[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Kittelmann (CDU): Sie vergessen, was dieser Mann für diese Stadt getan hat!]
Meine Damen und Herren von der CDU! Die Frage des politischen Stils einmal außen vor gelassen, müssen Sie sich die Frage nach der politischen Grundhaltung, die eben durchschimmerte, gefallen lassen. Sie scheinen in einem Berlin zu leben, das es sich leisten kann, seine Nöte zu verdrängen. Einmal mehr führt die CDU das Stück Realitätsverlust auf.
Es mag zwar jetzt die Zweitbesetzung spielen. Die Inszenierung der beiden alten Regisseure Diepgen und Landowsky, deren Engagement zu Recht nicht verlängert wurde – sie sind auch heute hier nicht mehr zu sehen –, haben Sie unverändert beibehalten! Die Kernaussage der Erklärung des Regierenden Bürgermeisters haben Sie – wenn Sie es überhaupt verstanden haben – noch nicht verinnerlicht. Nicht alles Wünschenswerte ist machbar. Auch das ist neu, dass solche Wahrheiten offen ausgesprochen werden.
Die SPD hat die Notwendigkeit einer strikten Konsolidierung in den vergangenen Jahren in einem harten Kampf erkannt und auch umgesetzt. Das war manchmal auch innerparteilich nicht einfach. Manches hat wehgetan. Es hat seine Zeit gedauert. Wir haben diesen wichtigen Erkenntnisprozess hinter uns. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben ihn noch vor sich. Ich habe den Eindruck, es wird noch sehr lange dauern, bis Sie ihn auch verinnerlicht haben!
Ich bin sicher, dass Sie in der Opposition bleiben werden, bis Sie gelernt haben, mit diesen Realitäten auch umzugehen.
Wenn ich mir vorstelle, dass zur selben Zeit, in der die Politik den Bürgern harte Einschnitte abverlangt hat, in luxuriösen Bankbüros in der Stadt mit wenigen Federstrichen die Bemühungen um die Haushaltssanierung und -konsolidierung zunichte gemacht wurden, kann ich die Wut und Frustration der Bürger auch verstehen. Sie müssen schließlich mit ihren Steuergroschen die Zeche für das Missmanagement bezahlen.
Die Spendenaffäre der CDU und die Bankenkrise haben Berlin in eine dramatische Lage gebracht. Diese Krise hat das Ansehen Berlins auf das Schwerste beschädigt und das Vertrauen der Menschen in die Politik erschüttert. Wichtigstes Ziel der Koalition ist es, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. An dieser Stelle möchte ich noch einmal deutlich sagen: Die Trennung von wirtschaftlicher und politischer Macht ist oberstes Gebot. Es darf in öffentlichen Unternehmen keine Personalkungeleien mehr geben!
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Schlede (CDU): Dann müsst ihr alle Genossen hinauswerfen!]
Wir alle wissen, dass der Grund für die heutige Regierungserklärung durch eine neue Regierung nicht nur in der Bankenkrise liegt, sondern vor allem in der Unfähigkeit der CDU, diese Krise zu erkennen und zu meistern. In dieser Zeit braucht die Stadt eine Regierung, die nicht unter Realitätsverlust leidet, sondern die Wirklichkeit erkennt und sie auch mutig verändern will. Wir fangen dabei keineswegs von Null an. Wir als Sozialdemokraten knüpfen an die politische Linie der Reform der Erneuerung an, die wir bereits in der großen Koalition vertreten haben, oft auch gegen den hartnäckigen Widerstand der CDU.
Die wichtigsten Reformvorhaben, die die große Koalition auf den Weg gebracht hat, beruhen größtenteils auf sozialdemokratischen Initiativen. [Unruhe bei der CDU]
Dazu gehören natürlich die Haushaltskonsolidierung und die wichtigen Privatisierungsvorhaben, die Bezirksgebietsreform, die Verkleinerung von Senat und Abgeordnetenhaus und natürlich auch die Verwaltungsreform.
