Protocol of the Session on March 15, 2001

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Zugegeben, die ganze Wahrheit zu nennen ist bitter. 513 Millionen DM pauschale Minderausgaben sind von den Senatoren noch nicht aufgelöst worden. Sie haben allesamt ihre Hausaufgaben aus den Haushaltsberatungen nicht gemacht, das Nachsitzen war bisher erfolglos, und ob der erneute Tadel von Peter Kurth da weiterhilft, wird man sehen.

Die Personal- und Sozialhilfeausgaben sind um 700 Millionen DM zu gering angesetzt worden. Auch wenn jetzt Strukturveränderungen bei der Sozialhilfe angekündigt werden – die man sich genau anschauen muss! –, wird das wohl kaum in diesem Jahr schon zu relevanten Einsparungen führen. Auf innovative Ideen zur Einsparung von Personalkosten kann man bei diesem Innensenator lange warten. Er beweist gerade das Gegenteil. Einen Vorschlag der Scholz-Kommission hat er gleich aufgegriffen, nämlich den, der mehr kostet. Die Besoldung der Spitzenbeamten jetzt zu erhöhen, ist genau das falsche Signal.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Beifall der Frau Abg. Dr. Reiter (SPD)]

Dann kommt als größerer Posten – Frau Dunger-Löper hat das bereits angesprochen – der Ausfall der Bankgesellschaftsdividende hinzu; dazu sage ich später einiges. Es gibt noch etliche kleinere Beträge, wobei man hier das „klein“ in Anführungs

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zeichen setzen muss: 50 Millionen DM nicht eingestellte Risiken bei den Flughäfen, 10 Millionen DM beim Komplex Messe/ICC, die Fehlbelegungsabgabe, die Sanierung der Berliner BäderBetriebe usw. Und nicht zu vergessen die Entscheidungen der hervorragenden rot-grünen Reformregierung, die mit Vorliebe zu Lasten Dritter gefällt wurden; das spielte bereits in der Fragestunde eine Rolle, und das völlig zu Recht: 22 Millionen DM BAföG-Erhöhung, die Kosten der Rentenanpassung, und ob die Ausfälle der grandiosen Steuerreform durch die Ausfälle der gestiegenen Wirtschaftskraft aufgefangen werden können, das darf auch bezweifelt werden.

[Eßer (Grüne): Haben Sie etwas gegen die BAföG-Erhöhung?]

Ich habe nichts gegen höheres BAföG, ich habe etwas gegen Entscheidungen zu Lasten Dritter, Herr Kollege Eßer, und das wissen Sie ganz genau. – Wir dürfen gemeinsam warten, was die Steuerschätzung im Mai bringt. Ich fürchte, nichts Gutes. Deshalb hier eine kleine Anmerkung, die sich insbesondere an die Bündnisgrünen – und weil Herr Eßer sich gemeldet hat, ganz besonders an ihn – richtet: Jeder, der die Finanzpolitik des Senats mit starken Worten angreift, sollte prüfen, wie tragfähig seine Argumente auf Bundesebene sind, insbesondere bei den eigenen Parteifreunden. Mir ist nicht bekannt, dass Herr Eichel und Herr Metzger die größten Freunde der Hauptstadt sind.

[Wieland (Grüne): Na, da kennen Sie die nicht!]

Naja. Das können wir gern einmal vertiefen, mir ist das bislang nicht bekannt geworden.

Apropos Mai: Im Mai tagt auch der Aufsichtsrat der Bankgesellschaft Berlin, der größten und wichtigsten Beteiligung der Stadt. Dass dort entschieden werden könnte, dass Berlin noch Dividenden erhält, glaubt inzwischen niemand mehr. Dieser Ausfall – das hätte ich Herrn Landowsky gern ins Angesicht gesagt, aber er ist nicht anwesend – ist nur die Spitze des Eisbergs. Was sich dort in den letzten Wochen abgespielt hat, das spottet jeder Beschreibung. Niedrige Kurse sind Einstiegskurse, hat mir meine Bank geschrieben. So gesehen lohnt sich der Erwerb von Bankgesellschaftsaktien derzeit.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Es ist noch zu früh!]

