Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da sich der Innensenator und Herr Dr. Zotl einig waren, das Jahr 2000 ist das entscheidende Jahr der Verwaltungsreform, will ich diese vielleicht nur ein bisschen modifizieren. Es ist sicherlich das entscheidende Jahr, weil wir in eine neue Phase eintreten, in eine Phase der konkreten Umsetzung. Ich will das noch mal so betonen, weil ich bei dem Beitrag von Dr. Zotl teilweise die Einschätzung hatte, dass er meinte, am Ende des Jahres 2000 ist alles beendet. Nein – es beginnt eine neue Phase eines Prozesses, der abläuft. Da als Zielsetzung einer reformierten Verwaltung, ich glaube unbestritten von allen Fraktionen, vor allem die stärkere Bürgerorientierung der Verwaltung gesehen wird, ist es wichtig und richtig, dass wir dieses Thema auch hier im Plenum behandeln.
Die Art der Fragestellung der Großen Anfrage – Herr Dr. Zotl hat sie vorhin begründet – ist allerdings für unsere Fraktion nicht nachvollziehbar. Es ist unklar, warum man eine Anfrage
nur auf eine Abfrage einzelner Absätze des § 3 des Verwaltungsreformgrundsätzegesetzes ausrichtet. Auch den Widerspruch von Binnendifferenzierung und Binnenstruktur konnte ich nicht nachvollziehen. Ich glaube, dass die nötige Fragestellung eine andere ist. Ich komme gleich darauf zurück. Ich meine nicht meinen Vorredner, der auf Grund seiner vielen Fragen, die er hier noch einmal gestellt hat, sehr verwundert war, dass er sie nicht beantwortet bekam. Fragen, die falsch gestellt werden, können nicht richtig beantwortet werden. Nein, was ich meine, Herr Dr. Zotl, ist etwas anderes.
Der Innensenator hat in Beantwortung Ihrer Fragen die Leistungsbilanz dargelegt. Da geht es um Zielvereinbarungen, in denen die Bürgerorientierung festgeschrieben ist. Die haben wir im Land Berlin. Da geht es um 100 Kundenbefragungen. Das ist eine erfreuliche Anzahl. Da geht es um die Deregulierung von Verwaltungsvorschriften, und es geht um die flächendeckende Einführung des Dienstleistungsabends, wobei manche Verwaltungen meinen, sie wollten einen zweiten oder dritten einrichten. Das ist eine erfreuliche Bilanz, aber es ist nicht alles. Denn was nützt ein Dienstleistungsabend, wenn ein Bürger oder eine Bürgerin, die dorthin gehen, sich nicht richtig – ich meine es jetzt in Anführungszeichen – bedient fühlt? Zur bürgernahen Verwaltung, zur dienstleistungsorientierten Verwaltung gehört der dienstleistungsorientierte Mitarbeiter oder die dienstleistungsorientierte Mitarbeiterin. Dieser Fragenkomplex ist nicht aufgetaucht. Wir haben dies im Verwaltungsreformgrundsätzegesetz, wir wissen, dass das Ziel einer dienstleistungsorientierten Verwaltung nur erreichbar ist, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu motiviert sind und einen Kulturwandel mitmachen wollen. Deshalb gibt es im Verwaltungsreformgrundsätzegesetz – Herr Dr. Zotl, Sie nicken mir so freundlich zu – die §§ 6 und 7. § 6 beschäftigt sich gerade mit dem neuen Personalmanagement. Das ist genauso wichtig wie die Qualitätssicherungsmaßnahmen und die Strukturveränderungen. Wenn man eine Bestandsaufnahme über bürgernahe Verwaltung machen will, muss man alles abfragen. Insofern hätten auch folgende Fragen gestellt werden sollen: Wie ist es mit den sogenannten weichen Faktoren der Verwaltungsreform? Wie sieht es mit der Motivation der Mitarbeiter aus? Der Innensenator hat ein gutes Beispiel genannt. Er hat gesagt, die Standesämter hätten sich zu Dienstleistern entwickelt. Hier haben sich alle Faktoren, die ich meinte, zusammengefügt, und wir haben motivierte Mitarbeiter, die sich entsprechend im sogenannten Output darstellen können. Wenn diese Fragen gestellt worden wären, wären sicherlich auch positive Antworten gekommen. Man muss es als Gesamtheit betrachten.
