Protocol of the Session on January 18, 2001

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Das Wort hat der Abgeordnete Wansner zu einer Mündlichen Anfrage über

Beschäftigung gewerblicher Arbeitnehmer im Baugewerbe Berlins

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Ist es zutreffend, dass in den letzten drei Jahren – Januar 1998 bis Januar 2001 – von 30 000 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern im Baugewerbe Berlins über 10 000, also 33 % ihren Arbeitsplatz verloren haben?

2. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, den katastrophalen Arbeitsplatzabbau im Berliner Baugewerbe zu stoppen, um die Vernichtung eines hochqualifizierten Berufszweiges zu verhindern?

Zur Beantwortung – Herr Senator Strieder, bitte!

Herr Präsident, Herr Abgeordneter! In der Tat, der Rückgang der Beschäftigtenzahl im Bauhauptgewerbe macht dem Senat von Berlin erhebliche Sorgen. Im letzten Jahr haben wir in diesem Sektor 1 400 Arbeitnehmer mehr in der Arbeitslosigkeit gehabt, und insgesamt, das ist noch dramatischer, hält der Arbeitsplatzrückgang an. Unter 20 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bestehen dort noch. Dennoch, im vergangenen Jahr gab es in Berlin ein Investitionsvolumen von 24 Milliarden DM. Das sollte eigentlich ausreichen, um den Berliner Bauarbeitern Beschäftigung zu bieten. Deswegen appelliere ich auch hier an die Investoren, die hier bauen, weil sie auch in dieser Stadt ihre Refinanzierung haben und an den Investitionen verdienen wollen: Zu regionaler Solidarität gehört auch, die Berliner Firmen zu beauftragen und Berliner Bauarbeiter zu beschäftigen. Bei 24 Milliarden DM Investitionen muss es möglich sein, mehr Beschäftigte aus Berlin auf dem Bau zu haben. interjection: [Beifall bei der SPD]

Das Land Berlin selbst gibt je nach Ausschreibungsart 85 bis 95 % seiner Aufträge an die Berliner Bauwirtschaft. Allerdings muss ich feststellen, dass ein Großteil der Berliner Bauwirtschaft selbst gar nicht mehr in der Lage ist, diese Bauaufträge abzuar

beiten, und die Firmen von vornherein damit kalkulieren, diese Aufträge an Subunternehmer außerhalb von Berlin weiterzugeben. Auch das gehört zur regionalen Solidarität. Das Land Berlin hat sich mit der Tariftreueerklärung und mit dem Vergabegesetz verpflichtet, etwas im Rahmen von regionaler Solidarität für die Berliner Baubetriebe zu tun. Wir erwarten allerdings auch von den Berliner Baubetrieben, dass sie dafür Berliner Bauarbeiter einsetzen und nicht nur Aufträge akquirieren, um sie dann nach außerhalb Berlins weiterzuleiten.

Die erste Zusatzfrage kommt vom Fragesteller. – Bitte, Herr Wansner!

Herr Senator! Wir haben bekanntlich eine Arbeitslosigkeit im Baugewerbe von über 40 %. Somit ist fast jeder zweite Bauarbeiter arbeitslos. Müssten Sie nicht endlich – anstatt zu appellieren – Gespräche mit der Berliner Wohnungsund Bauwirtschaft aufnehmen, um hier eine Trendwende zu erreichen? Wenn Sie die Zahlen hochrechnen, dann haben wir in den nächsten 6 Jahren im Berliner Baubereich nicht einen Handwerker mehr beschäftigt. Das wäre sicherlich für eine Hauptstadt wie Berlin eine Katastrophe. Deshalb noch einmal meine Frage: Werden Sie in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten qualifizierter und ernsthafter mit der Berliner Wohnungswirtschaft reden, um diesen Arbeitsplatzabbau endlich zu stoppen?

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich möchte Sie auf einen kleinen Fehler aufmerksam machen. Sie müssen sich für den Gegenstand ihrer Frage entscheiden. Gerade haben wir über das Bauhauptgewerbe geredet. Für das Berliner Ausbaugewerbe, in dem die Handwerker beschäftigt sind, können wir über 40 000 Arbeitsplätze berichten. Dort stellt sich die Situation völlig anders dar.