Die Aktien ist von schon geringen 15 Euro im Dezember 2000 – im Vergleich zu den 24 Euro, die sie 1998 einmal wert war – auf heute nur noch 10 Euro abgestürzt. Das bedeutet für das Land Berlin, dass die 6 Prozent der Aktien, die wir eigentlich einmal verkaufen wollten, von Dezember bis heute 120 Millionen DM an Wert verloren haben. Zum Vergleich – Kulturpolitiker aufgepasst –: Das ist ungefähr die Summe, die wir an die Deutsche Staatsoper, die Volksbühne und das Maxim-Gorki-Theater auf einmal überweisen. Das Gesamtaktienpaket des Landes ist 1 Milliarde DM weniger wert. Das ist, auch zum Vergleich, mehr als die komplette Zuführung des Landes an die BVG. Damit ist ein real messbarer Schaden entstanden. Dagegen wirkt die früher mehr oder weniger subtile Sabotage der Finanzpolitik von Annette Fugmann-Heesing durch Herrn Landowsky eher niedlich. Was heute passiert, diese Form von Destruktion der Finanzpolitik stellt alles andere in den Schatten. Da geht es nicht mehr nur um den Verdacht von sachfremden Entscheidungen in der Bank Berlin-Hyp und um den ungeklärten Zusammenhang zu Parteispenden an die CDU, hier geht es darum, dass ein Konzern in eine Schieflage geraten ist und die mit ihm verfilzten Politgrößen den Schaden noch verschlimmern. Und es geht darum, dass nicht zuletzt deshalb eine Haushaltssperre verfügt wurde, unter der Menschen in der Stadt zu leiden haben, die dafür überhaupt nichts können. Wer solch eine Politik zu verantworten hat, der hat das Recht, sich als Partei der kleinen Leute aufspielen zu wollen, verwirkt.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Beifall des Abg. Gaebler (SPD)]

Ein Wort noch zu den Privatisierungserlösen. Dass diese zu hoch angesetzt waren, war seit langem klar. Berlin hat bereits fast alles verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Auch wenn der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion den Beteili

gungsbericht durchforstet hat und vielleicht vorschlägt, die Archenhold-Sternwarte zu verkaufen, dürften die 5,6 Milliarden DM auch nicht zu erbringen sein. In den letzten Tagen haben wir eher von Projekten gehört, die nicht umgesetzt werden. Solange wir von Ihnen, Herr Kurth, keine klaren Konzepte auf den Tisch bekommen, wie Sie die Summe zusammenbekommen wollen, solange müssen Sie damit leben, dass wir diese als Luftbuchung bezeichnen werden.

Zieht man einen Strich unter alle Risiken, dann kommt man anstelle der von Finanzsenator Kurth zugegebenen 450 Millionen DM ohne Weiteres auf 1,5 Milliarden DM. Dazu noch die Risiken bei den Privatisierungen, und schon hat sich die kurthsche Risikoabschätzung vervierfacht. Das ist keine Haushaltsplanung, das ist finanzpolitisches Roulette, was Sie betreiben.

[Beifall bei der PDS]

Wie nun weiter? – Die Haushaltssperre selbst ist dabei nicht das Problem, sie ist nur die Folge. Die Gründe, die sie notwendig machten, sind das eigentliche Problem. Wie nun weiter? – Keine Partei in der Stadt hat die Alternative, das Patent, das alle Probleme sofort vom Tisch wischte. Zu groß sind die Erblasten von zehn Jahren großer Koalition, die von den Bundesregierungen, egal welcher Färbung, eher verschärft statt gemildert wurden.

Offenheit und Ehrlichkeit, das ist das Gebot der Stunde. Deshalb, Herr Kurth, werfen Sie zuerst Ihre mittelfristige Finanzplanung in den Mülleimer und sagen Sie der Öffentlichkeit, wie dramatisch die Lage tatsächlich ist. Einen Nachtragshaushalt, wie die Grünen ihn fordern, den kann man gern machen, nur sind die Probleme damit auch nicht verschwunden. Außerdem sollte man berücksichtigen, was die Aufsichtsratsitzung der Bankgesellschaft im Mai und auch die Steuerschätzung ergeben. Ansonsten müssten wir gleich noch mal einen Nachtragshaushalt fordern. So schön sind Haushaltsberatungen nun auch nicht, dass wir sie alle zwei Monate durchführen müssten.

Wir schlagen deshalb einen Kompromiss vor. Der greift auch das auf, was Frau Dunger-Löper eben angemahnt hat, ein Kompromiss, der für alle tragbar sein müsste: Fordern wir gemeinsam den Senat auf, die Risiken des Haushalts seriös zusammenzurechnen, dann endlich einen Kassensturz zu machen, und lassen Sie uns dann – noch vor der Sommerpause – über einen Nachtragshaushalt entscheiden, der die Ergebnisse der Steuerschätzung berücksichtigt. Das ist der seriöse und zugleich der demokratischere Weg.

Langfristig wird der Senat eingestehen müssen, dass er allein nicht in der Lage sein wird, die Probleme zu bewältigen. Er muss klar alle Risiken benennen. Man wird dann eine Variante unter Umständen nicht mehr ausschließen können, auch wenn es der eine oder andere demütigend finden mag, nämlich, den Bund um Hilfe zu bitten. Der Weg in die weitere Verschuldung sollte für uns alle tabu sein. Aber auch wenn das Land Berlin einmal in eine Lage kommen sollte, bei der es die Haushaltsnotlage erklären müsste, würde das nicht bedeuten, dass die guten, alten Zeiten, in denen das Geld auf den Bäumen wuchs, zurückkehren. Die Zeit des Sparens wird trotzdem nicht vorbei sein, aber eine Verschiebung von Lasten auf künftige Regierungen oder gar künftige Generationen ist erst recht keine Lösung.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die CDU hatte in den letzten Tagen ihre Chance, zu beweisen – mit einigen immer wieder vortretenden jungen Abgeordneten –, dass sie bereit ist, gesamtstädtische Politik zu machen. Diese Chance hat sie in den letzten Tagen vertan. Deshalb ist es kein Wunder mehr, obwohl es eine sehr unkomfortable Situation ist, in der niemand – außer vielleicht einige Grüne – besonders enthusiastisch in die Regierung drängt, dass sich trotzdem langsam Mehrheiten in der Stadt bilden – die FORSA-Umfrage in der „Morgenpost“ macht das deutlich –, die andere auffordert, den Scherbenhaufen der großen Koalition wegzuräumen. Das ist kein Wunder, und das ist Ihre eigene Schuld. Aber eines müssen Sie noch tun: Schenken Sie den Berlinerinnen und Berlinern reinen Wein über die Lage ein. Durchmogeln gibt es nicht mehr, leisten Sie den Offenbarungseid jetzt!

