Protocol of the Session on February 24, 2000

Länderfinanzausgleich neu regeln wird. Sie alle wissen genau, welche Diskussionen – man kann es auch deutlicher formulieren: welche Drohungen – aus den Ländern im Süden Deutschlands auf Berlin zukommen. Es wird bis in jedes Detail durchleuchtet werden, welche Ausstattungsvorsprünge Berlin sich leistet – so hat man es bereits formuliert – und in welchem Maße andere Bundesländer zur Mitfinanzierung von sog. Berliner Sondertatbeständen herangezogen werden.

Aber nicht nur dies, sondern ein weiterer Anlass für eine strenge Konsolidierungspolitik sind die von allen Seiten befürworteten Planungen zu einem zweiten Anlauf für ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg. Die Vorbereitungen der Fusion müssen ja auch unmittelbar einsetzen, um innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu einem Vollzug zu kommen. So wird auch Brandenburg nicht bereit sein, Konsolidierungslasten von Berlin zu übernehmen, und vor allem seine Einwohner, die über diese Fusion mit entscheiden, werden es nicht sein.

Ich will an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Für die Sozialdemokratische Partei war in den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Oktober vergangenen Jahres die Fortsetzung des Konsolidierungsprozesses für den Berliner Haushalt ein Essential sine qua non. An dieser Position halten wir fest.

[Beifall bei der SPD]

Wir werden nicht von einer stringenten Konsolidierungsposition abweichen. Das Zahlenwerk, das den Rahmen für die Konsolidierung des Berliner Haushalts bis zum Jahr 2009 bildet, ist als Anlage elementarer Bestandteil der Koalitionsvereinbarung und wird leitend für die kommenden Jahre sein. Dem fühlen wir uns verpflichtet.

Der vom Senat vorgelegte Haushaltsplanentwurf für das Haushaltsjahr 2000 folgt diesen Vorgaben mit einem Gesamtvolumen von 41,2 Milliarden DM. Er liegt damit um 0,9 % unter dem Rahmen des Vorjahres und führt insofern den Konsolidierungsprozess quantitativ nachvollziehbar fort. Ihre Hinweise, dass die Konsolidierung hinausgeschoben worden sei, die Netto-Neuverschuldung nicht mehr in dem Maße wie in den Vorjahren abgebaut werde und die Teilsumme Personal ansteige, beschreiben die Situation, ohne sie allerdings inhaltlich in einen Zusammenhang zu stellen.

Das Land Berlin bleibt – es gibt niemanden, der das mehr bedauert als wir – trotz Hauptstadtfunktion, Regierungs- und Parlamentssitz weiterhin das Schlusslicht innerhalb der wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Bundesländer – mit hoher Arbeitslosigkeit und starken sozialen Belastungen. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf die politische und finanzielle Steuerung bleiben, insbesondere wenn sie von sozialdemokratischen Kräften mit verantwortet wird. Dass diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Seiten der Opposition, die sonst so hehre Ansprüche zu sozialer Gerechtigkeit formuliert, ignoriert werden, kann ich nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. [Beifall bei der SPD – Liebich (PDS): Sie müssen unsere Rede ignoriert haben!]

Wie ich eingangs schon erwähnt habe, interessiert uns aber nicht nur, dass das Zahlenwerk dieses Haushaltsplanes abstrakt ausgeglichen wird, sondern für uns ist wesentlich, dass das, was hinter den Zahlen steht, auch realisiert werden kann. Deshalb haben wir so vehement darauf bestanden, dass in einer ersten Nachschiebeliste die pauschalen Minderausgaben und die Effizienzrendite weitgehend

[Liebich (PDS): Zur Hälfte!]

titelscharf aufgelöst werden. Es ist ja auch gelungen, die pauschalen Minderausgaben total und die Effizienzrendite zu mehr als 50 % aufzulösen. Denn nur auf dieser Grundlage kann auch in den Haushaltsberatungen seriös abgeschätzt werden, ob die Einnahmen und Ausgaben, die der Haushaltsplanentwurf enthält, wirklich umgesetzt werden können. Das wird eine der Kernaufgaben der nächsten Wochen sein.

