Protocol of the Session on May 10, 2001

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2 A:

Aktuelle Stunde zum Thema „Bilanz des 1. Mai 2001 in Berlin“

Das Thema wurde von der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD beantragt. Wir beginnen mit einer Rederunde der Fraktionen. Danach hat der Senat die Möglichkeit zur Stellungnahme. Es beginnt die CDU. Herr Gewalt hat das Wort zur Bilanz des 1. Mai.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Entschließung der CDU-Fraktion zu den Ausschreitungen am 1. Mai habe ich am Wochenende die Steine werfenden Chaoten noch neutral als Straftäter bezeichnet. Nach der Vorführung von Videoaufnahmen der Polizei am Mariannenplatz muss

ich dieses Urteil allerdings revidieren. Es handelte sich um gemeingefährliche Verbrecher, um Brandstifter, um Schläger, die hier ans Werk gegangen sind.

[Beifall bei der CDU]

Chaoten schleppen eimerweise die Steine heran. Banden greifen organisiert im Schutz einer Menschenmenge die Polizei mit äußerster Brutalität an. Was sind das für Feiglinge, die Frauen und Kinder als Deckung benutzen, um Polizisten anzugreifen?

[Zurufe von den Grünen]

Meine Hochachtung und Anerkennung für die mutigen Frauen und Männer unserer Polizei, die sich diesen Gewalttätern entgegengestellt haben! Hierfür gebührt ihnen – das kann man nicht oft genug hervorheben – unser aller Dank.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Nur dem entschlossenen Vorgehen der Polizei ist es zu verdanken, dass trotz der Brutalität der Extremisten die Sachschäden mit ca. 120 000 DM deutlich geringer waren als in den Vorjahren.

[Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Die Geschäftsleute am Kottbusser Damm, die noch 1999 auf das Fürchterlichste heimgesucht wurden, konnten nach dem 1. Mai dieses Jahres aufatmen. Ihre Schaufensterscheiben blieben heil, und die Auslagen wurden nicht geplündert. Der Preis, den unsere Polizei hierfür erbringen musste, war hoch: 178 verletzte Beamte. Das waren zwar deutlich weniger als in den Vorjahren, aber ich sage ganz ausdrücklich, immer noch 178 Verletzte zuviel.

Es befriedigt, dass die Täter nicht ungeschoren davon kommen. Über 100 Festnahmen zur Strafverfolgung und 36 Haftbefehle sprechen eine deutliche Sprache. Ich erwarte und erhoffe, dass die Brandstifter und Steinewerfer zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden, um den Chaoten zu zeigen, dass sich der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht auf der Nase herumtanzen lässt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Deutlich härtere Urteile gegen Randalierer der letzten Maikrawalle stimmen mich hier zuversichtlich.

Innensenator, Polizei und Justiz haben demonstriert, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind, die Straßenterror in unserer Stadt nicht hinnimmt. Das Demonstrationsverbot stützte sich auf das Versammlungsgesetz und ist vom Verwaltungsgericht und vom Oberverwaltungsgericht ohne jede Einschränkung bestätigt worden. Wer dieses Demonstrationsverbot dennoch kritisiert, muss sich fragen lassen, wie es um sein Rechtsstaatsempfinden bestellt ist. Das Verbot der Randaledemo und der massive Polizeieinsatz verhinderten den Flächenbrand, der im Vorfeld von vielen an die Wand gemalt worden ist. Während am Mariannenplatz der Straßenkampf tobte, konnte man wenige 100 Meter weiter am Oranienplatz – ich habe das selbst getan – unbehelligt im Straßencafe´ sitzen. Die Arbeitnehmer der Stadt und die Gewerkschaften konnten ungestört ihre Maikundgebungen abhalten. Durch gezielte Polizeikontrollen ist es gelungen, die Chaoten aus den Gewerkschaftsumzügen herauszuhalten. Und schließlich – meine Anerkennung, Herr Innensenator – hat die Berliner Polizei den Zusammenprall von Links- und Rechtsextremisten in Hohenschönhausen verhindern können.

[Beifall bei der CDU]

Zurück zu den Ausschreitungen. Dass Chaoten in Kreuzberg versuchen würden, trotz Demonstrationsverbot Randale zu machen, war zu erwarten. Es war daher wichtig, dass die Polizei auch die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger und vor allem auch der relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen erhielt. Diese haben begriffen, dass die Bekämpfung der alljährlichen Mairandale nicht allein Aufgabe der Polizei ist. Deshalb gebührt allen jenen mein aufrichtiger Dank, die unserer Polizei bei ihrer schweren Aufgabe geholfen haben: der Türkischen

Gemeinde zu Berlin, dem Sportbund, der Bürgerinitiative Freundeskreis Mauerpark, dem türkischen Fernsehsender TD1 und vielen Gewerbetreibenden.

