Wie wirkt das Präventionsgesetz? Diese Frage müssen wir uns tatsächlich stellen. Ist das, was wir machen, wirksam? Kommt das in der Fläche an? Auch das soll der Bericht der Landesre gierung beantworten. Denn wir müssen wissen, welche diabe tesbezogenen Aktivitäten es im Land in der Fläche gibt, ob sie nachhaltig sind, wo sie gestärkt und wo sie unterstützt werden müssen.
Eines möchte ich noch deutlich machen: Bei allem Engage ment dürfen wir die Verantwortung nicht dem Ehrenamt auf bürden. Die Bündnisse „Gesund aufwachsen“, „Gesund älter werden“ und die Netzwerke „Gesunde Kinder“ leisten hervor ragende Arbeit, für die ich mich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bedanken möchte.
Brandenburg leistet auch seinen Beitrag zur Diabetesfor schung. Herr Nowka, Sie nannten schon das DIfE, das Deut sche Institut für Ernährungsforschung. Ja, es ist richtig, dort ist seit 2014 eine Gruppe der Nationalen Kohorte am Studienzent rum. Hier wird intensiv geforscht. Bislang wurden dort 500 Brandenburger untersucht, also auch ein Teil Brandenbur ger Kohorte, woraus wir wieder Rückschlüsse ziehen können.
Das bedeutet, über Indikatoren - wie Häufigkeiten, Neuerkran kungen, Lebensqualität, Aktivität und Verhalten - gibt es eine Menge Daten. Eine Diabetes-Surveillance, die auch regionale Analysen ermöglicht, fehlt allerdings. Daher ist eine Forderung unseres Antrags, dass sich die Landesregierung für deren Auf bau einsetzt. Wir brauchen Daten für Taten, und das in Bran denburg.
Wir wissen alle, dass ein gesunder Lebensstil - also Bewegung und ausgewogene Ernährung - dazu führt, dass wir gesund bleiben, zumindest verschont von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes. Doch wer verzichtet schon gerne auf seine leckere Pizza oder das Glas Rotwein am Abend?
Wenn ich jetzt frage, wer nach der Plenarsitzung am heutigen Abend noch seine Sportrunde dreht - da geht ein Finger hoch -, wird sich wohl zeigen, dass die Motivation zu dieser Aktivität heute bei vielen nicht mehr so hoch ist.
Wenn wir das schon nicht schaffen, wie ist es dann bei Kindern und Jugendlichen? Übergewicht und Adipositas stellen nach wie vor auch im Kindes- und Jugendalter ernstzunehmende Ri sikofaktoren für die Erkrankung an Diabetes dar. Damit gerät die Gesundheit in ein Spannungsverhältnis: Jedes Jahr verdient die Lebensmittelindustrie Milliarden am Verkauf zuckerhalti ger Lebensmittel. Jedes Jahr steigt die Zahl der Menschen, die an Diabetes Typ 2 erkranken. Auf der einen Seite gibt es also die Zuckerlobby. Sie schiebt die Verantwortung zu den Ver brauchern und plädiert dafür, bei der Bildung anzusetzen und die Eigenverantwortung und die Kompetenz des Einzelnen zu stärken. Sie bezeichnet eine Sondersteuer auf Zuckergetränke als Symbolpolitik. Auf der anderen Seite stehen die medizini schen Fachgesellschaften und Ernährungsexperten, die konsta tieren, dass Bildung und Aufklärung richtig und wichtig, aber nicht hinreichend sind. Nach ihrer Einschätzung brauchen wir Lebensverhältnisse, die die gesunde Wahl erleichtern: bessere Kennzeichnung, bessere Rezepturen, weniger manipulatives Marketing.
Aus meiner Sicht braucht man beides: regulative Elemente, wie eine Zuckersteuer, Fettsteuer oder ein Werbeverbot für zu ckerhaltige Getränke, und andererseits die Stärkung der Ge sundheitskompetenz in der frühen Sozialisation, dort, wo Kin der gesundheitsbewusstes Verhalten am besten lernen. Viele Maßnahmen davon fallen aber in die Zuständigkeit des Bun des. Genau deshalb benötigen wir neben der Brandenburger Expertise die nationale Diabetes-Strategie. Nur mit ihr können wir dem UN-Ziel, die Sterblichkeit bei den nicht übertragba ren Krankheiten bis 2030 um ein Drittel zu senken, näherkom men.
