Protocol of the Session on June 14, 2019

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Bommert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die AfD: Im Eu ropawahlprogramm waren Sie noch für Reformen statt für Um verteilung. Die Europawahl ist gerade vorbei, und jetzt wollen Sie die künftigen EU-Mittel anders verteilen. Das passt aus meiner Sicht nicht zusammen, zumal noch gar nicht feststeht, welche Mittel es gibt und in welcher Form sie ausgereicht wer den. Also irgendwie wäre das ein Beschluss - wie sagt man auf Deutsch? - über ungelegte Eier. Das ist aus meiner Sicht keine seriöse Wirtschaftspolitik.

Es passiert ja bestimmt nicht oft, dass ich unsere Landesregie rung verteidige. Aber dass sie in Brandenburg Regionen bevor teilt oder benachteiligt, konnte ich in meiner Zeit als Abgeord neter nie feststellen.

(Beifall CDU und SPD)

Zu den aus Ihrer Sicht „benachteiligten“ Regionen: Dazu, dass es manchen nicht gefällt, was jetzt in der Lausitz passiert, dass da der Kohleausstieg auch mit den geplanten Finanzhilfen sei ne Wirkungen haben wird, muss man ganz ehrlich sagen: Fakt ist, wir beschließen - bzw. der Bund beschließt; das wird auch nicht allen gefallen -, dass im Jahr 2038 eine ganze Industrie geschlossen wird. Daher haben wir die Aufgabe - wenn wir es machen; es sind ja viele, die es wollen -, einen Umbau zu be treiben. Den fördert der Bund, und auch das Land muss ihn fördern. Deshalb sollte man an der Stelle keine Neiddebatte oder so etwas entfachen. Das ist gewollt - zumindest von vie len hier im Land. Den Ansatz, deshalb das Land Brandenburg in verschiedene Zonen aufzuteilen, halte ich für falsch.

Ganz ehrlich: Wie stellen Sie sich das vor? Welche Sonderwirt schaftszonen sollen wir dann haben? Soll ich jetzt einem Hand werker aus Oberhavel sagen, dass er in die Uckermark ziehen muss, weil dort wieder ein anderes Förderprogramm läuft? Ich glaube, das wäre auch für die Betriebe kontraproduktiv.

Wittstock-Dosse wurde ja schon als Beispiel genannt. Unser Hauptproblem ist doch die Bevölkerungsentwicklung, und die können Sie mit keinem Förderprogramm steuern. Sie können dort einen Riesenbetrieb hinstellen, aber das heißt noch nicht, dass jemand dorthin zieht.

Wir erleben es - wir haben das Problem; man kann es schön oder auch nicht gut finden -, dass die Leute in die Nähe von Berlin wollen. Das hat nicht nur etwas mit Arbeit zu tun, das hat mit allem zu tun, damit, wie man dort leben kann. Es geht um Kultur und um alles Weitere, was dort vorhanden ist. Die Leute finden das in Berlin. Die Menschen, die heute hierher kommen wollen - ich erlebe das, wenn ich vermieten will -, ziehen ein Stück weit aus Berlin heraus und sagen: Bis hier und nicht weiter. - Denn - wie gesagt - sie wollen einfach die Nähe zur Stadt haben.

Wenn Sie irgendwo eine Sonderwirtschaftszone einrichten wollen, brauchen Sie auch Menschen, die dort wohnen und ar beiten wollen. Da stellt sich einfach dieses Riesenproblem.

Ich kenne die Wittstocker Ecke auch sehr gut. Es gibt nicht ge nügend Menschen, die dorthin ziehen. Die sagen einfach: Hier passiert mir ringsum nicht genug. - Sie könnten ja dann viel leicht anfangen, Wittstock auszubauen. Vielleicht kommen

dann die Leute dahin. Aber Sie werden es nicht mit einer Son derwirtschaftszone schaffen. Gucken Sie nach Berlin, Ham burg, München, Stuttgart: Alle Städte sind umrahmt.

Wir haben einfach gar nicht die entsprechende Anzahl an Fach kräften. Wir haben doch schon das Problem, das mit den Leu ten, die hier sind, zu bedienen. Jetzt wollen Sie Sonderwirt schaftszonen schaffen, um Neuansiedlungen zu erzeugen. Das wird nicht funktionieren.

Als Krönung empfinde ich es ja ein bisschen, dass Stettin Euro päische Metropolregion mit rund 1 Million Menschen werden soll. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dafür fehlt mir echt die Phantasie,

(Zuruf der Abgeordneten Schade [AfD])

und ich glaube auch nicht, dass die Brandenburger Regierung dafür zuständig ist, das so zu entwickeln, dass es dazu kommt.

