Protocol of the Session on May 18, 2000

Immer mehr Menschen entscheiden sich, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, in die Selbständigkeit hineinzugehen und dort auch ihre eigenen Ideen zu verwirklichen. Sie unternehmen etwas. Unternehmer kommt von unternehmen, sonst hieße der Unternehmen Unterlasser. Es ist zugleich eine bedeutende gesellschaftliche Verantwortung, denn damit werden Arbeitsplätze in unserer Stadt geschaffen. Diese neuen Arbeitsplätze und diese neue Form von Selbständigkeit ist zugleich wesentlicher Träger des strukturellen Wandels. Die Faustregel gilt: Jeder Existenzgründer schafft 5 Arbeitsplätze, einen für sich und im Durchschnitt 4 für weitere Personen.

Tritt ein Existenzgründer oder eine -gründerin die Nachfolge in einem kleinen oder mittleren Unternehmen an, dessen Eigentümer aus Altersgründen ausscheiden, werden Arbeitsplätze zugleich auch in dem Unternehmen gesichert, die ohne einen Nachfolger extrem gefährdet wären. Die Unternehmensnachfolge hat einen ganz bedeutenden Anteil auch im Bereich des Gründungsgeschehens. Allein im Bereich des Handwerks in Berlin fallen etwa 3 500 bis 5 000 Unternehmensnachfolgen jedes Jahr an. Wenn wir solche Unternehmen nicht durch einen geordneten Übergang auch weiterhin am Markt hielten, gingen uns damit verbunden auch Arbeitsplätze verloren. Die Vielzahl der Gründer hat fraglos dazu beigetragen, das Klima, auch das Wirtschaftsklima und das Klima der Innovationen in der Berliner Wirtschaft, die seit je her sehr klein und mittelständig orientiert und strukturiert ist, in der Stadt grundlegend zu verändern. Noch in den 80er Jahren waren es allenfalls einige Hochschulabsolventen, die, wenn sie in die Selbständigkeit gegangen wären, als Exoten oder als besonders wagemutig galten. Sie haben sich oft sehr erfolgreich beispielsweise im ersten deutschen Gründerzentrum in Berlin Wedding selbständig gemacht und der Selbständigkeit einer Karriere im öffentlichen Dienst oder in einem Großunternehmen den Vorzug gegeben.

Heute hat sich die Stimmung grundlegend gewandelt. Es gehört nicht nur zum guten Ton, sondern zur praktischen Arbeit in der Wirtschaftspolitik, sich mit dem Gründungsgedanken auseinanderzusetzen, die Gründer zu unterstützen. Vor allen diejenigen, die den Schritt tatsächlich wagen, sind zugleich Vorbilder und Träger der neuen Kultur der Selbständigkeit. Sie alle haben Gelegenheit, diese Aktivitäten und diese Atmosphäre kennenzulernen, wenn Sie die deutschen Existenzgründertage besuchen, die morgen im ICC eröffnet werden. Es ist ein weiteres Mal, dass wir die deutschen Gründertage ausloben. Wir haben

nicht nur diese Verantwortung übernommen, weil wir so viele Existenzgründer haben, sondern vor allen Dingen ein Netzwerk aufgebaut haben, das seinesgleichen in Deutschland sucht.

Diese Veranstaltung übrigens, die im Kleinen als „Berliner Gründertage“ 1985 von Elmar Pieroth initiiert wurde, hat sich im Laufe der Jahre zu einer Messe mit immerhin 150 Ausstellern, mehr als 50 Seminaren und 10 000 Teilnehmern entwickelt. Sie ist ohne Frage in diesem Bereich das bundesweite Event geworden, wozu wir nicht nur den Bundeswirtschaftsminister als Schirmherren haben gewinnen können, durch ein internationales Fenster können auch viele ausländische Beispiele – insgesamt aus 12 Nationen – den Gründergedanken – nicht nur in Deutschland sondern auch international – in einen Vergleich stellen. Kurzum, wie kein anderes Event versinnbildlichen die Deutschen Existenzgründertage die Veränderungen des Klimas der Wirtschaftsstruktur in Deutschland, aber vor allen Dingen auch in Berlin.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Wirtschaftspolitik hat diese Veränderung nach Kräften gefördert und unterstützt, womit ich auch zur Beantwortung der einzelnen Fragen komme. Mit der 1996 gestarteten Berliner Gründeroffensive unterstützen wir das vitale Gründungsgeschehen in der Stadt. Dabei werden besondere Schwerpunkte auf Information, auf Beratung und Schaffung einer günstigen Infrastruktur gelegt. Im Zentrum steht das Berliner Gründernetzwerk, in dem alle Aktivitäten der Förderung, aber auch der Unterstützung von Existenzgründungen in der Stadt gebündelt werden. Mehr als 80 Netzwerkteilnehmer stehen für Information, für Koordination und für Zusammenarbeit zur Verfügung. Es werden Strukturen transparent gemacht und teilweise erst geschaffen, in denen jeder Gründer und jede Gründerin die für sie richtigen Partner finden können. Keine Gründung in Berlin muss heute an Informationsmangel scheitern. Auch das Existenzgründertelefon in meinem Hause, über das jährlich 1 600 Kontakte und 600 Folgeberatungen laufen, und der Ereigniskalender, in dem für Gründer wichtige Veranstaltungen und Termine aufgelistet werden, leisten ihren Beitrag. Es vergeht kein Tag in Berlin, an dem nicht wenigstens fünf bis zehn Veranstaltungen und Informationen zum Thema Existenzgründung gegeben werden.

