Protocol of the Session on June 14, 2001

[Schlede (CDU): So ein Quatsch!]

Alle Berlinerinnen und Berliner haben in den letzten Jahren Einschnitte hinnehmen müssen. Wir haben landeseigene Betriebe, Wohnungen und Grundstücke verkauft. Viele Entscheidungen haben wehgetan, aber sie waren notwendig. Ich würde Herrn Kurth – er ist jetzt leider nicht da – gern fragen, was er eigentlich gedacht hat, als der Regierende Bürgermeister gesagt hat: Der Stadt geht es gut, nur dem Haushalt geht es schlecht. – Ich glaube, er hat den Ernst der Lage nicht begriffen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Und auch zum 50-Punkte-Programm der CDU muss man noch etwas sagen. In einer schwierigen finanzpolitischen Situation kommt der Koalitionsausschuss zusammen, um über einen Weg aus dieser Krise zu beraten. Nachdem mehrere Monate kein Konzept vom Finanzsenator und der CDU vorgelegt wurde, geben Sie an dem Tag dieses Treffens ein Papier in mehreren Fassungen erst – im Übrigen – an die Presse und dann erst an Ihren Koalitionspartner weiter,

[Zurufe von der CDU]

das neben vielen unkonkreten Absichtserklärungen zum Beispiel auch den bemerkenswerten Vorschlag enthält, die Gehälter der Beschäftigten im Ostteil der Stadt um 4 % zu kürzen. Ist das eigentlich wirklich Ihr Ernst? – Ich meine, über so einen Punkt sollte man lieber länger und ernsthaft nachdenken, bevor man ihn hinausposaunt – von wegen sozial ausgewogene Politik, Herr Diepgen. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der PDS]

Alles andere als ein Zufall ist doch wohl auch, dass schon wenige Stunden nach diesem Gespräch Ihre ersten Wahlplakate fertig gedruckt waren. Offensichtlich waren Sie auf das Scheitern dieser Gespräche und damit auch der Koalition so gut vorbereitet, wie Sie es uns immer unterstellen. – Nein, es gibt keine Vertrauensbasis mehr mit dieser CDU. Immer deutlicher hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass die Berliner CDU nicht die Kraft hat, gemeinsam mit uns umzusteuern.

Inzwischen weiß man auch wirklich nicht mehr weiter bei der CDU; alle paar Stunden kommen widersprüchliche Erklärungen, das können Sie ja wohl nicht im Ernst bestreiten. Wollen Sie nun Neuwahlen oder nicht? Wenn ja, wann wollen Sie Neuwahlen, schnell oder vielleicht doch etwas später?

[Zuruf des Abg. Schlede (CDU)]

Gerade Sie, Herr Schlede, sind da offensichtlich noch nicht so ganz im Reinen mit Ihrer Meinung. Mit wem werden Sie in diese Wahlen gehen – Herrn Diepgen, Herrn Schäuble, Herrn Hintze oder vielleicht doch Herrn Steffel?

[Schlede (CDU): Aber nicht mit Müller!]

Und wie man aus der CDU hört, halten einige es in dieser Situation sogar nicht für angemessen, in der Sommerpause zu einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses einzuladen. Angeblich wäre das den Abgeordneten nicht zuzumuten, und die Kosten

dafür wären zu hoch. Glauben Sie wirklich, der Urlaub für Abgeordnete ist wichtiger, als endlich die Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Meinung zu fragen?

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Wie gesagt, das blanke Chaos in der CDU. Es gibt in dieser Situation keine Alternative zur Beendigung der großen Koalition. Die CDU ist in ihrer jetzigen Verfassung nicht regierungsfähig.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Und all Ihre Zwischenrufe zeigen das im Übrigen ganz, ganz deutlich.

Wir wollen den Weg freimachen, um mit Neuwahlen die Berlinerinnen und Berliner zu befragen. Ihr Verhalten, meine Damen und Herren von der CDU, hat uns zu diesem Schritt gezwungen. Und das ist auch der Grund, dass heute die Fraktionen von SPD und Grünen Misstrauensanträge einbringen, um am Sonnabend den Regierenden Bürgermeister abzuwählen. Dazu sind auch die Stimmen der Abgeordneten der PDS erforderlich.

