Protocol of the Session on May 10, 2001

Wahl des Präsidenten des Rechnungshofs von Berlin

Der bisherige Präsident des Rechnungshofs von Berlin ist bereits mit Ablauf des 30. November 2000 in den Altersruhestand getreten. Artikel 95 Absatz 2 Satz 2 der Verfassung von Berlin schreibt vor, dass der Präsident des Rechnungshofs auf Vorschlag des Senats vom Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit der Mitglieder des Hauses gewählt wird. Das Abgeordnetenhaus stimmt über den Vorschlag ohne Aussprache in geheimer Abstimmung ab. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses auf sich vereinigt – so weit das Gesetz.

Der Senat schlägt Herrn Dr. Jens Harms, den ich hier im Plenarsaal recht herzlich begrüße, zur Wahl vor.

[Allgemeiner Beifall]

Herr Harms ist den Fraktionen bekannt. – Herzlich willkommen!

Das gibt mir Gelegenheit, zugleich auch den amtierenden Präsidenten des Rechnungshofs, Herrn Vizepräsident Kerkau, zu begrüßen – herzlich willkommen! –,

[Allgemeiner Beifall]

zumal wir wissen, dass auch Sie in absehbarer Zeit in den Ruhestand treten. So ist der Lauf der Dinge.

Ich habe zugleich Gelegenheit, Herrn Altpräsident Grysczyk zu begrüßen, der heute zur Wahl seines Nachfolgers erschienen ist. – Herzlich willkommen, Herr Grysczyk!

[Allgemeiner Beifall]

Nachdem ich die drei noch nicht, ehedem bzw. derzeit präsidierenden Präsidenten begrüßt habe, kommen wir nun zur Wahl mit den verdeckten Stimmzetteln. Alle, die das betrifft, sind

schon aufmarschiert. Ich bitte nun um die Verlesung der Namen. – Bitte, Herr Molter!

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmzettel]

Haben alle Abgeordneten die Gelegenheit gehabt, ihre Stimme abzugeben? – Dann stelle ich fest, dass alle Abgeordneten die Stimme abgegeben haben. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Beisitzer, das Wahlergebnis festzustellen. Für den Zeitraum der Auszählung unterbrechen wir die Sitzung.

[Auszählung]

Ich bitte, wieder Platz zu nehmen, damit ich das Abstimmungsergebnis für die Wahl des Präsidenten des Rechnungshofes von Berlin bekanntgeben kann.

Abgegebene Stimmen: 148 Stimmenthaltungen: 11 Nein-Stimmen: 11 Ja-Stimmen: 126

Ich stelle fest, dass Herr Dr. Jens Harms mit der erforderlichen Mehrheit zum Präsidenten des Rechnungshofs von Berlin gewählt worden ist.

[Anhaltender allgemeiner Beifall]

Herr Dr. Harms, ich gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses. Der Präsident des Rechnungshofs von Berlin wird vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses auf Lebenszeit ernannt und vor den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses vereidigt. Das wird in einer der nächsten Sitzungen, aller Voraussicht nach am 28. Juni, vor Eintritt in die Tagesordnung gemacht werden.

Damit ist der Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Ich danke noch einmal allen Präsidenten des Rechnungshofs, dass sie gekommen sind. Die gute Arbeit wird fortgeführt.

[Allgemeiner Beifall]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 9:

Wahl eines Abgeordneten zum Mitglied des Kuratoriums der Fachhochschule für Wirtschaft (Nachwahl)

Es handelt sich um die Nachwahl eines Kuratoriumsmitglieds auf Vorschlag der Fraktion der PDS. Für das bisherige Mitglied Frau Abgeordnete Holzheuer-Rothensteiner schlägt die Fraktion der PDS nunmehr Herrn Abgeordneten Benjamin-Immanuel Hoff vor. Wer so zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön, das war ein bisschen zögerlich, aber doch die Mehrheit. Damit ist der Kollege Hoff als Kuratoriumsmitglied der Fachhochschule für Wirtschaft gewählt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 9 A:

Wahl eines Mitglieds und Wahl von Stellvertretern für den 1. Untersuchungsausschuss „Flughafen Schönefeld II“

Es handelt sich um eine Änderung der Besetzung des 1. Untersuchungsausschusses der 14. Wahlperiode, also um eine Nachwahl, auf Vorschlag der Fraktion der PDS. Für das bisherige Mitglied Steffen Zillich schlägt die Fraktion der PDS mit Wirkung zum 21. Mai 2001 nunmehr Herrn Abgeordneten Michael Schneider vor.

Für die bisherigen stellvertretenden Mitglieder Harald Wolf und Jan Spindler werden von der PDS nunmehr die Herren Abgeordneten Freke Over und Steffen Zillich vorgeschlagen. Wer so zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei zwei Enthaltungen aus den Kreisen Bündnis 90/Die Grünen sind beide so gewählt.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Momper

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10, Drucksache 14/1117:

Siebenter Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR 2000

Dazu begrüße ich den Beauftragten, den Kollegen Gutzeit. Herzlich willkommen! – Der Ältestenrat empfiehlt eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion, die wir großzügig auslegen sollen und werden. Für die Fraktion der CDU hat sich der Abgeordnete Apelt zu Wort gemeldet und hat es. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dieses Thema ist wichtig genug, dass es hier ordentlich behandelt wird. Es geht um den Bericht des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Um es vorwegzunehmen: Die Arbeit des Landesbeauftragten war notwendig, ist notwendig und wird auch weiterhin notwendig sein, nicht nur, weil der Beratungsbedarf sehr groß ist – allein die Zahl von etwa 2 000 Beratungssuchenden spricht schon für sich –, nein, diese Beratungssuchenden muss man erst einmal durch den Dschungel der Gesetzgebung hindurchführen. Die Gesetze – ich erinnere nur an das berufliche, strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz – sind so undurchsichtig, dass es für die Betroffenen wichtig ist, dass sie manchmal an die Hand genommen werden, um durch diesen Dschungel hindurch geführt zu werden.

