Und – der Kollege Berger hat darauf hingewiesen – es wäre sicher hilfreich, wenn Sie über ihre beiden eingebrachten Anträge hinaus konkrete und realisierbare Vorschläge machen würden. Es reicht wirklich nicht aus, Fragestellungen zu formulieren, und diese dann, wie in Marzahn und Hellersdorf in der Rolle der Fürsprecherin bei den Betroffenen, bei den Bürgerinnen und Bürgern, die eingewandert sind, an den Mann bzw. an die Frau zu bringen.
Auch auf dem Gebiet der Sprachförderung – das wurde hier schon mehrfach erwähnt – wurde in Berlin eine erhebliche Effizienzsteigerung erreicht. Hier muss alles daran gesetzt werden, diesen Standard zu halten. Deshalb begrüßen wir die über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehende Öffnung von Deutschsprachkursen für Eltern nichtdeutscher Muttersprache an den Volkshochschulen auch für Aussiedler, wie das in den Volkshochschulen Köpenick und Marzahn passiert – natürlich dort, weil dort die Menschen leben und nicht in den Innenstadtbezirken. Genauso kann man Überlegungen einbeziehen, wie vielleicht für Kinder von Aussiedlern das Modell der zweisprachigen Erziehung in der Schule geprüft werden kann. Das zielt in die gleiche Richtung wie das erwähnte von der Bundesregierung geplante Gesamtsprachförderkonzept, das den Anspruch für alle Spätaussiedler auf Förderung und Qualititätsstandards sichern soll. Natürlich hat die Sprachförderung eine existentielle Bedeutung für die Eingliederung in den Arbeitsprozess. Doch können die Schwierigkeiten nicht auf die mangelnde Sprachkompetenz reduziert werden. Auch die bloße Anerkennung mitgebrachter Abschlüsse dürfte dabei herzlich wenig ausrichten. Es geht vielmehr darum, effektive Hilfen dafür zu leisten, dass mitgebrachte sozialisitionsbedingte Denk-, Bewertungs- und Handlungsweisen dem neuen Umfeld und seinen Anforderungen an die Mobilität, Flexibilität und das Durchhaltevermögen entsprechend modifiziert werden. Es muss erreicht werden, dass dann alle Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung bzw. zur Arbeitsaufnahme genutzt werden. Die Fraktionen der SPD und der CDU haben daher in ihrer Koalitionsvereinbarung die Einführung von individuellen Förderplänen als einen gangbaren Weg benannt, bei dem der Schwerpunkt auf der Motivationsarbeit und der Aktivierung von Selbsthilfekräften liegt. Damit die Vielzahl der vorhandenen Programme und Angebote zum Erfolg führt, müssen die Anstrengungen außerdem verstärkt in eine andere Richtung gehen. Aussiedlerintegration ist eben kein isolierter Prozess. Ob wirkliche Integration stattfindet – und das wurde heute hier auch schon erwähnt –, hängt im entscheidenden Maße von der Aufnahmebereitschaft des Umfelds ab. Zur Integration gehören nicht nur Kenntnis der Sprache, Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt, sondern auch die Freizeitgestaltung, der Alltag und die Wohnsituation und nicht zuletzt die subjektive Erfahrungsperspektive der Betroffenen. Die Zitate aus der Studie der Migrationsbeauftragten aus Marzahn, die Sie mehrfach brachten, belegen das ja. Die mit Landesmitteln geförderten Hilfen zur Integration müssen daher wesentlich stärker als bisher in den Bezirken auf das Wohnumfeld orientiert werden. Deshalb unterstützen wir die bisherigen Bemühungen der Senats- und Bezirksverwaltungen zur Bildung von