Zur Bürgernähe gehören auch äußerliche Gegebenheiten; damit bin ich beim Thema Bürgerämter. Ein bürgernahes Dienstleistungsangebot mit einem großen Aufgabenspektrum macht das Angebot der Berliner Verwaltung nur komplett. Der Handlungsbedarf, der sich sicherlich auch morgen im Verwaltungsreformausschuss darstellen wird, sollte von allen Fraktionen gemeinsam angegangen werden. Zur finanziellen Absicherung hat der Innensenator schon etwas gesagt. Man sollte sowohl die inhaltlichen Aspekte als auch die finanzielle Absicherung noch einmal sehr ausführlich gemeinsam besprechen, denn es gibt sicherlich keinen Dissens, dass die Bürgerämter ein ganz wichtiges Element der bürgernahen Verwaltung sind.
Ich hatte am Anfang schon deutlich darauf hingewiesen: Wir sind in der Phase der konkreten Umsetzung der Verwaltungsreform. Das ist ein sehr komplexer Prozess. Wir haben jetzt nur einen Teil berührt. Es ist ein Prozess der Koordination der verschiedenen Teilbereiche, und zwar aller Teilbereiche. Hier nur als Stichwort: Querschnitts-Controlling – was wir jetzt nicht angesprochen haben. Der Bürger hat auch ein Recht zu wissen, wohin seine Steuergelder gehen, dass sie effizient in Verwaltungen eingesetzt werden. Auch das gehört für mich dazu. Es ist ein schwieriger Prozess, der der Koordination aller Teilbereiche bedarf und auch offen für Weiterentwicklungen sein muss. Wir werden sicherlich nie sagen können, dass optimale Lösungen schon vorhanden sind. Es werden sich in vielen Bereichen weitere, bessere Möglichkeiten eröffnen.
Wir, die CDU-Fraktion, werden diesen Prozess interessiert, intensiv, beschleunigend und teilweise auch kritisch begleiten. Ich denke, das sollten wir alle in diesem Hause tun. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Butalikakis, vor allem für die hervorragende Einhaltung der Redezeit. – Für die Fraktion der Grünen spricht jetzt Frau Werner. – Sie haben maximal 10 Minuten, Frau Werner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe PDS! Wenn ich die PDS richtig verstanden habe, so wollte sie eine Große Anfrage zu einer bürgerorientierten Verwaltung stellen. Ich kann deshalb überhaupt nicht verstehen, warum Sie sich an diesem kleinteiligen § 3 abarbeiten, denn bürgerorientierte Verwaltung ist sehr viel mehr.
Es ist Zeit, dass die Verwaltungsreform die Bürgerinnen und Bürger entdeckt, ganz besonders in Berlin, denn es gibt einen erheblichen Schwachpunkt dieser Berliner Verwaltungsreform: das ist ihre nahezu ausschließliche Binnenorientierung. Die sehr informative Zwischenbilanz der Senatsinnenverwaltung zur Verwaltungsreform befasst sich auf gerade einmal 4 von 85 Seiten mit der Bürgerorientierung. Das dokumentiert ungefähr die Gewichtung, die Bürgerorientierung hier hat. Sofern das Thema Bürgerorientierung und Verwaltungsreform den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt noch irgendeine Äußerung entlockt, dann ist es allenfalls die Frage: Was haben wir eigentlich davon? Und diese Frage stellen sie zu Recht. Die Behauptung Tucholskys, dass es der Traum des Deutschen sei, hinter dem Schreibtisch zu sitzen, und sein Albtraum, davor zu stehen, ist Gott sei Dank in ihrer Schärfe nicht mehr ganz so aktuell. Die obrigkeitsstaatlichen Rollen auf beiden Seiten des Schreibtisches sind weitgehend verschwunden. Aber die Schwellenängste und ein gewisses Misstrauen gegenüber „denen in den Amtsstuben“ sind nach wie vor vorhanden. Deshalb liegt in der Bürgerorientierung eine große Chance für die Verwaltungsreform.
Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von einer Verwaltung? – Sie erwarten eine offene Atmosphäre, Kompetenz, Freundlichkeit, kurze Wartezeiten. Sie wollen nicht von einem Zimmer ins nächste geschickt werden. Sie wollen auch nicht erst ein Jurastudium absolvieren, um Vordrucke und Bescheide verstehen zu können. Sie wollen außerdem über Planungen rechtzeitig informiert werden. Sie wollen, dass ihre Erfahrungen gehört und ernst genommen werden.
Was hat die Verwaltungsreform in Berlin Neues an Bürgerorientierung gebracht? – Sie haben eben den kleinen § 3 so schön dargestellt. Da sind die sogenannten Kundenbefragungen, da ist die weitgehend vage formulierte Frage der Öffnungszeiten und Sprechzeiten, da ist die grundsätzliche Bearbeitung von Beschwerden innerhalb von 14 Tagen und da sind die Bürgerämter. Das ist aber als Bürgerorientierung nicht ausreichend. Das ist auch republikweit gesehen gerade einmal Mindeststandard. Und auch der ist nicht erfüllt.
Nehmen wir das Beispiel Bürgerämter – es ist schon angesprochen worden. Bis 2001 sollte es 60 Bürgerämter geben. Davon sind wir weit entfernt. Die Bezirke sind gesetzlich verpflichtet, vom Januar 2001 an Bürgerämter einzurichten. Aber das kostet Geld. Die zugesagte Anschubfinanzierung, die Herr Werthebach mit 14 Millionen DM angesetzt hatte, ist im Moment im Haushaltsplanentwurf des Senats überhaupt nicht vorhanden. So geht das auf keinen Fall. 2 Millionen DM sind ein Witz. Wir hoffen, dass die Fraktionen gemeinsam diesen Witz korrigieren.
Bürgerorientierung muss aber auch mehr sein als Kundenorientierung. Es kann nicht nur darum gehen, die Bürger als Kunden von Dienstleistungen zu sehen und damit letztendlich in eine
passive Rolle zu verweisen. Wir müssen einen Schritt weitergehen. Bürger müssen politische Mitentscheider, Planer und sogar Mitproduzenten öffentlicher Dienstleistung werden. Genau hier muss aber eine neue Rolle der Verwaltung ansetzen. Die Verwaltung muss Bürgerengagement ermöglichen, unterstützen und anerkennen.
Das verlangt aber auch einen Kulturwandel in der Politik. Es soll immer noch gewählte Volksvertreter geben, die gleich die repräsentative Demokratie in Gefahr sehen, wenn Bürger an Entscheidungen beteiligt werden. Vielleicht fürchten Sie auch nur den eigenen Machtverlust oder eine Art Enteignung des Mandats. Diese Furcht ist völlig unberechtigt. Es geht darum, die Potentiale der Menschen für ein bürgerschaftliches Engagement zu nutzen und aus den Kenntnissen und Fähigkeiten wiederum Einsichten für die Politik zu gewinnen. Das kann der Politik nur gut tun. [Beifall bei den Grünen]
Was brauchen wir? – Wir brauchen in den Bezirken zunächst die klassischen Beteiligungsverfahren wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in einer Art und Weise, die diese Verfahren nicht unmöglich macht wie jetzt, soweit sie überhaupt vorhanden sind, sondern die sie praktikabel macht. Hinzukommen müssen beispielsweise Bürgerfragestunden in den Bezirksverordnetenversammlungen sowie Rede- und Antragsrecht in den Ausschüssen. In einigen Bezirken gibt es das.
Was Berlin auf diesem Gebiet bisher vorzuweisen hat, ist geradezu lächerlich. Das gilt nicht nur bundesweit, sondern auch im Vergleich zu anderen Stadtstaaten. In beiden anderen Stadtstaaten gibt es auf der Bezirksebene eine gut ausgestaltete Regelung unmittelbarer Demokratie. Doch es muss mehr geben als diese gesetzlich geregelten und streng formalisierten Beteiligungsverfahren. Sie müssen im Alltag durch neue flexible Beteiligungsformen ergänzt werden, die das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung demokratisieren, zum Beispiel Planungszellen, runde Tische oder Mediationsverfahren als einige dieser Möglichkeiten. Ein gutes Beispiel findet sich zurzeit im Bezirk Tiergarten. Dort erarbeiten 80 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Anwohner in einer sogenannte Planungszelle Verbesserungsvorschläge für ihren Kiez. Die Reaktion auf Seiten der Bürger war: „Na endlich wollen die Politiker einmal unsere Ideen hören.“ Wie zu erfahren ist, hat man sich dort mit viel Engagement in die Arbeit gestürzt. Dass solch ein Verfahren in Berlin durchgeführt wird, das im Bundesgebiet seit den 70er Jahren gang und gäbe ist, ist bisher die absolute Ausnahme.
