Protocol of the Session on June 8, 2000

1. Der Bau des Nordsüdeisenbahntunnels ist soweit fortgeschritten, dass er nun mit 4 Gleisen vollendet werden muss.

2. Die Dresdner Bahn ist nicht nur wegen des Flughafens wichtig, sondern sie ist unverzichtbar für den Personen- und Güterverkehr nach Südostdeutschland und Südosteuropa. Die wünschenswerte Untertunnelung muss durch Verzicht auf andere Projekte finanziert werden – oder Berlin wird sie nicht bekommen.

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3. Die Mantelbebauung am Lehrter Bahnhof und der Autofahrerbahnhof Papestraße können getrost entfallen. Notwendig ist lediglich ein Haltepunkt mit zwei Bahnsteigen und eine attraktive Unterführung für Fußgänger und Radfahrer, damit Schöneberg und Tempelhof zusammenwachsen können und nicht durch die Bahntrasse gespalten werden.

4. Der Bahnhof Ostkreuz – im Volksmund „Rostkreuz“ genannt – muss dringend saniert werden, schon um eine Sperrung aus sicherheitstechnischen Gründen zu vermeiden.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Die am Lehrter Bahnhof und am Bahnhof Papestraße eingesparten Kosten von 500 Millionen DM reichen allerdings nicht aus, um den Eisenbahnknoten fertigzustellen. Das Geld ist aber dennoch da, Sie müssen nur den Blick durch die Windschutzscheibe verlassen und ihn auf die Schiene lenken, denn die geplante Teltowkanalautobahn ist verzichtbar. Und so habe ich auch Ihre Ausführungen verstanden, Herr Gaebler.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Die Sanierung von Ostkreuz und der Wiederaufbau der Dresdner Bahn ist allerdings nicht verzichtbar. Darüber haben wir in diesem Haus und in der Bevölkerung einen großen Konsens, den wir nicht durch falsche Prioritätensetzung aufs Spiel setzen sollten. [Beifall bei den Grünen und der PDS]

Selbst CDU-Minister Wissmann wollte diese Teltowkanalautobahn nicht vor 2007 bauen. Deshalb finden Sie sie nicht in seiner mittelfristigen Finanzplanung. Auch Minister Müntefering – das sage ich an die SPD-Fraktion gerichtet – wollte diese Teltowkanalautobahn nicht. Sie verläuft nämlich parallel zum sechsspurig ausgebautem Adlergestell und zur viergleisigen Görlitzer Bahn.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Zudem wird es am Lehrter Bahnhof einen Voll-check-in für alle Airlines geben, so dass die Flugreise in Zukunft dort und nicht in Schönefeld beginnt. Diese Milliarde DM ist also vorhanden und könnte sofort für die dringend notwendigen Schienenprojekte verwendet werden. Hier ist Ihre Kreativität gefragt, da hilft kein Prügelknabe Bahn oder Bundesregierung.

[Beifall bei den Grünen]

Auch der Ausbau der Wasserstraße zwischen Berlin und Hannover für 110 Meter lange Großmotorschiffe ist überflüssig. Von diesen Schiffen gibt es bundesweit nur 11 Exemplare. Für 11 Schiffe 5 Milliarden DM auszugeben, ist pure Geldverschwendung. [Niedergesäß (CDU): So ein Quatsch!]

Die passt nicht in die Landschaft von Berlin, dies passt nicht in die Landschaft von Deutschland und auch nicht von Europa. Ziehen Sie die Notbremse, liebe Bundesregierung und lieber Senat von Berlin!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Herr Kollege! Würden Sie bitte zum Ende kommen!

Ich fasse zusammen: Auch der Berliner Senat kann nicht alles haben wollen. Nicht nur Berlin, auch die Bundesregierung und die Bahn können die Mark nur einmal ausgeben. Deshalb müssen Prioritäten gesetzt werden.

Die Alternativen liegen auf der Hand: entweder der Ausbau Berlins zum Autobahnkreuz mit einem Eisenbahntorso oder ein funktionstüchtiger Eisenbahnknoten – beides ist nicht zu haben.

Warnen möchte ich zum Schluss vor der Übertragung der Planungsfehler vom Berliner Nahverkehr auf den Fernverkehr. Den Lehrter Bahnhof wollten Sie mit dem Straßentunnel, der U 5 und der S 21 anbinden. Der Straßentunnel ist fertiggestellt, für die Schienenprojekte fehlt das Geld. Wenn der Senat sich nicht selbst einmischt und Prioritäten setzt, geht es Berlin wie dem

Land Thüringen. Dort waren ebenfalls drei Projekte durch den Thüringer Wald geplant, zwei Autobahnen und eine Schiene. Die Schiene wurde gestoppt, die Autobahnen werden weiter gebaut. Das ist das Gegenteil einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Solche Fehlplanungen dürfen Sie nicht abermals in Berlin wiederholen!

Ihre Redezeit ist jetzt wirklich abgelaufen!

Mein Schlusssatz: Wir setzen die Prioritäten auf die ökologisch und ökonomisch vernünftige Alternative, wir wollen dem Eisenbahnknoten die oberste Priorität geben. Machen Sie mit und verhandeln Sie auf dieser Basis mit der Bundesregierung! Dann fällt vielleicht das eine oder andere Straßenprojekt weg, aber der Eisenbahnknoten wird vollendet, und den brauchen wir, da sind sich alle einig. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Nun hat Herr Kollege Niedergesäß das Wort zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Cramer! Sie haben hier heute Ihre Maske fallengelassen! interjection: [Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Sie haben an dem Beispiel, dass die Autobahn an der Teltowkanaltrasse nicht gebaut werden müsste, weil eine sechsspurige Autostraße durch die Wohngebiete am Adlergestell vorhanden ist, zum Ausdruck gebracht, was grüne Politik ist. Sie schützen die Frösche und die Mücken und schinden die Menschen. Das ist Ihre Politik!

