Protocol of the Session on July 12, 2001

Herr Eßer, regen Sie sich nicht auf! Sie waren doch in Irland und müssen sich so gut erholt haben. Bleiben Sie an dieser Stelle doch ruhig!

Sie haben einen vierten verheerenden Fehler begangen. Der Zukunftsfonds ist nicht nur ein innovatives Element in finanzpolitischer Hinsicht gewesen. Der Zukunftsfonds ist in hohem Maße ein Marketinginstrument gewesen. Wir haben national und international erfahrene Leute hierher geholt. Die stoßen Sie vor den Kopf, wenn Sie sagen, dass Sie in diesem Zusammenhang auf ein solches Instrument verzichten wollen.

[Eßer (Grüne): Dafür haben Sie auch gestimmt!]

Herr Branoner! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Liebich?

Na, logisch!

Bitte schön, Herr Liebich! Aber diesmal geht es von Ihrer Redezeit ab, Herr Branoner!

Nein, dann nicht!

Na gut, wir geben Ihnen einen Zuschlag! – Herr Liebich!

Herr Branoner! Sie haben darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf die U 5 unglaublich negative Auswirkungen auf die wirtschaftspolitische Entwicklung der Stadt hat. Ist es nicht zutreffend, dass Ihre Fraktion einem 50-Punkte-Plan zugestimmt hat, in dem genau das vorgeschlagen wurde? Ist es nicht weiterhin zutreffend, dass auch der Zukunftsfonds in diesem 50-Punkte-Vorschlag zumindest gravierend in seiner Ausrichtung und Struktur verändert werden sollte?

Herr Branoner, bitte!

Es ist nicht zutreffend, dass der Zukunftsfonds in seiner Struktur wesentlich verändert werden sollte.

[Hoff (PDS): Unehrlichkeit!]

Der Unterschied zwischen Ihnen und uns war, dass wir gesagt haben, die bewilligungsreifen Projekte in einer Größenordnung von 48 bis 49 Millionen DM werden bewilligt. Das zweite waren die 50 Millionen DM. Wir haben gesagt, dass der Senat – was die Bewilligung im Übrigen anbelangt – dafür Sorge tragen wird, dass der Zukunftsfonds und dass der Technologierat die entsprechende Bewilligung vornehmen können. Wir haben gesagt, dass mit dem Haushalt 2002 die Ausfinanzierung sichergestellt sein muss. Das sind einige wenige Unterschiede zwischen Ihrer sehr leichtfertigen Art und Weise in dem Umgang und dem eher verantwortungsvollen Umgang auf unserer Seite gewesen.

[Beifall bei der CDU – Hoff (PDS): Sie sagen nicht die Wahrheit!]

Ich will es aber bei diesen vier Beispielen belassen. Das Thema Handwerk ist leider aus meiner Sicht nicht ausreichend gewürdigt worden. Es ist richtig, dass dieses von uns, dem vorherigen Senat, und von mir initiierte Aktionsprogramm Handwerk weitergeführt werden soll. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Auf der anderen Seite hat es immer wieder – und unsere Sorge ist, wir lassen die Katze haushaltspolitisch nicht aus dem Sack – Diskussionen gegeben, beispielsweise die Meistergründungsprämie zu streichen – nach dem Motto, man soll sich das Geld auf dem Eigenkapitalmarkt holen. Sie wissen genau, dass es so

nicht funktioniert. Andere Bundesländer, beispielsweise Nordrhein-Westfalen, haben dieses Instrument übernommen und kopiert, weil sie gemerkt haben, das es gut ist. Hier muss ein besonderer Schwerpunkt gesetzt werden. Auch da sehen wir, dass das, was die vorherige Koalition geleistet hat, eher den Bach hinunter als den Bach herauf geht.

