Protocol of the Session on November 15, 2017

Tourismus, sondern für alle in Brandenburg Heimischen sehr, sehr relevant.

Das Prinzip der Barrierefreiheit wird sehr häufig nur auf die Zielgruppe der Menschen mit körperlichen Behinderungen be zogen. Die Herstellung von Barrierefreiheit ist aber nicht nur für diese Menschen wichtig, sondern im Interesse aller Men schen. Zu den Personen, für die Barrierefreiheit eine zwingen de Grundvoraussetzung zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeutet, gehören beispielsweise Menschen mit körperlichen Einschränkungen, sensorisch oder Sinnesbehinderte sowie geistig und lernbehinderte Personen und Menschen mit chronischen Erkrankungen. Zu der Perso nengruppe, für die eine barrierefreie Umwelt unbedingt not wendig ist, gehören vor allem Menschen mit Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkung. Das sind zum Beispiel Personen mit vorübergehenden Einschränkungen infolge von Unfällen, El tern mit Kinderwagen, Reisende mit schwerem Gepäck, Fami lien mit kleinen Kindern, aber auch ältere Menschen. Für alle anderen ist eine barrierefreie Umgebung einfach bequemer.

Was wir unter Barrierefreiheit im ÖPNV aber genau verstehen und welche Investitionen dafür insgesamt notwendig sind, muss geklärt werden. Der gesetzlichen Anforderung der voll ständigen Barrierefreiheit bis 2022 müssen wir uns als Land stellen - das ist auch schon angesprochen worden - und auch beschreiben, was wir darunter verstehen. Das ist einer der Gründe, warum wir den CDU-Antrag unterstützen werden.

Barrierefreier Tourismus ist zwar seit vielen Jahren ein Quer schnittsthema in der strategischen Tourismusplanung des Lan des Brandenburg und war ja auch in der aktuellen Landestou rismuskonzeption als gemeinsames Handlungsprinzip enthal ten. Auch die Regierungsfraktionen haben noch vor einem hal ben Jahr hier im Landtag beschlossen, dass die Barrierefreiheit weiterhin selbstverständlicher und qualitätsbestimmender An gebotsbestandteil in neuen und bestehenden Infrastrukturen und Dienstleistungen zu sein habe. Dass sich damit allein die bestehenden Probleme wie zum Beispiel in Eichwalde nicht lö sen lassen, dürfte aber auch klar sein.

Die Regierungskoalition möchte nun laut ihrem Antrag kon krete Umsetzungsschritte für die Entwicklung barrierefreier Angebote in den Kommunen sehen, und sie drängt darauf, den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr stärker zur Her stellung barrierefreier Angebote anzuhalten. Alles richtig - aber warum schreiben Sie nicht auch Dinge in diesen Antrag, die das Land selber tun könnte?

Der Vorschlag von SPD und Linken zur Finanzierung der bar rierefreien Straßenbahn im ÖPNV-Gesetz wird dem in Ihrem heutigen Antrag dargestellten Engagement jedenfalls nicht ge recht - Herr Genilke hat schon angesprochen, warum: weil das Problem sehr viel größer ist. Wir fordern die Koalition daher auf, nicht nur wohlklingende Anträge vorzulegen, sondern auch ihre Politik in Sachen öffentlicher Personennahverkehr entsprechend zu ändern. Barrierefreier Tourismus als Wirt schaftsfaktor braucht nicht nur bessere Vermarktung, sondern auch substanzielle Verbesserungen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und der Abgeordneten Schade [AfD])

Vielen Dank. - Wir kommen jetzt zur Landesregierung. Zu uns spricht Herr Minister Gerber.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Barriere freiheit ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft, nicht zuletzt auch bedingt durch den demografischen Wandel, immer mehr an Bedeutung gewinnt. Barrierefreiheit betrifft nicht nur den Alltag von Menschen mit Mobilitäts- und Aktivitätseinschrän kungen, sondern auch deren Entfaltungsmöglichkeiten in Frei zeit und Urlaub. Deswegen ist die Förderung des barrierefreien Tourismus auch ein gesellschaftliches Thema, nicht nur ein touristisches. Es geht um gesellschaftliche Teilhabe von Men schen mit Einschränkungen.

Seit Beginn der 90er-Jahre setzt sich das Land Brandenburg aktiv für das Thema Barrierefreiheit im Tourismus ein. Als ers tes Bundesland hat Brandenburg 2002 eine Tourismusakade mie gegründet, die einen Schwerpunkt auf genau dieses Thema setzt. Die Tourismusakademie wird seit 2008 als eigenständige Abteilung der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH auch institutionell gefördert. Die TMB hat das Informationssystem „Brandenburg für alle“ entwickelt und arbeitet damit erfolg reich an der Entwicklung und Vermarktung barrierefreier Tou rismusprodukte in Brandenburg.

