Protocol of the Session on October 26, 2000

[Beifall bei der PDS]

Für die Fraktion der CDU hat Frau Schultze-Berndt das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln hier in II. Lesung das Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften. Das ist ein bedeutender Titel. Umso erstaunlicher ist es festzustellen, dass es sich bei den Änderungen nur um Konsequenzen handelt, die sich aus der Gebiets- und Verwaltungsreform für schulische Gremien ergeben. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich mit „nur“ keineswegs Geringschätzung für die Gremien ausdrücken möchte, in denen wichtige Schüler- und Elternrechte wahrgenommen werden. Die Überschrift ließ jedoch viel weitreichendere Änderungen der Schulgesetzgebung erwarten.

Es geht hier also „nur“ um eine Anpassung des Schulverfassungsgesetzes und des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes, eine Formalie, wie Frau Schaub es bezeichnet. Es geht um nicht weniger, aber auch um nicht mehr als um Gremien, für die sich mit diesem Gesetz schulrechtliche Vorschriften verändern sollen.

Mit der Gebietsreform verringert sich die Zahl der Berliner Bezirke auf 12. Damit wird eine Verschlankung der Verwaltung bezweckt, gewaltige Umstrukturierungen werden vorgenommen. Die Zahl der Bezirksbürgermeister und Stadträte wird verringert, Abteilungen werden neu strukturiert. Darin liegt eine Einsparmaßnahme, die uns gerade angesichts der derzeitigen Haus

haltsdiskussion froh stimmen sollte, eine Maßnahme, der wohl niemand ablehnend gegenüberstehen kann, denn die öffentlichen Ausgaben werden reduziert.

Diese neuen Strukturen sollen sich auch in den Landesgremien widerspiegeln, die sich anteilig aus Bezirksvertretern zusammensetzen. Im Schulbereich handelt es sich hierbei vor allem um den Landesschulbeirat, dem Eltern-, Schüler- und Lehrervertreter angehören. Deren Rechte, sich in Gremien zu äußern und auseinanderzusetzen, werden von der CDU anerkannt und sollen nicht beschnitten werden. Dennoch halten wir es für ausreichend, entsprechend der neuen Zahl der Bezirke mit jeweils drei Vertretern – ein Lehrer, ein Schüler, ein Erziehungsberechtigter – aus künftig nur noch 12 Bezirken im Landesschulbeirat zu arbeiten. Das Gremium setzt sich dann aus 36 anstatt 69 Personen zusammen. Es liegt auf der Hand, dass sich bei dieser Größe eines Gremiums die Effektivität signifikant steigern muss.

Nunmehr die Zahl der Vertreter in den Gremien, in den Ausschüssen auf Landesebene zu erhöhen, wie es die PDS hier fordert, bedeutet eine Aufblähung der Gremien. Diskussionen weiten sich ins Uferlose aus, die Arbeit wird nicht effektiver. Überdies drückt sich in dem Antrag der PDS die Unterstellung aus, dass die Vertreter der drei großen, nicht fusionierenden Bezirke Reinickendorf, Spandau und Neukölln, die schon immer für eine größere Zahl von Schulen zuständig waren, bisher auf Landesebene nicht in der Lage waren, ihre Bezirke angemessen zu vertreten. Wollen Sie das tatsächlich den ehrenamtlich Arbeitenden unterstellen?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Abgeordneter Schaub?

Dass die bezirklichen Gremien in den neu zugeschnittenen und nunmehr vergrößerten Bezirken erfolgreich arbeiten und die dann höhere Zahl der Schulen durchaus kompetent betreuen und begleiten können, zeigt sich an dem Beispiel eben dieser großen Bezirke. Ich weiß dabei, wovon ich spreche, denn ich habe an den Sitzungen des Reinickendorfer Bezirksschulbeirats teilgenommen. Dort wird sehr gute Arbeit geleistet, und mir ist nicht bekannt, dass sich Reinickendorfer Schulen auf Bezirksoder Landesebene über mangelnde Aufmerksamkeit des Beirats für ihre Probleme beschwert hätten.