[Beifall bei der SPD]

Wir werden die Risiken, die in dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf enthalten sind, benennen und Wert darauf legen, dass diese Risiken durch entsprechende Vorsorge auch abgefedert werden. Ich möchte hier beispielhaft zwei Punkte ansprechen, die uns mit Sorge erfüllen. Es gibt da aber durchaus noch mehr.

Der Titel, der die Kostenerstattung für die Kitas in freier Trägerschaft enthält, ist absehbar noch nicht hinreichend ausgestattet. Es wird notwendig sein, hier Vorsorge zu treffen, da 40 Millionen DM im Rahmen der Haushaltsbewirtschaftung nicht ohne Probleme zu erbringen sein werden.

[Beifall bei der SPD – Beifall der Abgn. Frau Martins (GRÜNE) und Liebich (PDS)]

Ein weiteres Beispiel dieser Größenordnung, die Auflösung der pauschalen Minderausgaben im Einzelplan 13, Wirtschaft und Betriebe, durch eine Minderung des Titels für die Erstattung der Straßenreinigung an die BSR um immerhin 48 Millionen DM überzeugt uns auf den ersten Blick noch nicht ganz.

[Beifall bei der SPD – Liebich (PDS): Auf den zweiten auch nicht!]

Ich komme damit zum zweiten Kriterium für die Haushaltsplanaufstellung, das für uns leitend ist. Wir haben unstrittig wieder einen Sparhaushalt, aber wir haben trotzdem den Anspruch zu gestalten und nicht nur zu sparen. Wir sind angetreten, politische Schwerpunkte in unserer Arbeit umzusetzen. Sie sind in der Koalitionsvereinbarung festgelegt und auch in der Regierungserklärung vor diesem Hause in der letzten Plenarsitzung vorgetragen worden: die Schaffung von Arbeitsplätzen, soziale Stadtentwicklung, Jugend und Schule, Bildung, Wissenschaft, Kultur. Diese politischen Schwerpunkte sind leitend für unsere Beurteilung des Haushaltsplanentwurfs und auch dafür, an welchen Stellen wir abweichende Vorstellungen in die Beratungen einbringen werden.

[Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]

Über das hinaus, was Herr Wowereit bereits gestern im Hauptausschuss gesagt hat, möchte ich hier einige Punkte nennen. Frau Senatorin Thoben wird es mir nachsehen, dass ich gerade mit ihrem Haushalt beginne, es ist unstrittig einer der schwierigsten Bereiche. Und durch die 1. Lesung im Unterausschuss Theater sind hier die Probleme besonders deutlich geworden.

Berlin als europäische Kulturmetropole ist gefordert, die Kultureinrichtungen dieser Stadt zu fördern und entsprechend auszustatten. Allerdings gilt für diesen Bereich, dass ein Sparhaushalt Beschränkungen vorgibt, die manchmal mehr als schmerzlich sind und die damit aber auch von allen Beteiligten ein hohes Maß an Disziplin, vor allem an Ausgabendisziplin erfordern. [Beifall bei der SPD]

Zahlreiche kulturelle Einrichtungen im Land Berlin, die wesentlich auf Grund eines Zuschusses aus dem Landeshaushalt arbeiten, haben Wirtschaftspläne geliefert, die schon von vornherein ein Defizit ausweisen. Hier ist ein dringender Handlungsbedarf gegeben, denn die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die schon in der Planung prognostizierten Defizite meist noch deutlich übererfüllt worden sind und im Endeffekt dann doch aus dem Berliner Haushalt ausgeglichen werden müssen. Wir wollen eine reiche und breite Kulturlandschaft in Berlin. Und um diese zu sichern, bedarf es schon jetzt weitgehender struktureller Maßnahmen, die auch in diesem Haushalt ihren Niederschlag finden müssen.

