Ich sehe vor allem eine erhebliche Menge an Klärungsbedarf, bevor man eine solche Frage beantworten kann. interjection: [Cramer (Grüne): Das ist eine Frechheit! – Sen Branoner: Es ist wahr! – Wieland (Grüne): Er kann nicht antworten!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: 1. Ist dem Senat bekannt, dass an einer Marzahner Schule Schülerinnen und Schüler Unterschriften gegen ein mögliches NPD-Verbot sammeln und dass laut Aussage von Schülerinnen und Schülern eines Oberstufenzentrums im Sozialkundeunterricht Themen, die sich mit Nationalsozialismus und mit dem aktuellen Rechtsextremismus befassen, auch im Einvernehmen mit der IHK nicht mehr behandelt und auch nicht geprüft werden sollen?
2. Wie bewertet der Senat dies, und was tut er angesichts sich offensichtlich mehrender und zunehmend bekannt werdender Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund an Schulen, Berufsschulen und anderen Ausbildungseinrichtungen des Landes Berlin, um Lehrer und Lehrerinnen sowie Schüler und Schülerinnen und Eltern zu unterstützen und zu motivieren, Hilf- und Sprachlosigkeit sowie Ignoranz zu überwinden, damit Schule ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht wird?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Schaub! Meine Damen und Herren! Auf die Fragestellung der Überschrift antworte ich: Nein!
Nun zum Sachverhalt in Marzahn. Aus datenschutzrechtlichen Gründen gebe ich keine einzelnen Schulen an, sondern antworte wie folgt: Eine telefonische Umfrage der Schulaufsicht am 25. Oktober an den Marzahner Oberschulen hat ergeben, dass an einer Schule eine Unterschriftensammlung zwar geplant war, aber nach Gesprächen mit Lehrern und Schülern nicht durchgeführt wurde – eine Gesprächsaktion, die ich nachhaltig begrüße.
Den zweiten Unterteil Ihrer ersten Frage, ob es eine Vereinbarung gebe, dass im Sozialkundeunterricht die Themen Nationalsozialismus oder Rechtsextremismus nicht mehr behandelt werden dürften, beantworte ich eindeutig mit Nein. Solch eine Vereinbarung gibt es nicht. Ohne dass ich die IHK überhaupt gefragt habe, kann ich feststellen, dass dies auch gar nicht in deren Interesse läge.
Sie fragen in Ihrer zweiten Frage nach einem Konzept des Senats. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Senat von Berlin Ihnen am 12. September 2000 ein Konzept „Maßnahmen und Konzepte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ zur Verfügung gestellt hat. Dieses Konzept, das von unserer Landeskommission gegen Gewalt und Extremismus vorbereitet wurde, ist das Handlungskonzept des Senats. Ich wäre sehr dankbar, wenn es im Parlament anerkannt und akzeptiert würde. Man muss natürlich darauf achten, dass es auch konkret umgesetzt wird.
Im Übrigen liegt mir sehr daran, erstens eine Verständigung hier in diesem Haus herzustellen, dass wir uns alle darüber im Klaren und einig sind, dass rechtsextremistische und auch andere extremistische jugendliche Straftäter hart bestraft und die Straftaten konsequent verfolgt und im Rahmen des Rechtsstaates auch hart geahndet werden.
Zweitens: Der Präsident dieses Abgeordnetenhauses hat gerade zu Beginn eine sehr klare, eindeutige Resolution zu einer großen Demonstration hier verlesen. Das Abgeordnetenhaus hat dem zugestimmt. Ich denke, ich spreche in Ihrer aller Namen, dass es unsere Aufgabe ist, nun dafür zu werben, dass möglichst viele Menschen – und insbesondere junge Menschen – an dieser Demonstration am 9. November in Berlin teilnehmen, um damit zu zeigen, wo Berlin und Deutschland in dieser Frage tatsächlich stehen – eben nicht beim Rechtsextremismus, sondern ganz eindeutig dagegen.
Drittens: Es gibt vielfältige Kritik aus den Schulen und auch Defizite in unseren Schulen. Aber über eines bin ich mir sehr sicher: In den Berliner Schulen gibt es bei den Lehrerinnen und Lehrern, gleichgültig welches Fach sie unterrichten, eine ganz große Übereinstimmung und Intention, dass Extremismus, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt in dieser Stadt keinen Platz haben dürfen. Ich bin ganz sicher, dass Lehrerinnen und Lehrer sich täglich in ihrem Unterricht dagegen wenden mit den vielfältigsten Maßnahmen, die allerdings unsere Unterstützung brauchen.