Integrationsnetzwerken einschließlich der Möglichkeiten des Quartiersmanagements, für das im Landeshaushalt erhebliche Mittel eingestellt sind. Dass Integrationsnetzwerke wirklich funktionieren können, zeigt das Beispiel im mehrfach erwähnten Bezirk Marzahn. An diesem Punkt wäre es für uns interessant zu erfahren, was die PDS im künftigen Doppelbezirk tun wird, wo sie ja wie in anderen Gebieten mit starkem Aussiedlerzuzug die absolute Mehrheit im Bezirksamt hat, um die weit über Berlin hinaus bekannte Marzahner Struktur zu erhalten. Die von der PDS-Fraktion beklagten Informationsdefizite gibt es aus unserer Sicht in allererster Linie im Umfeld, bei den Nachbarn und den ortsansässigen Vereinen und Verbänden. Nicht noch mehr Sonderprogramme, sondern die Teilhabe an den vorhandenen Angeboten, das geht von der Mitgliedschaft im Sportverein bis zum Besuch der Seniorenfreizeitstätte oder die Einbeziehung in ehrenamtliche Tätigkeit, halten wir für sinnvoll. Aber zu einer wirklichen Integration gehört dabei für uns das Bemühen auf beiden Seiten. Die Spätaussiedlerfamilien müssen bereit sein, offen auf ihre Umgebung zuzugehen und zu akzeptieren, anders zu sein als die anderen Deutschen. Sie müssen bereit sein, dies als Bereicherung einzubringen und zugleich zu zeigen, dass sie mitmachen wollen. Nur dann können die zahlreich vorhandenen Berührungsängste, die Ablehnung des Fremden und falsche Erwartungshaltungen im Lebensumfeld, in der Nachbarschaft und in der Schule überwunden werden. Bei der Verwirklichung von Integration geht es eben nicht allein um einen rechtlichen Zustand. Der Erfolg aller Bemühun
gen wird immer davon abhängen, in welchem Maße die Gleichberechtigung mit der Anerkennung der Verschiedenheit der anderen Kultur einhergeht. Auch hier ist Migrantenarbeit Beziehungsarbeit. Fremdenfeindlichkeit ist immer auch ein Ausdruck eigener unbewältigter Probleme. Sie ist Ausdruck der Konkurrenz um soziale Ressourcen und von Unwissenheit über den anderen, den Fremden.
Damit die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nicht mehr „fremde Deutsche in deutscher Fremde“ sind, bedarf es vor allem eines Klimas der Toleranz und des Bewusstseins, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland mit Menschen aus vielen unterschiedlichen Kulturen ist.
Dies aber ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die über die Frage nach den Integrationschancen hinausgeht. Sie geht uns alle an, und die heutige Aktuelle Stunde hat dies eindrucksvoll gezeigt. [Beifall bei der SPD und der CDU]
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Große Anfrage beantwortet und besprochen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung vom 21. September 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Resozialisierung nichtdeutscher Strafgefangener ohne Arbeitsgenehmigung auch durch Zulassung zum Freigang zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit, Drucksache 14/229
stand ursprünglich auf der Konsensliste, wobei der Ausschuss die Ablehnung empfohlen hat. Nun liegt ein Änderungsantrag der antragstellenden Fraktion der PDS vor, Drucksache 14/229-1. Über diesen Antrag stimmen wir nun ohne Aussprache ab. Wer der Drucksache 14/229-1 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – Das Zweite war die Mehrheit, dann ist der Antrag abgelehnt.