[Beifall bei der SPD]

Darüber hinaus wollen wir aber auch eine Stärkung der dezentralen, der bezirklichen Kulturarbeit. Dafür soll 1 Million DM in den Haushalt eingestellt werden. Diese Mittel umzuschichten ist noch zu leisten. [Beifall bei der SPD]

An dieser Stelle bietet es sich an, noch eine kurze Anmerkung zu kulturellen Großprojekten in Berlin und deren Finanzierung zu machen. – Das Projekt „Topographie des Terrors“ droht, sich zu einem Musterbeispiel für eine Fehlplanung zu entwickeln.

[Frau Ströver (GRÜNE): Warum?]

Eine Steigerung der Baukosten von ursprünglich 45 auf jetzt 75 und möglicherweise noch mehr Millionen DM kann so nicht hingenommen werden.

[Beifall bei der SPD – Beifall der Abgn. Goetze (CDU) und Kaczmarek (CDU)]

Bei allem Verständnis für künstlerische und architektonische Freiheit und für den Wunsch, diese zu verwirklichen, müssen sowohl die Interessen des späteren Nutzers berücksichtigt wie auch die finanziellen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Die Aufgabe, hier eine Lösung herbeizuführen, wird vom neuen Senator für Stadtentwicklung und Bauen offenbar sehr aktiv angegangen.

[Frau Ströver (GRÜNE): Ach, deshalb ist er nicht im Kulturausschuss erschienen!]

Wir begrüßen dies ausdrücklich und erwarten, dass damit eine Lösung gefunden wird, bei der die Vorgaben des Haushalts – ich sehe, dass er gut zuhört – nicht in unzumutbarer Weise überschritten werden.

Doch nun zu einem anderen Punkt: Auch positive Dinge sind in diesem Haushalt zu benennen. Die Koalition hat sich darauf verständigt, dass die Ressorts Jugend und Schule ein besonderes Augenmerk finden sollen. Erstes Resultat dieser Schwerpunktsetzung ist das Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm von immerhin 100 Millionen DM pro Jahr, getragen zu zwei Dritteln aus dem Landeshaushalt und zu einem Drittel von den Bezirken. Das ist in der Summe fast eine halbe Milliarde DM innerhalb dieser Legislaturperiode, das ist mehr als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

[Beifall bei der SPD]

Auch die Tatsache, dass die Belastung des Lehrerstellenplans bei der Erbringung von Einsparungen nur mit der Hälfte zur Anrechnung gekommen ist und die verbleibenden Einsparungen auch gestreckt werden können entsprechend dem Rückgang der Schülerzahlen, geht in die richtige Richtung. Hier ist im Haushaltsplan die politische Schwerpunktsetzung nachvollzogen. [Beifall bei der SPD]

Der Regierende Bürgermeister hat in der letzten Plenarsitzung im Rahmen seiner Regierungserklärung den Begriff „Berlin – Stadt des Wissens“ aufgegriffen und zum Leitbild erklärt. Dem folgen wir gerne. Das würden wir aber auch gerne im Haushaltsplan umgesetzt sehen, und das an zwei Stellen. Dass im Einzelplan 17 die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nun eingeschränkt wird, konterkariert die politische Vorgabe doch ganz erheblich und passt nicht ins Bild einer Stadt des Wissens. [Beifall bei der SPD]