Ich möchte noch etwas zu den Finanzen sagen. Wir haben – da sehe ich große Sorgen, weil offensichtlich in dieser Koalition, die manchmal eine ist und manchmal keine angesichts der öffentlichen Diskussionen ist – sehr unterschiedliche Einstellungen zur Frage der Finanzierung GA und EFRE. Wir haben im Jahr 2001 420 Millionen DM gesichert. Diese sind ausgegeben. Wir haben bereits im nächsten Jahr die Bewilligungen im Zusammenhang mit Verpflichtungsermächtigungen entsprechend vorgenommen. Es gibt keinerlei Aussage, wie die Finanzierung über den EFRE-Zeitraum 2006 hinaus sichergestellt werden soll. Es müssen heute die Schwerpunkte für die Mittelstandspolitik gesetzt werden, damit dort Rahmenbedingungen vorhanden sind. Die Unternehmen müssen wissen, wohin sie gehen können. Sie müssen eine Perspektive haben. Ansiedlungsentscheidungen werden sehr kurzfristig getroffen. Nach einem langen, zum Teil jahrelangen Vorlauf – wenn Sie dies bei Universal mit 2 bis 2 1/2 jährigen Diskussionen sehen – wird innerhalb von 2 1/2 Wochen entschieden. Dafür ist, bisher jedenfalls, keine Vorsorge auch in diesem Über- oder Untergangssenat getroffen worden. Sie streiten sich in der Koalition. Der eine Partner sagt, es solle nicht in Beton investiert werden. Wollen Sie sagen, dass Sie für die Erweiterung von Buch als Standort, in die Erweiterung von Adlershof – einem wichtigen technologischen Schwerpunkt, als ein Gebiet für die Entwicklung im Südosten Berlins enorm wichtig – keine Mittel mehr für die Investition zur Verfügung stellen wollen? Der eine sagt, er will in die Infrastruktur investieren, der andere sagt, er wolle in die Unternehmen hineingeben. Glauben Sie, dass Sie die Zustimmung von der EU bekommen, wenn Sie heute hü und morgen hott sagen? Das sind lange Bearbeitungsvorläufe, was bedeutet, dass Sie damit spielen, dass dieses Geld für die Berliner Wirtschaft nicht ausgegeben und nicht sichergestellt werden kann.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Bleiben Sie doch bitte ruhig, Herr Eßer! Ich mache mir richtig Sorgen um Ihre Gesundheit!

Es ist in der Tat so, dass Basel II ein ganz wesentliches Element ist, um gemeinsam mit der Wirtschaft – Frau von Friesen, Sie haben gesagt, dass diese beiden Schwerpunkte übernommen werden sollen – diese weiterzuentwickeln. Sie werden schnell feststellen, dass Basel II plötzlich da ist. Schon heute sagen die Geschäftsbanken, dass sie vorhaben, zwischen einem Fünftel und einem Drittel die gewerblichen Kredite zurückzuführen. Dafür muss es Antworten geben, wie beispielsweise durch Informationen und durch geeignete Instrumente einschließlich der Bürgschaften eine Abfederung in zeitlich überschaubarer Hinsicht getroffen werden kann.

Ich möchte noch etwas zur Innovationstechnologie sagen. Sie ist Mittelstandspolitik und hat leider in der Beantwortung keine Rolle gespielt. Wir haben in den vergangenen Jahren jährlich aus unserem Berliner Haushalt 10 % von den 4 Milliarden DM dafür ausgegeben. In Schlüsselbranchen brauchen wir auch aus mittelständischer Sicht diese Investitionen. Wir haben in den vergangenen Jahren daran gekrampft, dass keine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit und keine ausreichende technologische und innovative Ausrichtung unseres Mittelstandes, der in der Tat in der Regel von kleineren Unternehmen geprägt ist, vorhanden gewesen ist. Wir haben die Schlüsselbranchen definiert. Wir haben Spin-offs gefördert. Wir haben den Personaltransfer gefördert. Es ist so, dass dieser Punkt ein ganz wesentlicher Baustein ist und war, um eine Gemeinsamkeit zwischen der Wissenschaftslandschaft Berlin und den Hochschulen, Universitäten und den 250 außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu bekommen. Es ist wichtig, dort keine Dividierung zu erhalten.

