Protocol of the Session on November 30, 2000

Mir ist zu Ohren gekommen, dass über das vereinbarte Finanzierungsprojekt für den Einbau zusätzlicher Aufzüge zwischen Senat und BVG kein Einvernehmen erzielt worden ist und dass deshalb die BVG sich nicht in der Lage sieht, damit anzufangen. Damit ist das gesamte Projekt für Monate gestoppt. Wenn das dazu führt, dass 50 Millionen DM nicht abgerufen werden, wäre das ein Skandal. Was wollen Sie dagegen tun?

Bitte, Herr Senator!

Wir haben mit dem Vorstand der BVG ein intensives Gespräch geführt und mit ihm Wege überlegt, wie die BVG in die Lage versetzt werden kann, die ihr zur Verfügung stehenden Investitionsmittel wirklich umzusetzen. In diesem Zusammenhang hat sich herausgestellt, dass die BVG ganz zufrieden ist, wenn sie nach dem Haushalt des Landes Berlin mehr Investitionsmittel angeboten bekommt, als sie umsetzen kann, weil sie glaubt, dann die Zweckbestimmung für diese Millionen ändern zu können, um andere Dinge – Fahrzeuge oder DAISY beispielsweise – daraus zu finanzieren. Wir haben der BVG deutlich gemacht, dass wir an einer konsequenten Umsetzung dessen interessiert sind, was das Abgeordnetenhaus beschließt, und haben der BVG auch deutlich gemacht, dass die vermeintlichen Kürzungen des Verkehrsetats im nächsten Jahr keine Kürzungen sind. Es handelt sich dabei um 100 Millionen DM, die die BVG nicht bekommt, weil die U 5 nicht gebaut wird. interjection: [Niedergesäß (CDU): Die wird gebaut!] – Aber doch nicht nächstes Jahr, Herr Niedergesäß! interjection: [Niedergesäß (CDU): Doch! Nächstes Jahr!]

Das müssen Sie nächste Woche hier diskutieren. Nach den bisherigen Beratungen im Hauptausschuss hatte ich den Eindruck, dass das Geld dafür nicht zur Verfügung gestellt worden ist. Falls Herr Kurth da 100 Millionen DM drauflegen will, dann können wir noch einmal darüber reden. Also, das wird nicht gebaut, und deswegen fehlen die 100 Millionen DM. 45 Millionen DM hat die BVG dieses Jahr vom Bund als Sonderzahlung für die Anschaffung von neuen U-Bahnzügen erhalten; das war eine einmalige Maßnahme. 4 Millionen DM für Straßenbahnen können nicht investiert werden, weil das Planfeststellungsverfahren für die Invalidenstraße nicht fertig ist. Und für die Grundinstandsetzung der U-Bahn sind 17 Millionen DM abgesenkt worden. Das heißt, effektiv hat die BVG im nächsten Jahr 17 Millio

nen DM für Sanierungsarbeiten weniger als dieses Jahr. Wenn sie aber dieses Jahr nicht in der Lage ist, 50 Millionen DM auszugeben, dann hat sie nächstes Jahr immer noch einen Spielraum von 33 Millionen DM. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, das es an nicht bereitgestellten Mitteln liegt, dass dieser Aufzug nicht gebaut wird.

Damit hat die Spontane Fragestunde ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 A:

Aktuelle Stunde zum Thema „Zukunft Wissenschaft“

auf Antrag der Fraktionen von CDU und SPD. Die Aktuelle Stunde verbinde ich mit

lfd. Nr. 21, Drucksache 14/825:

Antrag der Fraktion der PDS über Konzeption zum Ausbau der Fachhochschulen

Wortmeldungen liegen mir vor. Frau Grütters, bitte schön, Sie haben für die Fraktion der CDU nunmehr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einiger Genugtuung muss ich feststellen, dass es uns doch gelungen ist, das Thema Wissenschaft zum heutigen Topthema der Plenarsitzung zu machen,

[Doering (PDS): Das wird sich noch zeigen!]

obwohl Sie, Herr Wieland, das nicht wollten, weil es sich populistisch nicht so schön verwerten lässt wie Ihre Demonummern,

[Wieland (Grüne): Ach! Unerhört!]

als ob die Mehrheit, also auch Sie, immer noch nicht begriffen hätte, wo die eigentlichen, wenn nicht die einzigen Zukunftspotentiale der Stadt liegen. Es ist an uns, also an der Politik, auch Ihnen, die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb um die Zukunft so zu setzen, dass Berlin ihn auch gewinnen kann.

