Protocol of the Session on October 12, 2000

der nicht vorhanden ist.

[Beifall bei den Grünen]

Aber ich begrüße es ausdrücklich, dass wir heute, da wir dies noch mal zur Aktuellen Stunde gemacht haben, einen Vierfraktionenantrag hinbekommen haben, wo wir sagen: Wir solidarisieren uns mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in dieser Stadt. Und wir sehen auch, dass dieses Maßnahmen und Konzepte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus – diese Vorlage, auf die ich gleich noch eingehen werde – ein erster Schritt ist, um Zivilgesellschaft in dieser Stadt zu stärken. Denn wir wissen es: Die Auseinandersetzung um Rechtsextremismus, der Schutz von Einrichtungen, der Kampf gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus braucht einen aktiven Beitrag der Zivilgesellschaft.

Ich möchte auch gleich auf Herrn Gewalt eingehen, der kam und sagte, wir kommen nicht mit leeren Händen; er kam mit vielen Projekten, die wichtig sind, die einen guten Beitrag leisten für eine gute Jugend- und Sozialarbeit. Aber er hat nicht gesagt, dass dies von Lotto bezahlt wird. Ihre leeren Hände sind doch immer sehr halbleer.

[Kittelmann (CDU): Das ist doch ’ne dolle Sache! Gemacht werden muss es!]

Und wir finden auch: Die kulturellen, sozialen Frauenprojekte und Jugendarbeit wird nicht davon besser, dass Sie sie ständig in Lottotöpfe stecken, Sonderprogramme finanzieren, aber leider die Basisfinanzierung ständig fehlt. Wir brauchen bei der Jugendarbeit, Integrationsarbeit, Kultur und Ausbildung langfristige Absicherungen der notwendigen Arbeit, denn vielfältige Angebote, vielfältige Lebensentwürfe und deren Umsetzung, die Vielfältigkeit von Religionen und Kulturen zeigt den Vorzug von Demokratie und ziviler Gesellschaft.

[Beifall bei den Grünen]

Wir begrüßen, dass der Senat so schnell einen Maßnahmenkatalog vorgelegt hat, und viele Ideen und Konzepte, die darin sind, sind lange bekannt, auch schon parteiübergreifend diskutiert worden in den Ausschüssen. Nur leider fehlte bisher die Umsetzung. Wir hoffen, dass man jetzt die notwendigen Ressourcen gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Kräften und Institutionen erschließen wird.

Trotzdem, was fällt uns auf, wenn wir diesen Maßnahmenkatalog durchgehen? – Frau Schöttler lässt erst einmal den ganzen Komplex Arbeit, Ausbildung sowie Soziales unter den Tisch fallen, obwohl hier die vielfältigen Chancen bekannt sind.

[Frau Sen Schöttler: 100 Millionen DM!]

Stichworte wie Verbesserung der Berufsausbildung, Ausbildungsplätze, Erhöhung des Migrantenanteils in der Verwaltung sind ja nun nicht zu viel verlangt und wären hier als erste Schritte ja wohl deutlich hervorzuheben gewesen. Da können Sie lange mit dem Kopf schütteln, das ist Fakt. Zu Soziales, wo man sagt: Hier sind ehrenamtliche Strukturen. Hier sind die Projekte, die sich mit Minderheiten auseinandersetzen, die Obdachlosen helfen, die sich um viele Probleme kümmern, die sonst niemand mehr wahrnimmt. Zu diesen Projekten wird nichts gesagt, obwohl das ein wichtiger Teil für eine weltoffene und tolerante Stadt gewesen wäre. Hier bitten wir wirklich darum, dass Sie schnellstmöglich nacharbeiten. So kann es nicht sein! Wir brauchen hier wirklich neue Akzente.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Aber auch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur hat ihren Auftrag absolut nicht ernst genommen. Welche Rolle Kultur hat, Politik und Gesellschaft voranzutreiben auch in der Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut, Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, liegt auf der Hand. Deshalb ist es umso skandalöser wenn man hier noch auf Austauschprogramme von Künstlern hinweist, die man aktuell in diesem Haushalt halbiert, Ausländerkulturarbeit hervorhebt, aber eigentlich gegen Null fährt und wenn man eine Off-Szene, die in Berlin so wichtig ist, weil sie viele Akzente gerade auch im gesellschaftlichen Bereich setzt, völlig plattmacht und hier äußert, es sei alles in Ordnung. Wir wollen Kultur als Schrittmacher erhalten und für die Gesellschaft ausbauen!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Frau Kollegin! Würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Die Wissenschaft sagt, sie seien ohnehin international und hätten keine Probleme. Ich vermisse die interdisziplinären Impulse, die man gehabt hätte, um den Rechtsextremismus besser zu bekämpfen.

Im Jugend- und Schulbereich gibt es Bereiche, die teilweise sehr gut ausgearbeitet sind. Dort warten wir auf die Umsetzung. Wir haben in den Haushaltsverhandlungen darauf hingewiesen, dass man hier nachbessern muss. Interkulturelle Erziehung ist nicht ein Schwerpunkt für Kreuzberg, Neukölln und Wedding, sondern auch für Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen.

