Protocol of the Session on July 13, 2000

Herr Senator Werthebach!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Gewalt! Meine Damen und Herren! Die Wege. die der Staatsgast benutzt hat, ob nun per Hubschrauber zurückgelegt oder im Pkw, waren vorher aus Sicherheitsgründen bewusst nicht festgelegt worden. Im Übrigen ist nicht nur der Staatsgast hier gewesen. sondern auch eine größere Delegation, die überwiegend nicht den Hubschrauber benutzt hat. Deshalb waren diese Absperrungsmaßnahmen

erforderlich und geboten.

Danke schön, Herr Senator! Dann hat sich Frau Thieme-Duske gemeldet und nunmehr das Wort.

Frau Thieme·Duske (SPD): Ja, danke schön! Ich habe eine Frage an Frau Senatorin Schöttler. Es geht um die Entscheidung über die Errichtung der Berliner Krankenhaus-GmbH. Frau Senatorin, trifft es zu, dass Sie bei der Überführung des Krankenhauspersonals, das heißt von rund 4 000 Beschäftigten. auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten wollen, und wie begründen Sie Ihre Haltung?

Frau Senatorin Schöttler, bitte!

(C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Thieme-Duske! Der Senat hat in einem Eckpunktepapier beschlossen. die Berliner städtischen Krankenhäuser in ein wirtschaftliches Unternehmen zu überführen, mit der Zielrichtung, Beschäftigung zu sichern, Beitragsstabilität in dieser Stadt zu gewährleisten und die gemeinsamen Potentiale dieser Krankenhäuser in der Stadt zu nutzen. Wir haben in einem Eckpunktepapier, das der Senat am 23. Mai beschlossen hat oder richtiger zustimmend zur Kenntnis genommen hat, festgelegt, dass die GmbH der Beschäftigungssicherungsvereinbarung, die zwischen dem Land Berlin und den Tarifpartnern abgeschlossen worden ist, beitritt, dass es für die Beschäftigten beim Übergang in das neue Unternehmen eine Sicherstellung ihrer bisherigen Rechte geben wird, das heißt, dass die Beschäftigten BAT und VBL behalten, und dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, so wie das in der Beschäftigungssicherungsvereinbarung vorgesehen ist. Wie allerdings die Zahl 4 000 zu Stande kommt- wir haben 16 000 Beschäftigte in den Häusern.

Danke schön, Frau Senatorin! Eine Nachfrage von Frau Thieme-Duske, bitte schön!

Frau Senatorin, können Sie bestätigen, dass die Finanzierung des Personalüberhangs u. U. 80 Millionen DM beträgt, und halten Sie diese Summe für eine von vornherein unerträgliche Belastung für das neue Unternehmen?

Frau Senatorin Schöttler!

Frau Thieme-Duske, ich kann die Zahl nicht bestätigen, zumal wir zum heutigen Zeitpunkt den Personalüberhang, den es geben wird, noch nicht definitiv beziffern können. Es wird eine struktu(D)

relle Analyse der einzelnen Funktionen notwendig sein, um dann festzustellen, an welcher Stelle Personal überzählig ist. Die Aufgabe dieses neuen Krankenhausunternehmens soll auch sein, Beschäftigung zu sichern und nicht Beschäftigung abzubauen. Es gibt in der Zielstellung, in dem Diskussionsprozess, den wir über dieses neue Unternehmen geführt haben, eine Reihe von zusätzlichen Aufgaben, eine Reihe von Potentialen, die dieses Unternehmen nutzen kann, die Beschäftigung dann in Zukunft auch sichern werden.

Danke schön, Frau Senatorin! Nunmehr hat sich Frau Anding gemeldet, bitte schön!

Ich frage Herrn Senator Branoner: Ist

Ihnen bekannt, dass sich das Berliner Reifenwerk in Köpenick offensichtlich in Zahlungsschwierigkeiten befindet und seit Monaten keine Löhne und Gehälter ausgezahlt wurden, wenn ja, was haben Sie in dieser Sache unternommen?

[Wieland (Grüne): Sie hätten ein paar Reifen kaufen sollen!]

Herr Senator Branoner, bitte!