Ich denke mal, der Antrag ist nett gemeint, und ich kann ihn an vielen Stellen auch verstehen. Trotzdem werden wir ihn ableh nen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Schinowsky.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Einrich tung von sogenannten Besonderen Wirtschaftsgebieten - war um verwenden Sie eigentlich nicht den Begriff Sonderwirt schaftszone in Ihrem Antrag? - soll den Strukturwandel unter stützen

(Zuruf der Abgeordneten Schade [AfD])

- doch, im Kern läuft es auf das hinaus, was unter dem Begriff diskutiert wurde - und die Entwicklung benachteiligter ländli cher Regionen im Norden des Landes durch verstärkte Förde rung mit unterschiedlichen Instrumenten forcieren. Das schrei ben Sie in Ihrem Antrag, und es liest sich, als hätte Ihre Frakti on die entsprechenden Debatten in dieser Legislaturperiode nicht wahrgenommen, die zur Arbeit der Enquetekommission „Ländliche Räume“, zur Evaluation der Regionalen Wachs tumskerne, zu den Vorbereitungen der nächsten EU-Förderpe riode - es wurde schon darauf hingewiesen - und über den Strukturwandel in der Lausitz geführt wurden.

Stattdessen versuchen Sie nun, in der allerletzten Plenarwoche mit einer Idee zu punkten, die aus guten Gründen in all diesen Debatten nie eine Rolle gespielt hat und schon vor vielen Jah ren von Brandenburg ad acta gelegt wurde. Sonderwirtschafts zonen - oder wie auch immer Sie es nennen -, wie hier von Ih nen vorgeschlagen, machen überhaupt keinen Sinn.

Flächendenkende Dumping-Bedingungen für Unternehmen, die im Wettbewerb nicht bestehen können, helfen nicht weiter. Das ist inzwischen den meisten Verantwortlichen in diesem Land klar. Werbung um Investoren mit Niedriglöhnen gehört

daher zum Glück der Vergangenheit an. In den bestehenden Fördersystemen - Herr Barthel hat es auch schon ausgeführt - aus EU- und Landesförderung können Unternehmen auf der Grundlage ihrer Konzepte gefördert werden, und zwar gezielt für ihre geprüfte und tragfähige Idee und nicht pauschal allein aufgrund der Tatsache, dass sie sich in einer bestimmten Regi on bzw. Sonderwirtschaftszone ansiedeln wollen. So macht das Sinn. Die von Ihnen vorgesehenen Steuererleichterungen füh ren zudem zu Mindereinnahmen der öffentlichen Hand.

Was in den strukturschwachen Regionen fehlt, ist Infrastruktur. Die öffentliche Hand muss dort investieren, damit sich die Rahmenbedingungen verbessern. Bessere Schulen, besseres Internet, gute Verkehrsanbindungen, ärztliche Versorgung, gute Verwaltungen sind die Voraussetzung für prosperierende Regi onen.

Die Enquetekommission „Ländliche Räume“ empfiehlt, die Regionalen Wachstumskerne in Richtung einer Regionalent wicklung für den ländlichen Raum zu qualifizieren, und hat die Landesregierung in ihrem Abschlussbericht aufgefordert, res sortübergreifend regionale Entwicklungskonzepte zu erarbei ten. Dies wird gemäß den fondsübergreifenden landespoliti schen Prioritäten der Landesregierung auch in die operationel len Programme für die nächste EU-Förderperiode einfließen. So lässt sich diese Aufgabe systematisch angehen. Völlig un klar ist uns übrigens auch die Begründung Ihrer Gebietsaus wahl. Alle anderen Regionen Brandenburgs lassen Sie damit unter den Tisch fallen. Auch das ist für uns inakzeptabel.

Kurz gesagt: Ihr Antrag löst keine Probleme, sondern schafft nur neue oder bleibt hinter dem zurück, was möglich wäre. Da her werden wir ihn ablehnen.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Das war vielleicht nicht die knackigste Rede, die ich je gehal ten habe, aber meine letzte. Weil man sich bekanntlich immer zweimal sieht, möchte auch ich mich an dieser Stelle bei Ihnen allen für die vielen kontroversen, aber meist fairen Auseinan dersetzungen bedanken. Auch mit Ihnen, Frau Schade, habe ich im Wirtschaftsausschuss gerne zusammengearbeitet; ich muss das an der Stelle einmal sagen.

Auch möchte ich danken für die nicht selbstverständliche frak tionsübergreifende Zusammenarbeit - ich erinnere an das Bahnwerk, die Windenergie, bei der wir viel zusammen voran gebracht haben, sowie die ganzen DDR-Themen. Das weiß ich sehr zu schätzen und werde ich nicht vergessen - ich hoffe, Sie alle auch nicht. - Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Prof. Dr.-Ing. Steinbach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich komme aus einer Welt, in der man, wenn man von Fakten spricht, die Quellen dazu angeben muss, und wenn man be

stimmte Begriffe verwendet, auch deren Definition angeben muss. Frau Schade, mich würden wirklich - ganz persönlich - die Quellen für Ihre Zahlen und Ihre Darstellungen interessie ren. Ich gebe ganz ehrlich zu, dass die Zahlen, die ich aus Sta tistiken des Statistischen Bundesamtes und Ähnlichem habe, eine deutlich andere Sprache sprechen.

