Protocol of the Session on June 8, 2000

(A) (C)

(B) (D)

birgt sich aber die Finanzierung und die Zustimmung zur Modernisierung und Sanierung des Olympia-Stadions. Dieses Vorhaben – eines der großen Prestigevorhaben Berlins – ist dabei, das Schicksal aller großen Prestigeobjekte in der Vergangenheit zu erleiden.

Der Ablauf ist der übliche. Zu erst stellt man fest, dass Berlin ein großes, attraktives Stadion braucht, das weltmeisterschaftstauglich ist. Der Termin für die Bewerbung der Bundesrepublik zur Weltmeisterschaft 2006 steht unmittelbar bevor.

Zweitens: Finanzielle Vorsorge im Landeshaushalt gibt es nicht. Was tut man? Man überlegt sich, dass die Privaten investieren könnten. Dann erklärt man, das sei alles kein Problem. Das Olympia-Stadion werde privat finanziert. So hat es der damalige Bausenator Klemann lauthals verkündet.

Dritter Schritt: Auf der Grundlage der Annahme, dass man das Olympia-Stadion überwiegend privat finanziere, wird eine Ausschreibung vorgenommen. Diese Ausschreibung beruht auf dieser Prämisse: Das Stadion soll privat finanziert werden.

Vierter Schritt: Das Vergabeverfahren wird abgeschlossen. Man stellt fest, dass die private Finanzierung nicht zur Verfügung steht und eine öffentliche Finanzierung geleistet werden muss. Das entspricht nicht der Ausschreibung. Man bekommt entsprechende vergaberechtliche Probleme. Investoren reichen Beschwerde ein und drohen mit Klagen. Der bisher unter Termindruck verhandelte Vertragsabschluss findet zwar statt, aber der Spatenstich kann nicht stattfinden, weil das Projekt wegen laufender vergeblicher Beschwerdeverfahren in die Warteschleife geschoben ist, wie das beim Flughafenprojekt auch schon war.

Fünfter Schritt: Da für die öffentliche Finanzierung keine Mittel vorhanden sind, streitet man sich innerhalb der Koalition, wie die ungedeckten Wechsel eingelöst werden sollen.

Die Ankündigung der privaten Finanzierung beruhte zunächst auf der eingängig klingenden Idee, dass ein Privater die Investition und das Risiko für das Olympia-Stadion übernimmt und er im Gegenzug das Recht erhält, über eine Betriebsgesellschaft entsprechende Einnahmen zu tätigen, seine Investition zu refinanzieren und für sein Risiko durch eine entsprechende Rendite und einen Gewinn entlohnt zu werden. Das hört sich als modelltheoretische Annahme gut an. Die Realität ist aber eine andere: Mit dem nun vorliegenden Vertrag und Finanzierungskonzept für das Olympia-Stadion ist faktisch ein öffentlicher Bauauftrag herausgekommen, bei dem von dem privaten Modell nur ein Aspekt übrig bleibt, dass der Private in die Lage versetzt wird, über die Betriebsgesellschaft – möglicherweise erhebliche – Gewinne zu machen, das Risiko jedoch bleibt allein beim Land Berlin. Der Investor setzt keine einzige DM Eigenkapital ein. Nur öffentliche Mittel aus dem Landeshaushalt werden eingesetzt. Zudem gibt es einen vom Land Berlin verbürgten Kredit, der vom Investor nicht refinanziert wird, sondern die Refinanzierung findet über die Betriebsgesellschaft statt, für deren Risiko ab einem bestimmten Bodensatz auch noch das Land Berlin haftet. Das ist das klassische Modell: Sozialisierung der Verluste und Risiken, Privatisierung der Gewinne bei exorbitanter Belastung des Landeshaushalts. Ohne den Zuschuss des Bundes müssen 283 Millionen DM an Haushaltsmitteln fließen. Darin ist die Bürgschaft, über die Sie entscheiden müssen, noch gar nicht eingerechnet.

Ich habe nichts dagegen, dass Investoren, wenn sie wirklich investieren, etwas verdienen. Das setzt aber voraus, dass die Investoren ein Minimum an Risiko tragen. Das ist in diesem Vertrag nicht der Fall, sondern die Ablastung des Risikos findet vollständig zu Kosten und zu Lasten des Landes Berlin statt, einschließlich des Kredites, der ebenfalls vom Land Berlin verbürgt werden soll.

Zweiter Punkt: Da Sie von der Chimäre der weitgehenden privaten Finanzierung ausgegangen sind, ist die Ausschreibung entsprechend erfolgt. Ich zitiere aus den Ausschreibungsbedingungen:

Ziel ist eine möglichst weitgehende privatwirtschaftliche Finanzierung aller Investitionen.