[Beifall bei der CDU]

Dazu gehört nicht unter anderem, sondern vor allem die Herausstellung der ungeheuren Potentiale in der Wissenschaft. Berlin ist, falls Sie es nicht wissen sollten, die an Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen reichste und vielfältigste Region in ganz Europa.

[Wieland (Grüne): Allen geht es schlecht!]

Das verpflichtet zu einer ungeheuren Anstrengung für die Zukunftssicherung dieses Potentials. Zehn Jahre nach der Wende sind wir auch an einer Wende der bisherigen Nachkriegswissenschaftspolitik angelangt. Wir stellen fest, dass es so nicht weitergehen kann, wie es einst, am Ende der 60er Jahre begonnen hat. Der Öffnungsbeschluss war für die deutschen Hochschulen der Beginn eines Niedergangs, den wir heute zu korrigieren haben, und zwar durch klare Position für eine internationale wettbewerbsfähige Zukunft des deutschen Systems. Leider scheitern innovative Ideen häufig an den überkommenen Standpunkten einiger Politiker, die in ihren gestrigen Denkmustern verharren. Wer mit Wehmut an seine 68er Jahre denkt, muss nüchtern sehen, dass ein einstmals mutig gemeinter Aufbruch in neue Gesellschaftsordnungen schlicht verheerende Folgen für die Wissenschaft hatte.

[Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Lächerlich!]

Nicht ohne Grund hat der Wissenschaftsrat ganz aktuell seine Thesen zur künftigen Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland vorgelegt. Wissen Sie, welche Begriffe sich da finden? – Anwendungsorientierung und Praxisbezug, Internatio

nalisierung, Profilbildung, Leistungsdifferenzierung und Durchlässigkeit. Erhöhung der Mobilität, Wettbewerb, Kooperation und vor allen Dingen Ausbau der Autonomie. Es ist, als habe der Wissenschaftsrat das Berlin ins Stammbuch geschrieben, denn wo stehen wir heute?

Berlin hat mit seinen Schwerpunkten in der Biotechnologie, Materialforschung, Verkehrstechnologie und in der Informationsund Kommunikationstechnologie sich inzwischen exzellente Wettbewerbspositionen erarbeitet. Das Max-Delbrück-Centrum zum Beispiel war bei der Genomforschung ganz vorn mit dabei.

[Niedergesäß (CDU): Adlershof!]

Die Medizin ist übrigens ohnehin eines unserer stärksten Pfunde. Das sind alle öffentlichen Äußerungen einiger Kolleginnen vor allen Dingen, die sich das offensichtlich als Lieblingsthema ausgesucht haben, nur schädlich – die meinen, Wissenschaftspolitik in der Medizin bestehe vor allem in der Reduzierung der Medizinstudienplätze. Statt dessen hätten die Charite´, das Uniklinikum in Steglitz, die Max-Planck-Institute

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

und die Zusammenarbeit zwischen FU und Potsdam unsere besondere Fürsorge verdient,

[Beifall bei der CDU]

genau wie Adlershof.

Der Wissenschafts- und Wirtschaftspark muss noch zügiger als bisher ausgebaut werden, nicht nur, weil uns das der Wissenschaftsrat bei jeder anderen Empfehlung wieder ins Stammbuch schreibt. Ein wirklicher Impuls könnte beispielsweise von der Errichtung eines naturwissenschaftlich-technischen Gymnasiums dort ausgehen oder von der Ansiedlung einiger Teile der Sammlung des Technikmuseums als eine Art Science-Center, was nicht ohne Grund eine Idee des neuen Humboldt-Präsidenten Mlynek war.

In der Verkehrsforschung sind wir Weltspitze. Und der Wissenschaftsrat hat in seinem großen Gutachten auch nicht ohne Grund die Geisteswissenschaften betont, nicht nur mit ihrer Politikberatungskompetenz, sondern er hat sie, glaube ich, hervorgehoben, weil sie vielen nur lästig zu sein scheinen.

In der Informatik haben die Hochschulen schneller reagiert als in der Wirtschaft; auch das muss man einmal loben.

Aber über den Erhalt der bereits vorhandenen Stärken müssen wir uns gemeinsam anstrengen, die Wissenschaft für die Zukunft fit zu machen – und das ausgerechnet in einem finanzschwachen Bundesland wie Berlin. Da kommt es mehr als überall sonst auf Ideen und mutige Konzepte an, die keine ideologischen Zauderer vertragen.

