Protocol of the Session on April 5, 2001

Herr Kurth ist jetzt seit gut einem Jahr als Finanzsenator im Amt, und er kann schon einen sehr erstaunlichen Rekord verbuchen. Er hat heute Geburtstag, aber ich muss es trotzdem sagen: Herr Kurth ist derjenige, der uns für dieses Jahr den unrealistischsten Haushaltsplanentwurf vorgelegt hat, den es in Berlin je gegeben hat. Und er hat es auch noch geschafft, die große Koalition hinter diesen Haushaltsplanentwurf zu bringen. Er wollte unbedingt diese magische 40-Milliarden-DM-Grenze einhalten und hat deswegen alle Ausgaben, die darüber hinausgingen und die er nicht haben wollte, einfach ignoriert. Er hat sich ein bisschen verhalten wie ein kleiner Junge, der einfach die Augen schließt, wenn er etwas nicht sehen will, und hofft, dass das, was er nicht mehr sieht, nicht mehr existiert. Aber wir wissen – nicht nur von den kleinen Jungen –: So ist es nicht.

Das war alles im Dezember vergangenen Jahres. Dann sind zwei Monate vergangen, und nach diesen zwei Monaten ist dieses Gebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Seitdem haben wir eine Haushaltssperre, und der Streit geht eigentlich nur noch darum, ob das Haushaltsloch in diesem Jahr bei 5, 6 oder 7 Milliarden DM liegt.

[Goetze (CDU): 20!]

Bei einem Haushaltsvolumen von 40 Milliarden DM insgesamt sind das 15 %.

[Goetze (CDU): Milchmädchenrechnung!]

Und allein an diesen Zahlen können Sie erkennen: Die große Koalition und dieser Senat haben das Land Berlin in die größte Finanzkrise seit der Wende gestürzt; und die Verantwortung dafür liegt auch eindeutig bei dieser großen Koalition.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir haben diese Kritik schon während der Haushaltsberatungen hier vorgetragen, und wir haben deswegen auch ein Haushaltssanierungsgesetz vorgeschlagen, in dem unsere Reformvorschläge verankert waren. Sie haben das damals alles abgelehnt. Ich muss sagen, ich bin gespannt, wie es diesmal läuft, ob Sie diesmal wieder alle unsere Vorschläge ablehnen werden. Ich habe den Eindruck, manche bei Ihnen sind inzwischen selbst da angekommen, dass sie erkennen, wie groß die Probleme sind. Und ich hoffe, dass Sie diesmal mehr unsere Vorschläge annehmen als beim letzten Mal. Ich fürchte, Sie kommen nicht drum herum.

Ich muss hier aber auch vor Illusionen warnen. Selbst wenn all die Vorschläge, die wir in den letzten Haushaltsberatungen gemacht haben, die wir bei den Nachtragshaushaltsberatungen

machen werden, angenommen und umgesetzt werden, wird das trotzdem nicht reichen, um die Berliner Finanzprobleme in den Griff zu bekommen. Und deswegen muss ich Ihnen auch heute hier wieder eine unangenehme Wahrheit präsentieren, von der ich auch annehme, dass Sie die in ein paar Wochen verinnerlicht haben; nämlich die unangenehme Wahrheit, dass wir die Finanzprobleme des Landes Berlin ohne Hilfe des Bundes nicht bewältigen werden. Bei mir hat es auch eine ganze Weile gedauert, bis ich mich zu dieser Erkenntnis durchgerungen habe, das gebe ich gern zu. Aber lesen Sie mal das Gutachten des DIW: Die Fakten sprechen einfach dafür, und wir sollten uns dieser Wahrheit endlich stellen.

[Beifall bei den Grünen]

Der Ruf nach Hilfe des Bundes ersetzt natürlich nicht die Sparbemühungen des Landes Berlin, im Gegenteil. Nur wenn wir als Land Berlin all das tun, was wir tun können, wird der Bund bereit sein, uns zu helfen. Und da bin ich mir übrigens nicht so sicher, ob es so ein guter Vorschlag ist, Herrn Landowsky im Bundestag endzulagern. Ich fürchte, das könnte die Bereitschaft der Bundesregierung, uns zu helfen, eher schmälern.

Wir brauchen aber nicht nur die Unterstützung des Bundes. Wir brauchen auch die Unterstützung der Berlinerinnen und Berliner, denn die sind letztlich diejenigen, die mit den Einsparungen leben müssen, die von Einschränkungen betroffen sind. Und diese Berliner sind über die aktuelle Krise ziemlich sauer. Die fragen sich zu Recht, warum sie selbst eigentlich den Gürtel weiter enger schnallen sollen, während sich gleichzeitig die Spitzenmanager der Bankgesellschaft über Luxusfonds Millionen in die eigene Tasche schaufeln. Und sie können erst recht nicht verstehen, dass Schwimmbäder bei uns schließen müssen, weil angeblich kein Geld da ist, während auf der anderen Seite Herr Landowsky als gescheiterter Bankdirektor weiterhin mit 700 000 DM Jahresgehalt herumläuft, Sekretärin und Dienstwagen inklusive. Das ist ein Skandal, und man muss es hier einfach noch mal sagen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Herr Abgeordneter, Sie müssen dann zum Ende kommen!