Sie wer

den verstehen, dass ich Ihnen jetzt nicht im Detail sage. ob dieses zutrifft. weil es in einer solchen Situation nicht angemessen ist. Details in die Öffentlichkeit zu bringen. Wenn es der Betriebsrat macht, habe ich dafür Verständnis. Und wenn es die Unternehmensleitung machen würde, hätte ich dafür fast sogar noch mehr Verständnis. Bei der gebotenen Zurückhaltung kann ich Ihnen bestätigen, dass das Reifenwerk bei uns seit Jahren betreut wird, dass es eine Reihe von Verhandlungen gegeben hat, Vereinbarungen gegeben hat über die Förderung des Unternehmens sowohl bei der Investition als auch bei den Investitionen, die umweltentlastend wirken, also aus dem Umweltförderprogramm, und dass diese neueren Dinge dazu geführt haben,

Sen Branoner

(A) dass wir in der Tat in einem sehr engen Kontakt mit dem Unternehmen stehen. Im Detail werde ich Ihnen nun allerdings nicht sagen, welche Schritte wir unternommen haben, weil das der Vertraulichkeit unterliegt.

Frau Anding, eine Nachfrage? Bitte schön. Sie haben das Wort!

Darf ich Ihren Ausführungen und Ihrer

Bemerkung zum Betriebsrat entnehmen, dass Sie die inzwischen anhängige Klage wegen Lohn- und Steuerbetrugs, die es in Absprache zwischen Betriebsrat und der IG Bergbau gibt, nicht akzeptieren und nicht verstehen können, dass Leute, die seit drei Monaten keinen Pfennig Geld mehr gesehen haben, sich wehren müssen? Werden weitere Fördermittel in diesen Betrieb hineinfließen?

Herr Senator Branoner!

ln der gegenwärtigen Situation werden weitere Fördermittel nicht hineinfließen. Sie haben mich missverstanden, oder ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich habe gesagt: ,,Ich habe für diese Position des Betriebsrates Verständnis." -,,Verständnis" heißt, dass etwas positiv in dem Verhältnis ist. Ich kann aber - und das werden Sie auch verstehen -als Wirtschaftssenator nicht kommentieren, ob es richtig oder falsch ist, dass man da eine Klage einreicht oder eine Strafanzeige stellt. Das muss letztlich der Betriebsrat- auch mit Unterstützung der Gewerkschaft- sehen. Sie können allerdings davon ausgehen, dass wir mit denen in einem engen Dialog sind und ich durchaus die einzelnen Schritte kenne.

Herr Kollege Wieland hat nunmehr (B) das Wort zu einer spontanen Frage.

Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister: Herr Diepgen, weshalb haben Sie noch nicht definitiv erklärt. dass Sie morgen im Bundesrat der Steuerre· form zustimmen werden,

[ Kittelmann CDU): Sind Sie aber neugierig!]

wo doch eindeutig ist, dass jedes Verzögern und insbesondere jedes weitere Eingehen auf die Vorstellungen der Union das Land Berlin weiter belasten und zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen wird? Wie wollen Sie dem Verdacht begegnen. dass Sie hier die Parteiraison für Herrn Merz und andere über das Wohl des Landes Berlin stellen, auf das Sie vereidigt wur· den?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Zunächst habe ich die Erklärung, wie Berlin abstimmt, noch nicht abgegeben, weil wir im Senat entschieden haben, nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessensam Donnerstag bzw. am Freitag -auch nach Abklärung der Positionen mit anderen Ländern -zu entscheiden.

Zweitens: Ich mache aus meiner Meinung keinen Hehl, dass ich erhebliche Bedenken gegen diese Art der Steuerreform habe. Diese Art der Steuerreform führt zu einer erheblichen Benachteiligung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Kleinere und mittlere Unternehmen sind aber gerade die Basis der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt.

[Beifall bei der CDU]

Mir wäre es neu, wenn Sie die These vertreten würden, dass gerade große Unternehmen und insbesondere große Kapitalgesellschaften der notwendige Motor für die Errichtung von neuen Arbeitsplätzen sind.

Außerdem habe ich Bedenken gegen diese Steuerreform, weil (C) die Spreizung der steuerlichen Entlastung zwischen Kapitalgesellschaften, großen Unternehmen und Einzelunternehmen in einem Verhältnis von 25 : 43 selbst bei entsprechenden Verrechnungsformen von anderen Steuerarten verfassungsrechtlich wohl nicht funktionieren kann.