Also bauen wir die Vierjahresverträge für die Hochschulen aus, sie sind unser bestes Stück Wissenschaftspolitik der letzten Jahre, das wir jetzt sogar auf die Opernhäuser übertragen wollen. Kernstück dieser Verträge sind Leistungs- und Zielvereinbarungen, die den Einrichtungen die Chance geben, ihre eigenen Prioritäten zu setzen. Dafür trägt das Land die Tarifvorsorge in Höhe von 1 1/2 %, was gefälligst auch in den Verlängerungsverhandlungen für die nächsten vier Jahre zu sichern ist. Die Universitäten sind schließlich nach langwierigen Entscheidungsprozessen in ihren immerhin gremiengesteuerten Häusern – das war auch zum Teil ideologisch blockiert – heute froh – und das gestehen sie auch –, dass wir ihnen mit den Verträgen die jährlichen Haushaltsberatungen ersparen.

Dann die Novelle des BerlHG: Sie ist nicht nur wegen der Anpassung an das Hochschulrahmengesetz des Bundes inzwischen rechtlich erforderlich, sondern es wäre eine exzellente Chance für die Politik, zu zeigen, dass wir verstanden haben, was für die Hochschulen von morgen wichtig ist, wie ein modernes Gesetz auszusehen hat und wo wir Weichen für die Zukunft stellen können, schneller, besser, mutiger, großzügiger als die anderen Bundesländer, in denen es übrigens überall Ansätze dazu gibt. Aber manchmal muss man sich fragen, ob Berlin die Kraft dazu hat, ob wir gemeinsam fit dafür sind.

[Wieland (Grüne): Ihr regiert ja nicht!]

Die Freiheit der Universitäten von staatlichem Reglement, Herr Wieland, die Autonomie und Loslösung von kleinlicher Gängelung – ich sage es Ihnen gleich – durch die Obrigkeit – das ist unser Ideal. Ich gebe zu, dass ich mit Frau Volkholz gemeinsam häufig ganz gute Politik gemacht habe, ich vermisse sie auch. Also noch einmal: Die Freiheit der Universitäten von staatlichem Reglement, Autonomie und Loslösung, das ist unser Ideal, damit sich die Universitäten hier international entfalten können. Da können einige nicht mithalten, wie zum Beispiel der Alterspräsident des Abgeordnetenhauses, der Sprecher der SPD, oder die gesamte PDS, Benjamin Hoff, die öffentlich erklären, dass sie sich eine größere staatliche Steuerung als bisher schon vorstellen. Das ist unmodern! Die Novelle des BerlHG macht natürlich nur Sinn, wenn sie über den Stand der derzeitigen Experimentierklausel hinauskommt. [Zuruf des Abg. Hoff (PDS)] Unsere Eckpunkte sind, dass sich die Universitäten ihre Studierenden zu einem Großteil selber auswählen können. Mir ist es fast peinlich, dass wir in Berlin den Anteil wieder zurückgefahren haben; oder die Konzentration auf wissenschaftspolitisch zentrale Fragen, das heißt, ein schlankes Gesetz mit weniger Steuerung, Leistungskennzahlen, Internationalisierung, Frauenförderung, Bachelor- und Masterstudiengängen in Berlin schneller, als das bisher läuft, Modularisierung des Studienangebotes, stärkere Durchlässigkeit, Credit-point-Systeme – das sind Angebote, die wir den Studierenden machen. Nur, wir müssen sie natürlich ins Gesetz schreiben. Ohne das passiert im Moment viel zu wenig. Und die Eigenverantwortung der Hochschulleitung müssen wir auch stärken. Die Kuratorien der bisherigen Art können durch Hochschulräte ersetzt werden, so wie es einige Universitäten uns schon vormachen, und wir möchten, dass die Universitäten in Zukunft auch verschiedene Wege gehen können. Das Thema Studiengebühren: Ich bin sicher, dass eine Mehrheit hier im Parlament heimlich sehr wohl zugesteht, dass auch sie erwarten, dass es das über kurz oder lang in der ganzen Republik gibt. Aber dann müssen wir, die Wissenschaftspolitiker, die Bedingungen diktieren und nicht die Finanzer, damit das, was wir bei der Immatrikulationsgebühr machen, nicht in großem Stil passiert, dass die Studienbeiträge mit den Landeszuschüssen verrechnet werden. Das ist verkehrt, deshalb langfristige Sicherung auch hier. Dann kann man sie sozialverträglich gestalten, leistungsbezogene Befreiungen formulieren und das Stipendiensystem vor allem enorm ausweiten. Übrigens Langzeitstudiengebühren, wie es sie in Baden-Württemberg gibt, haben noch keinen einzigen Studenten dort zum Abbruch seines Studium veranlasst, und deshalb sind wir der Meinung, dass solche Muster hier auch gehen. [Hoff (PDS): Echt!] Denkverbote übrigens akzeptieren wir schon gar nicht. Die CDU hat die Idee einer Stiftungsuniversität in Berlin aufgebracht, und wir werden das Thema hartnäckig weiterverfolgen, weil wir ein solches Angebot an eine Berliner Universität, nach dem Muster amerikanischer Elite-Universitäten umgeformt zu werden, für zukunftsweisend halten. [Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieland?