Das war übrigens nicht immer so. Jeder potentielle Gründer kann heutzutage die Informationen über Förderprogramme, über Gewerberäume, über Beratungshilfen und die für sie wichtigen Kooperationspartner finden. Diese Angebote werden auch wahrgenommen, womit ich zugleich zur Frage 2 und 3 komme.

Besonders wichtig für Existenzgründer sind zinsgünstige und langfristige Kredite, wie sie aus dem ERP-Eigenkapitalhilfeprogramm oder dem Existenzgründerprogramm sowie den Programmen der Deutschen Ausgleichsbank zur Existenzgründung zur Verfügung gestellt werden. Diese Programme stehen bundesweit und damit auch für Berlin voll zur Verfügung. In mehr als 200 Fällen wurde allein 1999 zudem das Bürgschaftsinstrumentarium des Landes zur Unterstützung von Existenzgründern eingesetzt. Hier geht es im Einzelfall um bis zu 1,5 Millionen DM.

Der Branchenschwerpunkt liegt im Übrigen ausdrücklich zu drei Vierteln im Bereich Dienstleistung, im Handwerk, dem Handel und bei den freien Berufen. Speziell an Existenzgründer aus dem Handwerk wendet sich die Meistergründungsprämie, die jungen Handwerksmeistern und -meisterinnen den Weg in die Selbständigkeit erleichtern soll. Sie können einen Zuschuss in Höhe von 20 000 DM erhalten, wenn sie sich innerhalb von drei Jahren nach der Ablegung der Meisterprüfung selbständig machen oder einen Betrieb übernehmen. 1999 konnten hierdurch 320 Existenzgründungen im Handwerk gefördert werden.

Daneben stehen jungen Unternehmen natürlich die Möglichkeiten der Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zur Verfügung. Und technologieorientierte Unternehmensgründer können durch die Maßnahmen des Innovationsförderprogramms unterstützt werden. Ich habe vorhin auf die Zahlen bei der DtA, Deutschen Ausgleichsbank, und der Kreditanstalt für Wiederaufbau verwiesen. So wurden 1999 in 54 Fällen die Einstellung von

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Sen Branoner

Innovationsassistenten bei Unternehmen gefördert, die jünger als fünf Jahre waren. In fünf Fällen wurden Mittel aus dem Innovationsfonds für Engagement in jungen Unternehmen eingesetzt.

Sie fragen dann zu 4. nach der Verteilung der Gründungsaktivitäten auf die Bezirke. Meine Antwort darauf: Das Gründungsgeschehen verteilt sich – Gott sei Dank –, wenn auch nicht ganz gleichmäßig auf die gesamte Stadt, auf Ost und West. Spitzenreiter ist der bevölkerungsreichste und größte Bezirk Berlins, nämlich Neukölln mit mehr als 2 500 Neueinrichtungen in 1999, gefolgt von Charlottenburg mit mehr als 2 100. Es folgen dann die Bezirke Prenzlauer Berg mit fast 1 700 und der Bezirk Mitte mit fast 1 600 Neueinrichtungen. Schöneberg, Wilmersdorf, Tempelhof, Steglitz und Friedrichshain bilden das obere Mittelfeld mit 1 300 bis 1 400 Neueinrichtungen im letzten Jahr. Den Schluss bilden dann mit gut 700 Einrichtungen die Bezirke Weißensee, Hohenschönhausen und Zehlendorf. Dazwischen liegen die übrigen Bezirke.