Herausgekommen ist, dass nichts privat finanziert wird. Das Problem ist, dass der mitkonkurrierende Investor HochTief aus dem Verfahren mit der Begründung ausgeschieden ist, dass er nicht genügend privates Kapital einsetzt. Im Vergleich mit der Firma Walter Bau, die jetzt den Auftrag bekommen hat, kann man gar nicht weniger privates Kapital einsetzen, weil sie keine einzige Mark privates Kapital einsetzt. Deshalb ist HochTief zu Recht mit einer Beschwerde vor die Vergabekammer gegangen, und deshalb prüft die Firma zu Recht, ob sie nicht Klage vor dem Kammergericht gegen dieses Vergabeverfahren einreicht, weil entgegen den Ausschreibungsbedingungen jetzt ein Ergebnis herausgekommen ist, das mit der Ausschreibung nicht mehr übereinstimmt.

Das zeigt, dass es dringend notwendig ist, sich im Land Berlin mit Vergaberecht zu beschäftigen und sich zu überlegen, was man in welcher Form ausschreibt, ohne dass einem anschließend die Vergabe bitterlich auf die Füße fällt. Das gilt für den Flughafen Schönefeld, das gilt jetzt für das Olympia-Stadion, und ich fürchte, es wird uns noch ganz fürchterlich die Vergabe der Buskonzession bei der BVG demnächst auf die Füße fallen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Damit komme ich zum dritten Punkt in diesem Trauerspiel. Für die 283 Millionen DM, die bei dieser Investition haushaltsfinanziert werden sollen, gibt es im Landeshaushalt Berlin und in der Investitionsplanung, die es ohnehin nicht mehr gibt, keinerlei Deckung. Um das noch einmal deutlicher zu machen: Im Jahr 2000, also im laufenden Jahr, müssen 42 Millionen DM über die Mittel hinaus bereitgestellt werden, die im Landeshaushalt für das Olympia-Stadion schon eingestellt waren. Von Seiten des Bausenators gab es einen Deckungsvorschlag, der kein Deckungsvorschlag ist, sondern nur darauf hinauslief, Investitionsmaßnahmen zu verschieben, aber keine aufzugeben. Jeden Bezirksbürgermeister, der mit einem solchen Finanzierungsvorschlag in den Hauptausschuss käme, um eine bezirkliche Maßnahme auf diese Art und Weise gegenfinanzieren zu wollen, würden wir mit Schimpf und Schande zurück in seinen Bezirk jagen, um ihn seine Hausaufgaben machen zu lassen, und zwar über alle Fraktionen hinweg. Dieses Kriterium muss auch für den Senat von Berlin gelten, wenn er gegenüber anderen verlangt, dass Haushaltsdisziplin eingeklagt werden soll.

Also 42 Millionen DM sind im Haushaltsjahr 2000 nicht gedeckt. Im Haushaltsjahr 2001 sind 148 Millionen DM nicht gedeckt.

[Sen Strieder: Das ist eine falsche Darstellung!]

Das können Sie ja nachher richtigstellen. Alle, die von der Thematik Ahnung haben, wissen, dass es so ist.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Frau Birghan (CDU): Und das sind Sie!]

Unter anderem! Es wissen noch ein paar andere. Herr Kaczmarek kann es Ihnen auch genau erklären; der kennt sich auch aus. – Also für 148 Millionen DM im Jahr 2001 gibt es bisher keine Deckung. Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Finanzen sind in der Investitionsplanung für das Jahr 2001 neu beginnende Investitionen in der Höhe von 150 Millionen DM möglich. Die Finanzierung des Olympia-Stadions bedeutet also, wenn es keine Entscheidungen über das Beendet von Investitionen gibt, dass im Jahr 2001 außer der Finanzierung des Olympia-Stadions keinerlei Investitionen neu begonnen werden können. Das ist eine kurzsichtige Finanzpolitik und ein Investitionsstopp im Land Berlin. Das kann nicht akzeptiert werden.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Es ist völlig zu Recht gesagt worden: Die einzige Möglichkeit zu reagieren ist, die U 5, die verkehrspolitisch überflüssig und finanzpolitisch unsinnig ist, aus der Investitionsplanung herauszunehmen, wenn man das Olympia-Stadion finanzieren will. Mittlerweile gibt es darüber ein Einigkeit in erstaunlicher Breite, von Finanzsenator Kurth über Klaus Wowereit, über meine Fraktion bis hin zu den Grünen. Es gibt nur noch Untergrundkämpfer wie den Regierenden Bürgermeister und finanzpolitische Geisterfahrer wie den Westentaschen-Landowsky Steffel, die erklären, das sei alles kein Problem –

(A) (C)

(B) (D)

Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. –, man könne die U 5 bauen, man könne das Olympia-Stadion bauen, da muss man halt ein bisschen bei der Sozialpolitik und bei der Arbeitsmarktpolitik kürzen oder bei der Vermögensveräußerung in die Höhe gehen. Das ist alles riesengroßer Unsinn. Jeder, der ein bisschen Ahnung hat, und alle Finanzfachleute in den Fraktionen wissen, dass man auf diese Art und Weise den Landeshaushalt gegen den Baum fährt, dass man so in den nächsten Jahren keine einzige vernünftige Investition mehr tätigen kann und dass das finanzpolitischer Irrsinn ist.