So liegen heute Informationen zur Barrierefreiheit von über 850 Angeboten im Tourismus vor, die sich an Gäste mit Mobi litäts-, Seh- oder Höreinschränkungen, mit Lernschwierigkei ten bzw. geistigen Behinderungen oder speziellen Ernährungs bedarfen richten. Brandenburg verfügt damit über die mit Ab stand größte Informationsbasis in Deutschland und verfolgt den Weg, Barrierefreiheit in einem Flächenland über alle Ur laubs- und Angebotswelten hinweg zu realisieren.

In den brandenburgischen Reisegebieten wird auch gezielt dar an gearbeitet, regionale barrierefreie Urlaubsserviceketten auf zubauen. Die beiden Regionen Lausitzer Seenland und Ruppi ner Seenland zum Beispiel besitzen hier Vorbildcharakter, ins besondere mit ihren zahlreichen barrierefreien Angeboten im, auf dem und natürlich am Wasser. Die Landesregierung unter stützt Kommunen und Unternehmen, die mehr Barrierefreiheit im Tourismus schaffen. Zwei Beispiele sind schon genannt worden. Eins davon war das Ausflugsschiff in Rheinsberg, das rollstuhlgerecht umgebaut wurde. Ich war bei der Inbetrieb nahme nach dem Umbau dabei. Das ist eine ganz tolle Sache.

Zur Förderung gab es ja die Frage von Herrn Bommert und ei ne Kritik von Frau Schinowsky, dass die Barrierefreiheit in den Förderungen nicht vorgesehen sei. In der GRW, wo wir touris tische Infrastruktur fördern, ist die Barrierefreiheit seit vielen Jahren zwingende Voraussetzung, um eine Förderung zu be kommen. Wenn das nicht Bestandteil des Vorhabens ist, gibt es kein Geld.

Meine Damen und Herren! Barrierefreiheit ist als Querschnitts thema - das ist gesagt worden - in der Tourismuskonzeption verankert. In allen sechs Handlungsfeldern der Konzeption bringen wir die Barrierefreiheit voran. Den bestehenden Leit

faden werden wir aktualisieren, um konkrete Handlungsemp fehlungen zum weiteren Ausbau der Infrastruktur und zur Ent wicklung barrierefreier Tourismusprodukte zu geben. Dabei verbinden sich das gesellschaftliche Ziel der Teilhabe aller Menschen und die Interessen der Tourismusunternehmen, die durch die Gewinnung entsprechender Gäste dann natürlich auch Wertschöpfung erzielen. Es handelt sich also um eine Si tuation, wo beide Seiten gewinnen können.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag zeigt das Potenzial des barrierefreien Tourismus in Brandenburg auf und ist darauf ausgerichtet, die Unternehmen und Kommunen bei ihrem Engagement zu unterstützen und somit die bundesweite Vorreiterrolle Brandenburgs in diesem Bereich zu festigen. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Frau Hackenschmidt hat noch zwei Minuten für einen kurzen Beitrag. Bitte.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Schade, wenn Sie sagen, die TMB arbeite ganz passabel, so, finde ich, ist das schon fast eine Beleidigung. Ich denke, wir müssen ein mal ein paar Jahre zurückgehen: Da hat dieser Landtag be schlossen, die TMB als Institution, als Dienstleister zu grün den. Es war immer umstritten, auch von Oppositionskollegin nen und -kollegen, und es hat sich gezeigt, dass es der richtige Schritt war, denn die TMB ist erfolgreich.

Der Minister hat gerade gesagt, dass wir dann die Akademie gegründet haben. Sie ist erfolgreich, und zwar auch mit den Angeboten für die Barrierefreiheit als wichtige Informations- und Qualifizierungsstrecke.

Das Dritte: Die Barrierefreiheit ist seit 2008 durch die EU vor geschrieben. Ohne sie gibt es keine Förderung. Ich hatte es vorhin auch noch einmal gesagt: keine extra Förderrichtlinie. Bezüglich dessen, dass nur auf die ÖPNV-Struktur abgezielt wird - der Kollege Loehr hat darauf hingewiesen -, ist zu sa gen: Wir sind dazu im Gespräch. Ich hoffe auf das Dezemberplenum. Es ist an der präzisen Definition der Barrierefreiheit gescheitert. Ich sage es noch einmal: Es ist ein Querschnitts thema, das sowohl im Wohnungsbau als auch bei öffentlichen Gebäuden etc. berücksichtigt werden muss. Der Bund hat sich geweigert, eine einheitliche Definition vorzulegen.