Nun kommen wir zum Ursprungsantrag der Fraktion der PDS. Über diesen lasse ich jetzt abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der PDS, Drucksache 14/229, seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen! – Stimmenthaltungen? – Dann ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz vom 13. September 2000 und des Hauptausschusses vom 27. September 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über europaweiten autofreien Tag am 22. September 2000 für Umwelt und Bewegung, Drucksache 14/220
Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz vom 13. September 2000 und des Hauptausschusses vom 27. September 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über „Kennst Du das Land...?“ – vier autofreie Sonntage auch in Berlin, Drucksache 14/268
Der Ältestenrat empfiehlt eine Redezeit von bis zu fünf Minuten. – Widerspruch höre ich nicht. – Wortmeldungen gibt es: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Cramer das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Europa gab es in den letzten Jahren bezüglich autofreier Tage zwei Initiativen. Die eine ist, dass sich die Länder verpflichten, mehrere autofreie Sonntage einzurichten; die andere ist die von der Europäischen Kommission ausgehende Initiative, dass der 22. September eines jeden Jahres zum autofreien Tag erklärt wird. Beide Initiativen finden wir positiv, beide Initiativen haben wir aufgegriffen. Zu beiden Initiativen haben wir einen Antrag eingebracht. interjection: [Wieland (Grüne): Unerhört!]
Leider sah sich die Mehrheit dieses Hauses nicht in der Lage, unseren Anträgen so zu folgen, wie wir sie eingebracht haben. Das ist schade und keine gute Sache für Berlin. Es wäre schön gewesen, wenn Berlin in Europa auch beim autofreien Tag dabei gewesen wäre. [Beifall bei den Grünen]
Vier autofreie Sonntage, die in Frankreich und Italien große Resonanz gefunden haben, haben wir in unserem Antrag aufgegriffen. Die große Koalition sah sich leider nicht in der Lage, dem zu folgen, offensichtlich weil das Reizwort „autofrei“ darin vorkam. Deshalb musste die Überschrift geändert und es musste so schwiemelig umschrieben werden, dass niemand mehr wusste, was die große Koalition will. Zum Glück hatte sich Senator Strieder im Vorfeld festgelegt und ex cathedra verkündet, auch in Berlin autofreie Sonntage einzuführen. Das begrüßen wir. Wir hatten in diesem Jahr zwei autofreie Sonntage. Auch wenn das noch nicht das Gelbe vom Ei ist, freuen wir uns dennoch, dass überhaupt die Initiative ergriffen wurde und wir an zwei Tagen in Berlin Erfahrungen sammeln konnten.
Diese Erfahrungen waren im Verhältnis zu anderen Städten noch bescheiden, weil auch etwas kleinmütig vorgegangen wurde. Das Gebiet war zu klein. Es wurde allerdings mit Kulturereignissen verknüpft. Das müsste und kann noch besser werden; wir sind zuversichtlich, dass in Zukunft vier autofreie Sonntage, wie wir es gefordert haben, auch in Berlin stattfinden.
Der zweite Antrag bezog sich darauf, dass wir uns der Forderung der Europäischen Kommission anschließen, der sich immerhin neun Länder der Europäischen Union angeschlossen haben, den 22. September zum autofreien Tag zu erklären. Er war in diesem Jahr an einem Freitag. Der Senator hat verkündet, das könne Berlin nicht organisieren. An diesem 22. September war in 800 Städten Europas der autofreie Tag ausgerufen.
In Paris waren in den letzten Jahren – in diesem Jahr nicht, Herr Kollege Gaebler – acht Arrondissements für den Autoverkehr gesperrt, dabei die vier Innenstadtarrondissements. Es gab Kulturereignisse, freie Fahrt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Franzosen und insbesondere die Pariser waren voller Freude und Akzeptanz. Über 80 % haben in Paris, auch in Rom und Neapel, an diesem autofreien Freitag teilgenommen. Das hätten wir gern auf Berlin übertragen. Schade, dass Sie nicht bereit und in der Lage waren, das zu initiieren.
