Protocol of the Session on June 14, 2001

[Beifall bei der CDU]

Ich denke dabei an die Herausforderungen beim Länderfinanzausgleich. Ich habe schon darauf hingewiesen, welche Ausgangsposition der Kollege Kurth gemeinsam mit vielen Ländern, und zwar parteiübergreifend, erarbeitet hat.

Ich denke aber auch an die Lösung der aktuellen Bankenkrise. Ich bin beunruhigt, dass gestern im Hauptausschuss nicht das klare Signal ausgesendet worden ist, dass hier das Land Berlin als Eigentümer seine Pflichten erfüllt. Da geht es übrigens nicht nur um Kapital, sondern auch um Vertrauen auf den Märkten, und da ist deutlich geworden, dass die Entscheidungen nicht getroffen werden, zum Nachteil der Sparer und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

[Starker Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Seitz (SPD) – Zurufe von der Grünen]

Ich denke an den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld. Da kommen wir jetzt in die entscheidende Phase. Wie sind denn die Positionen dieses Bündnisses, das sich jetzt abzeichnet? – Völlig durcheinander! Die einen wollen den Flughafen kleiner, und die anderen wollen auf die Verkehrsanbindung verzichten – um das nur in einigen Punkten zu beschreiben.

Ich denke auch an andere wichtige Investitionsentscheidungen in Bildung und Wissenschaft. Eines ist klar: Wir können nicht alles hier und heute tun. Aber wir dürfen – das darf keine Stadt – die Zukunft auch nicht durch nicht mehr rückholbare Unterlassungen gefährden.

[Beifall bei der CDU]

(A) (C)

(B) (D)

RBm Diepgen

Die Entwicklung Berlins darf nicht abgebrochen werden, sonst verspielen wir die Chancen. Deswegen sage ich: Ich jedenfalls werde mich weiter massiv einsetzen für mindestens 85 000 Studienplätze, aber ausfinanzierte Studienplätze, an den Berliner Hochschulen. Unverzichtbar ist das für unsere Wissensgesellschaft. [Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich werde mich weiter einsetzen für eine auskömmliche Förderung von Forschung und Wissenschaft, für die Opernhäuser und die Vielfalt, auch die internationale Vielfalt im kulturellen Angebot. Den Flughafen habe ich bereits genannt. Aber notwendig ist auch die Vision für das, was in der Innenstadt entsteht; dazu gehören die Bauakademie genauso wie die sonstige Bebauung des Schlossplatzes einschließlich des Stadtschlosses mit wesentlichen Teilen der historischen Entwicklung.

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege Böger, zur Frage der Verlässlichkeit – ich habe es heute mit Ihnen. Zu den notwendigen Entwicklungen angehört auch eine solide Werteerziehung in Form eines Religionsunterrichts, übrigens eines Religionsunterrichts, der sich praktisch in allen deutschen Ländern bewährt hat.

[Beifall bei der CDU]

Dass das alles zusammenhängt mit Überlegungen zum inneren Frieden, zur sozialen Gerechtigkeit, das ist wohl völlig selbstverständlich. Aber auch dieses sage ich heute: Ich fordere einen vernünftigen und nachvollziehbaren Stufenplan für die Tarifangleichung im öffentlichen Dienst. Das muss das Signal sein, das weiter von Berlin ausgeht. Hier erwarte ich von der Bundesregierung endlich verlässliche Vorschläge, damit die Menschen damit auch etwas anfangen können.

[Beifall bei der CDU]

Der historische Umzugsbeschluss des Deutschen Bundestages im Juni 1991 war ein Zeichen für den Willen zur Einheit,

[Wieland (Grüne): Missbrauch des Themas ist das, was Sie gemacht haben!]

Versöhnung und zur Gleichberechtigung. Er sollte Mauer und Stacheldraht, den 17. Juni 1953 und den 13. August 1961 nicht etwa vergessen machen, aber überwinden helfen. In diesem Jahr gedenken wir des 40. Jahrestages des Mauerbaus. Ich glaube, wir müssen – wir wäre es lieb, wenn ich sagen könnte, alle gemeinsam – verhindern, dass alte Wunden wieder aufgerissen werden, dass erneut ein Riss durch die Gesellschaft, eine Spaltung durch die Stadt geht. Der Bruch der Koalition hätte mich, da er lange geplant war, eigentlich nicht überraschen dürfen. Aber er hat mich doch getroffen und betroffen gemacht. Er sprengt das auf fünf Jahre fest verabredete Bündnis. Er widerruft die noch 1999 entschieden vorgetragene Zusicherung der SPDFührung, in keiner Form mit der PDS, der Partei der SED in Kontinuität, zusammen zu arbeiten. Er zeigt in meinen Augen einen Mangel an Verlässlichkeit.

[Beifall bei der CDU]

Das ist eine Eigenschaft, die unsere Stadt dringend benötigt.