1998 gab es einen Wettbewerb der Bertelsmann-Stiftung. Man suchte Kommunen in Deutschland, die eine überzeugende Bürgerorientierung nachweisen können. Mehr als 80 Kommunen beteiligten sich, darunter Großstädte wie Bremen, Leipzig und Essen. Es ist gewiss kein Zufall, dass Berlin nicht dabei war. Es hätte auch faktisch nichts Beispielhaftes vorzuweisen gehabt. Umso wichtiger ist es, dass wir über den Berliner Horizont hinaus blicken und uns anderswo die guten Beispiele abschauen.
Da gibt es ganz erstaunliche Sachen: Abgeschaut in Neuseeland haben sich beispielsweise einige baden-württembergische Kommunen die Aufstellung von sogenannten Bürgerhaushalten. Als Haushälterin wage ich die Anmerkung, dass Berlin wahrscheinlich in eine kollektive Depression fallen würde, wenn der Einblick in die Haushalte etwas transparenter wäre. Ich stelle ein anderes Beispiel vor: Die Stadt Seelze hat ihr Beschwerdemanagement ins Freie verlegt. Nach dem Motto: Der Bürger muss nicht ins Rathaus kommen, das Rathaus kommt zum Bürger, macht die Verwaltung auf dem Wochenmarkt einen regelmäßigen Stand und fordert die Bürger zu Beschwerden auf. Das klingt nur auf den ersten Blick lächerlich. Die Erfahrungen zeigen, dass es positive Effekte gibt. Es gibt sinnvolle Anregungen, teilweise verbunden mit Kosteneinsparungen. Es gibt vor allen Dingen – das ist auch wichtig – ein verbessertes Image der Verwal
tung. Die Stadt Essen ist dabei, ein weiteres interessantes Beispiel zu kopieren, diesmal aus einer finnischen Kommune. Dort gibt es die Regelung, dass das Sozialamt einen Antrag binnen 10 Tagen bearbeiten muss. Anderenfalls muss die Stadt dem Antragsteller 10 DM pro Tag und Familienmitglied zahlen. Ich bin sicher, dass eine solche Regelung das Verwaltungshandeln enorm beschleunigt.
Es gibt noch eine Anmerkung: Viele unserer Rathäuser wirken alles andere als offen und einladend. Gründerzeitarchitektur, Pförtner hinter kleinen Glasscheiben eingeigelt und Bänke auf dunklen Fluren signalisieren dem Bürger nicht, dass er hier willkommen ist. Ich hatte die Gelegenheit, das Rathaus der schwedischen Partnerstadt meines Bezirks kennenzulernen. Dort betritt man eine helle Eingangshalle und findet eine lebendige, freundliche Atmosphäre und den Duft von frisch gebrühtem Kaffee vor.
Der Kaffeeduft kommt ausnahmsweise nicht aus den Bürozimmern, sondern von dem kommunalen Cafe´, das sich mitten in der Halle befindet. Angesichts der leeren Kassen scheint Derartiges in Berlin eine Utopie zu sein. Im Zuge der Bezirksfusion werden Umbauten nötig. Vielleicht kann man sich auch einmal an solchen Beispielen orientieren. Der Senat ist aufgefordert, seinen wohlklingenden Beschwörungen von Bürgerorientierung endlich Taten folgen zu lassen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Werner! Über dieses Thema Bürgerbeteiligung sollten wir uns wirklich einmal an richtiger Stelle und ganz ausführlich unterhalten. Es gibt jede Menge tolle Ansätze.