Nicht zuletzt konterkariert der PDS-Antrag die Zielsetzung der Verwaltungsreform. Gewollt ist die Vereinfachung und Straffung des Verwaltungsapparates. Die Reduzierung der 46 Mitglieder in den Landesausschüssen auf 24 würde mit dem Antrag der PDS verhindert, deren Anzahl würde sich nach dem Antrag der PDS sogar auf 48 erhöhen. Der administrative Aufwand würde sich in entsprechendem Maße erhöhen. Das kann nicht das Ergebnis einer Verwaltungsreform sein. Die CDU will eine konsequente Umsetzung der Verwaltungsreform. Die CDU will in allen Bereichen prüfen, ob Gremienzahl und Gremiengröße den Anforderungen an eine moderne Gesellschaft und modernes Management entsprechen. Deshalb werden wir dem Antrag in der vorliegenden Form zustimmen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Mutlu das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mit Verwunderung feststellen, dass der zuständige Senator zu diesem Thema nicht im Raume ist. Das ist schon mehr als verwunderlich.

Und zu Ihnen, Frau Schultze-Berndt: Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Ich hatte aber ein kleines Problem bei Ihren Ausführungen. Sie haben völlig vergessen, dass diese Maßnahme, die gegen die Stellungnahme des Landesschulbeirats getroffen wurde, gar keine Einsparungen bringt. Das hat in dem Sinne mit der Gebietsreform nichts zu tun. Wir haben die Gebiets

reform, als sie auf der Tagesordnung war, nicht ohne Grund abgelehnt. Eine Gebietsreform ohne die Möglichkeit von Bürgerentscheiden und ohne Abschluss der Verwaltungsreform, um nur zwei Beispiele zu nennen, konnte nicht der Wurf sein und wurde auch nicht der Wurf. Nun stehen wir aber vor einer anderen Situation. Diese stellt sich folgendermaßen dar: Sämtliche bezirklichen Mitbestimmungsgremien – wir sind der Meinung, dass dieses ein wichtiges demokratisches Instrument für die Partizipation ist – sollen auf Grund der Gebietsreform auf die Zahl der Bezirke reduziert und damit die Mitwirkungsrechte dieser Gremien deutlich eingeschränkt werden. Die Reduzierung der Mitgliederzahl in den Gremien bedeutet nämlich auch, dass nicht nur die Mitarbeit in diesen Gremien auf Grund der Mehrbelastung erschwert, sondern nahezu unmöglich gemacht wird. Sie müssen sich vorstellen – ich gehe von meinem Bezirk aus, Kreuzberg-Friedrichshain: Bis dato haben zum Beispiel bei den Schülern zwei die Schüler vertreten, jetzt soll es nur einer sein. Neukölln oder Reinickendorf oder Spandau können nicht Maßstab sein und nicht immer bei diesen Diskussionen als Beispiel herhalten.

Der Landesschulbeirat hat in seiner Stellungnahme zu der vorliegenden Gesetzesänderung deutlich gemacht, dass diese Maßnahme seine Arbeit konterkariert, und den Senat aufgefordert, statt einer Reduzierung die Zahl der Mitglieder des Beirats zu erhöhen, nämlich je drei Schülerinnen und Schüler, je drei Lehrerinnen und Lehrer und je drei Erziehungsberechtigte aus den jeweiligen Großbezirken. Dieser Empfehlung ist weder der Senat gefolgt noch die große Koalition. An dieser Stelle muss ich einfach sagen: Wenn solche Gremien existieren und eine deutliche Stellungnahme zu einer Gesetzesänderung abgeben, warum wird sie nicht übernommen? Da kann ich nur das Demokratieverständnis der angesprochenen Parteien anzweifeln.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Im Gegensatz dazu schließen wir uns der Forderung des Landesschulbeirats an und fordern die große Koalition auf, von diesem Schritt Abstand zu nehmen. Diese Maßnahme ist auch aus finanzpolitischen Gründen ohne einen Sinn, weil sie keinerlei Einsparung bringt, Frau Schultze-Berndt! Dinge, die im Zusammenhang mit der Gebietsreform finanztechnische Auswirkungen haben könnten und Einsparpotentiale besitzen, werden nicht im Geringsten angegangen. Welche das sind? – Ganz einfach, beispielsweise die Doppelzuständigkeit bei der Bauverwaltung, bei der Straßenbehörde, beim Landesschulamt, bei der Bezirksaufsicht und bei den Bürgerdiensten bei SenInn usw. Diese Beispiele zeigen deutlich, dort gibt es auch Einsparpotentiale. Die werden nicht angegangen. Das ist nicht im Interesse der großen Koalition. Aber überall dort, wo wirklich die Bürgerinnen und Bürger und die Betroffenen, hier in diesem Fall Schülerinnen und Schüler, beteiligt werden, soll wenig mitgesprochen werden, soll wenig mit abgestimmt werden. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können. Wir lehnen aus diesem Grund die Änderung ab. Sie ist eine Einschränkung der Mitwirkungsrechte. Wir können nur nochmals an Sie appellieren, davon Abstand zu nehmen und dieser Beschlussempfehlung des Schulausschusses nicht ihre Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Für die Fraktion der SPD hat Frau Neumann das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Mutlu! Wenn Sie mit den Worten beginnen: Wir waren gleich nicht dafür, und deswegen interessieren uns auch nicht die Folgen –, dann haben Sie es einfach, aber ich finde das – Verzeihung! – reaktionär.

