Protocol of the Session on September 27, 2001

Herr Gewalt, Sie sind sonst nicht immer bereit, auf kleine Städte zu gucken, gucken Sie mal auf die Verfahren! Es war eine besondere Situation in Leipzig. Wir haben aber hier andere Verhältnisse. [Zurufe von der CDU]

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RBm Wowereit

Ich habe genug Zeit als Regierender Bürgermeister! Sie können so lange dazwischenrufen, wie Sie wollen.

[Zuruf des Abg. Kaczmarek (CDU)]

Herr Kaczmarek, ich freue mich ja darauf, dass Sie demnächst Fraktionvorsitzender sein werden, weil der alte dann nicht mehr da ist, aber nicht, weil er Regierender Bürgermeister ist!

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Deshalb sollten Sie sich jetzt freuen! Sie sind offenbar der einzige, der sich in der CDU noch freuen kann. Aber das hat mit dem Flughafen eigentlich nichts zu tun.

Es ist ein kompliziertes Verfahren, und keiner muss meinen, dass er das ohne Schwierigkeiten über die Bühne bringt. Noch mal: Alle Sorgfalt ist notwendig. Dazu gehört es, dass die Grundlagen des Beschlusses nicht immer wieder in Frage gestellt werden. Grundlage des eingereichten Plans ist in der Tat – der Kollege Cramer hat darauf hingewiesen – der Singlestandort. Alle Bekundungen von Vertretern der Politik, gerade noch, wenn sie von dem Regierenden Bürgermeister in seiner damaligen Funktion gemacht wurden, auf Parteitagen oder sonstwo, dass Tegel und Tempelhof offen bleiben, entziehen diesem Planfeststellungsverfahren die Grundlage. Dass muss in dieser Stadt nun so langsam jeder begreifen.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Sonst haben diejenigen, die Einwendungen haben, sofort juristische Argumente dagegen. Das ist, wie gesagt ein kompliziertes Verfahren.

Eventuell sind Fehler bei der Voraussetzung, nämlich der Abwägung des Standortes, gemacht worden – das kann man nicht per definitionem sagen, das ist der Standort, sondern da muss man auch eine Begründung haben. Das OVG Frankfurt/ Oder hat jetzt eine Entscheidung zu einer Rechtsverordnung getroffen. Wir werden sie auswerten und sehen, welche Konsequenzen sich daraus für das laufende Verfahren ergeben. Wir haben ein anderes Verfahren anhängig, dessen Ausgang noch ungewiss ist. Es muss juristisch sauber geprüft werden, ob es Auswirkungen auf die eingereichten Pläne hat und/oder nachgebessert werden muss. Dies kann man nicht wegdiskutieren.

[Dietmann (CDU): Völlig visionslos!]

Das hat auch nichts mit Visionen zu tun. Es sind nackte Fakten, die Sie bei einem streng durchzuführenden juristischen Verfahren einhalten müssen. Es wäre fahrlässig, wenn Sie dies nicht berücksichtigten. Wir werden das in aller Ruhe prüfen.

Ich bin optimistisch, dass wir das Planfeststellungsverfahren tatsächlich zum Erfolg führen werden. Das ist die Grundlage für die Realisierung des Ausbaus des Flughafens Schönefeld zum Großflughafen. Wir streiten nicht darüber, was wir unter einem Großflughafen verstehen. Die Kapazitäten sind dort beschrieben. Wir streben eine Kapazität von 20 Millionen Passagieren an. Wer auch immer wieder sagt und auf London – der Kollege Cramer hat es schon gesagt – hinweist, dem kann ich nur entgegnen, dass es andere Dimensionen sind. Auch wirtschaftlich würde sich ein zweiter Flughafen daneben nicht tragen. Kein Investor im Privatisierungsverfahren lässt es zu, dass er privates Geld investiert und das Land Berlin oder die Gesellschafter sagen, dass noch einer der beiden anderen Flughäfen bleibt. Das macht keiner. Wer das sagt, gefährdet das Privatisierungsverfahren in gleicher Weise, wie er das Planfeststellungsverfahren gefährdet.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Wer meint, sich über 20 DM Flughafengebühren mokieren zu müssen, den darf ich daran erinnern, dass die Mehrheit dieses Hauses – daran hat die PDS nicht mitgewirkt – 16,80 DM beschlossen hatte. Die Differenz ist dazu nicht so groß. Auch das ist damals fahrlässig gewesen, weil es eine Risikoablastung bei den Gesellschaftern war.