[Beifall bei den Grünen]

Wer heute die Schlagzeilen liest: „Gewalt in der Schule nimmt zu“, muss sich fragen, warum nicht endlich mit einer Ausweitung des Programms Schülerkonfliktlotsen und Mediation flächendeckend begonnen wird.

[Landowsky (CDU): Sie müssen Religion einführen, das ist das Problem!]

Gewalt und Religion. Herr Landowsky, wir können darüber gern noch einmal diskutieren. Wenn aber darauf eingegangen werden soll, dass kleine und große Gewalttaten verhindert werden, kann auch sehr gut damit beginnen und nicht immer nur Religion und Wertevermittlung vorschieben. Wertevermittlung ist wichtig. Hier komme ich noch einmal auf den Punkt, den wir heute schon behandelt haben.

Frau Kollegin. Kommen Sie bitte endlich zum Schluss!

Wir haben großzügige 15 Minuten vereinbart. Es sind erst fünf Minuten um.

Frau Kollegin! Das ist ein Irrtum. Sie haben Ihre Redezeit schon bei weitem überschritten. Es tut mir Leid.

Bei mir sind es erst 6 Minuten. Wenn Sie immer mehr dazwischenreden, komme ich nicht weiter. Ein Glück, dass hier diese Uhr steht.

Das mag sein. Frau Kollegin, Sie haben die Redezeit bei weitem überschritten. Es ist schlichtweg so. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Nein! Eine Bemerkung sei mir gestattet, danach ende ich.

Es enttäuscht uns nicht nur, was der Senator zu der gewaltverherrlichenden Nike-Werbung an Schulen, über die wir heute diskutiert haben, gesagt hat, es hat uns entsetzt, dass wahlkampferprobte Spitzenpolitiker so verantwortungslos mit der Werbung an Schulen umgehen. Keine Partei in diesem Haus würde sich einen solchen Entwurf vorlegen lassen, damit in den Wahlkampf ziehen und sagen: Macht mal!

[Landowsky (CDU): Für einen so blöden Satz brauchen Sie Zeit!]

Wir wissen genau, wie man solchen Konzepten, die einem vorgelegt werden, umgeht. Das ist ein völlig falsches Verständnis. Dazu brauchen wir keine Religion, sondern eine arbeitende Verwaltung, die genau darauf achtet, dass so etwas nicht geschieht. Solche Dinge sind skandalös.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Steffel (CDU): Reden Sie weiter, lang, viel! – Landowsky (CDU): Sie brauchen wir!]

Frau Kollegin! Ich habe wirklich eine große Geduld. Wir haben auch vereinbart, die Gesprächszeit mit großzügigen 15 Minuten festzulegen. Irgendwo hat die Großzügigkeit aber auch ein Ende. Ich möchte nicht, dass Sie im Satz unterbrochen werden, deswegen bin ich auch so großzügig. Wenn ich Sie aber dreimal bitte, erwarte ich auch, dass Sie diesem folgen. Bitte!

[Beifall des Abg. Czaja (CDU)]

Gut! Letzter Satz: Nicht zuletzt wir als Personen öffentlichen Lebens, als Abgeordnete, Kuratoriumsmitglieder, Ehrenamtliche, Vorstandsmitglieder in Vereinen, Fußballpräsidentinnen und in vielen anderen Positionen haben Verantwortung und Vorbildfunktion, insbesondere für junge Menschen. interjection: [Dr. Steffel (CDU): Lesen Sie weiter!]

Diese große Aufgabe müssen wir mit viel Engagement, Courage und Parteilichkeit wahrnehmen. Das muss auch ein Herr Steffel endlich begreifen. [Beifall bei den Grünen]

Nunmehr hat Frau Dr. Barth für die Fraktion der PDS das Wort, bitte schön! Ich sage auch gleich an, dass es noch 6 Minuten Redezeit sind. Dann kann es jeder nachprüfen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir nehmen den Bericht des Senats über Maßnahmen und Konzepte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zur Kenntnis. Zum einen stimmen wir dem Senat hinsichtlich der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu, ein politisches Signal in Berlin zu setzen. Zum anderen halten wir den ressortübergreifenden Ansatz, der in diesem Konzept vorhanden ist, für dringend erforderlich, um schnell und präventiv wirksam zu werden.

Bereits 1998 hat meine Fraktion in einem Antrag gefordert, Beratungs- und Bildungsangebote für Lehrer und Lehrerinnen, Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen und Erzieher und Erzieherinnen in der Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verstärken. Sie werden sich erinnern, dass daraus ein Berichtsauftrag entstand. Der Bericht wurde uns am Ende der letzten Legislaturperiode als Mitteilung zur Kenntnisnahme über Förderung einer demokratischen Kultur bei Jugendlichen, Maßnahmen gegen Extremismus bei Jugendlichen insbesondere bei rechtsextremistisch orientierten Verhaltensweisen vorgelegt. Es handelte sich um die Drucksache 13/4147. Im Berichtsauftrag war unter anderem die kritische Bewertung bereits vorhandener Ansätze und die Einschätzung ihrer Wirksamkeit gefordert. Leider müssen wir heute feststellen, dass beide Berichte eine kritische Lageeinschätzung und eine kritische Bewertung bisheriger Aktivitäten nicht vornehmen. Ausgangspunkt aller Überlegungen sollte doch sein, was der Senat in den zurückliegenden Jahren unternommen hat, und zu welchem Ergebnis dies geführt hat.