Herr Branoner! Würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Die gedankliche Trennung, die hier in der Debatte vorgenommen wurde, dort die Innovation in dem einen und dort die Mittelstandspolitik in dem anderen Ressort, wäre ein Rückschritt und kein Fortschritt, wie wir ihn in den vergangenen Jahren deutlich gehabt haben. Ich verhehle nicht, dass ich aus den vergangenen Wochen der Erfahrungen der Entscheidungen dieses Senats den Eindruck habe, dass man sich eher wie ein Wellenreiter bewegt. Man schwebt irgendwo oben drüber, man hat bestimmte Dinge vergessen, man sieht das Land nicht mehr, woher man kommt. Das Problem des Wellenreiters ist, er kommt schnell voran, allerdings ohne Tiefgang. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Frau Dr. Klotz hat zu einer Kurzintervention das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Branoner! Dass Sie hier derjenige sind, der nach dreieinhalb Wochen als ehemaliger Senator die erste Oppositionsrede der CDU zur Wirtschaftspolitik hält, finde ich einen ganz schlechten politischen Stil.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Und das sage ich nicht aus parteipolitischen Gründen: Weder ein Herr Rühe, der ehemals Verteidigungsminister war, ist in den Verteidigungsausschuss gegangen – er hat sich vielmehr ein anderes Betätigungsfeld gesucht –, noch ein Herr Kinkel wollte in den Auswärtigen Ausschuss. Auch Andrea Fischer hat, nachdem sie nicht mehr Gesundheitsministerin war, gesagt: Ich gehe nicht in den Gesundheitsausschuss! – Dass Sie sich und uns das nicht ersparen, finde ich einen schlechten Stil.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Oh! von der CDU]

Wenn das die Art und Weise der Auseinandersetzung ist, dann müsste Frau von Friesen so reagieren, dass sie in der Verwaltung, der Sie bis vor kurzem noch vorgestanden haben, umhergeht und fragt: „Was hat denn der Branoner dazu gesagt?“ und das dann hier verwendet. Ich glaube, dass uns das alle nicht weiterbringt. Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, dies in Zukunft zu unterlassen und dieses Politikfeld anderen in Ihrer Fraktion zu überlassen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Kittelmann (CDU): Das geht Sie doch wohl einen feuchten Kehricht an! – Trapp (CDU): Das war eine Frechheit! – Frau Toepfer-Kataw (CDU): Unglaublich! Was Sie uns alles vorschreiben wollen! – Weitere Zurufe]

Möchte der Herr Abgeordnete Gräff etwas zur Geschäftsordnung sagen? – Dann müssen Sie hierher kommen. interjection: [Zuruf]

Nein! Kurzintervention gibt es nicht mehr.

Nun hat erst einmal Herr Branoner das Recht darauf, zu antworten. – Bitte schön, Herr Branoner!

[Zurufe]

Frau Klotz! Ich glaube, es ist – –

[Unruhe]

Wenn ich kurz um Aufmerksamkeit bitten darf! – Frau Klotz! Ich glaube, wir sind in einer etwas atypischen Situation. Dieser Senat und damit auch ich sind im Zusammenhang mit einem, wenn man so will, fast politischen Putsch abgewählt worden bzw. aus dem Amt gedrängt worden.

[Beifall bei der CDU – Oh! von links – Eßer (Grüne): Hier ist die Demokratie intakt! Hier gibt es keinen Putsch! – Weitere Zurufe]

Aber schauen Sie! Nur deswegen, weil Sie schreien, sind Sie doch nicht demokratisch, Herr Eßer! Bleiben Sie doch bitte ruhig! Ich habe doch das Recht zu antworten.

[Eßer (Grüne): Weil Sie das Wort „Putsch“ wieder benutzen! Das ist militärisch. Hier gibt es keinen Putsch! – Unruhe]

Entschuldigung! Jetzt hat Herr Branoner das Wort. Zwischenrufe sind in Ordnung, aber nicht, wenn man versucht, den anderen niederzubrüllen. Ob das von Herrn Niedergesäß oder von Ihnen kommt, ist egal. – Bitte, Herr Branoner, fahren sie fort!

Der zweite Punkt: Schauen Sie! Ich bin ein 45jähriger Zwangspensionär.

[Liebich (PDS): Sie sind Abgeordneter wie wir!]

Ich bekomme nach wie vor als Übergangsgeld mein Senatorengehalt, und deswegen denke ich, wenn ich mich mit den Themen auseinandersetze, dann ist dieses doch durchaus gerechtfertigt.

[Frau Freundl (PDS): Haben Sie kein anderes Feld?]

Die Wirtschaftspolitik und die Technologiepolitik, die ich in diesem Senat geführt bzw. geleitet und vertreten habe, ist in engster Abstimmung mit der SPD durchgeführt worden. Wir haben die Initiativen erörtert. Es gibt da überhaupt kein Vertun. Ich habe mich in der Tat auseinandergesetzt mit den Erklärungen dieses Gesamtsenates. Ich habe mich nicht mit der politischen Leistung von Frau von Friesen auseinandergesetzt, denn es steht mir, so glaube ich, als Vorgänger nicht zu, dieses zu bewerten.