Die Abgrenzung von der PDS ist dabei keine Ausgrenzung von Menschen in den neuen Ländern, in der alten DDR, nicht einmal von alten Funktionären der SED, denn es kommt auf das Heute, ihre Vorstellungen von heute an.

[Beifall bei der CDU – Wansner (CDU): Herr Böger hatte das auch gesagt!]

Das sage ich sehr klar. Sie wissen von meinen Positionen, wenn es um Gauck und um all diese Themen geht, bis hin zu Begnadigungsfragen. Aber wenn Mauer und Stacheldraht auch heute noch im Ergebnis gerechtfertigt werden, so zeigt sich ein Geist der Unbelehrbaren. [Beifall bei der CDU]

Dann zeigt sich ein Geist, der absolut nur rückwärts orientiert ist, nicht gelernt hat und für die Zukunft auch nicht Freiheit, Demokratie und soziale Marktwirtschaft gestalten kann.

[Beifall bei der CDU]

Ich jedenfalls war entsetzt, auch bei den Korrekturbemühungen, die jetzt über die Ticker laufen, als gestern der stellvertretende Bundesvorsitzende der PDS

[Gram (CDU): Unglaublich!]

ausgerechnet zum 40. Jahrestag des Mauerbaus verkündet: Die Mauer hat 1961 den Frieden in Europa und der Welt erhalten.

[Zurufe von der CDU]

Das muss man sich intellektuell auf der Zuge zergehen lassen. Wer so argumentiert, rechtfertigt jedes politische Verbrechen.

[Beifall bei der CDU – und der Frau Abg. Neumann, Eveline (SPD)]

Im Herbst 1999 wurden die Mitglieder dieses Abgeordnetenhauses für fünf Jahre in die Verantwortung genommen. Sie haben einen Senat gewählt, der sich damals auf eine breite Koalition stützen konnte. Ein Koalitionspartner möchte nun in ein anderes Bündnis. Rein rechnerisch ist dafür die Mehrheit vorhanden, allerdings nicht eine Mehrheit von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die sind viel, viel kleiner, weil der Wähler vor eineinhalb Jahren ganz andere Entscheidungen getroffen hat. Also der politischen Kultur entspricht das wohl nicht. Die Mehrheit ist nämlich nur vorhanden, wenn es zum Bündnis der SPD mit der PDS kommt. Es wäre sicher undemokratisch, den Mitgliedern dieses Hauses zu verwehren, eine neue Regierung mit neuen Mehrheiten zu wählen. Aber – das sage ich den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere denen, die mir unmittelbar gegenüber sitzen – jeder muss überprüfen, mit wem er Zusammenarbeit anstrebt, mit wem er zusammenarbeitet und in wessen Abhängigkeit er sich begibt.

[Beifall bei der CDU]

Jeder Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verantwortlich. Jeder Abgeordnete muss sein Verhalten mit seinen ganz persönlichen geschichtlichen Erfahrungen, seinen früheren Aussagen, seiner Verantwortung für die Gegenwart und seiner Hoffnung für die Zukunft in Einklang bringen. Ihre Entscheidung in zwei Tagen wird keine alltägliche sein, sondern ein Signal – weit über dir Grenzen der Stadt hinaus. Und so ist es auch gemeint.

[Ja! von den Grünen]

Sie müssen wissen, welches Signal Sie ausgeben wollen. Die Entscheidung kann Ihnen keiner abnehmen; sie können sie nicht delegieren. Also nehme jeder sich in die Pflicht. Aber vergessen und verdrängen Sie bei dieser Entscheidung nicht die Erinnerung an Ernst Reuter und Willy Brandt! – Vielen Dank!

[Lang anhaltender, stehender Beifall bei der CDU]

Das Wort hat Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben unter dem Tagesordnungspunkt „Erklärung des Regierenden Bürgermeisters“ eben eine Rede des Regierenden Bürgermeisters gehört. Dies ist sein gutes Recht. Mein Gesamteindruck ist jedoch, Herr Diepgen: Sie haben nicht als Regierender Bürgermeister gesprochen, sondern als ein Wahlkämpfer.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zurufe von der CDU]

Das ist Ihr Recht – aber bitte nicht im Gewande der Erklärung eines Regierenden Bürgermeisters!

[Zurufe von der CDU]

Um Sie, meine Damen und Herren von der CDU, zu beruhigen: Ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen, an den Leistungen, die diese große Koalition unter der Leitung des Regierenden Bürgermeisters Diepgen gemeinsam unter schweren Mühen erreicht hat, etwas abzustreichen; aber ohne Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten hätte es nie einen Regierenden Bürgermeister Diepgen gegeben, das vergessen Sie einstweilen in Ihrer Argumentation.

[Zuruf von Sen Branoner]

(A) (C)

(B) (D)

Bm Böger

Sie haben und hatten nämlich nie – und Sie werden sie auch nie haben – die absolute Mehrheit in Berlin!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]