Ich bin froh, dass der Verband der Verkehrsunternehmen die Zusammenstellung eines Regelwerkes, das sich damit beschäf tigt, vorgelegt hat. Wir sollten uns daran orientieren. Die Län der sind dabei, es umzusetzen. Ich glaube, es wird Zeit, dass man sich auf diesen Punkt einigt und nicht zu lange über die Regularien streitet.

Ich bin froh, dass wir als politisches Gremium darüber spre chen. Der Landtag hat die Landesregierung aufgefordert, an diesem Thema zu arbeiten. Man muss Bilanz ziehen, natürlich, um zu gucken, ob man im nächsten Haushalt Schwerpunkte setzt. Ich glaube, es ist wichtig, den Tourismus weiter finanzi ell zu unterstützen. Da machen solche Anträge, dank derer man

darüber redet, wie erfolgreich es war oder nicht, Sinn, damit die Mehrheit der parlamentarischen Kollegen es mitnehmen und eventuell unterstützen kann. - Danke.

(Beifall SPD sowie der Abgeordneten Schwarzenberg und Dr. Bernig [DIE LINKE])

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Es liegen zwei Anträge vor. Zum Ersten stimmen wir über den Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE auf Drucksache 6/7525 - Wirtschaftsfaktor Barrie refreiheit - Die Vorreiterrolle Brandenburgs im barrierefreien Tourismus weiter stärken - ab. Wer dem Antrag folgt, denn bit te ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltun gen? - Damit ist dem Antrag mehrheitlich gefolgt worden.

Zum Zweiten lasse ich über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion ohne eigenen Titel auf Drucksache 6/7614 ab stimmen. Wer ihm folgt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschlie ßungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungs punkt 5 auf:

Neustart statt Stillstand - Auflösung des Landtages und Neuwahlen für Brandenburg

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 6/7582

in Verbindung damit:

Auflösung des Landtages Brandenburg

Antrag der Fraktion der AfD

Drucksache 6/7583

Die Aussprache eröffnet Dr. Redmann. Er spricht für die CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Auflösung des Landtages, über die wir hier beraten, ist ein Antrag mit Ausnahmecharakter.

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE: Ja!)

So sagt es zu Recht Hasso Lieber, fast schon poetisch, in sei nem Kommentar zur brandenburgischen Landesverfassung.

Was begründet diesen Ausnahmecharakter? Ganz sicher nicht begründen ihn Umfragen. Es wäre auch kaum denkbar, dass zwei Drittel des Landtages Brandenburg plötzlich von positi ven Umfragen betroffen wären. Den Ausnahmecharakter be gründet auch nicht die Aussicht darauf, mit einem Direktman dat den Wahlkreis zu gewinnen, oder die Angst, den Wahlkreis

bei einer kommenden Wahl zu verlieren. Irrelevant ist auch die Ambition auf einen Platz auf der Regierungsbank

(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Ach! - Lachen bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

oder die Angst, dass die eigene Lebensplanung durcheinander geworfen wird.

(Zuruf: Da muss er selber lachen!)

Meine Damen und Herren von der Koalition, die einzig rele vante Frage im Zusammenhang mit diesem Antrag ist: Haben Sie von der Koalition die Kraft, den Willen und sind Sie in der Lage, in Zukunft, in der verbleibenden Zeit der Legislaturperiode dem Wohle der Menschen des Landes zu dienen,

(Bischoff [SPD]: Ja!)

ihren Nutzen zu mehren und Schaden von ihnen zu wenden?

(Zurufe: Antwort auf alle Fragen: Ja!)

- Na? Nicht so voreilig!

Mit Blick auf die heutige Debatte kann man da doch einige Zweifel bekommen. Noch vor wenigen Monaten wurde der Ministerpräsident, dessen zentrale Reform dieser Legislaturpe riode ja gerade krachend gescheitert ist, von den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ gefragt: Mit Ihnen wird die Reform nicht beerdigt? - Und er antwortete darauf das Folgende:

„Ich soll sagen, ‚Ach nee, wir machen es jetzt nicht, weil es Widerstand gibt‘? Deshalb nehmen wir alles einfach wieder vom Tisch und machen womöglich nie wieder et was in diese Richtung? Für mich ist das unvorstellbar. Die Reform wird nicht abgeblasen.“