[Beifall bei der CDU]

Gleichzeitig haben Sie mit der Streichorgie, die Sie für das Projekt 17 hier vorgetragen haben, zum Ausdruck gebracht, dass Sie überhaupt kein Interesse haben, die Güterverkehre von den Autobahnen auf die Wasserstraßen oder auf die Schiene zu bringen.

[Frau Matuschek (PDS): So ein Schwachsinn!]

Wer das Projekt 17 hier kaputt reden will, der verhindert, dass mehr Güterverkehre über wirklich ökologische Transportwege der Wasserstraßen geführt werden. Diese Horrormeldung, die Sie hier über 7 Schiffe verbreitet haben,

[Frau Matuschek (PDS): Es sind 11 Schiffe!]

die glauben Sie doch wohl selbst nicht. Sie wollen, dass in Magdeburg auf einen Finowmaßkahn umgeladen werden muss und die Ladung dann so nach Berlin transportiert wird. Das ist eine Politik aus dem vorigen Jahrtausend, vor 150 Jahren, aber keine zielorientierte Politik.

Wir wollen die Wasserstraßen ausgebaut haben bis nach Stettin und bis in den oberschlesischen Raum hinein, um die Polen anzubinden, wenn sie nach Europa kommen, damit sie tatsächlich wirtschaftlich angeschlossen werden. Aber Sie tragen hier kurzfristige Politik vor, die zum Scheitern verurteilt ist. Treten Sie ab! [Beifall bei der CDU – Zurufe von links]

Herr Kollege Cramer für eine Erwiderung!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

[Zurufe von der CDU]

Wenn Sie mich nicht reden hören wollen, dann müssen Sie verhindern, dass Ihr Kollege eine Kurzintervention abgibt! So einfach ist das.

(A) (C)

(B) (D)

Herr Niedergesäß! Ich habe etwa 10 Minuten geredet, aber von Mücken oder Fröschen habe ich kein einziges Wort gesagt.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe die ganze Zeit vom Eisenbahnknoten geredet, ich bin auf Herrn Kaczmarek eingegangen, der gesagt hat, der Eisenbahnknoten sei so wichtig und gefährde die Wirtschaftskraft Berlins. Ich habe das noch auf Europa erweitert. Ich schließe mich also dieser Auffassung an und spreche Überlegungen an, wie der Eisenbahnknoten finanziert werden kann. Es fehlen 2 Milliarden DM. Ich habe ausgeführt, wie 500 Millionen DM aufgebracht werden könnten, und bin mit Herrn Gaebler einig, dass die aus den Schienenprojekten genommen werden können. Wo holen wir die weiteren 1,5 Milliarden DM her, ohne dass der Wirtschaftsstandort Berlin Schaden nimmt? Das ist die wichtige Frage, und Sie kommen mir mit Mücken und Fröschen.

Der zweite Punkt betrifft das Projekt 17. Ich habe nicht von 7 Schiffen gesprochen – da bin ich korrekt –, sondern es geht um 11 Großschiffe. Woher weiß ich das? – Ich habe nicht an allen Kanälen gesessen und Schiffe gezählt, sondern das ist eine Statistik der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest in Mainz. Die hat alle gezählt und sagt, es gebe 11 große Schiffe. Alle anderen Schiffe können schon heute durch die bestehenden Wasserstraßen fahren. Deshalb sagen wir: Die Wasserwege sind ökologische Verkehrswege, der Wasserweg ist zu fördern, aber nicht durch diesen Ausbau, sondern Intelligenz ist gefragt, nicht Beton. Die Schiffe müssen sich dem Wasser anpassen und nicht umgekehrt die Landschaft diesen 11 großen Schiffen. 5 Milliarden DM für 11 große Schiffe auszugeben, ist nicht zu verteidigen, Herr Niedergesäß!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Sie wollen gerne große Metropole sein. Dann schauen Sie mal nach London. Im Flughafen London-Heathrow starten und landen 60 Millionen Passagiere pro Jahr. Die Londoner wissen genau, dass Manager eines fürchten wie der Teufel das Weihwasser, nämlich das Verpassen des Flugzeugs. Die Autofahrt hat immer Risiken – auch die 30 Kilometer bis zum Flughafen Schönefeld von der Stadt aus haben Risiken –, die terminliche Sicherheit bringt die Schiene. Sie brauen 20 Minuten von der City zum Flughafen Schönefeld, das schaffen Sie mit dem Auto auch in 40 Minuten nicht. Und deshalb gibt es in London, in Paddington Station direkt in der Innenstadt den Voll-check-in für die Airlines nach Heathrow. Das wollen wir auch am Lehrter Bahnhof realisieren. Dann beginnt die Flugreise nämlich am Lehrter Bahnhof und nicht am Flughafen Schönefeld.

Das ist Intelligenz statt Beton! Das ist Zukunft und nicht Rückschritt! Sie sind von Gestern, Herr Niedergesäß, treten Sie ab!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Für den Senat hat nun Herr Senator Strieder das Wort. – Bitte sehr, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte den Eindruck haben, Sie könnten durch Lautstärke mehr Geld herbeischreien.