Ich hoffe, dass wir uns am 20. März auf der Stadtstaatenkonferenz sehen, wo gerade die Erfahrungen aus anderen Stadtstaaten und aus dem Stadtstaatenprojekt zu diesem Thema diskutiert werden. Wenn wir jeden Bereich der Verwaltungsreform im Wege einer Großen Anfrage abarbeiten wollen, sitzen wir hier noch ewig.
Gleichwohl begrüße ich für die SPD-Fraktion die Gelegenheit, hier über das Thema Verwaltungsreformgrundsätzegesetz, seine Folgen und die Teile der Umsetzung reden zu können. Wir, die Reformer, wissen alle, dass es seit langem aus dem Bereich der Reformkräfte, aber auch von den wissenschaftlichen Begleitern und Betrachtern des Verwaltungsreformprozesses eine permanente Forderung ist, dass sich das Parlament ein bisschen stärker in den Verwaltungsreformprozess einbringt. Deshalb reicht es eben nicht, dass wir in dieser Legislaturperiode einen ordentlichen Ausschuss haben. Wir sollten auch öfter Gelegenheit finden, hier zu diskutieren. Allerdings appelliere ich dringend an die anwesenden Kollegen, sich in ihren Ausschüssen zunächst die Zielvereinbarungen von ihren Fachverwaltungen vorzunehmen. Schauen Sie sich die Zielvereinbarungen an. Dann können wir darüber diskutieren, was die Zielvereinbarung für den einzelnen Parlamentarier bringt, ob er sich und sein politisches Ziel, das er mit der Mehrheit des Ausschusses und der Mehrheit des Hauses definiert hat, wieder findet oder ob die Zielvereinbarung nur ein neues Türschild für das ist, was die Verwaltung immer schon gemacht hat.
Ich meine es wirklich ernst. Es wird Ihnen langfristig auch eine ganze Menge geben. Ich kann nur dringend an die Kollegen des Sozialausschusses, aber auch an die des Jugendausschusses
appellieren, sich einmal über die Erfahrungswerte des Pilotprojekts IDA-Controlling berichten zu lassen. Sie werden dabei Erfahrungen sammeln können. Damit können Sie noch viel besser Politik machen, als Sie es heute schon tun.
In der Verwaltung wird leider das Verwaltungsreformgrundsätzegesetz gelegentlich als Verwaltungsreformerzwingungsgesetz diffamiert und bezeichnet. Das war nicht so ganz mit diesem Gesetz gemeint, als wir es vor einem Dreivierteljahr verabschiedet haben. Aber es auch ein klein wenig Wahres dran. Ich möchte hier gleich sagen, es waren nicht die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Verwaltung, denen die Reformfreude gefehlt hat. Sie waren engagiert und reformwillig. Dann haben sie meistens die Hausleitungen bzw. die Führungsebenen allein gelassen. Für diese Führungsetagen mag das VGG dann zu einer gewissen Bewusstseinsbildung beigetragen haben: Ja, jetzt müssen wir auch, jetzt können wir uns diesem Prozess nicht mehr entziehen. – Da ist nun endlich dieser – lassen Sie es mich in Neuhochdeutsch formulieren – Bottom-up-Prozess der Verwaltungsreform von unten der Ansatz, der gefunden war, ist Topdown niedergemacht, abgewürgt worden. Wenn man mit diesem Gesetz das Abwürgen, wiederaufbrechen kann und auch die Hausleitungen, die Führungsebenen dazu kommen, sich des Themas anzunehmen, dann haben wir damit schon einen großen Schritt gemacht.
Aber ich will hier gar nicht so negativ sein. Sie haben alle das Beispiel des Standesamtes in Berlin angebracht. Ich war richtig freudig überrascht, als ich jetzt aus Nürnberg hörte: absolute Katastrophe, und Freitag um 11 Uhr ist der späteste Zeitpunkt. In Berlin ist das alles schon viel schöner und viel besser. – Und außerdem, so schön sieht es da auch nicht aus. Das war die positive Meldung von der Außenwahrnehmung auch der Berliner Behörden – die von der Meldestelle, da hat Nürnberg ein bisschen besser abgeschnitten.