Wenn Sie, liebe Abgeordnete, die Sie gerade Laptops vor der Nase haben, mal in eine der Suchmaschinen den Begriff „be sondere Wirtschaftsgebiete“ eingeben, werden Sie ihn nur im Zusammenhang mit dem heutigen Antrag der AfD finden.

(Frau Schade [AfD]: Sehr gut!)

Es ist kein rechtlich definierter Begriff.

Es gibt den heute schon mehrfach erwähnten Begriff der Son derwirtschaftszonen, und es gibt den Begriff der sogenannten Modellregionen - das ist der Begriff, der auf europäischer Ebe ne verwendet wird. Insofern ist es ganz schwer, überhaupt sachlich mit Ihrem Antrag umzugehen, weil man eigentlich nicht weiß, was Sie wirklich meinen. Ich unterstelle Ihnen - ich gebe das auch ehrlich zu -, dass Sie eigentlich die klassische Sonderwirtschaftszone meinen. Dann sollten wir das Kind aber auch beim Namen nennen und keinen Kunstbegriff dafür ver wenden.

Eine Sonderwirtschaftszone, die von allgemeinen Steuer- und Förderungssystemen abweicht, ist mit dem europäischen Bei hilferecht nicht vereinbar. Dies wurde von verschiedensten Seiten geprüft. Es ist mir auf meinen Reisen nach Brüssel wie derholt bestätigt worden.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Die europäi schen Beihilferegelungen gelten natürlich auch für die polni schen Sonderwirtschaftszonen.

(Frau Schade [AfD]: Eben!)

Beim polnischen EU-Beitritt gab es Übergangsfristen. Sie sind aber mittlerweile abgelaufen. Sie gelten nicht mehr. Insofern ist diese Analogie an der Stelle nicht zulässig.

Ganz unabhängig davon - das ist von meinen Vorrednern schon benannt worden - haben Sonderwirtschaftszonen viele Nach teile, vor allen Dingen den Verlust an Steuereinnahmen in er heblicher Größenordnung zulasten unserer Kommunen. Viele von ihnen weisen bereits heute defizitäre Haushalte aus. Wir können nicht verantworten, dass sich das auch noch verstärkt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zwei Punkte fest halten. In Ihrem Antrag wird die Region Lausitz erwähnt. Die Bedeutung des Kohleausstiegs, dieser historischen Zäsur, braucht hier im Parlament nicht erneut betont zu werden. Ich will den grundsätzlichen Gedanken, diesem Bereich Vorteile zukommen zu lassen, nicht in Bausch und Bogen verurteilen. Nur das Instrument, das Sie wählen wollen, ist dafür kein ge eignetes Mittel.

Was wir tatsächlich brauchen, ist der beihilferechtliche Status einer Modellregion. Daran arbeiten wir gemeinsam mit dem Bund intensiv in Brüssel. Das bedeutet um bestimmte Prozent sätze erhöhte beihilferechtliche Unterstützungen, die dann auch keiner Einzelnotifizierung unterliegen. Das ist das, was

wir brauchen und wofür wir eintreten. Auf diesen Begriff soll ten wir uns diesbezüglich vielleicht auch einmal einigen.

Dass darüber hinaus die Lausitz einen Strukturbonus braucht, um wichtige Projekte vorantreiben zu können - das betrifft zum Beispiel die Infrastrukturprojekte -, darüber brauchen wir hier nicht weiter zu streiten; denn wenn wir uns auf die bisherigen Planungsprozesse insbesondere im Bereich der Infrastruktur stützen würden, würde uns der Bund am langen Arm verhun gern lassen. Aber die Eckpunkte des Strukturstärkungsgesetzes sehen genau diese deutliche Verbesserung vor. Dort steht, dass prioritäre Verkehrsprojekte auch aus strukturellen Gründen jetzt finanziert, geplant und beschleunigt werden können. Das ist genau das, was die Region braucht.

Wir dürfen allerdings bei dem Ganzen keine Wunder erwarten. Die Europäische Kommission muss, wenn sie einer solchen Modellregion zustimmt, die wirtschaftlichen Verhältnisse aller Mitgliedsstaaten und aller Regionen berücksichtigen. Die nächste EU-Förderperiode steht bald bevor. Am 14. Mai haben wir unsere landespolitischen Prioritäten für diese Förderperio de beschlossen. Sie gelten für alle Förderfonds. Dazu gehören Themen wie die Innovationsfähigkeit kleiner und mittlerer Un ternehmen, die Fachkräftesicherung und die Ressourcen- und Energieeffizienz.

Die hiermit erreichten Maßnahmen sind das, was wir aber auch für Brandenburg als Ganzes brauchen. Ich möchte noch einmal betonen: Sowohl mein Ressort als auch die gesamte Landesre gierung stehen dafür, verbesserte Fördermöglichkeiten für ein gesamtes Brandenburg zu haben. Ich möchte weg von der Situ ation, dass die Regionen gegeneinander ausgespielt werden oder einander ausspielen.

(Beifall SPD und DIE LINKE sowie vereinzelt CDU)