Die Tatsache, dass der Regierende Bürgermeister offensichtlich gegen jede Vernunft in seiner eigenen Fraktion und innerhalb des Senats einen Guerillakampf zur Verteidigung der U 5 führt, wirft die Frage auf – die werden wir noch vor der Sommerpause beantworten müssen – –

Herr Kollege, ich bitte Sie wirklich, zum Schluss zu kommen, ich bin großzügig mit der Redezeit, aber irgendwann ist auch meine Geduld erschöpft.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

– Ich bin Ihnen auch sehr dankbar und komme damit zum allerletzten Satz. – Dieses wirft die Frage auf, ob sich der Prestigekampf des Regierenden Bürgermeisters für die U 5 gegen alle Vernunft durchsetzt oder die Vernunft, die sich innerhalb der Mehrheit der Fraktionen und innerhalb des Senats für einen Stopp und für den Verzicht auf die U 5 herausbildet. – Ich danke Ihnen – auch für Ihre Großzügigkeit, Herr Präsident!

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege! – Herr Kollege Rabbach hat das Wort für die Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Kollege Rabbach!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Sportfreunde! Immerhin darf man nicht vergessen, dass das Olympia-Stadion eine wesentliche und bedeutsame Sportanlage in Berlin ist.

[Doering (PDS): Es gibt aber auch noch andere, das Poststadion zum Beispiel!]

Das habe ich eben bei den Äußerungen der PDS vermisst. Wir haben über 10 Minuten das Hohe Klagelied über Herrn Diepgen, die U-Bahn, die BVG und alles Mögliche gehört, aber nichts darüber, ob Sie nun das Olympia-Stadion saniert haben wollen oder nicht. [Beifall bei der CDU]

Insgesamt haben Sie gesagt, das sei ein Trauerspiel, was da ablaufe. Ich meine eher, Ihre 10 Minuten, Herr Wolf, waren ein Trauerspiel erster Güte.

[Doering (PDS): Das können Sie nicht beurteilen, weil Sie nicht zugehört haben!]

Das war ein üblicher destruktiver Beitrag zu dem eigentlichen Thema: Wollen wir das Olympia-Stadion behalten, und in welcher Form wollen wir es behalten?

Das ist so ähnlich, wie ich es vorausschauend bei den Grünen notieren darf. [Zuruf von den Grünen]

Ach, geben Sie sich keine Mühe! – Sie haben in einer Broschüre, die Sie im Februar 1998 herausgegeben haben, beklagt, dass niemand bezüglich des Olympia-Stadions Verantwortung übernehmen wolle. Ich vermisse seit 1998, dass die Grünen und die PDS ein Zeichen der Verantwortungsübernahme für das OIympia-Stadion setzen. Ich kenne keines. Auch heute haben wir keines gesehen.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Ich sage im Voraus: Wenn Sie sich in den nächsten 10 Minuten nicht bessern, Frau Ströver, werden wir wieder keines erkennen können.

Immerhin – und das werden Sie nicht ändern – ist das Olympia-Stadion ein wichtiges Problem in der öffentlichen Meinung der Stadt, und nicht nur in der veröffentlichten Meinung. Wenn Sie auf Bürger treffen, wird das Thema Olympia-Stadion auch erwähnt, und nicht nur aus der Sicht, wie es mit den Finanzen steht, sondern auch aus der Sicht: Schaffen es der Senat und die Regierungskoalition, schafft es die Stadt, das Olympia-Stadion zu sanieren und zu modernisieren? Das ist nicht nur so, weil der Berliner Fußballverband 95 000 Mitglieder und der Landessportbund Berlin 540 000 Mitglieder haben, sondern das Olympia-Stadion ist ein wahrer Identifikationspunkt der Bürgerinnen und Bürger, der Menschen in dieser Stadt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Deswegen sage ich an dieser Stelle sehr deutlich, auch allen Menschen, die uns zusehen: Die CDU-Fraktion tritt nachdrücklich für die Sanierung und Modernisierung des Olympia-Stadions ein und wird nicht nachlassen, dieses Ziel so zu verfolgen, dass alle diese Events und Veranstaltungen, von Hertha BSC bis zur Fußballweltmeisterschaft – wenn wir sie bekommen –,

[Doering (PDS): Ja, wenn!]

hier in einem neuen, sanierten und modernisierten Olympia-Stadion stattfinden können.

Kollege Rabbach! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wolf?

Ja, einmal ist keinmal, wenn Sie sich kurz fassen, bitte sehr!

Bitte schön, Herr Kollege Wolf!