Mich stimmt auch ein bisschen hoffnungsfroh der Teil des Berichts des Senators, der sich mit dem Umgang mit Beschwerden der Bürger und den Anregungen der Bürger befasst, denn wir hatten lange in der Berliner Verwaltung das obrigkeitliche Denken verankert. Wenn man jetzt anfängt, den Bürger als Partner zu sehen – Partner, Kunde, Bürger eben –, dann ist das schon für mich ein sehr großes Stück in der Mentalität an der Verwaltungsreform voran.
Lassen Sie mich zu den Bürgerämtern kommen, Kernpunkt dessen, was hier heute überwiegend diskutiert wurde. Ich habe heute nicht den Eindruck, dass wir viel weiter wären als damals, nämlich vor fast zwei Jahren, als wir neben dem Zweiten Verwaltungsreformgesetz auch die Abschichtung, die Verlagerung von Meldestellenaufgaben beschlossen haben. Ich glaube heute und ich glaube auch gehört zu haben, dass wir uns da wieder, wie bei Verwaltungsreform immer, fast einig sind. Wir müssen uns verstärkt einer Zieldiskussion stellen, nämlich der Zieldiskussion: Was soll das Bürgeramt wo und dann natürlich auch wie – Qualität – leisten? – Der Senator lobt zu Recht die Leistungen, die Köpenick auf Grund der Experimentierklausel – und mit entsprechender Schulung der Mitarbeiter von Meldestelle und Bezirksamt gebracht hat, dass dort Einiges erreicht wurde, von dem wir heute sinnlich wahrnehmen können, was das sein könnte, nämlich ein Bürgeramt in dem Sinne, wie wir es uns alle vorstellen. Aber es wirft auch jede Menge Fragen auf. Diese Fragen, ist mein Eindruck, haben wir weder auf der fachlichen, verwaltungsseitigen Ebene noch auf der politischen Ebene bislang geklärt. Es ist auch ein schwieriges Thema, schwierig schon an sich, und dann wird es auch noch durch sicherheitspolitische Erwägungen, politische Erwägungen und durch intensive Lobbyarbeit einer Gewerkschaft belastet. Wir müssen hier aber endlich einmal entscheiden und dem nicht länger aus dem Weg gehen. Die ganzen Planungen für die Bürgerämter, für die Einrichtungen sind eigentlich schon passe´, die Zeitpunkte sind schon viel zu lange vorbei. Hier sollten wir gemeinsam gucken, dass wir in aller Schnelle, aber auch Gründlichkeit dieses Kernstück einer bürgernahen Verwaltung hinkriegen, ohne dass wir von anderen Entwicklungen überholt werden – ich komme gleich noch darauf – und ohne dass wir uns hier lächerlicher haben, als eine Großkommune in einem Flächenstaat.
Dieses ganze Thema, wie gehen wir mit den Bürgerämtern um, was wird daraus, hat zur Verunsicherung der Bezirke beigetragen. Es führt dazu, dass wir wahrscheinlich morgen in dem schon erwähnten Verwaltungsreformausschuss im Zweifel vier verschiedene Meinungen von vier verschiedenen Bezirksbürgermeistern haben werden, wohin sie denn mit ihrem Bürgeramt wollen. Das ist eine ganz schwierige Situation. Aber zur Verunsicherung der Bezirke haben auch die ganzen Fragen mit Personalmitteln, Sachmitteln, Verlagerung der Stellen, der Meldestellen auf die Bezirksämter und diese immer unklaren Fragen, wie viele sind es denn usw., beigetragen. Ich denke, wir werden in Kürze auch zu dem Thema etwas klarere Äußerungen haben und auch darüber diskutieren können, ob uns das nun als Abschichtungsergebnis ausreichend erscheint. Zum Thema Finanzierung, Anschubfinanzierung der Bürgerämter haben alle Fraktionen – und dem schließe ich mich an – ihren Appell an den Senat gerichtet, er möge doch hier, weil es schließlich seine Aufgabe und die der Bezirksämter ist, gemeinsam eine vernünftige Lösung finden, wie man langfristig, denn wir reden nicht von 60 Bürgerämtern im Jahre 2001, sondern 60 Bürgerämtern als Zielvorstellung, hinkommen wird.