Protocol of the Session on December 13, 2017

(Zuruf von der AfD: Dafür gibt es die Schwangerschafts beratung!)

Ich sage es klar und deutlich: Frauen haben ein Recht auf Infor mationen. Zum einen schaffen wir Regeln, nach denen Schwan gerschaftsabbrüche straffrei sind, zum anderen dürfen Ärztin nen und Ärzte über diese Eingriffe nicht informieren. Das steht doch in totalem Widerspruch.

(Frau Richstein [CDU]: Sie dürfen nicht damit werben! – Zuruf von der AfD: Sie dürfen nur nicht damit werben!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit welchem Recht dürfen Abtreibungsgegnerinnen und -gegner § 219a zunehmend nutzen, um Ärztinnen und Ärzte zu stigmatisieren? Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist in den vergangenen Jahren deutlich an gestiegen: Waren es 2010 bis 2014 zwei bis maximal 14 Fälle pro Jahr bundesweit, lag die Zahl 2016 bereits bei 35 Fällen. Dabei kennen die Gegnerinnen und Gegner kaum noch Grenzen. Zu letzt wurde laut „Frankfurter Rundschau“ sogar der Limburger Bischof nach § 219a angezeigt, denn auf einer zum Bistum gehö renden Webseite wurde unter anderem auf die Möglichkeit hin gewiesen, sich bei der evangelischen Diakonie Hochtaunus den für einen Abbruch notwendigen Beratungsschein ausstellen zu lassen. Ich frage mich wirklich: Wie geschmacklos ist das? Mit welchem Recht initiiert man solche Kampagnen?

Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Frauen haben ein Recht auf Information, egal ob bei einer Gynäkologin, einem Gynäkologen oder einer Familienberatung.

(Beifall DIE LINKE - Zurufe von der AfD)

Sie sollen es einfach selbst entscheiden. Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht!

Ich freue mich, dass das Kabinett gestern bereits gehandelt hat und Brandenburg den Berliner Antrag am Freitag im Bundesrat unterstützen wird. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE - Zurufe von der AfD)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Augustin.

(Zuruf von der AfD: Das ist moralisches Vollversagen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist für niemanden, der es nicht selbst durchleben musste, vorstellbar, was es heißt, sich über einen Schwanger schaftsabbruch Gedanken machen zu müssen.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Eben!)

Es ist eine einschneidende, eine schmerzliche Entscheidung, die eine Frau für sich und das ungeborene Leben, für oder ge gen das sie sich entscheidet, trifft. Die Frauen, die sich offen dazu bekennen, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch vor genommen haben, sagen immer wieder, dass sie diese Entschei dung ein Leben lang begleiten wird.

Die Entscheidung zu treffen, ungeborenes Leben aufgrund ei ner Notsituation - ob wegen schwerwiegender seelischer Um stände oder diagnostizierter Krankheiten, die das Kind oder die Mutter gefährden würden - abzutreiben, belastet die Mutter und alle Beteiligten in besonderem Maße, sowohl physisch als auch psychisch. Und solche Entscheidungen können und sollten nicht leichtfertig getroffen werden.

(Beifall CDU und AfD)

Die rechtliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch trägt genau diesem Grundsatz Rechnung. Am Anfang steht daher das geforderte Beratungsgespräch, und hierfür gelten die entspre chenden gesetzlichen Vorgaben des § 219 Strafgesetzbuch sowie die Regelungen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz. Da nach haben die Länder - und so auch das Land Brandenburg - die Vorgabe, ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungs stellen für die Beratung sicherzustellen.

Insofern muss ich Ihnen, Frau Bader, widersprechen, wenn Sie sagen, dass wir kein Angebot zur Beratung hätten. Damit stel len Sie Ihrem eigenen Ministerium ein Armutszeugnis aus. Na türlich gibt es überall Beratungsstellen!