[Beifall bei der CDU]

Um so enttäuschender ist, dass PDS und Grüne – immerhin im Abgeordnetenhaus und im Bundestag vertretene Parteien – sich hier völlig versagt haben. Aber nicht nur das; es war mehr als verantwortungslos, der Polizei auch noch mit eigenen Veranstaltungen mitten in der Gefahrenzone Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den Grünen]

Ihr Protest zeigt, wie sehr Sie Schuld an dieser Randale haben.

[Beifall bei der CDU]

Jeder – das wissen Sie ganz genau, genau so gut wie ich –, der die Maikrawalle in den letzten Jahren beobachtet hat, weiß, dass Chaoten Veranstaltungen mit größeren Menschenansammlungen nutzen, um Straftaten zu begehen. Das ist doch kein Geheimnis. [Zurufe von den Grünen]

Insbesondere Demonstrationszüge bereiten den Krawallmachern Bedingungen, die ihr kriminelles Handeln erleichtern. Selbstverständlich wird niemals aus der Demonstration selbst ein Stein geworfen; schließlich weiß jeder erfahrene Demonstrationsveranstalter – da können Sie sich bei Herrn Over erkundigen –, dass man bei gewalttätigen Demonstrationen in Haftung genommen werden kann.

[Wieland (Grüne): Deswegen nützt ein Verbot auch nichts!]

Die Demo dient vielmehr dazu, das Straßenbild zu verändern, größere Menschenansammlungen entstehen zu lassen, die normale Geschäftstätigkeit der Bürger, die sich in ihre Wohnungen zurückziehen, einzuschränken.

[Gelächter bei den Grünen]

So standen auch diesmal – Herr Wieland, wenn Sie da waren, hätten Sie es sehen können – lange nach der Beendigung der von der PDS-Abgeordneten Marquardt angemeldeten Demonstration

[Wieland (Grüne): Da habe ich mit demonstriert!]

zahlreiche Teilnehmer in Grüppchen auf der Adalbertstraße und der Oranienstraße. Diese Phase – das wissen wir aus den vergangenen Jahren – ist die gefährlichste. Der unbeteiligte Beobachter spürt förmlich, wie alles darauf wartet, dass es endlich losgeht. Eine solche Situation hätte vermieden werden können, wenn die PDS und hier ganz besonders die Abgeordnete Marquardt ihren Demonstrationszug auf den Vortag oder an einen anderen Ort gelegt hätte.

[Gelächter bei den Grünen]

Aber nein, man musste unbedingt in die Hauptgefahrenzone hinein und am 1. Mai demonstrieren. Offensichtlich ging es dem einen oder anderen von Ihnen gar nicht um die Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, sondern einzig und allein darum, der verbotenen AAB-Demonstration eine Basis zu bieten.

[Beifall bei der CDU]

Es wirkt hochgradig eskalierend, wenn ein Mitglied dieses Hauses, Herr Over, in einer solch angespannten Situation mit der Aufschrift „Polizeistaat“ grölend durch die Straßen zieht.

[Gelächter bei der PDS]

Wenn Sie das unter Deeskalation verstehen, begreife ich Sie nicht.

[Beifall bei der CDU]

Hier liegt der Verdacht nahe, dass Teile der PDS in Absprache mit der AAB das von der Innenverwaltung und Gerichten verhängte Verbot unterlaufen wollten. Hier sind ganz klar Verbindungen zwischen extremistischen Kreisen der Antifa und der PDS deutlich geworden. Es ist ein Stück aus dem Tollhaus,

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

wenn sich dann PDS-Abgeordnete im Innenausschuss die Polizeitaktik kritisieren und mit Krokodilstränen die Krawalle bedauern, selbst aber hierfür die Ursachen gesetzt haben.

[Beifall bei der CDU]

Auch die Veranstalter des Straßenfestes am Mariannenplatz – hierzu zählten auch die Grünen – sind mehrfach von der Polizei inständig gebeten worden, dieses Jahr auf die Veranstaltung zu verzichten, weil es Hinweise gab, dass sich extremistische Gewalttäter unter die Gäste mischen würden, um ihre Straftaten zu begehen. Diese Bedenken der Polizei wurden von ihnen geradezu grob fahrlässig vom Tisch gefegt, obwohl ihnen klar sein musste, welche Gefahren damit verbunden sind. Hier wurden ganz offensichtlich Krawalle billigend in Kauf genommen, nur um trotzig erklären zu können: Wir lassen uns von der Polizei nichts sagen. Das, Herr Kollege Wieland, ist nicht das Verhalten einer verantwortungsbewussten Partei, die im Bund Regierungsverantwortung trägt. Dies ist das Verhalten der alten Alternativen Liste, wie wir sie aus den 80er Jahren kennen, chaotisch und bis zur Unvernunft kompromisslos, wenn es gegen den Staat und seine Organe geht.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den Grünen]