Sie fragen in Ihren Teilen 5 und 6 nach den Räumlichkeiten. Keine Existenzgründung ist möglich, das ist ohne geeignete Räumlichkeiten vollkommen klar. Hier sind wir in der komfortablen Lage, dass auf Grund des hohen Baugeschehens in der Stadt in den letzten Jahren ein gutes Angebot besteht, was sich auch auf die Mieten durchschlägt. Aber auch für klassische Gewerberäume wurde in den letzten Jahren Vorsorge getroffen. Neben den Angeboten im Westteil der Stadt – beispielsweise durch die Gewerbesiedlungsgesellschaft oder BIG und TIP in Wedding oder aber Mediport in anderen Bezirken – konnten insbesondere im Ostteil der Stadt Gewerbezentren mit sehr interessanten Bruttomieten errichtet werden. Ich nenne hier nur beispielhaft die Wolfener Straße in Marzahn, wo 10 DM verlangt werden, die Pankstraße in Pankow mit 12 DM, die Plauener Straße in Hohenschönhausen mit 11 DM oder die Döbelner Straße in Hellersdorf mit 10 DM.

Speziell an Existenzgründer wenden sich die Berliner Gründerzentren, die jungen Unternehmern für einen Zeitraum bis zu fünf Jahren preisgünstige Räume anbieten und darüber hinausgehenden Service vorhalten. Zudem gibt es die Möglichkeit der Option für weitere drei Jahre. Hier hat Berlin mit dem ersten Deutschen Innovations- und Gründerzentrum BIG im Jahre 1983 für Deutschland eine Pionierrolle gespielt. Es ist ein Exportschlager geworden. Heute gibt es 300 solche Zentren in Deutschland, davon 13 allein in unserer Stadt.

Wir haben im Laufe der Jahre zudem ein Netzwerk von neuen technologieorientierten und vier allgemein ausgerichteten Gründerzentren insgesamt aufgebaut. Dieses Angebot lässt sich in der Tat sehen und bietet über 100 000, 104 000 m2 Geschossfläche an. Hier finden Existenzgründer und junge Unternehmen zudem das entsprechende Umfeld. Das ist natürlich für ein Klima in Berlin ein ganz wichtiger Faktor, ein Umfeld, das sie brauchen, um sich positiv zu entwickeln. Wir haben bei diesen Projekten allerdings auch – das sage ich sehr deutlich – eine gewisse Sättigung erreicht. Wir werden auf Grund der großen Nachfrage einzelne Zentren bedarfsgerecht erweitern und spezielle Angebote, beispielsweise im Modesektor, auch in Zukunft unterstützen. Weiterhin können Existenzgründer mit Bedarf an Gewerbeflächen im Wege des Verkaufs oder des Erbbaurechts preiswerte landeseigene Flächen erhalten.

Besondere Hilfe – das ist die Frage 7 – für Personen, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig machen, bietet das arbeitsmarktpolitische Rahmenprogramm des Landes Berlin. Das wird zwar immer wieder belächelt, weil es eine selbständige Tätigkeit aus der Arbeitslosigkeit eigentlich nicht geben kann und quasi ein Anachronismus ist. Dies ist aber zudem ein für uns wichtiger Faktor, da er Menschen in schwieriger Lage eine neue Perspektive aufzeigt. Ein Mengenphänomen wird es aus naheliegenden Gründen nicht werden. Um arbeitslose Personen beim Aufbau einer unternehmerischen Existenz zu unterstützen, wird ein zinsloses Darlehen von bis zu 30 000 DM pro Antragsteller bzw. bis zu 50 000 DM bei mehreren Antragstellern gewährt. Die Laufzeit dieses Darlehens beträgt zehn Jahre, wovon die ersten zwei Jahre rückzahlungsfrei sind. Seit Beginn dieses Förderprogramms im Jahre 1997 wurden immerhin rund

850 Bewilligungen ausgesprochen. Den Erfolg dieses Programms belegt der Umstand, dass nur 45 hiervon wegen Geschäftsaufgabe gekündigt wurden. Es stehen insgesamt 4,3 Millionen DM Fördermittel zur Verfügung, die im Übrigen nach der gegenwärtigen Programmlage in diesem Jahr fast erschöpft sind.