[Schlede (CDU): Eben!]

Wir werden Klaus Wowereit zum Regierenden Bürgermeister und einen rot-grünen Senat wählen.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich weiß, dass es vielen Menschen in der Stadt schwerfällt, diesen Schritt nachzuvollziehen, und auch in der SPD- Fraktion ist dies kein leichter Schritt.

[Schlede (CDU): Ach, kiek mal an!]

Wir legen die Vergangenheit nicht zu den Akten, und für uns bedeutet dieser Vorgang nicht die Beendigung der Auseinandersetzung mit der PDS, ganz im Gegenteil.

[Beifall bei der SPD – Schlede (CDU): Ich sehe die tiefe Betroffenheit!]

Auch die PDS muss den von ihr begonnenen Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit fortsetzen. Vielleicht kann Herr Niedergesäß dabei auch helfen.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD, den Grünen und der PDS]

Ich bin der festen Überzeugung, dass es der CDU nicht gelingen wird, zwölf Jahre nach der Einheit mit einer platten Antikommunismuskampagne neue Mauern zu errichten und die Stadt erneut zu spalten.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Die rot-grüne Regierung strebt schnelle Neuwahlen an. Das Wahlergebnis wird zeigen, welche Koalitionen der Wähler möglich macht. Für neue Mehrheiten braucht man auch neues Vertrauen. Herr Regierender Bürgemeister! Sie hatten die Chance, den Weg für schnelle Neuwahlen selbst freizumachen. Sie haben diese Chance verpasst. Deswegen sind Neuwahlen die einzig demokratische Lösung. Es kommt jetzt darauf an, dass Berlin wieder eine handlungsfähige Regierung bekommt, die die notwendigen strukturellen Entscheidungen für Berlin trifft, im Übrigen auch ganz besonders für die Bankgesellschaft. Und Ihr Hinweis, Herr Diepgen, dass Entscheidungen blockiert werden, ist nicht richtig. Es hat natürlich im Hauptausschuss auch die entsprechenden Beschlüsse gegeben, natürlich auch mit Zustimmung der SPD.

[Beifall bei der SPD]

Wir werden wichtige Entscheidungen treffen für die Bildungspolitik, für die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, für die Menschen in dieser Stadt und nicht zuletzt auch wieder für das Ansehen Berlins. Wir werden eine handlungsfähige Regierung bilden und den Neuanfang für Berlin schaffen. Berlin muss endlich raus aus dieser Krise, die die CDU verschuldet hat.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich bitte Sie um Zustimmung für die Misstrauensanträge aus Verantwortung für Berlin!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Steffel!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders aber: liebe Berlinerinnen, liebe Berliner!

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Es gibt politische Enttäuschungen und menschliche, Herr Böger.

[Beifall bei der CDU]

Um eine Frage sofort zu beantworten: Wenn Sie sich am Samstag im Parlament durchsetzen, sind wir nicht nur für Neuwahlen, sondern für eine sofortige Abwahl dieses Bündnisses.

[Beifall bei der CDU]

Was heute und am Samstag in diesem Parlament geschehen soll, erfüllt die Union – aber auch die Berlinerinnen und Berliner – mit großer Sorge um die Zukunft und das Wohl unserer Stadt. Es geht in diesen Stunden um das Schicksal der Stadt Berlin.

[Beifall bei der CDU]

Am 27. Januar 2001 – also vor nicht einmal fünf Monaten – titelte die „Berliner Morgenpost“ auf Seite 1: „Strieder will Diepgen stürzen.“ Strieder wolle mit einer inszenierten Senatskrise die große Koalition beenden und danach mit PDS und den Grünen regieren. In der Tat ist diese Senatskrise nichts anderes als eine von langer Hand geplante Inszenierung.

[Beifall bei der CDU]

Weiter heißt es in der „Berliner Morgenpost“:

Strieder plant nach dem Erfolg eines solchen Putsches die vorübergehende Installation einer rot-grünen Übergangsregierung unter Beteiligung der PDS.

Verlustreiche Immobiliengeschäfte seien ein idealer Anlass, die Koalition platzen zu lassen. Einen Tag später dementierte Strieder, dies sei absurd und beteuerte: