Protocol of the Session on May 18, 2000

[Heiterkeit bei allen Fraktionen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der PDS und den Grünen]

Frau Oesterheld! Wenn Sie der Auffassung sind, dass allein durch den Verkauf der Gesellschaften die Mieter auf den Hund gebracht oder – wie auch immer – in Nachteile versetzt werden, dann ist das eine Hetzkampagne. Ich bleibe dabei: Dann ist das eine Hetzkampagne.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Herr Abgeordneter, das ist kein parlamentarischer Gebrauch, anderen Hetzkampagnen vorzuwerfen.

Gut, dann nehme ich diesen Begriff zurück und nenne das irgendwie anders. Mir fällt aber im Moment nichts Besseres ein.

[Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der CDU]

Frau Oesterheld! Es muss uns doch allen darum gehen, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie in dieser Stadt in Sachen Wohnen nicht eines Tages auf der Straße sitzen. Da Sie seit 20 Jahren als Mietenberaterin tätig sind, wissen Sie doch viel besser als 99 % aller Leute, die hier sitzen, dass der Fall gar nicht eintreten kann.

[Frau Oesterheld (Grüne): Was?]

Also geht doch Ihre Rede, die Sie hier geführt haben, an der Sache vorbei. Es ist sachlich nicht möglich, dass jemand, wenn er sich in seiner Wohnung anständig aufführt, in diesem Staat auf der Straße landen kann.

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Da lachen die Kommunisten natürlich. Herr Over, das ist doch klar! [Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der CDU]

Denn Sie sind überhaupt die Speerspitze dieser ganzen Verunsicherung. Da lachen Sie darüber! Sie haben doch bisher in Sachen Mieten überhaupt noch nichts Gescheites auf die Tagesordnung gebracht. Da ist ja Frau Oesterheld noch ein Stück näher dran als Sie.

[Zurufe von der PDS]

Ich wollte nur klarstellen, Frau Oesterheld, dass allein durch den Verkauf die Gesetze, die wir in dieser Republik hinsichtlich der Sicherung der Wohnung haben, nicht außer Kraft gesetzt werden. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort hat nun der Abgeordnete Holtfreter. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Niedergesäß! Sie haben zum Schluss ja doch noch mitbekommen, dass die PDS die Speerspitze ist

[Niedergesäß (CDU): Der Verunsicherung!]

und dass die Hauptargumente gegen die Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften von der PDS kommen.

[Frau Oesterheld (Grüne): Na, na!]

Das ist so! Wir fordern den Senat auf, keine Wohnungsgesellschaften zu verkaufen. – Ja, Frau Niedergesäß, Sie haben in Ihrem Antrag – –

[Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der CDU und den Grünen – Zurufe]

Gut! Über diesen Versprecher muss ich einmal nachdenken. – Frau Oesterheld, Sie fordern in Ihrem Antrag den Senat auf, ein Konzept zu erarbeiten. Das ist völlig richtig, aber Ihr Antrag hat leider einen Schönheitsfehler. Sie schreiben:

Der Senat wird aufgefordert, vor jeglichem weiteren Verkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften dem Abgeordnetenhaus ein Konzept vorzulegen.

Um Gottes Willen! Dann bekommen wir in diesem Jahr zwei Konzepte [Rösler (CDU): Mindestens!]

und im nächsten Jahr weitere Konzepte. Der Senat soll ein Konzept erarbeiten, wie er die Wohnungsbaugesellschaften erhalten kann.

[Müller-Schoenau (Grüne): Wir wollen nicht jedes Mal ein neues Konzept. Wir wollen e i n s ! ]

Aber der Senat will verkaufen, verkaufen. Da braucht er kein Konzept. Er braucht kein Konzept zu entwickeln, wie er diese Gesellschaften wirtschaftlich halten kann. Das Einzige, was er macht – Herr Kurth ist nicht anwesend, das interessiert ihn anscheinend nicht –, ist, darüber nachzudenken, wie er für die Gesellschaften am meisten Geld bekommt. Da fängt das Problem an. Die GSW ist eine Gesellschaft, die ungeheure Werte beinhaltet. Sie hat einen Substanzwert von 5 Milliarden DM. Das Problem ist nur: Wenn sie diese Gesellschaft an einen Investor verkaufen, dann bekommen sie dieses Geld nicht. Der Investor guckt auf den Ertragswert, darauf, wieviel Mieten dort gezahlt werden, und normalerweise kann er nur aus den Miet-überschüssen den aufgenommenen Kredit, den er für den Kauf braucht, finanzieren. Hier fängt das Problem an. Mehr als 400 Millionen DM bis 500 Millionen DM dürfte normalerweise für die GSW gar nicht bezahlt werden. Alles, was er darüber hinaus zahlt, muss er durch Verkauf der Bestände finanzieren. Das haben wir doch bei der GEHAG gesehen.