[Beifall bei der SPD – Frau Merkel (SPD): Richtig!]

Etwas differenzierter sehe ich die Ausführungen der Kollegin Schaub. Sie haben immerhin mit den Worten begonnen: Es scheint ein alltäglicher Vorgang. – Wenn ein Gesetz Folgen in der Wirklichkeit zeigt, dann müssen wir sehen, inwieweit andere

Gesetze sich dem auch anpassen müssen. Es ist ein alltäglicher Vorgang, denn das wirklich Entscheidende und Bahnbrechende hat die Koalition in der letzten Legislaturperiode mit dem Verwaltungsreformgesetz und der Zusammenlegung der Bezirke in Gang gesetzt. Dort ist das Entscheidende passiert. Diese Gesetze haben die Wirklichkeit verändert. Jetzt müssen weitere Dinge dieser Wirklichkeit angepasst werden, denn Politik heißt, sich mit Wirklichkeit auseinander zu setzen.

Es ist richtig, dass die Beiräte drei Vertreter pro Bezirk gefordert haben. Aber welche Idee stand denn hinter den Bezirkszusammenlegungen? – Dass gleich große Einheiten entstehen, dass die gleiche Anzahl von Menschen gleich vertreten ist! Und das heißt Demokratieprinzip. Wenn bisher ein Bezirk wie Neukölln oder Reinickendorf mit einer geringeren Anzahl von Vertretungen auskam, dann wäre es nur eine Folge und eine Konsequenz des Demokratieprinzips, dieses auch für die anderen Bezirke zu fordern. Das heißt nicht, dass man nicht sehen muss, ob die Arbeit weiterhin effektiv geleistet werden kann, wie man auch in anderen Zusammenhängen sehen muss, ob z. B. die Senatsgröße richtig ist oder ähnliche Dinge. Man wird es ständig überprüfen müssen.

Es gibt einen weiteren Artikel, den die Opposition völlig ignoriert hat, nämlich Artikel II. Hier geht es um die Widerspruchsebene. Das finde ich absolut nötig. Da haben Sie vielleicht nichts gesagt, weil Sie das auch nötig finden, dass wir das ändern. Es ist von vielen schon in der Entstehungsphase damals erkannt worden, dass das nicht optimal ist, wenn gegen die Schule Widerspruch eingelegt wird und sie selbst Widerspruchsbehörde ist. Dies wird jetzt verbessert. Es wird in Zukunft das Landesschulamt Widerspruchsbehörde sein, aber nicht, wie ursprünglich, der Senat. Auch damit ist eine Anpassung an das Verwaltungsreformgesetz geschehen. Wir begrüßen das und werden der Vorlage zustimmen.

[Beifall bei der SPD]

Damit schließe ich die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Der Ausschuss empfiehlt die Annahme der Vorlage. Wer dem Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Vorschriften, Drucksache 14/608, seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Eine knappe Mehrheit beim ersten Mal.

[Zuruf von links: Nee, nee!]

Also gut, hier gibt es Differenzen. Dann werden wir das auszählen. Dann darf ich Sie noch einmal bitten. Wer dem Gesetz, Drucksache 14/608, seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich bitte Sie, das zu belassen, damit wir das zählen können. –

[Zuruf von den Grünen: Nur eine Hand, bitte!]

41! – Die Gegenstimmen! – Wir sind uns jetzt einig, das Erste war die Mehrheit.

[Over (PDS): Ja, jetzt!]