Herr Senator! Es ist Ihnen unbedingt zuzustimmen, sowohl, was den 9. November betrifft, als auch, was Ihre Bewertung der Aktivitäten von Lehrerinnen und Lehrern in der Schule und das Gesamtanliegen betrifft. Meine Frage zielte auch nicht direkt auf das Vorlegen eines Konzeptes. Wir haben Ihres selbstverständlich zur Kenntnis genommen und auch diskutiert. Das Problem scheint mir ein anderes zu sein: Wie können wir helfen, damit Lehrerinnen und Lehrern und anderen Erziehern und Sozialpädagogen der Rücken gestärkt wird, diese Auseinandersetzung auch praktisch zu führen? Erklärungen sind natürlich sehr wichtig, aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die praktische Arbeit, und da habe ich andere Eindrücke. Ich bemerke eine wachsende Unsicherheit und etwas Hilflosigkeit bei Lehrerinnen und Lehrern, die diesen so wichtigen Prozess jeden Tag bewältigen müssen. Wie ist dem zu begegnen?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Schaub! Ich wiederhole: Ich glaube, wir können denjenigen, die das Problem tagtäglich bewältigen müssen – das ist nicht einfach, da teile ich Ihre Einschätzung –, zunächst einmal damit helfen, dass wir überzeugend deutlich machen, dass wir an ihrer Seite stehen und sie unterstützen. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt: Schule hat per se in einer Demokratie immer den Auftrag zur Aufklärung und damit per se immer einen Auftrag gegen Rassismus, Extremismus und Gewalt. Ich bin mir darüber im Klaren, dass diese Aufgabe im Einzelfall sehr schwer zu erfüllen ist und dass man immer wieder erschüttert vor dem Sachverhalt steht, dass junge Menschen zu solchen Irrungen und Wirrungen kommen. Was kann man konkret tun, wie kann man sie überhaupt erreichen, um einen Einstellungswandel herbeizuführen? – Dazu bedarf es sicherlich der Fortbildung und der Vernetzung, des Austausches von Erfahrungen, vielleicht auch ganz neuer, anderer Formen der sozialpädagogischen Arbeit, die weit über die Schule hinausgehen. Diesbezüglich bemühen sich auch sehr viele in Berlin, und mein Haus ist bemüht, dies zu vernetzen, um diese wichtige Arbeit – die keine Arbeit als Ergebnis eines Sommers ist, sondern die eine dauernde Arbeit ist – effektiver zu gestalten.
Danke schön! – Herr Senator! Sie erwähnten den 9. November. Gibt es eine Mobilisierung über die Schulen?
Frau Abgeordnete Schaub! Ich habe soeben daran appelliert, und ich hoffe, dass sehr viele dies tun. Ich selbst habe eine gewisse Skepsis, als Exekutive die Schulen aufzurufen; ich prüfe das noch. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn man für eine gute Sache demonstriert, spricht diese für sich, und man muss für sie sprechen. Ich habe eine tiefe Skepsis, dass Behörden – seien sie auch demokratisch legitimiert – als Behörde aufrufen: Nehmt daran teil! Ich glaube, es ist viel überzeugender, wenn man in der Öffentlichkeit deutlich macht: Das ist eine gute Sache, an der möglichst viele – vor allem junge – Menschen teilnehmen, und zwar nicht, weil es in einem Rundbrief steht, sondern weil man darüber spricht und sagt: Ja, da gehen wir gern und freiwillig hin, ohne dass es des Auftrags einer öffentlichen Dienststelle bedarf. – Das ist am Ende überzeugender und – wie ich hoffe – auch zugkräftiger.
Herr Senator! Sie zitierten vorhin kurz die Drucksache 14/700. Wenn ich mich richtig daran erinnere, wurden darin auch Schülerclubs, Schulstationen, zweisprachige Erziehung genannt. Das sind löbliche Einrichtungen, aber das sind Einrichtungen, die laufen. Und es sind Einrichtungen die – wie wir sehr gut wissen – finanziell nach wie vor nicht abgesichert sind. Was unternehmen Sie konkret derzeit in Ihrer Verwaltung und im Landesschulamt im Hinblick auf die aktuelle Debatte in dieser Stadt? – Einen Rundbrief zum Aufruf fanden Sie nicht gut, obwohl er nicht schädlich wäre.