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

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Vielen Dank Herr Liebich! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Kaczmarek das Wort!

Meine Damen und Herren! Die Opposition befindet sich in ihrer Lieblingsrolle: Wir haben es ja immer schon alles gewusst und schon immer alles gesagt.

[Wieland (Grüne): Ja, ist leider so! – Wolf (PDS): Wir können uns doch nicht dümmer stellen, als wir sind!]

Allein, so richtig stimmen tut es dann auch nicht. Es sei denn, Sie wären Hellseher gewesen und hätten vor einem halben Jahr bereits alle Details all der Belastungen, die jetzt auf uns zukommen, vorhersehen können. Dann allerdings sollten Sie sich das tatsächlich patentieren lassen.

Ich meine, an dieser Stelle muss man zuerst einmal – und das gehört auch zu solch einer Debatte dazu – demjenigen danken, der, wie kaum ein anderer in dieser Stadt, und wie kaum ein Finanzsenator vor ihm,

[Cramer (Grüne): Ich dachte, Landowsky sei gemeint!]

schwere Lasten zu schultern hat, Herr Cramer, ernsthafte Aufgaben zu erfüllen hat und nicht nur über Straßenbahnen diskutieren muss. Er hat ein Defizit geerbt von über 3 Milliarden DM,

[Wieland (Grüne): Wer hat denn vor ihm regiert?]

er muss Haushaltssanierung betreiben, den Länderfinanzausgleich verhandeln gegen andere Länder, Herr Wieland, die aus der Solidarität aussteigen wollen, und er hat – das ist ja ihr Lieblingsthema – mit den Beteiligungen des Landes keine große Freude. Das betrifft leider nicht nur die Bankgesellschaft, sondern auch Wohnungsbaugesellschaften und andere Unternehmen. Ich denke, diese Aufgabe, die der Finanzsenator Peter Kurth mit Bravour bewältigt, verdient Achtung und Unterstützung, Unterstützung des ganzen Parlaments.

[Beifall bei der CDU]

Er sieht seine Aufgabe darin, die Lebensfähigkeit und Handlungsfähigkeit der Stadt zu sichern. Die CDU-Fraktion wird ihn dabei unterstützen.

[Gaebler (SPD): Na, das wollen wir mal sehen!]

Ich kann Sie nur alle dazu aufrufen, auch Sie Herr Gaebler, sich daran zu beteiligen.

Verglichen mit dem Finanzsenator Peter Kurth lebt der so hoch gelobte Sparkommissar Bundesfinanzminister Eichel in einem finanzpolitischem Schlaraffenland.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Wenn wir dessen Probleme hätten, Herr Cramer, dann wären wir glücklich. Leider sind unsere Probleme größer.

[Wieland (Grüne): Der macht ernst mit der Haushaltskonsolidierung!]

Von wegen! Er macht ernst mit der Haushaltskonsolidierung, Herr Wieland, bei den Ländern. Der Bund macht Folgendes: Er spart auf Kosten der Länder. Noch keine Bundesregierung hat sich in so unverhohlener Weise bei Ländern und Kommunen bedient, Leistungsgesetze auf Kosten der Länder erlassen, nach dem Motto: Wir bestellen, andere bezahlen. Das ist ein Verfahren – dafür sind Sie nun auch mit verantwortlich, Sie von den Grünen –,

[Wieland (Grüne): Haben Sie doch zugestimmt im Bundesrat!]

das es so noch nicht gegeben hat und das wir auch so in der Zukunft nicht dulden können, soll das Gefüge zwischen Bund und Ländern in Deutschland nicht aus dem Rahmen geraten.

[Beifall bei der CDU – Eßer (Grüne): Ist die Bundesregierung auch an der Bankgesellschaft schuld?]

Sie können nachher die Wohltaten der Bundesregierung aufzählen, aber vergessen Sie dabei nicht, was der Bund uns alles an Lasten auferlegt hat und wo er, wenn er Zusatzeinnahmen hat, diese nach dem Motto verteilt: Die guten in das Bundestöpfchen, die schlechten Risiken in das Landeskröpfchen. Das ist eine Haltung, die Berlin in Schwierigkeiten gebracht hat.