Damit ist das Gesetz angenommen. Aber man sollte sich das doch einmal zu Gemüte führen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3, Drucksache 14/727:

II. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über demokratische Kontrollrechte bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe, Drucksache 14/174, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Betriebe und Technologie vom 9. Oktober 2000

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich nicht. Dann rufe ich auf die Artikel I und II, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut des Antrags, Drucksache 14/174. Der

Ältestenrat empfiehlt für die Beratung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten. Wortmeldungen liegen vor. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Paus das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist inzwischen ein Jahr her, da haben Sie von der SPD und der CDU es zugelassen, dass die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vollzogen wurde, wider besseres Wissen

[Dr. Steffel (CDU): Falsch!]

und obwohl das Verfassungsgericht wesentliche Verkaufspreis bestimmende Teile des Vertrags für nichtig bzw. veränderungsbedürftig erklärt hat.

[Dr. Steffel (CDU): Unwesentlich!]

Genau, Sie von der Koalition haben uns damals beruhigt und versprochen, alsbald die kleinen Anpassungsnotwendigkeiten, wie Sie den Vorgang herunterspielten, Herr Steffel, nachzureichen. Das war am 29. Oktober 1999, also vor fast einem Jahr. Bis heute warten wir auf die Ergebnisse. Bis heute wird zwischen dem Land Berlin und den Investoren verhandelt.

Uns liegen die Vertragsänderungen zum Teilprivatisierungsgesetz nicht vor. Bis heute darf das Abgeordnetenhaus nichts anderes tun, als teilnahmslos zuzusehen, wie Berlin sich in der selbst geschaffenen Erpressungssituation windet. Die Verträge sind für die Abgeordneten inzwischen wieder verschlossen, obwohl es angeblich eine erste kleine Änderung der Verträge gibt, die am 6. Januar verankert worden sein soll. Wir durften uns nicht durch die Einsichtnahme davon überzeugen, obwohl inzwischen erste Vertragsbrüche seitens der Investoren bekannt geworden sind. Investitionszusagen wurden nicht eingehalten. Wir wissen alle, dass gerade die Aufträge, die die Berliner Wasserbetriebe in der Region vergeben, für die kleinen und mittleren Unternehmen lebenswichtig sind. Investitionszusagen wurden zurückgenommen, obwohl klare Vertragsbrüche vorliegen. Wir durften die Verträge nicht wieder einsehen. Die klare Aussage des Berliner Verfassungsgerichtshofs im Streit vor der Abstimmung über die Verträge im Parlament, nämlich dass alle Abgeordneten und nicht, wie der Senat befand, nur die Mitglieder des Vermögensausschusses ein Recht auf Einsicht in die Verträge haben – – Der Senat pervertiert diese Rechtsprechung heute dahin gehend, dass das Verfassungsgericht nur die Einsicht vor Vertragsabschluss vorgesehen habe, nach Abschluss der Verträge gelte das nun nicht mehr. Und warum das alles? – Das liegt klar auf der Hand, für 3,1 Milliarden DM, die es am 29. Oktober praktisch cash auf die Kralle gab, kurzfristige Linderung der finanziellen Schmerzen des Berliner Haushalts, ein letzter Kraftakt aus der Ägide Fugmann-Heesing, allerdings um den Preis, dass sich Berlin in eine Erpressungssituation hineinmanövriert hat, aus der das Land bis heute nicht herausgefunden hat. Und mit jedem Monat, der weiter ins Land geht, ohne dass die Verhandlungen zwischen dem Land Berlin und den Investoren abgeschlossen werden, verschlechtert sich die Verhandlungsposition Berlins. Glaubt hier irgendjemand ernsthaft, dass Berlin die Möglichkeit hätte, durch Rückzahlung von 3,1 Milliarden DM die Teilprivatisierung im Zweifel wieder rückgängig zu machen? – Dabei will sich der Senat nicht gern kontrollieren lassen. Das verstehen die Regierungsfraktionen, und deswegen lehnen sie unseren Antrag auf Verankerung von Kontrollrechten für Parlament und Bürgerinnen und Bürger ab. So einfach – so traurig für den Zustand des Berliner Parlaments, eines der immer zahlreicher werdenden Beispiele für die zerstörerischen Wirkungen einer großen Koalition auf die parlamentarische Demokratie.