Sehr hilfreich für Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit ist die Möglichkeit der Zahlung eines Überbrückungsgeldes für die Dauer von sechs Monaten von den Arbeitsämtern. In Berlin wurden auf diese Weise 1999 von den Arbeitsämtern 5 700 Existenzgründer gefördert. Auch im ersten Quartal dieses Jahres wurden bereits 1 300 Personen unterstützt. Diese Fördermittel sind selbstverständlich mit dem Bund und von uns, dem Land Berlin, angebotenen Existenzgründerprogrammen kombinierbar, zielen sie doch darauf ab, die besonderen Probleme der Gründungen aus der Arbeitslosigkeit abzufedern.

Auch die Frage 8 beschäftigt sich damit. Sie haben gesehen, für die Unterstützung von Existenzgründungen greifen Wirtschaftsförderinstrumente, Arbeitsmarktinstrumente, Arbeitsmarktpolitik und Strukturförderprogramme ineinander.

Dabei es nicht unser Ziel und kann dies auch nicht sein, Existenzgründern eine Rundumförderung zukommen zu lassen. Es ist ja gerade die Eigeninitiative wichtig. Dort, wo die Eigeninitiative nicht vorhanden ist, lassen Existenzgründungen meistens auch keinen Erfolg zu, und dort, wo wir Angebote machen, wie beispielsweise in den Existenzgründerzentren und Gewerbezentren, ist im Übrigen auch die Abbrecherquote, die statistisch bei ungefähr 50 % nach 5 Jahren liegt, bei über 80 % Bestand und weniger als 20 % Abbruch. Eine Rundumförderung – da sind wir uns wohl einig, was die Förderung anbelangt – ist weder notwendig noch wünschenswert. Wir wollen weder mit Geld noch mit Betreuung jegliche Eigeninitiative erdrücken, aber jedem Existenzgründer und jeder Existenzgründerin sollen im Rahmen der Hilfe zur Selbsthilfe die optimalen Fördermöglichkeiten angeboten werden.

Daher ist es natürlich auch notwendig – wir wollen schließlich nicht bei dem stehen bleiben, was wir erreicht haben –, die Fördermaßnahmen transparenter zu machen und aufeinander abzustimmen. Hierzu haben wir im vergangenen Jahr mit dem „Förderkonzept 2000 – neue Kultur der Förderung“ einen Anfang gemacht. Auch die Konzentration der Förderprogramme bei der IBB als zentrale Anlaufstelle für die unternehmensbezogene Wirtschaftsförderung in der Stadt und die Arbeit der Förderleitstelle dienen ohne Frage diesem Zweck. Bis zum Jahre 2006 haben wir zudem die Möglichkeit, Mittel der Europäischen Union, des Europäischen Strukturfonds, für die Unterstützung des strukturellen Wandels einzusetzen.

Die Förderung von Existenzgründungen und die Schaffung von optimalen Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln in der Stadt sind hierbei weiterhin unverzichtbare Aufgabe. Indes müssen wir sehen – Herr Kollege Atzler hat das angesprochen –, dass viele Existenzgründer nach wie vor damit kämpfen, dass sie eine Geschäftsidee haben, die sie umsetzen wollen, und ihnen dann vor lauter Bürokratie bei der Gründung eines Unternehmens, der Beschäftigung von Menschen, durch das Ausfüllen von Statistik, das Beachten von irgendwelchen Genehmigungen von Arbeitszeiten, hier das Leben schwerer gemacht wird als beispielsweise in anderen europäischen Ländern. Wir müssen deswegen daran arbeiten, die bürokratischen Hürden für Existenzgründer zu beseitigen, denn die Existenzgründer sind die Basis für wirtschaftliches Handeln und gesellschaftliche Reformen der Zukunft. Das deutsche Arbeitsrecht muss so flexibel gestaltet werden, dass es für junge Unternehmen in der Wachstumsphase und auch bei eventuellen Rückschlägen handhabbar bleibt.

Wir müssen weiterhin auch das Risiko- und Beteiligungskapital offener gestalten. Berlin hat noch vor 3 Jahren, was das Risiko- und Beteiligungskapital anbelangt, die Position 11 innegehabt. Wir sind heute auf Position 5 und haben einen deutlichen Schub nach vorne gemacht. Wichtig ist, dass auch die Dichte an Hochschul- und Forschungseinrichtungen vorhanden ist. Die Strukturveränderung unserer Hochschulen trägt bei

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spielsweise dazu bei, dass Existenzgründungen gefördert werden, dass die Hochschulen diese Existenzgründungen begleiten, dass Unternehmen heute sehr viel mehr gesellschaftlich in der Lage und bereit sind, ihre Erfahrungen in andere Unternehmen einzubringen, dass die neue Finanzierungskultur mit dem neuen Markt, dass das leichtere Gründen einer Aktiengesellschaft dazu führen, dass Kapital vorhanden ist, das früher lediglich von Banken oder vom Staat bereitgestellt worden ist. Dieses sind Bestandteile, die wir hier in Berlin gebündelt haben.