Weiterhin klafft eine große Gerechtigkeitslücke. Denn die Ungerechtigkeit gegenüber den Oppositionellen, den Widerständigen, den Inhaftierten von damals wird auch im Jahr 10 der deutschen Einheit fortgeschrieben. Darf es denn sein – muss man hier an dieser Stelle fragen –, dass Menschen wegen aufrechter politischer Haltung, wegen Aufrichtigkeit benachteiligt werden? Muss es sein, dass ein Lehrer – es gibt ein schönes Beispiel in diesem Bericht, um nur eine Berufsgruppe herauszunehmen –, der ohne Verfolgungszeit war, heute mit einer Rente von 2 940 DM rechnen kann, aber jemand, der zehn Jahre Verfolgungszeit nachweisen kann, nur eine Rente von 2 780 DM bekommt und jemand, der 20 Jahre Verfolgungszeit nachweisen kann, nur eine Rente von 2 610 DM erhält? – Je länger man verfolgt war, in der DDR inhaftiert war, desto geringer wird die Rente sein. Wie will diese Gesellschaft nach außen vertreten, dass sie auf der einen Seite für Zivilcourage steht und auf der anderen Seite diejenigen, die Zivilcourage gezeigt haben, letztendlich bestraft?

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Es gibt noch mehr Beispiele. Ein Maurer, der für fünf Jahre ins Gefängnis gegangen ist, nur weil er am 19. Juni 1953 auf der Straße war, erhält als Dank für seine Zivilcourage heute 400 DM Rente weniger. Es ist doch absurd, wenn dies in die deutsche Gesetzgebung Einfluss gefunden hat: Je größer die Zivilcourage, je länger der Widerstand, desto geringer die Rente. – Wir werden diese Ungerechtigkeit vielleicht nicht beseitigen, aber wir müssen die Auswirkungen dieser Ungerechtigkeit mildern. Die Opfer wollen schließlich nicht mehr haben. Sie wollen nur genauso behandelt werden wie jeder andere, der nicht im Widerstand war. Wenn ein Lehrer im Widerstand war, wenn er 10, 20 oder 30 Jahre lang Nachteile hatte, dann ist es doch sein gutes Recht, wenigstens die gleiche Rente zu bekommen wie derjenige, der still und ruhig oder ein Mitläufer war. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn man auf der anderen Seite sieht, wie das Verfassungsgericht mit den Rentenanwärtern von staatsnahen Institutionen umgegangen ist. Der Stasi-Offizier bekommt jetzt Rentennachzahlungen, vier- bis fünfstellige Nachzahlungen, 40 000 DM bis 80 000 DM. Der Professor an der Universität der Staatssicherheit bekommt Nachzahlungen zwischen 200 000 DM und 300 000 DM. Und derjenige, der gesessen hat, muss darum kämpfen, dass seine Haftzeit überhaupt einigermaßen angerechnet wird, um dann vielleicht noch eine Haftentschädigung in Höhe von 600 DM monatlich zu erhalten. Was lässt sich diese Gesellschaft eigentlich bieten?

Der Ansatz, den wir in Berlin gegangen sind, nämlich eine Ehrenpension für alle politisch Verfolgten zu fordern, war genau der richtige. Das war eine Initiative der CDU – ich sage das hier einmal deutlich –, aber alle Parteien im Abgeordnetenhaus haben gesagt: Wir machen mit. Das ist gut so. Wir möchten eine Ehrenpension, um sicherzustellen, dass diese fortdauernde Ungerechtigkeit endlich ein Ende hat! – Aber was ist nun beim Bundesgesetzgeber herausgekommen? – Der Ausschuss des Bundestages, der darüber befindet, hat sich gegen die Stimmen der CDU und – ich glaube – auch der PDS und mit den Stimmen der SPD und der Grünen gegen diese Ehrenpension ausgesprochen. Sie sind es – das müssen Sie sich jetzt einmal selbst fragen in der SPD und bei den Grünen –, die diese Ungerechtigkeit fortschreiben,

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

insbesondere jene – ich erinnere nur an den ehrgeizigen Minister Schwanitz –, die noch vor der Wahl öffentlich gegenüber den Verfolgtenverbänden gesagt haben: Wir sind bereit, sofort an das Thema heranzugehen. Wir sind bereit, dass die Verfolgten eine Ehrenpension bekommen, damit man diese Ungerechtigkeit endlich beseitigt. – Denen muss man sagen: Was Sie da gemacht haben, ist schlicht und ergreifend Wahlbetrug.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Ich bin nicht sicher, ob der Herr Schwanitz deswegen schlaflose Nächte hat. Aber offenbar interessiert die Not der Opfer keinen dieser Herren, die dagegen gestimmt haben. Sie – das gilt für die Bündnisgrünen wie für die SPD – haben doch in Ihren Reihen genügend Leute, die im Widerstand waren, die darunter gelitten haben. Hören Sie nicht einmal auf diese Leute? Wie kann man seine eigene Geschichte nur so entsorgen und über den Haufen werfen?

[Wieland (Grüne): Das ist doch billig! Was haben denn Herr Kohl und Herr Waigel gemacht? – Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Und was haben Sie gemacht?]

Mit dem Hinweis, dass es andere nicht besser gemacht haben, kann man doch nicht rechtfertigen, dass man es jetzt auch nicht besser macht. Im Gegenteil! Wenn es andere nicht besonders gut gemacht haben, dann besteht doch die Verpflichtung, es jetzt besser zu machen.

[Beifall bei der CDU]