Ich komme zum Schluss. – Ich weiß, bei Ihnen läuft das immer unter dem Stichwort „Sozialneid“. Es hat nichts mit Sozialneid zu tun, wenn wir hier Vetternwirtschaft und dreiste Selbstbedienung anprangern. Und ich bin mir ganz sicher, die Berliner Probleme werden wir nur dann lösen können, wenn wir dieses System, das eben sehr stark mit den Namen Diepgen und Landowsky verbunden ist, endlich ablösen. Und ich bin mir sicher, in Kürze haben wir hier auch eine Mehrheit dafür. interjection: [Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Frau Dunger-Löper, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Super-GAU des Berliner Haushalts“ hat erst der „Berliner Kurier“ getitelt, und jetzt hat es auch noch einmal die PDS aufgegriffen. Ich weiß nicht, ob das ein besonders günstiges Bild ist, aber es drückt sicherlich aus, wie drastisch die Situation des Berliner Haushalts zurzeit ist. Krisen haben wir ja in Berlin schon eine Menge gehabt. Aber diese hat eine besondere Qualität insofern, als es eine Krise ist, die uns nicht von außen aufgedrückt worden ist, sondern die teilweise auch hausgemacht ist. Und deswegen müssen wir an dieser Stelle auch ran, etwas tun, etwas ändern, und zwar sehr schnell.

[Beifall bei der SPD]

Die Krise des Berliner Haushalts ist etwas, was wesentlich aus der Krise der Berliner Bankgesellschaft resultiert. Und es hilft an dieser Stelle nicht, immer darüber zu reden, hier müsse man jetzt nun mal alles auseinander nehmen. Bitte haben Sie an dieser Stelle etwas Geduld, es hängen 16 000 Arbeitsplätze dran, und da kann man nicht mit kurzatmigen Lösungen herangehen und sagen, wenn wir drei Viertel der Strecke gegangen sind, um es zusammenzuführen, jetzt klopfen wir es mal wieder auseinander. Das ist keine verantwortungsvolle Politik.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber natürlich muss bei der Bankgesellschaft etwas geändert werden, denn die Bankgesellschaft nicht in Gänze hat diese Krise produziert, sondern die Immobiliengeschäfte der Berliner Bankgesellschaft sind diejenigen, die unseren Haushalt im Endeffekt belasten. Und das Ausmaß dieser Belastungen ist so groß, dass wir tatsächlich nicht den Weg gehen konnten, den wir vor drei Wochen noch einschlagen wollten, im Rahmen der Haushaltswirtschaft etwas zu verändern, sondern dass wir einen Nachtragshaushalt fordern, dass wir meinen, dass der Gesetzgeber tatsächlich hier heran muss und mit dem Senat zusammen alles auf eine neue Grundlage stellen muss. Tatsächlich, vor drei Wochen haben wir diesem noch nicht Folge geleistet, was Sie vorgeschlagen haben. Wir hatten damals aber auch eine Situation, die aus heutiger Sicht geradezu noch als rosig zu bezeichnen ist. Wir hatten nämlich eine Situation, dass wir gesagt haben, senatsseitig 500 Millionen, nach unserer Einschätzung 1,1 Milliarden DM sind aufzulösen, um den Haushalt durchführen zu können. Heute haben wir das Sechsfache: bis zu 6 Milliarden DM.

[Wolf (PDS): Das hatten wir damals auch schon!]

Das klingt abstrakt, aber es ist wirklich eine Summe, die erschlagend wirkt. Es sind 15 % des Geamthaushalts, und hier ist es tatsächlich nicht mehr möglich, im Rahmen der Haushaltswirtschaft zu verfahren, sondern wir müssen einen Nachtragshaushalt einbringen und beschließen. Und deshalb haben wir diesen Antrag auch eingebracht.

Der Schaden, der durch die Krise der Bankgesellschaft entstanden ist, ist für das Land wahrhaft immens. Und die Auswirkungen werden es auch sein. Alle Bürger werden darunter leiden. Das muss man einmal so sehen. Ich denke, es ist keine Panikmache, wenn wir uns vor Augen führen, dass, wenn wir es so weiterlaufen lassen, wir im Frühherbst bereits zahlungsunfähig sind und dann möglicherweise die Gehälter der öffentlich Bediensteten nicht mehr zahlen können. Das ist wirklich eine dramatische Situation, und das ist ein Szenario, vor dem ich die heutige Debatte in Teilen nicht ganz nachvollziehen kann. Da hat wieder jeder seine Rolle übernommen: Da haben wir einmal die Rolle des Oberlehrers, der immer schon alles wusste. – Ich gebe zu, wir wussten es vor drei Wochen noch nicht, aber wir nehmen alles hier auch zur Kenntnis und reagieren dann darauf. Wir wittern tatsächlich nicht überall gleich die Bananenrepublik,

