Darin machen wir - erstens - deutlich: Wir können die in Punkt 1 der Volksinitiative formulierten Zielrichtungen nach vollziehen. Auch wenn wir den Leitbildbeschluss formell nicht aufheben können, sichern wir zu - und das haben wir Vertrete rinnen und Vertreterinnen der Volksinitiative auch schon zuge sichert -, dass im Zusammenhang mit der parlamentarischen Anhörung zur Funktionalreform sowie zum Kreisneugliede rungsgesetz eine umfassende Abwägung erfolgen wird.
Zweitens: Punkt 2 der Volksinitiative setzt für die Neugliede rung der Landkreise und kreisfreien Städte deren ausdrückliche Zustimmung voraus.
Dem stimmen wir ausdrücklich nicht zu. Wir sind überzeugt, dass wir eine Kommunalstrukturreform brauchen, um eine leistungsstarke und zukunftsfeste Verwaltung in unserem Land zu erhalten.
Brandenburg wächst und schrumpft regional unterschiedlich - und das mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Das merken die Menschen in unserem Land, und deshalb verstehen sie auch, dass Verwaltung darauf reagieren muss und nicht unver ändert bleiben kann.
Diesen Reformbedarf werden wir durch freiwillige Kooperati on allein nicht decken können. Auch wenn die CDU das immer und immer wieder behauptet: Sie haben bis heute die Frage nicht beantwortet, wie freiwillige Kooperation aussehen soll, wenn der eine Landkreis etwa will, sein Nachbar aber nicht. Vielleicht nutzen Sie heute die Gelegenheit, diese Frage zu be antworten.
Drittens: In Punkt 3 der Volksinitiative wird die Landesregie rung aufgefordert, ein Konzept zur Verbesserung der Leis tungsfähigkeit der Kommunalverwaltungen mittels interkom
munaler Zusammenarbeit zu erarbeiten. Dem stimmen wir zu, denn die Verbesserung der Möglichkeiten für interkommunale Zusammenarbeit ist eine stetige und fortwährend Aufgabe.
Herr Präsident, ich möchte zu Ende ausführen. - Wir fordern die Landesregierung deshalb mit unserem Entschließungsan trag auf, ein Konzept zur Verbesserung der interkommunalen Zusammenarbeit zu erarbeiten und dem Landtag zuzuleiten.
Verehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Koalitionsfraktionen haben zur heutigen Bera tung einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die Landesre gierung auffordert, bei der Erarbeitung der Reformgesetze die eingehenden Stellungnahmen der Landkreise und kreisfreien Städte intensiv auszuwerten und in der Abwägung zu berück sichtigen. Wir erwarten von der Landesregierung, dass der rechtliche Rahmen des Leitbildes so weit wie möglich zuguns ten der betroffenen Landkreise ausgeschöpft wird. Weil gerade das Ehrenamt die tragende Säule für unsere Gesellschaft ist, vor allem in der kommunalen Politik, müssen der Erhalt und die Förderung des ehrenamtlichen Engagements bei all diesen Überlegungen zur Kreisreform mit bedacht werden.
Wir wollen deshalb ein Berichtswesen installieren, um die Auswirkungen der Kreisneugliederung auf das kommunale Eh renamt stetig zu beobachten, und wir erwarten konkrete Vor schläge, um die Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten in den Kreistagen zu verbessern. Dazu hat es schon Gespräche mit den Vorsitzenden der Kreistage gegeben.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Landtag hat heute darüber zu entscheiden, ob wir die Volksinitiative in allen Punkten annehmen. Ich beto ne dies, weil unser Volksabstimmungsgesetz und unsere Ver fassung eine nur teilweise Annahme einer Volksinitiative nicht vorsehen. Ich habe dargestellt, warum wir der Nummer 2 der Volksinitiative nicht zustimmen können. Weil man eben nur komplett zustimmen oder ablehnen kann, lehnen wir die Volks initiative ab.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, viele Bürgerinnen und Bürger haben ihre Bedenken gegen eine Reform der kommu nalen Verwaltung zum Ausdruck gebracht. Wir erkennen darin die starke Verbindung und die Identifikation der Menschen mit ihren Städten, ihren Gemeinden und Landkreisen. Veränderun gen sind nicht immer leicht und meist auch unbeliebt. Ich sage aber auch, Heimat braucht Zukunft. Deshalb brauchen wir die se Reform in Brandenburg, und dafür werde ich weiterhin bei jeder Bürgerin und jedem Bürger in unserem Land werben. - Herzlichen Dank.
Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Vertreter der Volksinitiative, herzlich willkommen im Brandenburger Landtag! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen keine Kreisreform!
Genau das sagen wir. Aber noch wichtiger: Genau das sagen 129 464 Brandenburgerinnen und Brandenburger. Meine Da men und Herren von SPD und DIE LINKE, auch wenn Sie heute mit Ihren wohlformulierten Worten den Eindruck er weckt haben, Sie haben sich zu keinem Zeitpunkt - ich betone: zu keinem Zeitpunkt! - ernsthaft mit diesen 129 464 Meinun gen auseinandergesetzt.
Sie haben sich zu keinem Zeitpunkt gefragt, warum der Flei schermeister in Lychen oder der Bäckermeister in Neuruppin Unterschriftenlisten ausgelegt haben. Sie haben sich zu keinem Zeitpunkt gefragt, warum das DRK in Prenzlau oder die Künst ler aus dem Theater in Cottbus Unterschriftenlisten übergeben haben. Sie haben sich diese Fragen nicht einmal gestellt. Deswe gen sage ich Ihnen, was die Menschen von Ihnen verlangen. Sie haben Ihnen nämlich sagen wollen, dass 14 Landkreise und vier kreisfreie Städte zur Brandenburger Heimat dazugehören - so, wie wir Brandenburg heute kennen, meine Damen und Herren.
Ich sage Ihnen auch: Die Brandenburger fühlen doch, auch wenn sie vielleicht nicht jedes Detail aus unseren Beratungen und Gesprächen kennen, dass diese Kreisreform mehr ist als eine Veränderung der Landkreiskarte. Es geht nämlich darum, dass Sie ihnen nicht die Wahrheit sagen. Am Ende geht es um die Frage der Schulstandorte, der Busverkehre, der Musikschu len,
und hier dazwischenrufen, sage ich Ihnen, Ihr Zentralismuswahn wird keine Antworten auf die Fragen liefern, die Brandenburg morgen und übermorgen beschäftigen. Keine Antwort darauf!
Der Punkt ist doch - wir haben das gestern in der Debatte ge hört, Funklöcher, Abiturprüfungen, Chaos - folgender: Es gibt in diesem Land so viel zu tun. Was wir nicht brauchen, ist eine Neudefinition von Landkreisen und kreisfreien Städten, son dern wir brauchen eine Neudefinition von Landleben in Bran denburg. Das Landleben für unsere Brandenburgerinnen und Brandenburger müssen wir neu erfinden.
Das Signal, das Sie aussenden, ist nichts anderes, als dass Sie den Leuten vor Ort in Ihrem Ehrgeiz, Dinge vor Ort zu gestal ten, keine Kompetenz zutrauen, ihnen nicht vertrauen.
Die Unterschriften sind nicht gegen jede Veränderung im Land Brandenburg gerichtet, sondern es ist ein Votum gegen Ihre Bevormundung aus Potsdam, die die Brandenburger satthaben. Das sage ich Ihnen. Das ist das Signal.
Es kommt noch etwas hinzu. Draußen im Land steigen dank der Sonne die Temperaturen. Das, was Sie machen, ist kalte Rhetorik: zusammenlegen, zentralisieren, abwickeln! Das ist das Leitbild Woidke. Das wollen die Brandenburger nicht. Das sage ich Ihnen.
Ich weiß nicht, wer die Erfahrung teilen kann. Ich habe in mei ner politischen Zeit unter anderem elf Jahre ehrenamtlich als Bürgermeister meiner Heimatstadt fungieren dürfen. Wenn ich etwas gelernt habe, dann Folgendes: Nach drei Tagen Potsdam hatte ich das Gefühl: „Was haben wir Tolles bewegt!“ Ich kom me nach Hause und stelle fest, dass die Ortrander und alle an deren in den Heimatstädten andere Sorgen haben, dass sie das, was wir diskutieren, nicht immer als das Wichtige im Leben empfinden.
Deswegen geht es um die entscheidende Frage: Was wollen wir? Ich möchte ein Brandenburg, das sich entwickeln kann, in dem Bürger sich engagieren können, in dem wir ihnen Freiräu
me lassen und sie nicht aus Potsdam bevormunden. Das ist mein Leitbild. Sie haben ein anderes. Genau darum geht es auch heute, meine Damen und Herren.