Die GEHAG hat gekauft, es war nicht leicht für das Unternehmen, 900 Millionen DM zu verkraften, aber wenn sie Bestände verkaufen, kommen sie ganz schnell aus dieser Problematik heraus. Sie haben Bestände verkauft, ganze Siedlungen haben sie verkauft, Carl-Legien-Siedlung in Prenzlauer Berg. Eigentlich ist

dies im Kaufvertrag ausgeschlossen, eindeutig ist dort ausgeschlossen, dass ganze Bestände verkauft werden. Es steht auch im Kaufvertrag mit der GEHAG, dass die Mieter gefragt werden sollen. Kein einziger Mieter ist dort gefragt worden. Was macht nun der Senat, der ja eigentlich Vertragspartner ist, der eigentlich sagen müsste: Halt stopp, das müssen wir rückabwickeln, das ist eigentlich ausgeschlossen.

[Frau Birghan (CDU): Im Abwickeln seid ihr gut!]

Den Verkauf der Siedlungen vom neuen Besitzer der GEHAG, der RSE oder WCM, wie sie jetzt heißt, den Verkauf, der ausgeschlossen ist, den rückabwickeln. Das macht der Senat aber nicht, er guckt weg, das interessiert ihn nicht, weil er genau weiß, dass der Erwerber Bestände verkaufen muss. Das wird hier auch wieder kommen.

Herr Strieder! Ihr Vorschlag mit der Berliner Bank war vielleicht ganz gut, wäre vielleicht das geringere Übel gewesen, wenn Sie garantieren könnten, dass die Berliner Bank auf Dauer mehrheitlich eine landeseigene Gesellschaft bleibt.

[Atzler (CDU): Die gibt es gar nicht mehr, die heißt jetzt Landesbank Berlin]

Das kann aber keiner garantieren. Jeder hier im Haus weiß doch, dass die Berliner Bank einer der nächsten Privatisierungskandidaten ist. Deshalb ist das eine Mogelpackung, was da vorgelegt werden soll und wir lehnen es ab.

Wir haben vorgerechnet, dass der gesamte Verkauf des Unternehmens Blödsinn ist. 1,6 Milliarden DM Verkaufserlös werden erwartet.

[Niedergesäß (CDU): Wenn ihr schon rechnet!]

Ja, wenn wir rechnen. Die „FAZ“ hat gesagt, die PDS könne gut rechnen, Herr Niedergesäß. Und es ist auch eine einfache Rechnung gewesen.

[Heiterkeit bei der PDS]

Wenn sie die Wohnung für 1 300 DM den Quadratmeter an die Mieter verkaufen oder an Genossenschaften, das ist doch ein Preis, den sehr viele würden aufbringen können. Das ist ein Preis, wo sie den Preis über ihre Mieten refinanzieren können. Dann brauchte vom gesamten GSW-Bestand nur ein Viertel verkauft zu werden, und der Finanzsenator hätte auch 1,6 Milliarden DM in seiner Kasse.

Herr Abgeordneter! Sie müssen zum Schluss kommen!

Ja! – Das sollten wir diskutieren, ob es nicht Alternativen zu den Unternehmensverkäufen gibt. Ich kann verstehen, dass bei einem Haushaltsloch in Höhe von 7 Milliarden DM auch von der Wohnungswirtschaft Geld eingetrieben werden muss. Das kann ich verstehen, aber entwickeln sie doch vernünftige Konzepte, die am Ende den Mieterinnen und Mietern zu Gute kommen und meinetwegen auch dem Finanzsenator.

[Beifall bei der PDS]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort der Abgeordnete Dr. Arndt, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ein wenig hilflos. Eigentlich wollte ich den Antrag sehr kritisch diskutieren, aber nach dem sehr freundlichen Erfolg und angesichts des Gelächters muss man sich eines anderen besinnen. Zum anderen hat dieser Antrag dazu geführt, dass die PDS eine Eheanbahnung zwischen Bündnis 90/Die Grünen, Frau Oesterheld, und der CDU, Herrn Niedergesäß, in Form einer Namensvermittlung angestoßen hat und das alles läuft unter dem Titel „Städtisches Eigentum sichern“. Es ist schwierig zu dem ernsten Part, den dieses Thema beinhaltet, zurückzukehren.

Für die Sozialdemokraten, aber sicher auch für die CDU-Fraktion, ist es nicht einfach, mit der gesamten Problematik Wohnungsprivatisierung umzugehen. Gerade für Sozialdemokraten ist die GSW ein Urgestein sozialdemokratischer Wohnungspolitik – gewesen

[Holtfreter (PDS): Gewesen!]