In diesem Zusammenhang kann man um bestimmte Fragen keinen Bogen machen wie z. B.: Welche Folgen hat die zunehmende Armut bei Kindern und Jugendlichen? Welche Konsequenzen haben Ausbildungsplatzmangel – mein Kollege aus der SPD hat diese Zahlen konkret genannt – und Jugendarbeitslosigkeit für die Integration junger Menschen in die Gesellschaft? Auch die Fragen, wie sich die jahrelangen Kürzungen im Bildungsbereich auswirken oder was die fehlende Regelfinanzierung im Kinder- und Jugendbereich für die Entwicklung der Kinder- und Jugendlichen bedeutet, müssen beantwortet werden. Ich könnte die Liste der Fragen fortsetzen.

Berlin hat drei Jahre ein Sonderprogramm gegen Gewalt „Jugend mit Zukunft“ gehabt. Der Kollege Gewalt hat darüber gesprochen. Es war mit mehreren hundert Millionen DM gefördert. Auch ein Kick-Programm war dabei. Ich bedauere sehr, dass die Ergebnisse und die Erfahrungen dieser Programme nicht tiefgründig genug in die Drucksache 14/700 eingeflossen sind. Ich frage Sie, ob es die einzig verbliebene Konsequenz aus dem Programm ist, dass es sich erübrigt hat und dass beispielsweise die Schülerclubs und die sportbezogenen Jugend- und Jugendsozialprojekte nur noch über Lotto- und Stiftungsgelder eine Chance haben? Alle diese Fragen werden in der Vorlage nicht oder nur unzureichend beantwortet. Vielmehr zieht sich bei allen Maßnahmen der Vorbehalt der Finanzierung wie ein roter Faden durch. Die angedachten Projekte und Maßnahmen sind sicher sinnvoll. Darüber sind wir uns alle einig. Aber wie sollen sie umgesetzt werden? Wie ernst meinen wir es eigentlich mit der Verstärkung politischer Bildungsarbeit, wenn auch im Haushaltsplanentwurf gerade in diesem Bereich etwa 200 000 DM gekürzt werden? Welche Chancen haben Projekte für interkulturelle Begegnungen, Fahrten zu Gedenkstätten und anderen durchaus wichtigen Maßnahmen, gerade für junge Menschen, wenn das Geld dafür fehlt?

Die Vorlage macht richtigerweise auch auf die Notwendigkeit der Vernetzung und der Kooperation mit nichtstaatlichen Stellen, Initiativen, Bündnissen und Einzelpersonen aufmerksam. Vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen sind zu nutzen. Wir halten auch dieses für unverzichtbar. Dabei sollte niemand ausgeschlossen werden. So gibt es beispielsweise das Ihnen und ich gehe davon aus, dass Ihnen bereits bekannte Antifa-Pressearchiv, das über Internet bereits allgemein zugänglich ist. Es könnte doch ein Ausgangspunkt für das angedachte Berliner Online-Archiv Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sein.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Dr. Steffel (CDU): Absurd!]

Ein weiteres Beispiel sind die konkreten Maßnahmevorschläge des Projekts „Standpunkt – Pädagogen gegen Rechtsextremismus“. Diese können zum Beispiel in bestehenden Fort- und Weiterbildungsangeboten für Pädagogen in allen Berufsfeldern genutzt werden und damit zu einer Erhöhung der Wirksamkeit beitragen. Nutzbare Erfahrungen im Kampf gegen

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Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gibt es auch in Brandenburg, wo zum Beispiel die mobilen Beratungsteams seit Jahren eine anerkannte Arbeit leisten. Im Übrigen liegt Ihnen ein Antrag meiner Fraktion vor, diese mobilen Teams auch in Berlin einzurichten.

Ein abschließender Gedanke: Wir haben heute viel über dieses Thema gehört, aber wir sind uns alle darüber im Klaren, dass eine gesamtgesellschaftliche Strategie gegen Rechts aus unserer Sicht nur dann einen Erfolg haben wird, wenn Politik und staatliches Handeln vorbildlich Demokratie und Zivilcourage demonstrieren. Dazu gehört in besonderer Weise der Abbau vorhandener Vorurteile und die Beförderung interkultureller Kompetenzen in der Verwaltung.

Ich möchte abschließend noch etwas zu unserem gemeinsamen Antrag sagen. Ich begrüße es, dass dieser Antrag zur Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern parteiübergreifend zu Stande gekommen ist.

[Landowsky (CDU): Das geht auch ohne Sie!]