Der Regierende Bürgermeister hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Grundvoraussetzung für die Lösung der Probleme der Stadt ein Mentalitätswechsel ist. Die Menschen in der Stadt sind der Politik des Aussitzens überdrüssig. Sie erwarten, dass die Probleme nicht weiter ignoriert werden. Sie wollen nicht weiter hinter das Licht geführt. Sie haben das demokratische Recht, über die wahre Lage in Kenntnis gesetzt zu werden. Dies ist auch die Voraussetzung dafür, dass sie die notwendigen Entscheidungen mittragen.
Gegen den bisherigen Verdruss setzt die neue Regierung Ehrlichkeit und Offenheit im Umgang mit den Bürgern. Deswegen ist der sofortige Kassensturz notwendig, um illusionslos die wahre Lage unserer Stadt offenzulegen. Dennoch besteht kein Anlass zur Mutlosigkeit. Schließlich geben wir in diesem Land immer noch knapp 40 Milliarden DM aus. Trotz der schwierigen finanziellen Situation wird es uns damit gelingen, im Interesse Berlins wichtige Schwerpunkte zu setzen. Die veränderte politische Mentalität der neuen Berliner Landesregierung wird auch außerhalb Berlins anerkannt. Dies wird deutlich sichtbar beim Ergebnis der Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich. Es war ein sehr guter Tag, als das Ergebnis verkündet wurde. Es war ein guter Tag für Berlin und ein sehr guter Einstand für Klaus Wowereit und Christiane Krajewski. [Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]
Nicht nur in der Stadt, sondern in der ganzen Bundesrepublik steht inzwischen Klaus Wowereit als Symbol für den Aufbruch in Berlin, auf den viele lange Jahre gewartet haben und der von Berlin leider nicht ausgegangen ist.
Zu diesem Aufbrauch gehört auch ein klares Bewusstsein der Verantwortung auch und insbesondere bei der Bewältigung der Bankenkrise. Dabei müssen folgende Ziele im Vordergrund stehen: 1. Niemand muss sich um seine Einlagen bei der Bankgesellschaft Sorgen machen. 2. Die notwendigen Strukturveränderungen der Bankgesellschaft dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. 3. Das Vertrauen in den Wirtschafts- und Finanzstandort Berlin muss wieder hergestellt werden. 4. Diejenigen, die das Missmanagement in der Bankgesellschaft zu verantworten haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS, den Grünen und bei der CDU]
Wir haben es vorhin schon gemerkt, dass der Beifall bei der CDU an der Stelle relativ dünn ist! – Wer Millionen DM-Beträge von Steuergeldern verschleudert, hat jeden Anspruch verwirkt, weiterhin 60 000 DM monatlich zu kassieren, ohne dafür auch nur eine einzige Stunde zu arbeiten.
5. Die Zukunft der Bankgesellschaft kann nur mit einem starken strategischen Partner gestaltet werden.
Bei unserer Wirtschaftspolitik muss es aber auch um die anderen wichtigen Beteiligungen des Landes Berlin gehen und nicht nur um die Bankgesellschaft. Wir haben große Betriebe in der Stadt mit tausenden von Arbeitsplätzen, die BVG, die BSR, die Behala, die Wasserbetriebe. Bei der zu entwickelnden Zukunftsperspektive muss es vor allem um die Erhöhung der Ein
nahmen auch des Landes gehen. Man darf die Einnahmeseite nie außer Acht lassen. Das ist nur mit einem langfristigen Beteiligungsmanagement zu bewerksstelligen.
Ziel eines solchen Gesamtkonzeptes muss daneben natürlich auch die Sicherung der Arbeitsplätze sein. Berlin muss auf Zukunftstechnologien setzen. Dafür haben wir hervorragende Voraussetzungen. Die Standorte Adlershof und Buch mit den zukunftsträchtigen Bereichen Biotechnologie, Medien und Optik müssen weiterentwickelt werden.
Ebenso wichtig für die Wirtschaft und die Lebensqualität in der Stadt sind aber auch – und das darf man nie vergessen, wenn man über Zukunftstechnologien redet – die 28 000 Handwerksunternehmen und die 18 000 Einzelhandelsbetriebe in der Stadt, die hundertausende Arbeitsplätze sichern und die zu Recht von der Berliner Politik Rahmenbedingungen erwarten dürfen, die ihnen auch unternehmerisches Handeln ermöglichen und dieses unterstützen.