Herr Abgeordneter Mutlu! Als ich gerade versucht habe, eine sensible Erläuterung zu geben, ist mir nicht entgangen und es hat mich gefreut, dass ich von Ihrer Fraktion Beifall dazu bekommen habe. Ich erläutere das noch einmal, weil ich nicht möchte, dass wir uns in diesem Punkt missverstehen:
Ich finde, man sollte bei einer Demonstration – und seien deren Ziele noch so klar und von vielen geteilt – alles unterlassen, was den Eindruck erwecken könnte, dass staatliche Behörden per Order aufrufen, etwas zu tun. Wir sollten hingegen alles tun, um mit unseren Kräften dafür zu werben, dass man dort hingeht.
Zu Ihrer zweiten Frage: Wenn ich Ihnen hier wirklich alles aufzählen würde, was die Verwaltung in diesem Bereich unternimmt, dann würde dies vom Präsidenten gerügt werden, weil diese Aufzählung den Rahmen einer parlamentarischen Fragestunde sprengen würde. Ich biete Ihnen an, dies im Fachausschuss ausführlich zu berichten.
Ich hoffe übrigens, dass es in den Schlussrunden der Haushaltsberatungen im Hauptausschuss gelingen wird, einen zusätzlichen Akzent finanzpolitischer Art auf dieses wichtige Arbeitsgebiet zu legen. Der Senat hat einen Haushalt für 2001 vorgelegt, und ich fände es sehr gut, wenn der Hauptausschuss – was er eigentlich immer bei Haushaltsentwürfen macht – einen besonderen Akzent setzt. Das wäre hierbei sehr notwendig.
Danke schön, Herr Senator! – Nun hat der Kollege Schlede das Wort für eine Nachfrage. Bitte sehr, Herr Kollege Schlede!
Herr Senator Böger! Hat Ihre Verwaltung geprüft, ob es jemals eine Anweisung bezüglich der Behandlung vom Nationalsozialismus im Sozialkundeunterricht – in welchem Oberstufenzentrum auch immer – gegeben hat? Hat es dabei womöglich ein Einvernehmen mit der IHK gegeben, wie dies in der ersten Frage unterstellt wird? Ich bitte dies zu verifizieren.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schlede! Ich habe dies doch eindeutig beantwortet, eine solche Anweisung gibt es nicht. Ich gestehe auch freimütig, gar nicht mit der IHK telefoniert zu haben, weil ich es für völlig absurd halte, dass die IHK so etwas verlautbaren würde. Man lebt in diesem Lande, kennt die handelnden Personen, ich weiß, was die wollen und anstreben. Es gibt niemand, der ernst und vernünftig zu nehmen ist, der einen solchen Unfug als Idee verbreiten würde.
Im Gegenteil, es ist sehr notwendig – auch gerade an den Berufsschulen –, für diese Fragen Zeit zu gewinnen. Es wird nämlich nicht reichen, wenn man dieses Thema im Unterricht nur so abhandelt, dass man mit Zahlen, Daten und Fakten operiert, sondern man muss die wirklich große Aufgabe angehen, mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen, hören, was sie umtreibt, um auch eine Ebene zu finden, wie man auch dort teilweise vorhandene wirre Auffassungen verändern kann. Dazu ist aller Einsatz notwendig. Ich würde es auch begrüßen, wenn insbesondere die beruflichen Schulen – mit den betrieblichen Ausbildungsbereichen – die Gelegenheit beispielsweise zu Gedenkstättenfahrten oder zu Diskussionen nähmen.
Damit hat die Fragestunde ihre Erledigung gefunden. Alle Mündlichen Anfragen, die heute nicht beantwortet werden konnten, werden gemäß § 51 Absatz 5 unserer Geschäftsordnung wieder schriftlich beantwortet.
Jetzt sind alle wieder wach! – Als erster spontaner Fragesteller hat sich der Kollege Schlede gemeldet. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
Danke sehr, Herr Präsident! – Herr Senator Böger! Sie haben gestern dankenswerterweise die „CidS!“Initiative vorgestellt und dabei einen Aspekt erwähnt, der uns seit langem am Herzen liegt, nämlich die Systemwartung und -versorgung. Dabei haben Sie mitgeteilt, dass es dann künftig auch möglich sei, dass Schulen die Mittel für die Wartung entweder an entsprechende Unternehmen zahlen oder als Honorar an Lehrer, die diese Arbeit tätigen. Wie weit sind denn die Vorstellungen Ihrer Verwaltung in dieser Richtung gediehen, dass man einem Lehrer vor Ort tatsächlich ein Honorar zahlen kann, wenn er die Wartung von Computereinrichtungen einer Schule übernimmt?