Der Berliner Senat und die Berliner Baudienststellen vergeben kleinteilige Aufträge. 85 bis 95 % der Aufträge gehen an die Berliner Betriebe. Wir haben die Tariftreueerklärung eingeführt, so dass in Berlin zu Berliner Tarifen gebaut wird. Und wir haben mit dem Vergabegesetz auch die kleinteiligen Ausschreibungen vorgeschrieben.

Allerdings macht das öffentliche Bauvolumen lediglich 10 bis 15 % des gesamten Bauvolumens in der Stadt aus. Deswegen wird es nur dann gelingen, in diesem Bereich weiterzukommen, wenn die Unternehmen sich verpflichten, keine Schwarzarbeit mehr zuzulassen, wenn die Berliner Betriebe die Aufträge, die sie akquirieren, nicht nach außerhalb von Berlin weitergeben, sondern mit Berliner Bauarbeitern abarbeiten, und wenn die sonstigen Investoren endlich bereit sind, sich der regionalen Solidarität anzuschließen und für das Auftragsvolumen von 20 Milliarden pro Jahr Berliner Betriebe mit Berliner Bauarbeitern zu beschäftigen. Das ist kein Appell an die Politik, sondern hier muss endlich die Wirtschaft ihre Pflicht erledigen!

[Beifall bei der SPD]

Nun eine weitere Zusatzfrage durch den Fragesteller. – Bitte sehr!

Herr Senator! Diese Fragen können Sie sicherlich in den Gesprächen mit der Bauwirtschaft noch einmal klären.

Herr Senator! Sie hatten in dieser Woche noch einmal den Zuzug von Ausländern in diese Stadt gefordert, weil Sie der Meinung sind, der Arbeitsmarkt in Berlin benötige dies. Sie sollten aber überlegen, dass hier gerade im Bauhauptgewerbe und im Baugewerbe viele ausländische Arbeitnehmer betroffen sind und wir enorme Unsummen in das Quartiersmanagement geben. Wenn wir für die in der Stadt lebenden ausländischen Arbeiter Arbeitsplätze im Baugewerbe besorgten, könnten wir

uns die vielen Gelder für Quartiersmanagement sparen. Wäre dies nicht ein geeigneter Beitrag zur Integration dieser Menschen in dieser Stadt?

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Wansner! Der Senat weist diesen Versuch von Populismus zurück!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Ich habe nur darüber berichtet, dass der Senat im Frühjahr vergangenen Jahres eine Bevölkerungsprognose zur Kenntnis genommen hat, die auf der Bevölkerungsprognose für die gesamte Bundesrepublik Deutschland beruhte. Der Senat hat festgestellt, dass es, wenn Berlin angesichts der Geburtenrate und – wie dies bei den Statistikern heißt: – des Sterbeüberschusses seine jetzige Größe behalten will, notwendig sei, 200 000 zusätzliche Menschen für Berlin zu gewinnen. Diese Menschen müssten vornehmlich aus dem Ausland kommen, weil die Bundesrepublik Deutschland insgesamt eine abnehmende Bevölkerung hat, weil weniger Kinder geboren werden als Menschen sterben.

Das ist ein sehr ernstes Thema. Ich glaube nicht, dass es angemessen ist, mit diesem Thema, mit dem sich der Senat intensiv beschäftigt hat, zu versuchen, Ängste und Neid zu schüren. [Beifall bei der SPD]

Es kommt darauf an, eine Bereitschaft für Offenheit, Toleranz und Internationalität in dieser Stadt herbeizuführen. Es geht nicht darum, 200 000 Menschen zu holen, die dann Sozialhilfeempfänger sein müssen, sondern es kommt darauf an, Leute zu finden, die uns helfen, die Prosperität unserer Stadt aufrechtzuerhalten. Schauen Sie sich einmal ein bisschen weiter um als nur im Wrangel-Kiez! Schauen Sie einmal, wie das in Großstädten wie London, Hamburg, Brüssel oder Barcelona gemacht wird! Schauen Sie einmal, mit welchen Instrumenten heutzutage Großstädte ihre Größe behalten können bzw. überhaupt erst in die Lage versetzt werden, neue Arbeitsplätze für Arbeitslose zu schaffen! Herr Wansner! Werfen Sie nicht den Arbeitslosen vor, dass sie arbeitslos sind!