(Beifall CDU und AfD)

Die Ratsuchenden sollen dabei zwischen Beratungsstellen un terschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung wählen können - auch dies ist geregelt, auch für das Land Brandenburg. Und bei diesen Beratungsgesprächen, in denen es im Interesse der Frau und des ungeborenen Lebens auch um ethische Fragen geht, um den sozialen Hintergrund, darum, welche psychische Belastung die Schwangerschaft vielleicht mit sich bringt, wer den die Schwangeren umfassend informiert. Ihnen werden Möglichkeiten aufgezeigt, denen sie nachgehen können. Ihnen wird natürlich auch eine Liste mit entsprechenden Praxen, von Ärzten, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen wür den, gegeben, und sie werden auch über die Methoden und Ri siken informiert - und dies in einem geschützten Raum, der frei ist von wirtschaftlichen Interessen. Das ist der Punkt.

Die Straffreiheit für Schwangerschaftsabbrüche bis zu 12 Wo chen nach der Empfängnis ist letztlich auch ein Ergebnis schwierigster Abwägung zwischen dem Schutz des Lebens auf der einen Seite und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau auf der anderen Seite. § 219a des Strafgesetzbuches verbietet die Werbung für Abtreibung, und demnach macht sich strafbar, „wer eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs“ … „anbietet, ankündigt, an preist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt.“

Eins muss uns bewusst sein: Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine ärztliche Dienstleistung wie jede andere.

(Beifall CDU und AfD)

Frau Bader, der Einstieg in Ihre Rede war: „Wenn ich krank bin, gehe ich zum Arzt.“ Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine Blinddarm-OP und keine orthopädische Leistung. Eine Schwangerschaft ist keine ärztliche Dienstleistung wie jede an dere - das sollten wir uns ganz, ganz klar bewusst machen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Das bisherige Informations- und Beratungssystem soll der be sonderen Konfliktsituation, in der sich die Schwangeren befin den, Rechnung tragen, ohne den Weg zur Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu öffnen.

Es tut mir leid: In der ganzen Debatte, die sich um die Ärztin entfacht hat und die, wie wir gehört haben, anderweitige Ent scheidungen herbeigeführt hat, muss ich mich fragen, warum wir das heute hier diskutieren. Die Ärztin hat entgegen den Vor gaben des Strafgesetzbuches Abtreibungen als Leistung auf ih rer Website angeboten - das ist eine angebotene Leistung. Und ich habe bislang nicht nachvollziehen können, warum das In formationsbedürfnis der Frauen vom bestehenden System nicht gedeckt sein soll. Für meine Begriffe hat noch niemand öffent lich kundgetan, warum das nicht erfüllt sein soll.

Die Beratung von Schwangeren, die sich über einen Abbruch informieren wollen, ist deutschlandweit und niedrigschwellig möglich. Das Argument, dass Schwangere keine Informationen erhielten oder dies nur unter schwierigen Voraussetzungen, trifft einfach nicht zu. Das Werbeverbot soll Geschäftsmodelle mit Abtreibung verhindern. Das möchte ich auch; ich möchte kein Geschäftsmodell „Schwangerschaftsabbruch“.

(Beifall CDU und AfD)

Mit der Abschaffung des Werbeverbots im § 219a StGB könn ten eine Verharmlosung und eine Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einhergehen. Ich glaube, es wird Sie daher nicht wundern, dass wir den vorliegenden Antrag ab lehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und AfD)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Muhß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete und Gäste! „Ein alter Streit bricht wieder auf“, titelte die „Süddeutsche Zeitung“ am letzten Samstag und meinte den Streit um den § 218 ff. Anlass war das Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel - das ist hier bereits ausgeführt worden - und auch der Satz, mit dem die Richterin das begründet hat.

