapp und die Westbezirke mit 7,2 % nicht einmal den Landesdurchschnitt – dies vorbehaltlich der Zustimmung zu den aufgestellten bezirklichen Haushaltsplänen, in denen 35 Millionen DM weniger an konsumtiven Sachausgaben zur Verteilung zur Verfügung standen.

Meinen Sie, dies bliebe ohne Folgen? – Von Jahr zu Jahr steigen die Ausgaben für die individuell einklagbaren Hilfen zur Erziehung: Von 1995 bis 1998 stiegen sie um 100 Millionen DM. Insgesamt überzog das Land Berlin 1998 um ca. 600 Millionen DM den Etat im sogenannten Z-Teil. Erst vor wenigen Tagen meldete das Statistische Landesamt, dass die Zahl der zumeist wegen Erziehungsschwierigkeiten sozialpädagogisch betreuten Familien von 1994 bis 1998 um 65 % zugenommen hat, bei den Alleinerziehenden sogar um 82. %. Als Konsequenz daraus schließen Sie zur Mitte des Jahres alle Familienbildungsprojekte.

So verschiebt sich seit Jahren der Charakter der Jugendhilfe von einer allgemein fördernden, Beratung anbietenden und Benachteiligungen abbauenden Einrichtung hin zu einer Institution, die Schadensbegrenzung übt. Es ist Zeit, dass Sie neue Prioritäten für junge Menschen und ihre Familien setzen. Diese Aufgabe können Sie nicht auf die Bezirke abwälzen.

Im letzten Wahlkampf haben Sie sich in Versprechungen fast übertroffen. Da ist von Regelfinanzierung die Rede gewesen. Die vom Senat verabschiedeten Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt wurden entstaubt, soziale Stadtentwicklung erfunden und eine öffentlichkeitswirksame Partnerschaft mit UNICEF eingegangen, in der man sich als „Hauptstadt der Kinder“ präsentierte. Die Verwaltungs- und Gebietsreform wurde den Bürgerinnen und Bürgern als Chance verkauft, endlich eine gerechte und am Bedarf orientierte Grundausstattung in allen Bereichen der Jugendhilfe in allen Bezirken zu etablieren. In der Trägerlandschaft der Stadt und in den Jugendhilfeausschüssen wurde ein neues Zumessungsmodell für die Kinder- und Jugendarbeit diskutiert, das im Zuge der Umsetzung der Kosten- und Leistungsrechnung allen Bezirken pro Kopf der in ihnen lebenden Kinder und Jugendlichen einen Mindestbetrag von ca. 360 DM garantieren sollte. Nichts ist davon übrig geblieben!

Es geht um mehr als Trägerinteressen – es geht um junge Menschen, für die wir eine Verantwortung haben. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie unseren Anträgen für neue Zumessungsmodelle in der Jugendhilfe und einem Sonderstrukturprogramm zur Festschreibung des jetzigen Status quo in der Kinder- und Jugendarbeit zu.

Was den Antrag der Fraktion der Grünen angeht, werden wir diesem unsere Zustimmung nicht versagen, obwohl er unserer Auffassung nach längst nicht den Notwendigkeiten entspricht und auch aus fachlicher Sicht

verbesserungswürdig ist. Aber wir unterstützen in der jetzigen Situation jeden Antrag, der auch nur vage die Hoffnung auf eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation bringen könnte.

Es kann niemanden verwundern, dass die einbringenden Fraktionen der Anträge Drucksachen 14/14, 14/25 und 14/27 noch einmal die Gunst der Stunde nutzen wollen, um sich über die ablehnenden Beschlussempfehlungen des Hauptausschusses zu verbreiten. Können sie sich doch so den Mangel der wahren Streiter für die Jugendpolitik in dieser Stadt umhängen, ohne auch mindestens nur im Ansatz Vorschläge zur finanziellen Dekkung ihrer Forderungen einzubringen. Das betrifft sowohl den Ruf nach zusätzlichen Mitteln für ein Sonderstrukturprogramm für die Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken, die Forderung nach neuen Zuwendungsmodellen für alle Bereiche der Jugendhilfe sowie den Antrag für zusätzliche 15 Millionen DM zur Sicherung für Projekte der Kinder- und Jugendarbeit.