Jetzt kommen wir zu dem tatsächlichen Privatisierungsverfahren. Es ist schön, was die neue Regierung in den drei Monaten schon alles verschuldet haben soll. Einerseits wird vorgewor

fen, wir hätten gar nichts getan. Nun haben wir offensichtlich wieder etwas Falsches getan. Man muss sich irgendwann einmal entscheiden. Eines ist klar: Das Privatisierungsverfahren läuft seit langem. Es ist ein Angebot der Investoren abgegeben worden. Dass es jetzt nur noch einer ist, der mit einem ehemaligen Konkurrenten kombiniert worden ist, ist von einem Gericht in Brandenburg entschieden worden – um das auch noch einmal in Erinnerung zu rufen. Dieses Angebot ist aus Sicht der Investoren sicherlich in Ordnung. Warum sollen Investoren nicht versuchen, ein optimales Ergebnis bei einer Vertragsgestaltung herauszuholen? Das ist vollkommen in Ordnung. Ich habe immer großen Respekt vor Menschen, die für ihr Unternehmen versuchen, das Optimale herauszuholen. Dafür sind sie da.

Auf der anderen Seite gibt es einen Vertragspartner. Der sollte auch probieren, das Optimale herauszuholen. Das sind wir in diesem Fall oder die Gesellschafter. Wir vertreten die Interessen der Steuerzahler. Ich sage eines klipp und klar: Ich werde keinen Vertrag abschließen, nur um hier sagen zu können, ich hätte einen Vertrag abgeschlossen, der aus Sicht der Steuerzahler nicht zu rechtfertigen ist. Solche Verträge schließe ich nicht ab!

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir sind dabei, dieses Angebot zu gewichten. Es gibt ein kompliziertes Vergabeverfahren. Es geht nicht darum, öffentlich zu verhandeln. Der Senat verhandelt nicht öffentlich. Öffentlich sind die Investoren tätig. Das ist mir, ehrlich gesagt, zu öffentlich – ganz vorsichtig ausgedrückt. Dies ist in einer Phase der Nochnicht-Vertragsverhandlungen auch ein Punkt, an dem die Frage der Vertrauensbasis gestellt wird, wenn sich eine Seite an die Usancen hält und die andere offensichtlich eine PR-Kampagne startet. Es muss jedem bewusst sein, was er damit provoziert. Der Aufsichtsrat der PPS hat jedenfalls eindeutig beschlossen – das hat die Gesellschafterversammlung einstimmig nachvollzogen; alle drei Gesellschafter sind sich einig: Brandenburg, der Bund und das Land Berlin. Das Angebot wurde zur Kenntnis genommen. Es ist entschieden worden, dass das Angebot vom 31. Juli 2001 derzeit keine Grundlage zur Aufnahme von Verhandlungen darstellt. Es ist eine Frist bis zum 31. Oktober gesetzt worden, bis zu der das Angebot sowohl in finanzieller als auch in vertraglicher Hinsicht noch einmal aufgeklärt oder verbessert werden kann. In diesem Stadium befinden wir uns.

Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um das Privatisierungsverfahren. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn wir schon so weit wären, den Vertrag zu unterzeichnen. Gerade in Wahlkampfzeiten wäre es doch wunderbar, wenn der Regierende Bürgermeister ein Zukunftsprojekt unterschreiben würde. Aber auch da darf der 21. Oktober überhaupt kein relevantes Datum sein. Wir lassen uns nicht unter Zugzwang setzen, weder von Investoren noch sonst irgendjemandem,

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

wenn das Ergebnis nicht richtig wäre – und darum geht es. Es gibt Alternativen. Wir wollen den Flughafen. Wir werden ihn bauen, aber nicht um jeden Preis. Man kann damit Geld verdienen. Das ist offensichtlich die Erwartung von privaten Investoren. Die Renditeerwartung liegt bei 15 %. Das muss man berücksichtigen. Es muss eine Interessenabwägung sein, wie wir dort zu einem Ergebnis kommen, von dem die Investoren etwas haben, von dem aber auch die Gesellschafter etwas haben und bei dem die Zukunftsfähigkeit dieses Projektes auch sichergestellt werden kann. Dies ist das primäre Ziel für die ganze Aktion.

Bis dahin müssen wir alle Nerven behalten. Natürlich müssen sich auch Parteien erklären, wie sie dazu stehen. Es ist in einer Demokratie nichts Schlechtes, wenn die PDS-Fraktion – das hat sie mit ihrer Vertreterin deutlich gemacht – ihre Auffassung vertritt. Es ging gar nicht darum, ob irgendwelche Formalien eingehalten werden. Frau Matuschek sagte, sie sei gegen den Flughafen. Das ist eine Position, die man haben kann. Die haben mit ihnen höchstwahrscheinlich zehntausende Menschen vor Ort. Eine solche Position soll auch erklärt werden. Herr Gysi hat so herumgeeiert, in dem er äußerte, er sei nicht so ganz dagegen.

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RBm Wowereit

Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass die PDS-Fraktion dagegen ist. Das ist ein offenes Wort. Damit kann man in einer Demokratie leben. Man soll dann aber auch nicht herumeiern, sondern sich eindeutig bekennen.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Ich sage es noch einmal: Der Berliner Senat wird alles tun, um sowohl das Privatisierungsverfahren zu einem vernünftigen Ergebnis zu führen als auch das Planfeststellungsverfahren rechtlich unter Beteiligung der Bürger durchzuführen. Ich bin sicher, dass der Flughafen Berlin-Brandenburg International im Jahr 2007 verwirklicht werden kann. – Schönen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr der Kollege Cramer das Wort! – Bitte schön, Herr Kollege Cramer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Sie nannten zum Schluss ein Datum. Das habe ich bewusst nicht getan. Ich habe aber meine Rede damit beendet, dass ich für die schnellstmögliche Realisierung bin, weil ich die schnellstmögliche Schließung von Tegel und Tempelhof möchte. Wenn das 2007 geschieht, sind wir alle froh, wenn nicht, hoffen wir, dass es nicht allzu lange dauert.

Ich komme jetzt zu Herrn Steffel, der leider wieder hinausgeht. Das ist eine Unsitte. Es ist mehr als die Hälfte der CDU-Fraktion nicht anwesend. Herr Steffel hört nicht zu, wenn andere reden.

[Niedergesäß (CDU): Bei Ihnen haben auch nur 4 Leute gesessen!]

Ich hätte ihm jetzt gern einige Dinge mitgeteilt. – Heute Morgen hat er schon seinem Gedächtnisschwund unter Beweis gestellt. Er hat vergessen, dass die Senatoren Klemann und Branoner in der CDU sind. Er sagte, der damals abgeschlossene BVG-Vertrag sei schlecht ausgehandelt worden. So etwas würde die CDU nie tun. Jetzt wollte ich ihn wieder darauf hinweisen, dass er falsch liegt. Er sagte, – ich habe es mir notiert – Grüne und PDS wären für Stendal und Sperenberg gewesen. Ich bin wirklich sehr aufmerksam. Ich habe mich in meiner Partei umgehört. So etwas habe ich nie gehört. Wir waren die ersten und lange Zeit die einzigen, die erstens für die Region festgehalten haben, dass ein Single-Airport-Konzept benötigt wird und die sich schon 1991 oder 1992 für den Standort Schönefeld entschieden haben. Da war die SPD noch zu großen Teilen für Sperenberg. Sie waren sogar noch weiter draußen, bei Sperenberg und wo auch immer, Hauptsache nicht in Bohnsdorf, Herr Niedergesäß. Alles andere ist Ihnen doch recht, ob groß, ob klein, ob wie auch immer, Hauptsache nicht vor Ihrer eigenen Tür. Das können Sie ja vertreten. Es wirkt nur nicht überzeugend!