[Wieland (Grüne): Das stammt von Ihrem Herrn Momper!]

sondern orientieren uns an den von Ihrer Fraktion eingebrachten „mittelenglischen Sitten“, die wir erst einmal voraussetzen. Wenn dem dann nicht so ist, dann sind wir auch bereit, entsprechend einen Untersuchungsausschuss und Konsequenzen zu ziehen. Aber ich will es auch noch einmal aufgreifen: Wenn Sie schon immer alles gewusst haben, wie wir gehört haben, dann würden wir natürlich auch ganz gern hören, was Sie denn für einen Weg gehen wollen, Herr Müller-Schoenau, zur Lösung. Und bitte kommen Sie an dieser Stelle nicht mit der platten Lösung: Der Bund wird es schon richten.

[Wieland (Grüne): Haben wir doch nicht gesagt!]

Das legt ja fast den Verdacht nahe, Sie hätten sich mit dem künftigen Bundestagsabgeordneten Klaus-Rüdiger L. schon abgesprochen, um in dieser Richtung vorwärts zu gehen. Aber das, denke ich doch, werden sie nicht haben.

Wir haben eine andere Rolle heute gehört von Herrn Kaczmarek. Die hat mich auch ein bisschen enttäuscht, ich will das deutlich machen. Er hat heute Morgen gesagt, es ginge nach wie vor um 1,1 Milliarden DM. Herr Kaczmarek, das glauben Sie ja ernsthaft selbst nicht. Ich sehe Sie im Augenblick nicht – doch, da hinten –, im Hauptausschuss kenne ich Sie als wirklich seriösen Politiker, und die Zahlenspielchen hier sind sicherlich nicht angemessen. Ich will es noch mal deutlich machen an dieser Stelle: Wir kommen zurück zum Fraktionsvorsitzenden der CDU. Er ist derjenige, der hier zwar heute politisch nicht agieren kann, denn dann müsste er die Ergebnisse seines früheren Alter Ego, seiner Aktivität als Banker, wohl heftig kritisieren, und das ist ein Rollenspiel, das man auf Dauer nicht durchhalten kann. Deswegen wird er diese Debatte hier auch vermeiden.

Aber wir kommen mit den Spielchen an dieser Stelle nicht weiter.

Frau Abgeordnete! Sie müssen nun wirklich zu Schluss kommen!

Ich bin bereits bei meiner Schlussbemerkung: Die Krise lässt sich weder beschönigen noch aussitzen. Wir müssen an dieser Stelle gemeinsam vorangehen und einen entsprechenden Nachtragshalt vorlegen. Da ist der Senat und, Herr Kurth, besonders Sie gefordert, Sie können die Spannung aus der Situation herausnehmen.

Ich hoffe wir können den Antrag auf einen Nachtragshaushalt einstimmig beschließen und danach auch gemeinsam zu einer konstruktiven Lösung kommen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD]

Die Redezeiten sind verbraucht, Wortmeldungen liegen auch nicht mehr vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zum Antrag der Fraktion der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU über Vorlage eines Nachtragshaushalts zum Haushalt 2001, Drucksache 14/1137, wird die sofortige Abstimmung erbeten. – Dazu ist kein Widerspruch festzustellen, einen Überweisungantrag gibt es auch nicht, so dass wir zur Abstimmung kommen können. [Müller-Schoenau (Grüne): Da gibt es aber einen Änderungsantrag!]

Das ist bekannt und wird berücksichtigt. – Es gibt dazu einen Änderungsantrag, der von meinem Kollegen Momper bereits aufgerufen wurde, bevor wir in die Debatte eingestiegen sind. Der Änderungsantrag liegt als Drucksache 14/1137-1 vor.

Über diesen Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lasse ich zuerst abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenstimmen! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Nur kommen wir zu dem Antrag der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion, Drucksache 14/1137. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag einstimmig angenommen. – Herr Senator Kurth, Sie können sich dann an die Arbeit machen! Es wird viel zu tun sein. [Heiterkeit – Beifall bei der SPD]

Wir kommen dann zur

lfd. Nr. 2, Drucksache 14/1088:

II. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Verbesserung der Situation der Lehrbeauftragten an den Hochschulen (I) – Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes, Drucksache 14/822, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 7. März 2001 und des Hauptausschusses vom 14. März 2001

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Führer

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Dazu ist kein Widerspruch festzustellen. Dann rufe ich auf die zwei Artikel, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/822.

Die Ausschüsse empfehlen die Ablehnung des Gesetzesantrags. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Dann schließe ich die nicht vorgenommene Beratung und verbinde die Einzelabstimmung mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes, Drucksache 14/822, seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen! – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – Damit ist das Änderungsgesetz abgelehnt.

Dann kommen wir zur