Protocol of the Session on May 18, 2017

(Vereinzelt Heiterkeit CDU)

Schauen Sie sich doch einmal an, wie Sie die Landesregierung bitten, das eine oder andere in dieser Angelegenheit zu beglei ten, zu ermöglichen, zu prüfen oder zu berücksichtigen: keine Fristen, keine Ziele, keine Erfolgskontrolle - gar nichts. Die Landesregierung kann mit diesem Antrag machen, was sie will.

(Wichmann [CDU]: Abheften!)

- Zum Beispiel abheften.

(Vereinzelt Heiterkeit - Beifall CDU und AfD)

Sie kann den Antrag auch freundlich behandeln.

(Zuruf: Genau!)

Ich gehe auch davon aus, dass die Landesregierung daran be teiligt war. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum der An trag so aussieht - weil die Landesregierung daran beteiligt war.

(Heiterkeit CDU und AfD - Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])

Es ist eigentlich schade, denn es ist ein wichtiges Thema. Mir fällt einiges ein, was man noch in den Antrag hätte schreiben können - zum Beispiel, dass man Industriekultur nicht als blo ßen Denkmalschutz betrachtet; Schaffung neuer Museen, die wir staatlich fördern. Viel wichtiger ist für mich zum Beispiel die Erschließung alter Industriebauten und Flächen für die wirtschaftliche Nutzung.

(Beifall CDU und AfD)

Denkmalschutz bei der Produktion in historischen Gebäuden - wenn man durch Berlin fährt, sieht man das in Adlershof - ist oft wunderbar. Es birgt zwar häufig einen Zielkonflikt, manch mal ist es aber auch nutzbringend, dort zu produzieren. Des halb muss beispielsweise der Erhalt historischer Bausubstanz meiner Ansicht nach in ein solches Gesamtkonzept einbezogen werden. Alte Werkhallen, Backfabriken und Brauereien bieten sich für Start-up-Unternehmen an, die wollen da geradezu hin. Das hätte man doch alles mit in den Antrag schreiben können.

(Barthel [SPD]: Das steht drin!)

Das wäre eine klare Zielsetzung, das auch zu fördern.

Ich finde es ein bisschen schade. Ganz ehrlich, Kollege Bar thel, bei dem Antrag hätten Sie gegenüber der Landesregierung einfach etwas selbstbewusster sein sollen. Die bringt Sie doch auch nicht um. Es fehlt ein bisschen Standing und die Ansage: Das wollen wir, das sind die Ziele; bis dann habt ihr ein Kon zept vorzulegen, das gucken wir uns dann an, diskutieren es im Wirtschaftsausschuss und machen dazu eine tolle Anhörung; dann bringen wir etwas auf den Weg. - Schade, aber wir stim men zu, weil das Anliegen ein gutes Anliegen ist; wir unterstüt zen das selbstverständlich. Es schadet nicht. - Danke schön.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜ NE])

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Loehr.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Gäste! Verehrte Kollegin nen und Kollegen! Das Thema Industriekultur steht nicht - wie andere Themen - immer im Fokus. Herr Homeyer, wir sind uns auch über die Bedeutung von Industrie und Industriearbeits plätzen völlig einig. Und trotzdem glaube ich nicht, dass es notwendig ist, das jedes Mal hier im Plenum zu wiederholen.

(Vereinzelt Beifall SPD - Zuruf des Abgeordneten Ho- meyer [CDU])

Es geht um Industriekultur. Es geht nicht um die Konservie rung der Vergangenheit, sondern um wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Werte, die im Land Brandenburg einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen, und zwar - da sind wir, denke ich, alle einer Meinung - für die Neuansiedlung von Produktion, Dienstleistungen und Gewerbe, für die bauli che Entwicklung der Städte, für neue Wohnformen und auch für die kulturtouristische Nutzung. Es geht um die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und unser Blick ist eher nach vorn gerichtet.