Nein, die sind gleich selber dran! – Dazu die Loslösung von der Geißel des öffentlichen Dienstund Tarifrechts. Welcher Hochschulpräsident kann solche Freiheiten, verbunden mit der Zusage, einen auf 20 Jahre gesicherten Zuschuss zu bekommen, eigentlich ablehnen? – Sie können dann herausragende Professoren, auch aus der Wirtschaft, anwerben. Und die hat gesagt, finanziell unterstützen würde sie ein solches Modell viel lieber als das überkommene bisherige Modell. Jeder, der nur erklärt, warum das alles nicht geht, statt genauso attraktive Gegenmodelle zu entwerfen, versündigt sich an der Zukunft unserer Universitäten. interjection: [Beifall bei der CDU]

Wissen Sie eigentlich wirklich, wie attraktiv unsere heutigen Universitäten noch sind? Der Präsident der Harvard-Universität hat vor kurzem gesagt, wir müssten uns nicht sorgen um die Ausländer, die nicht mehr zum Studium nach Deutschland kommen, sondern um die Deutschen, die zum Studium ins Ausland gehen und nicht mehr zurückkommen. Das ist die traurige Realität, dass die Guten nicht mehr hier zu Hause studieren, sondern sich eine exzellente Ausbildung woanders aussuchen. Wir wollen nicht, dass unsere Studierenden nur Gast im Ausland sind, wir wollen wieder Gastgeber für unseren Nachwuchs sein, im besten Sinne des Wortes. Wir brauchen dafür keine Einheitsbrei-Regelung des Bundes, wie zum Beispiel den sehr mickrigen Gesetzentwurf zur Dienstrechtsreform. Wir möchten ein Bekenntnis zur Autonomie, auch wenn das ein Bekenntnis für einen freiwilligen Machtverlust der Politiker und auch der Verwaltung ist. Das ist gut so, gut für die Wissenschaft und gut für Berlin. Berlin muss sich an die Spitze der Bewegung stellen, damit uns nicht Länder wie Niedersachsen und Rheinland-Pfalz – daran sollten sich die Genossen zum Beispiel ein Beispiel nehmen – oder die ohnehin führenden Länder Baden-Württemberg und Bayern wieder den Rang ablaufen. Den Wettbewerb um die Zukunft werden die intelligenten Standorte gewinnen. Wir müssen in unserem eigenen Interesse in der Wissenschaft die Voraussetzungen dafür schaffen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Schönen Dank, Frau Kollegin! – Bevor ich dem Herrn Kollegen Hoff das Wort gebe, möchte ich noch einmal daran erinnern, etwas langsamer zu sprechen. Das erleichtert nicht nur für uns alle das Verständnis, sondern auch für den Gebärdendolmetscher auf der Tribüne, den ich in unserer Mitte sehr herzlich begrüße. Ich bewundere die Leistung, so etwas in Gebärden umsetzen zu können. Ich begrüße natürlich auch die Damen und Herren, die mit Hörschwäche oder ohne Gehör hier Gelegenheit haben, an den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses teilzunehmen. – Also etwas langsamer sprechen, dann ist es für uns alle – auch für die Polizisten auf der Tribüne, die ich ebenso herzlich begrüße – leichter, dem zu folgen. Herr Hoff macht jetzt den Anfang damit. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! Das Langsamreden ist nicht meine leichteste Übung, aber ich werde es versuchen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Morgenpost“ hat vor einer Woche einen wunderbaren Artikel herausgebracht unter der Überschrift: Wissenschaftspolitik kommt bei der Koalition nur in Sonntagsreden vor. – Hier haben wir den klassischen Fall einer Sonntagsrede gehört, aber eine aktuelle Stunde war es nicht! [Beifall bei der PDS und den Grünen]