In der Anhörung im Gesundheitsausschuss im Dezember 2015 wurde von der Brandenburger Diabetes Gesellschaft der Wunsch nach einem parlamentarischen Dialog formuliert. Auch wenn sich dieser nicht explizit in unserem Antrag wiederfindet, so seien Sie gewiss: Wir werden im Dialog mit Ihnen bleiben. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg im Kampf gegen den Diabetes mellitus - für die Gesundheit unserer Brandenburger, für ein gesundes Brandenburg!
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Dr. van Raemdonck für die AfD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Ab geordnete! Liebe Gäste! Liebe Frau Müller, Sie haben das The ma Rotwein angesprochen. Dazu will ich sagen: Das ist eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt. Sie dürfen nur nicht immer den süßen trinken. Da gibt es trockene Sorten, und die
sind wirklich gesundheitserhaltend. Am Mittelmeer werden die Leute steinalt - zwischen 90 und 100 Jahre.
Ich frage mich, wieso sich CDU, SPD und Linke nicht auf ei nen gemeinsamen Antrag geeinigt haben. Das wäre viel sinn voller gewesen, als zwei Anträge einzubringen, die beide medi zinisch nicht korrekt sind.
Nach Auffassung der AfD-Fraktion sind die beiden DiabetesTypen 1 und 2 getrennt zu behandeln, und zwar deutlich ge trennt.
Sehr verwunderlich ist, dass dem zuständigen Ministerium von Frau Golze trotz der bekannten Zunahme an Erkrankungen of fenbar keine validen, strukturierten Daten für Brandenburg vorliegen. Da fragt man sich: Müssen hier wirklich die Regie rungsfraktionen der eigenen Gesundheitsministerin den Marsch blasen?
Der Antrag der CDU-Fraktion verbindet die Notwendigkeit va lider Daten mit einem Aktionismus, der an der Lebenswirklich keit der Betroffenen vorbeigeht. Dem Antrag fehlen praktische Möglichkeiten der Verbesserung der Behandlung von Diabetes Typ 1 durch Verständnis und Stärkung der Selbstmanagement fähigkeiten von Eltern und betroffenen Kindern und Jugendli chen.
Die Therapie des Typs 1 ist immer mit Insulininjektionen und einer entsprechenden, auf injizierte Insulinmengen ausgerich teten Aufnahme von Kohlenhydraten mit der Nahrung verbun den. Nicht nur zu hohe, sondern besonders zu niedrige Blutzu ckerwerte sind schnell lebensgefährlich. In der Anfangszeit der Therapie ist daher eine ständige Begleitung der betroffenen Kinder und Jugendlichen, die noch über kein Verständnis der Spritz- und Esszusammenhänge verfügen, erforderlich.
In der Regel bezahlen die Krankenkassen die notwendige Menge an Blutzuckermessstreifen. Ärzte versuchen jedoch häufig, hier einzusparen. Dem sollte unbedingt entgegengewirkt werden.
Der Diabetes Typ 2 bleibt bei den Betroffenen oft länger unent deckt. Zahlenmäßig ist das das größte Problem. Dem sollten Ärzte und Krankenkassen mit obligatorischen Blutzuckertests, die keine Minute benötigen, begegnen. Dieser Test kostet im Übrigen nur ca. 50 Cent.
Meist sind die Patienten mit einem Typ-2-Diabetes älter. Wenn die Ärzte sich scheuen, mit Insulin zu therapieren, wird die Le bensqualität bezüglich des Essens stark eingeschränkt. Dies akzeptieren die Betroffenen in der Regel wenig, denn - so sagt man -: Das Essen ersetzt den Sex im Altersheim.
Die aufgelisteten Folgeerkrankungen eines nichtbehandelten bzw. schlecht eingestellten Diabetes hängen leider nicht vom Vorhan densein eines guten Therapiestandards ab, sondern von dem tägli chen Umgang des Betroffenen mit seiner Krankheit selbst.
Das Problem Diabetes kann und sollte sogar ein Forschungs thema für den Gesundheitscampus Brandenburg sein. Dieser Aspekt wird im Antrag von SPD und DIE LINKE angespro chen. Das ist durchaus vernünftig.
Anfangs steht der Typ-2-Diabetes im Vordergrund. Weiter fehlt jegliche Differenzierung, was leider deutlich macht, dass hier das Verständnis für diese Krankheit fehlt. Sie hätten sich vor der Abfassung vielleicht besser von einem Diabetologen bera ten lassen sollen.
Dass wir beim Diabetes Typ 2 präventiv vorgehen sollten, dürfte unstrittig sein. Ein Wettlauf um Berichte und Beiräte ist aber sicherlich nicht zielführend.