Dieser Antrag ist - da gebe ich Ihnen Recht - nur ein erster Schritt, sich diesem Thema zu nähern. Er stellt kein umfassendes Konzept dar und erhebt auch nicht den Anspruch auf Vollstän digkeit. Es geht uns um Kooperation und ressortübergreifende Zusammenarbeit, um Kooperation mit Berlin - beispielsweise mit dem Zentrum für Industriekultur -, aber auch mit Sachsen.

(Homeyer [CDU]: Steht da aber nicht!)

Sachsen hat bereits 2009 einen wissenschaftlichen Beirat für Industriekultur berufen und drei Jahre später eine eigene Stif tung auf den Weg gebracht.

(Homeyer [CDU]: Das steht da aber nicht!)

- Berlin und Sachsen finden Sie im Antrag, Herr Homeyer, schauen Sie bitte nach.

Wir dürfen Industriekultur auch nicht als Einzelthema verste hen. Ein gemeinsames Zwischenziel wäre es aus meiner Sicht, zu versuchen, ein Netzwerk Industriekultur zu schaffen, das über den jetzigen touristischen Rahmen hinausgeht. Dafür brauchen wir nach meinem Dafürhalten auch Partner außerhalb der Politik und der Landesregierung. Ich möchte uns allen da beispielsweise das Institut für Neue Industriekultur, die INIK GmbH, in Cottbus empfehlen. Es kann zahlreiche Projekte aus dem In- und Ausland vorweisen, wo es im Schwerpunkt um die Nachnutzung historischer Industriebauten geht, aber auch um ganz praktische Projekte wie den Umbau einer historischen Schule in Fürstenwalde oder die Erstellung eines energetischen Quartierkonzepts für die Stadt Eisenhüttenstadt.

Es geht um strategisches Planen und Entwerfen, um Bauwerkserhaltung und Denkmalschutz, aber auch um Stadtumbau und Strukturwandel. Wir reden über Klimawandel und energetische Stadtentwicklung, Partizipation und Beteiligungsforschung so wie über regionale Ökonomie und Kulturtourismus. Wir ste hen, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Bearbei tung dieses Themas als Gesamtaufgabe nach meinem Dafür halten noch am Anfang. Es wäre schön, wenn wir Sie dafür gewinnen könnten und Sie alle daran mitwirkten. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD sowie der Abge ordneten Schinowsky [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Schade.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kollegen! Liebe Gäs te! „Stärkung und bessere Nutzung der Industriekultur in Bran denburg“ - meine Damen und Herren, dieser Antrag kommt sechs Jahre zu spät. Denn wie uns allen bekannt ist, liegt seit Ende November 2010 ein Bericht vor, der die wesentlichen Punkte des Antrags bereits umfasst und für meine Begriffe qualitativ äußerst hochwertig erstellt wurde.

(Die Abgeordnete Schade zeigt ein Exemplar des Be richts.)

Nach sechs Jahren nehmen nun die Regierungsfraktionen die Schlussfolgerungen des Endberichtes auf. Und ich frage: Wa ren sie bisher untätig? Wir hätten erwartet, dass sie die Hand lungsempfehlungen bereits in Angriff genommen haben

(Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])

und nun eine Bilanz der umgesetzten Maßnahmen vorlegen können. Denn Optimierungsbedarf sah man schon 2010 bei der Koordinierung des Themas Industriekultur auf Landesebene.

In dem Bericht wurde unter anderem ein runder Tisch ange regt, der sinnvollerweise auf Initiative des Wirtschaftsministe riums einberufen werden sollte. Ist das passiert? Wenn ja: Mit welchem Ergebnis? Wenn nein: Warum nicht, wenn es doch so wichtig ist, Herr Barthel? Es wurde festgestellt, dass das The ma Industriekultur auch auf dem Tisch der TMB liegt. Welche der Handlungsempfehlungen hat sie bisher umgesetzt? Und auch dort die Frage: Mit welchem Ergebnis?