Deswegen ist es nur folgerichtig, dass 70 % von jungen Studenten bei einer Umfrage auf der CeBIT gesagt haben, sie wollten sich gründen, und weit die Hälfte gesagt hat, diesen Gründungsakt würden sie am liebsten in Berlin durchführen, weil aus ihrer Kenntnis, der Kenntnis, die sie auch von ihren eigenen Hochschulen bekommen, gerade in Berlin ein Klima vorhanden ist, das jungen Gründern eine Chance gibt. Wir sollten darauf achten, dass wir solchen Gründern und solchen jungen Unternehmern unter Umständen auch eine zweite Chance geben. Auch dies ist natürlich ein gesellschaftlicher Wandel, dass derjenige, der einmal gescheitert ist, nicht etwa auf Dauer verdammt ist, ein solches Unternehmen nicht wieder gründen zu können, denn er hat eine Erfahrung gesammelt, die für den weiteren Lebensweg und den weiteren Weg in einer unternehmerischen Tätigkeit ganz wichtig sein kann.

Berlin ist die Gründerhauptstadt. Wir wollen an diesem Weg auch weiter arbeiten. Wir haben eine Chance, mehr Arbeitsplätze über diesen Weg zu schaffen. Deswegen ist die Wirtschaftspolitik neben der Frage von Bestandspflege und Akquisition geradezu auch auf die Förderung von Existenzgründungen fokussiert. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Senator Branoner!

Die Besprechung der Großen Anfrage beginnt mit der Fraktion der CDU. Das Wort hat Herr Abgeordneter Gräff. – Alle Fraktionen haben eine Redezeit von bis zu 10 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die am kommenden Wochenende stattfindenden „Existenzgründertage“ in Berlin kann der Zeitpunkt, über die Voraussetzungen, die Existenzgründer benötigen, um sich selbständig zu machen, zu diskutieren, wohl kaum besser sein. An dem großen Interesse, an den Berliner „Existenzgründertagen“ in den letzten Jahren ist erkennbar, dass diese Thema zunehmend eine wichtigere Rolle auch im Hinblick auf die Arbeitsmarktsituation spielen wird. Jeder Existenzgründer zählt hierbei, und wir brauchen zweifellos jeden, der den Mut hat, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen. Aber dazu müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein.

Zunächst einmal brauchen Existenzgründer Kapital. Zwar spielt dieses – gerade in vielen neuen Branchen – nicht immer sofort eine entscheidende Rolle, da vielleicht schon ein PCArbeitsplatz genügt, um sich in einem kreativen Umfeld selbständig zu machen, und doch gibt es Bereiche, die dringend ein Startkapital benötigen. Die positive gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer Aufgeschlossenheit gegenüber Selbständigen in der Bundesrepublik und Berlin und auch einzelne Maßnahmen wie z. B. die gute Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Ausgleichsbank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau haben in den letzten Jahren zu einer verstärkten Nachfrage nach Fördermitteln der Institute geführt. Um hier nur einmal zwei Beispiele bei der Deutschen Ausgleichsbank zu nennen: Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie wurden 1998 noch 94 Millionen Euro an Kreditzusagen vergeben. 1999 waren es bereits 251 Millionen Euro. Und in einem eher klassischen Bereich der Wirtschaft, der im Moment eine rückläufige Entwicklung nimmt, dem Handwerk, wurden 1998 etwa 133 Millionen Euro an Kreditzusagen für das Meister-BAföG vergeben. 1999 waren es immerhin – trotz der negativen Entwicklung – 7 Millionen Euro mehr, also insgesamt 140 Millionen Euro.

Der größte Nachteil – das muss man an dieser Stelle auch erwähnen – ist meiner Meinung nach das Hausbankprinzip. Große Bankunternehmen tun sich immer noch schwer, Existenzgründern mit guten und innovativen Geschäftsideen möglichst unbürokratisch und schnell zu unterstützen.