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Jedenfalls bitte ich darum, dieses klar zur Kenntnis zu nehmen. An diesem Punkt haben wir den Weitblick gehabt und haben diesen Standort favorisiert. Der wird realisiert. Herr Landowsky schüttelt den Kopf. Sie waren immer dafür oder dagegen. Ich weiß nicht, wofür Sie heute sind. Aber dass Sie diesen Senat für so mächtig halten, dass er in drei Monaten ein Planfeststellungsverfahren, das schon über Jahre läuft, von heute auf morgen kippen kann, da wäre ich vorsichtig. Aber vielleicht trauen Sie ihm ja viel zu. Aber dann haben wir auch noch gute Sachen, die wir in der Zukunft noch realisieren können – Rot und Grün zusammen. Ich danke für das Vertrauen, Herr Landowsky!

Dann hat Herr Steffel auch die Zeit, die uns davonläuft, bemüht. Der entscheidende Zeitpunkt für die Realisierung des Single-Airports und die Schließung der innerstädtischen Flughäfen ist das Planfeststellungsverfahren. Ohne einen Planfeststellungsbeschluss, der rechtskräftig ist, nützt auch kein Privatisierungsverfahren, egal ob es gestern, heute oder morgen abgeschlossen wird. Das ist das Entscheidende. Trotz dieser Querelen und trotz der Querschüsse von Seiten der CDU gegen dieses Konzept ist die Planfeststellung noch im Zeitplan. Und sie

läuft auch weiter. Es war eine gute Entscheidung, dass das Planfeststellungsverfahren vom Privatisierungsverfahren abgekoppelt wurde, denn das ist die Voraussetzung, dass man überhaupt bauen kann. Deshalb unterstütze ich auch die Position, dass wir die Verfahrensmängel, die das Gericht in Frankfurt an der Oder zu Recht gerügt hat, schnellstmöglich beheben.

Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass hier drei Gesellschafter sind, also Brandenburg, der Bund und Berlin. Und es wurde auch gesagt, dass sich alle drei Gesellschafter einig sind. Das Land Brandenburg wird in der Flughafenholding übrigens von dem dortigen Wirtschaftsminister vertreten. Nach meiner Erinnerung heißt der Fürniß und gehört zur CDU. Also klären Sie einmal die Position in Ihren eigenen Reihen, grenzüberschreitend, denn wir wollen ja ein gemeinsames Bundesland werden. Wenn Sie sich geeinigt haben, kommen Sie wieder, und dann können Sie auch gezielt und berechtigt meckern.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Danke schön, Herr Kollege Cramer! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Kaczmarek das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktualität dieser Aktuellen Stunde erschließt sich mir auch nach den Redebeiträgen der Koalition nicht so ganz.

[Gaebler (SPD): Wegen der Brüssel-Reise!]

Wir hatten eigentlich gedacht, dass Sie uns, nachdem Sie nun diese Aktualität hier durchgesetzt haben, ganz neue Erkenntnisse präsentieren würden. Der Regierende Bürgermeister hat uns in einem juristischen Kolloquium erklärt, wie ein Planfeststellungsverfahren grundsätzlich abläuft. Vielen Dank dafür! Aber Sie werden es nicht glauben, Herr Wowereit, das haben wir auch schon vorher gewusst.

[RBm Wowereit: Na, dann ist es ja schön!]

Herr Cramer von den Grünen hat seine 25. Flughafenrede aus den vorigen Jahren hervorgeholt, und Herr Gaebler hat bewiesen, dass er alte Drucksachen aus der Ablage holen kann.