Es geht konkret um § 219a Strafgesetzbuch. Dieser lautet in Absatz 1:

„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbrei ten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise 1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder 2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Ab bruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklä rungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Dieser Paragraf aus dem Jahr 1933 ist tatsächlich ein Relikt, besonders wenn wir bedenken, was das Internet heute für eine Informationsvielfalt bietet. Und es gibt ja mehrere gesetzliche Regelungen für Ärzte bezüglich Information und Werbung. Da wäre als Erstes die Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, nach der die berufswidrige Werbung grundsätzlich verboten ist. Berufswidrige Werbung ist insbesondere eine anpreisende, irre führende oder vergleichende Werbung.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Verboten ist darüber hinaus jede Form von Werbung mit reißerischen oder marktschreierischen Mitteln.

Daneben gibt es das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Dieses untersagt eine Form der Werbung, die sowohl irrefüh rend, nicht in objektiver Weise vergleichend ist, als auch den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber beeinträchtigt oder den Verbraucher unzumutbar belästigt. Unlauterer Wettbewerb liegt auch dann vor, wenn die Anforderungen an Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen nicht erfüllt, Angstge fühle ausgenutzt, Nebenwirkungen verschwiegen werden oder wissenschaftlich umstrittene Wirkungen enthalten sind. - Posi tiv formuliert heißt das: Informationen sind nur zulässig, soweit sie wahr und sachgerecht sind, für den Patienten verständlich dargebracht und im Zusammenhang mit der beruflichen Tätig keit vermittelt werden.

Als ein weiteres Beispiel gibt es auch noch das Heilmittel-Wer begesetz: Verboten bleibt dort, nach vielen Liberalisierungen, jegliche irreführende Werbung, also falsche Behauptungen, ins besondere über Produktwirkungen, oder das Verschweigen oder Verharmlosen von Anwendungsrisiken.

Es wird also auch ohne einen § 219a keine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche an Litfaßsäulen geben - aber genau das ist behauptet worden.

(Beifall DIE LINKE)

Grundsätzlich gestattet ist nach § 27 Abs. 1 der Musterberufs ordnung der deutschen Ärzte die sachlich-berufsbezogene In formation. Heute ist man sich einig, dass dies gerade im Hin blick auf das Patientenwohl nur erwünscht sein kann, denn wer die richtige Entscheidung treffen will, muss umfassend infor miert sein. Das gilt für die Wahl des Arztes genauso wie für die Wahl der Behandlung.

Häufig wird als geeignete Richtlinie die frühere Bundesverfas sungsrichterin Renate Jäger zitiert, die sagte:

„Information, die vom Patienten nachgefragt wird und die von den Leistungserbringern im Gesundheitswesen inhalt lich richtig, in verständlichen Worten, jede Irreführung vermeidend und ohne Übertreibung an den Patienten her angetragen wird, verbessert die Beziehung zwischen Arzt und Patienten und damit die Gesundheitsversorgung.“

Das sollte auch für eine Homepage gelten.

Enden möchte ich mit einem Leserbrief aus der zu Anfang ge nannten „Süddeutschen Zeitung“ von den Ärztinnen Dr. Auch und Dr. Oster aus München. Sie schrieben:

„Als Ärztinnen, die in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit die Not der Frauen kennengelernt haben, sind wir der Meinung, dass das Angebot und die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs zu einem flächendeckenden ärztlichen Versorgungsauftrag gehören. Ungewollt

schwanger gewordene Frauen haben ein Informations recht und einen Anspruch auf wohnortnahen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Deshalb muss Rechtssicherheit für die den Schwangerschaftsabbruch durchführenden Ärztinnen und Ärzte geschaffen und da mit den militanten Abtreibungsgegnern Grenzen gesetzt werden. Der § 219a ist längst durch das Bundesverfas sungsgericht als antiquiert eingeschätzt worden und muss schnellstmöglich abgeschafft werden. Wir solidarisieren uns mit Kristina Hänel und Friedrich Stapf.“

Dem kann ich mich nur anschließen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)