Aber wir wollen hier nicht lediglich den Senat oder die große Koalition für ihre Versäumnisse vorführen, wir wollen ihm eine neue Chance geben. Denn im nächsten Jahr findet der 22. September [Wieland (Grüne): Jedes Jahr wieder!]
an einem Samstag statt, also kein normaler Alltag, aber auch noch kein Sonntag. Da könnten Sie sich doch einen kleinen Ruck geben, wenigsten als 835. Stadt in Europa Berlin daran zu beteiligen und ebenfalls einen autofreien Tag einzuführen und damit die Vorgaben der Europäischen Kommission zu erfüllen. Ich nenne Ihnen drei Vorgaben:
Erstens: Es ist wichtig, dass die Aktion nicht an einem Sonntag stattfindet, weil die Städte dann ohnehin weitgehend autofrei sind. Es gilt zu zeigen, wie das normale Alltagsleben ohne Auto bewältigt werden kann.
Zweite Forderung: Es müsste zumindest ein Raum geschaffen werden, der frei von Autos und Motorrädern ist. Der Raum dürfte nicht zu groß sein, da die Aktivitäten konzentriert werden müssten. Gleichzeitig sollte er so groß sein, dass für die Bürger eine Veränderung spürbar ist.
Die dritte Forderung: Die Aktion sollte über den Feierabend hinausgehen, damit die Bürger Zeit haben, die Vorteile auszukosten.
Ich finde, wenn über 800 Städte in Europa das können, wenn die Zustimmung der Bevölkerung 80 % ausmacht, wenn der Autoverkehr, Schadstoff- und Lärmemissionen um 50 % zurückgegangen sind, ist eine Verkehrspolitik „back to the fifties“ nicht mehr zeitgemäß. Will Berlin eine Rolle im europäischen Konzert spielen, müssen Sie sich hier vornehmen, im nächsten Jahr auch am 22. September ein autofreies Berlin in der Innenstadt herzustellen. Wir stellen uns das Gelände von der Oberbaumbrücke bis zur Siegessäule, vom Landwehrkanal bis zur Invalidenstraße vor. Dann könnten die Bürgerinnen und Bürger die Straßen wieder in Beschlag nehmen. Die Autos sind dann verdängt. Bedenken Sie, an 365 Tagen pro Jahr gehören die Straßen Berlins den Autos; wenigstens an einem Tag dürfte das einmal anders sein. Und alles nach dem Motto: Autofrei und Spaß dabei, lieber einen autofreien Erlebnistag als einen erlebnisfreien Autotag! – Vielen Dank! [Beifall bei den Grünen und der PDS]
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich doch bitten, dass der Senat an unserer Debatte teilnimmt. Ich sehe hier nur leere Bänke. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dass auch eine Senatsmitglied an der Debatte teilnimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Kaczmarek für die Fraktion der CDU. [Frau Ströver (Grüne): Weigern Sie sich doch zu sprechen, wenn der Senator nicht da ist!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ströver! Es gibt nicht nur autofreie Tage, es gibt auch senatsfreie Tage, wie Sie sehen. Das müsste Ihnen doch eigentlich entgegenkommen. Aber das Thema, über das wir zu reden haben, ich schon recht alt. Die Opposition wärmt alte Themen gern auf. Wir werden aus guter demokratischer Gepflogenheit auch diesmal wieder über Ihr Lieblingsthema, Ihr Lieblingsprojekt autofreie Stadt reden; autofreie Tage, dann später autofreie Wochen, dann autofreie Monate, autofreie Jahre.
Sie sind auch nicht mehr up to date mit der ganzen Geschichte! Sie haben in der Bundestagsfraktion einen Vorsitzenden, der nach der Leibesfülle den lebenserfreuenden Dingen zugeneigt ist, den Herrn Rezzo Schlauch. Er sitzt immer auf dem Beifahrersitz des selbst ernannten Autokanzlers. Er sagt: „Die Grünen müssen endlich einmal das Verhältnis zum Autoverkehr entkrampfen.“ Richtig! Das finden wir auch.
Stattdessen, Herr Cramer, kämpfen Sie wie seinerzeit Don Quichotte – an Ihrer Seite als Sancho Pansa Frau Matuschek – gegen die automobilen Windmühlenflügel in der Stadt an. Das ist von gestern.