[Zurufe von der CDU]

Werfen Sie lieber der alten Bundesregierung vor, dass sie die Strukturen in Berlin so schnell so abgebaut, dass wir nicht hinterherkommen mit dem Aufbau neuer Arbeitsplätze in ausreichendem Maße! [Beifall bei der SPD]

Die nächste Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Niedergesäß. – Bitte sehr!

Herr Senator! Es steht außer Frage, dass der Berliner Senat die Aufträge, die er vergibt, auch exakt kontrolliert und dabei auf den Berliner Tarif achtet. Wie sieht es aber ansonsten mit den Berliner Vergabestellen aus? Laut Vergabegesetz, das wir hier vor anderthalb Jahren beschlossen haben, ist jede Berliner Vergabestelle verpflichtet, die Tariftreue zu kontrollieren. Berliner Vergabestellen sind die Wohnungsbaugesellschaften, die Stadtentwicklungsgebiete und alles, woran Berlin 51 % und mehr Anteile hat. Wie sieht es da mit den Kontrollen aus? Nach meiner Kenntnis arbeiten da zu 99 % nur Dumpinglöhner.

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Niedergesäß! Zunächst einmal habe ich selbst mit den Geschäftsführern der Wohnungsbaugesellschaften darüber geredet. Es ist mir versichert worden, dass man sich an die Berliner Vorschriften hält.

[Niedergesäß (CDU): Ha, ha!]

Ich glaube, dass hier das gleiche Problem vorliegt mit der Berliner Bauwirtschaft. Es gibt Betriebe, die in Berlin ansässig sind, hier nur noch Büropersonal haben und von vornherein damit kalkulieren, die Aufträge an Subunternehmer weiterzugeben, die billiger sind. Wir haben Beispiele der Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmer, wo 5, 6 verschiedene Unternehmen dazwischen geschaltet worden sind. Da müssen wir herangehen! Es muss ganz klar sein, dass Berliner Bauaufträge, die in die Berliner Bauwirtschaft gehen, mit Berliner Bauarbeitern abgearbeitet werden müssen.

[Beifall bei der SPD]

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Oesterheld von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte sehr!

Herr Niedergesäß meinte gerade so nett, dass der Berliner Senat alles richtig mache. Ich möchte deshalb den Herrn Senator fragen, wie häufig Ihre Kontrollen zur Tariftreue eigentlich sind. Was ist mit dem Abbau von Stellen bei den Kontrollen von Schwarzarbeiten?

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ich habe vor ungefähr 3 Monaten entschieden, dass wir diejenigen Mitarbeiter, die die Tariftreue zu kontrollieren haben, um einen Anteil von Mitarbeitern meiner Verwaltung mit Kw-Vermerken verstärken, die für bisherige Arbeiten nicht mehr benötigt werden. Diese Kontrolle ist eine notwendige Aufgabe. Das Land Berlin strengt sich erheblich an, Schwarzarbeit und Tarifunterschreitungen zu kontrollieren. Allerdings ist es häufig so, dass wir so viele Verstöße feststellen, dass die Aufarbeitung bei den Staatsanwaltschaften, der Kriminalpolizei und bei den Gerichten nicht entsprechend schnell vonstatten gehen kann, weil dort dann das notwendige Personal fehlt.

Auf der einen Seite klagen die Unternehmer der Bauwirtschaft über Schwarzarbeit, aber auf der anderen Seite muss es schließlich jemand sein, der die Schwarzarbeiter einstellt. Da bin ich nicht bereit zu akzeptieren, dass jegliche Verantwortung immer nur auf die Politik und den Staat gezogen wird. Wo ist denn die Verantwortung der Wirtschaft für die Berliner Wirtschaft selbst?

[Beifall bei der SPD]

Wir kommen nun zur nächsten Mündlichen Anfrage des Kollegen Müller von der Fraktion der SPD über die

Ausgliederung der IBB?

Bitte sehr!

Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Treffen Berichte zu, dass die Landesbank LBB die Ausgliederung der IBB aus der Bankgesellschaft Berlin bereits vorantreibt, und wenn ja, welche institutionelle Form soll die dann ausgegliederte IBB erhalten?

2. Wie beurteilt der Senat die Einschätzung der Scholz-Kommission zur Qualität der IBB als Landesstrukturbank und inwiefern sind die Einschätzungen der Scholz-Kommission Ursache für die Ausgliederungspläne?

Es antwortet der Senator für Wirtschaft, Herr Branoner, bitte sehr!