Weil die persönlichen Freiheiten und Entscheidungen der Bür ger zu achten sind, muss die Prävention darauf abzielen, dass die Betroffenen selbst eine Änderung wollen. Insbesondere das besorgniserregende Phänomen eines verfrühten Typ-2-Diabe tes bei Kindern und Jugendlichen, die zu dick sind, muss mehr im Fokus der Prävention stehen. Erinnert sei hier an den AfDAntrag für das Schulobstprogramm.
Besser als zusätzliche Onlineplattformen oder Beiräte sind er fahrene Ansprechpartner für lebensnahe Problemlösungen.
Bei den Anträgen der CDU-Fraktion sowie der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE werden wir uns enthalten, da sie uns aus den angeführten Gründen nicht überzeugt haben. Es wäre aber wünschenswert, wenn Sie das Thema der Volks krankheiten über Diabetes hinaus zukünftig auch in Zusam menarbeit mit der AfD-Fraktion anpacken und eine gemeinsa me Strategie für Brandenburg entwickeln würden. Wir stehen dafür bereit. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Fortunato für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Vielleicht kennen Sie diesen flotten Spruch: Ach, gehörst du jetzt auch zu den Süßen? - Das sagt sich so leicht daher, ist aber für die Betroffenen leider ein gro ßes Problem - wie wir gehört haben, ein oft lebensbedrohliches Problem.
Wenn es auch nicht ungewöhnlich ist, dass im Landtag zwei ähnliche Anträge - einer von den Koalitionsfraktionen und ei ner von der CDU-Fraktion - zum Thema vorliegen, ist es doch nicht alltäglich, dass es um eine spezielle Krankheit geht.
Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen: Diabetes ist eine sogenannte Volkskrankheit, die häufig zum Tode führt. Die Prävalenz nimmt zu. Darauf muss die Gesundheitspolitik in der Gesundheitsversorgung und Prävention sowie in der Versorgung reagieren.
Die Brandenburger Diabetes Gesellschaft und der Landesver band des Deutschen Diabetiker Bundes haben uns in der
11. Sitzung des Fachausschusses über die Folgen unzureichend kontrollierten Diabetes und über das erhöhte Risiko eines lang fristig unentdeckten Diabetes informiert und Handlungsbedarf aufgezeigt. Sie berichteten über eine verminderte Lebensquali tät und eine verminderte Lebenserwartung der Betroffenen so wie über die hohen Kosten für das Gesundheitssystem.
Die Entstehung von Diabetes ist nicht vollständig geklärt. Wis senschaftlich unbestritten ist jedoch - ich zitiere aus dem Lehr buch für Gesundheits- und Sozialberufe von Prof. Dr. med. David Klemperer -:
„Die Gesundheit einer Gesellschaft hängt mehr von der gleichmäßigen Verteilung des Wohlstandes ab als vom absoluten Wohlstandsniveau.“
Wir haben es gehört: Rund 8 Millionen Menschen in Deutsch land sind an Diabetes erkrankt. Arme sind öfter betroffen als Reiche. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass der Geldbeutel sagt, ob man sich gesund ernähren kann oder nicht. Wer mit offenen Augen in seinem Heimatort oder in seinem Wahlkreis unterwegs ist, dem fällt sehr wohl auf, dass ärmere Familien beim Lebensmitteleinkauf eher zu den Produkten greifen, die im Angebot sind. Dabei spielt es für sie nur eine untergeordne te Rolle, wie viel Zucker oder wie viel Fett darin enthalten ist oder ob es sogenanntes Fast Food ist. Wichtiger ist für sie, was es kostet und ob sie es sich leisten können.
Frauen und Männer mit niedrigerem Sozialstatus haben erwie senermaßen ein höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken. Der Begriff Wohlstandskrankheit ist im Zusammenhang mit Diabe tes deshalb sehr irreführend. Denn von Armut Betroffene oder Gefährdete ernähren sich ungünstiger und bewegen sich weni ger. Das ist erwiesen.
Armut und soziale Ungleichheiten in Deutschland wachsen. Deshalb plädieren Fachleute wie die Deutsche Diabetes-Hilfe dafür, den sozialen und sozial bedingten Unterschieden in der Krankheitshäufigkeit, bezogen auf eine bestimmte Bevölke rungsgruppe, einen herausgehobenen Stellenwert einzuräu men. Dies sollte unseres Erachtens im Zentrum einer nationa len Diabetes-Strategie stehen.
Das Erkrankungsrisiko von Diabetes mellitus Typ 2 zu verrin gern, Erkrankungen früh zu erkennen und zu behandeln, gehört zu den nationalen Gesundheitszielen. Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung dieses Zieles sind belastbare Daten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Nur auf dieser Grundlage ge sicherter und verlässlicher Daten kann Politik handeln. Des halb unser Antrag.