Für unsere Wirtschaft ist auch die Schaffung eines gemeinsamen Landes Berlin-Brandenburg von hoher Bedeutung. Ich werde als Fraktionsvorsitzender die von Klaus Wowereit begonnene Initiative, eng mit den Fraktionsvorsitzenden der anderen Landtage an diesem Ziel zusammenzuarbeiten, fortsetzen.
Berlin ist auf Grund seiner besonderen Lage in der Mitte Europas die Drehscheibe zwischen West und Ost und hat daher ein besonderes Interesse an der Erweiterung der EU. Diese Erweiterung wird sich besonders nachhaltig auf die Wirtschaftsstruktur in Berlin auswirken. Wir dürfen in diesem Prozess die Berliner Unternehmen nicht allein lassen. Dafür werden wir in einen kontinuierlichen Dialog mit der Wirtschaft und der Bundesregierung eintreten. Zu den Anliegen, die in einem solchen Dialog an die Wirtschaft herangetragen werden, gehört auch die Werbung für flexible Arbeitszeitmodelle. Berlin hat den höchsten Anteil an Alleinerziehenden. Es gibt eine gemeinsame Verpflichtung, diesen Müttern und Vätern familienfreundliche Arbeitszeiten zu ermöglichen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung durch die Erhöhung des Kindergeldes und die steuerliche Entlastung wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Familien getroffen hat.
Wir wollen die soziale Stadt – eine Stadt, in der soziale Gerechtigkeit auch gelebt wird. Es gibt in Berlin nicht nur den Glanz des Gendarmenmarktes, sondern auch viele soziale Brennpunkte in den Kiezen. Wichtig ist für uns, die Wohnquartiere zu stabilisieren und der sozialen Spaltung der Stadt entgegenzuwirken.
Die bewährte Berliner Mischung aus Wohnen und Arbeiten werden wir erhalten. Dem Wegzug aus der Innenstadt werden wir entgegenwirken. Dies wird unterstützt durch ein aktives Quartiersmanagement. Mit dem weiteren Abbau der Fehlbelegungsabgabe hat der Senat unmittelbar nach Amtsantritt – nach wenigen Tagen – ein wichtiges Signal in diese Richtung gesetzt.
Zu funktionierenden Kiezen gehört auch der ortsnahe Kontakt zur Verwaltung. In den neuen Bürgerämtern wird dafür ein wesentlicher Beitrag geleistet. Die Bürgerfreundlichkeit beschränkt sich aber nicht auf die örtliche Ansiedlung von Behörden, sondern erfordert auch hier einen Mentalitätswechsel. Die Verwaltung ist Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger und sonst gar nichts. Akten sollen laufen lernen und nicht die Bürger, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen sollen.
Die Berliner Verwaltung muss Vorreiter sein beim E-Government. Dazu gehört die Möglichkeit der Inanspruchnahme aller Dienstleistungen der Verwaltungen über das Internet. Hier ist in der Vergangenheit viel Zeit vertrödelt worden.
Um überhaupt wieder einen Spielraum für Entwicklungen zu gewinnen, müssen auch im Bereich der Verwaltung Einschnitte vorgenommen werden. Aus diesem Grund unterstützen wir die Initiative des Regierenden Bürgermeisters, im Dialog mit den Gewerkschaften erhebliche Einspareffekte im Personalbereich zu erzielen. Schließlich geht es darum, eine Milliarde DM einzusparen. Wir setzen darauf, dass eine solche Kooperationslösung betriebsbedingte Kündigungen dauerhaft verhindert.
Untrennbar mit dem Profil unserer Stadt ist eine außerordentlich lebendige Kulturszene verbunden. Nicht nur die großen Theater und Opernhäuser mehren den kulturellen Ruf unserer Stadt, auch die Off-Theater und die unabhängigen Gruppen beeindrucken durch ihre Kreativität. Hier hat der Senat ein Signal gesetzt und trotz der angespannten Haushaltssituation eine Million DM zusätzlich für diese Gruppen zur Verfügung gestellt. Endlich wird die Flickschusterei von Herrn Stölzl ersetzt durch ein kulturpolitisches Gesamtkonzept, wie es die Stadt schon lange benötigt hat.