[Beifall des Dr. Steffel (CDU)]

Das sind meine Bedenken, die ich habe. Ich bin gerne bereit, Ihnen die Bedenken im Einzelnen noch weiter auszuführen.

Dabei gibt es im Augenblick eine interessante, bundesweite Diskussion über die Möglichkeit, durch ein eventuell parallel zur Steuerreform in Kraft tretendes Mittelstandsförderungsgesetz ich formuliere das so -die von mir genannten verfassungsrechtlichen Bedenken aufzuheben oder mindestens zu begrenzen. Ich finde es erstaunlich, dass diese Debatte jetzt- wenige Stunden vor der notwendigen Entscheidung im Bundesrat- geführt wird, aber möglicherweise ist es nicht zu spät. Ich finde es zumindest erstaunlich. dass diese Überlegungen dann nicht in das Gesamtverfahren des Vermittlungsausschusses eingeführt worden sind. Aber ich will hier auch sehr deutlich machen. dass es eine erhebliche Rückwirkung auf die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland haben kann - Sie merken, ich formuliere bewusst vorsichtig und freundlich -,wenn Gesetzesvorhaben im Bundesrat verabschiedet und jeweils von Land zu Land vorher öffentlich oder nichtöffentlich diskutierte Kompensationsüberlegungen beschlossen oder nicht beschlossen werden. Dieses wäre jedenfalls nicht im Sinne des Verfassungsgebers. Diese Frage

stelle ich mir insgesamt.

[Beifall bei der CDU]

Im Hinblick auf die Interessenlage der Stadt Berlin habe ich zu dem Punkt "Mittelstand" meine Aussagen gemacht. Und ich mache noch eine Ergänzung: Wir müssen natürlich abwägen, inwieweit ein nächstes Vermittlungsverfahren zu Belastungen auch des Haushalts in Berlin führen kann,

[Müller-Schoenau (Grüne): Wie das erste!] (D) was erhebliche Komplikationen nach sich zieht. Deswegen habe ich mit großer Zufriedenheit gehört, dass jedenfalls ein Teil der Länder aus dem Süden der Bundesrepublik Deutschland jetzt öffentlich klar und deutlich geäußert hat: Eine Erhöhung der Ent· lastung - d. h. eine Erhöhung von Belastungen, wenn ich das fiskalpolitisch sehe - wäre auch im nächsten Durchgang eines Vermittlungsausschusses nicht anzustreben. [Müller-Schoenau Grüne): Sich kaufen lassen?]

Ich will nur auf diese Punkte im Einzelnen hinweisen. Sie

sehen, es gibt dort noch ein Stück weit Bewegung. Ich will aber noch eine Bemerkung machen. und zwar nicht nur bezogen auf die Interessenlage Berlins, sondern die der Bundesrepublik Deutschland: Wenn ich zunächst einmal eine Steuergesetzgebung verabschiede, die von ihrer Grundstruktur her bzw. in der Systematik zu erheblichen Schwierigkeiten führt, muss ich damit rechnen, dass diese mit falscher Systematik verbundene Steuerpolitik nämlich mit den Nachteilen für kleinere und mittlere

Unternehmen - auf längere Sicht dann in Kraft tritt. Das lässt sich nicht von heute auf morgen korrigieren, es sei denn durch das Bundesverfassungsgericht.

Auf der anderen Seite gibt es auch Diskussionen darüber, ob und wann ein nächstes Vermittlungsverfahren eingeführt werden kann. Ich halte es für selbstverständlich, dass gegebenenfalls der Deutsche Bundestag auch während der Sommerferien einberufen wird. Der Deutsche Bundestag ist schon zu Themen zusammengerufen worden, die lange nicht so wichtig waren wie die Steuerreform. Da sind wir wahrscheinlich beide einer Meinung.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich gehe auch davon aus, dass jedenfalls der Vertreter des Landes Berlin im Vermittlungsausschuss jederzeit - unter Verschiebung jeder seiner Schlaf· und Urlaubszeiten - bereit ist, am Vermittlungsausschuss teilzunehmen - auch im August, auch im September und gegebenenfalls auch noch Ende Juli. - Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]