[Beifall bei der CDU]

Zweitens benötigen Existenzgründer natürlich Gewerberäume ganz gleich, ob Büroräume, Ladenflächen oder Industrieflächen. Gerade hier hat der Berliner Senat in den letzten Jahren sehr viel für Neugründer geleistet. Die zur Verfügung gestellten Flächen, zum Beispiel der GSG, bieten Gewerberäume zu günstigen Konditionen an, verbunden mit einer großen logistischen Unterstützung, die in den ersten Jahren als Unternehmer so dringend benötigt wird. Das fängt beim Faxgerät an und hört beim Sekretariatsservice auf. Die Fortschritte beim schnellen und unbürokratischen Verkauf von landeseigenen Grundstücken sind ein wichtiger Vorteil bei der Gründung und Ansiedlung mittlerer und größerer Unternehmen in der Stadt. Hier ist gerade durch Herrn Senator Kurth in den letzten Monaten Erhebliches geleistet worden. [Beifall bei der CDU]

Natürlich benötigen Existenzgründerinnen und Existenzgründer vor allem, wenn auch nicht immer sofort, gut ausgebildetes Personal. Deshalb war die Entscheidung des Berliner Senats für das Auflegen des Schulstättensanierungsprogramms ein wichtige Entscheidung, um den Standortfaktor Bildung weiter voranzubringen. Und zwar aus 2 Gründen: einmal, weil fachlich gut vorbereitete und motivierte junge Menschen, die von den Reformen im Bildungswesen profitieren, sicherlich eher den Gang in die Selbständigkeit wagen, und weil andererseits durch die vielfältige Hochschul- und Bildungslandschaft Berlins ein schneller Zugriff auf gut ausgebildetes Personal vor Ort möglich ist. Im Übrigen ist auch eine Verbesserung der Leistungen des Landesarbeitsamts, zum Beispiel durch das Zusammentragen bundesweiter Stellengesuche und Stellenangebote, ebenso wichtig für Neugründungen in Berlin wie die Förderung von Arbeitslosen, die ihren Weg in die Selbständigkeit gehen wollen.

Ein vierter und wichtiger Faktor, um Existenzgründerinnen und Existenzgründer in der Stadt zur Selbständigkeit zu ermutigen, ist die hervorragende Infrastruktur Berlins, und zwar die allgemeine wie Telekommunikationsverbindungen und Straßen, wo Berlin und insbesondere der Ostteil der Stadt europaweit ein Vorbild sind, wie auch für den Existenzgründer unmittelbaren Anlaufstellen in der Verwaltung und in den Institutionen. Auch deshalb ist die Schaffung des Berlin-Locationcenters eine der wichtigsten Aufgaben, die sich der Senat in der laufenden Legislaturperiode gestellt hat. Die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für Investoren, die natürlich auch Existenzgründungen in größerem Umfang nach sich ziehen, ist immens wichtig für die Stadt.

Der Umbau der IBB zur Landesstrukturbank ist ein weiteres Instrument, um Existenzgründerinnen und Existenzgründern den Weg in die Selbständigkeit zu erleichtern. Meiner Meinung nach hat die Einrichtung der Investorenleitstelle und des Gründernetzwerks in Berlin in den letzten Jahren schon einen sehr wichtigen Beitrag zur konkreten Hilfe für Existenzgründer und Investoren geleistet.

Nun komme ich – Herr Senator Branoner hat es angesprochen – last but not least zu dem vielleicht wichtigsten Teil der Förderung von Existenzgründungen in der Stadt, nämlich ein unternehmerfreundlicheres Klima in Berlin zu schaffen. Gerade hierzu hat der Wirtschaftssenator Berlins, Wolfgang Branoner, einen wichtigen und großen Beitrag geleistet.

[Beifall bei der CDU – Zurufe und Hochrufe von der PDS und den Grünen]

Von den Berliner Bezirksverwaltungen bis zu den Landespolitikern dieser Stadt, auch bis hin zur Opposition, von West bis Ost müssen wir den Menschen klar machen, dass diejenigen, die den schwierigen Weg in die Selbständigkeit gehen, der oft mit vielen Risiken und auch privaten Entbehrungen verbunden ist, unser aller Unterstützung bedürfen, ganz gleich, ob es sich dabei um

den jungen Handwerksmeister handelt, der sich vielleicht mit mehreren Mitarbeitern selbständig machen möchte, oder den Musiker, der als kreativer Selbständiger zu dynamischen Entwicklungen in dieser Stadt beiträgt.

[Hoff (PDS): Herr Diepgen ist auch super!]