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt zurückkommen, der schon mehrfach aufgegriffen worden ist und den wir bisher im Haushalt nicht befriedigend unterlegt finden. Eine der Leistungen der vergangenen Legislaturperiode war das Verwaltungsreformgesetz einschließlich der Bezirksfusion. Kernziel der Verwaltungsreform ist es, eine größere Bürgernähe zu erreichen. Mit der Fusion der Bezirke, die ja jetzt vollzogen wird, zu größeren vergleichbaren Einheiten und damit einer gewissen Zentralisierung der Bezirksverwaltungen war insofern die Einrichtung von Bürgerämtern in den einzelnen Stadtteilen zwingend verbunden – und ist auch so im Gesetz verankert. Damit soll sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger die Verwaltungen leichter erreichen und dort vor Ort auch alle für sie relevanten Dienste – Führerschein, Antrag auf einen Ausweis, Antrag auf Wohnungsgeld oder Sozialhilfe – angeboten bekommen. Dazu bedarf es – und darüber sind wir uns inzwischen alle einig – einer Anschubfinanzierung für die Bezirke in einer Größenord

nung von insgesamt ca. 24 Millionen DM, die im Einzelplan 05 – Inneres – zu etatisieren sind –, allerdings wohl über mehrere Jahre verteilt, da die Bezirke in ihren Planungen noch unterschiedlich weit sind. Mittel dafür sind bisher noch nicht im Haushalt eingestellt – ein Versäumnis, das während der Beratung auszuräumen ist, um wirklich dafür zu sorgen, dass eine schnelle Einrichtung von Bürgerämtern ermöglicht wird.

[Beifall bei der SPD]

So weit einige Beispiele zum Haushaltsplanentwurf, die noch einiger Nacharbeit bedürfen. Festzuhalten bleibt allerdings aus der Sicht der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hier im Hause, dass bei aller Kritik im Detail der Haushaltsplanentwurf, wie er vom Senat vorgelegt wurde, in seinen großen Zügen unseren Erwartungen entspricht. Was im Einzelnen noch der Nachbesserung harrt, werden wir in den vorliegenden Beratungen aufgreifen und sicherstellen, dass das Zahlenwerk, das von diesem Haus im April verabschiedet wird, eine wirklich realisierbare Grundlage für die Arbeit im Jahr 2000 ist.

Herr Müller-Schoenau hat gestern im Hauptausschuss die Hoffnung geäußert, dass seine Änderungsanträge Unterstützung finden würden, „egal von welcher Fraktion“. Zwar bin ich neu in diesem Parlament und natürlich auch im Hauptausschuss, doch habe ich in der kurzen Zeit bisher schon den Eindruck gewonnen, dass gerade in diesem Gremium sehr sachlich gearbeitet wird und jeder ernsthafte Antrag seriös und vorurteilslos von allen Seiten geprüft wird.

[Müller-Schoenau (GRÜNE): Und dann von der großen Koalition abgelehnt wird!]

Insofern werden Anträge, egal von welcher Fraktion, die eine realisierbare, strukturelle Einsparung erbringen, sicherlich auch die allseitige Zustimmung finden.

[Beifall bei der SPD – Frau Oesterheld (GRÜNE): Von wegen!]

Die Anträge allerdings, die Sie in der gestrigen Beratung vorgetragen haben – Sie mögen mir diese flapsige Bemerkung verzeihen –, waren noch nicht ganz von dieser Qualität oder – wie es ein Kollege formulierte – hätten besser in eine BVV gepasst.

[Beifall bei der SPD – Frau Oesterheld (GRÜNE): Das sagen Sie dann immer!]

Trotzdem möchte ich Sie einladen, mit uns konstruktiv diese Haushaltsberatungen mit dem Ziel anzugehen, für das Land Berlin einen Haushalt zu beschließen, der eine ausreichende Grundlage für die erfolgreiche Arbeit dieses Senats für das Jahr 2000 bildet. – Vor uns liegt noch ein gutes Stück Arbeit. Wir alle sind aufgefordert, daran konstruktiv mitzuwirken. Ich wünsche uns eine gedeihliche Beratung.

[Beifall bei der SPD – Beifall der Abgn. Kaczmarek (CDU) und Eyck (CDU)]

Schönen Dank, Frau DungerLöper!