Der heutige Antrag möchte die Industriekultur noch mehr in den Fokus touristischer Aktivitäten rücken bzw. diese für eine weitere Nutzung erschließen. Und deshalb ist er so notwendig, Herr Barthel?

Es soll nun überlegt werden, wie man erhaltenswerte Objekte gleichzeitig auch anderweitig nutzen, wie man diese Projekte besser in Förderprogramme einbinden kann. Diese Ansätze be grüßen wir grundsätzlich. Wir denken, dass die Flexibilisie rung des Denkmalschutzes insoweit der richtige Weg ist.

Aber kommen wir noch einmal auf diesen wunderbaren Bericht von 2010 „Potenziale der Industriekultur in Brandenburg“ zu rück. Er forderte bereits die Stärkung des Bestandes durch Ver besserung der Qualität und Intensivierung der Vermarktung. Er forderte bereits eine geeignete Nachfolgenutzung industrieller Standorte. Er forderte bereits eine Vernetzung der Akteure. Er forderte die Koordinierung durch die Ministerien für Wirtschaft und für Kultur sowie die Schaffung eines Netzwerkes für Ehren amtler - all das sind Aspekte, die bereits 2010 bekannt waren.

Nun kommt heute, im Jahr 2017, der Antrag der Regierungsko alition, die ja mitverantwortlich dafür ist, dass schützenswerte Objekte seit Jahren von Verwahrlosung betroffen sind, daher. Ich frage Sie: Warum mussten die Beelitzer Heilstätten so ver kommen, dass sie nur noch als Kulisse dienen können? Warum ist die Landesregierung beim Erhalt der ehemaligen Heeresver suchsanstalt in Kummersdorf-Gut untätig geblieben? Diese wartet seit Jahren darauf, touristisch erschlossen zu werden. Ein weiteres Beispiel sind die Kasernenanlagen in Jüterbog, die zum Teil illegal abgerissen wurden. Gegen solche Abrisse ist das Land Brandenburg nicht eingeschritten. Die Untätigkeit der seit mehr als 25 Jahren regierenden SPD kann einen da schon ein Stück weit wütend machen.

Und dann kommt heute dieser Antrag, der die Industriekultur nutzen und schützen will. Meine Damen und Herren Abgeord nete von SPD und LINKE, wie glaubwürdig ist das? Denkmä ler sind Zeugen der Entwicklung unserer Kultur und unserer Geschichte. Sie sind ein verbindendes Element zwischen Ver gangenheit und Gegenwart, und sie dienen der Selbstvergewis serung einer Gesellschaft, kurzum: Sie sind identitätsstiftend. Das muss ich hier noch einmal so herausarbeiten, denn ich weiß nicht, ob das allen so klar ist. Gegen die Zerstörung von schützenswerten historischen Objekten tut das Land nur sehr wenig. Ich erinnere an das Bodendenkmal in Schmölln, das für ein Regenwasserrückhaltebecken teilweise zerstört wurde. Ein Zeugnis unserer jahrtausendealten Kulturgeschichte wurde un widerruflich beschädigt, abgeräumte Steine wurden in einer nahegelegenen Kiesgrube entsorgt. Meine Damen und Herren, ignoranter geht es nicht. Von 430 denkmalgeschützten Schlös sern und Gutshäusern ist mehr als ein Drittel sicherungs- und sanierungsbedürftig.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen insgesamt einen besseren Schutz unseres kulturellen Erbes und eine ent

sprechende Finanzierung. Die Debatten dazu haben wir jedes Jahr bei der Haushaltsberatung. Wenn es also mit der weiteren Entwicklung des Brandenburger Tourismus in all seinen wun derbaren Facetten ehrlich gemeint ist, dann muss eine entspre chende Finanzierung ermöglicht werden. Es darf nicht darauf gelauert werden, dass irgendwelche Förderprogramme aufge legt oder entsprechend umgestrickt werden können, damit sie dann passen, erst recht nicht in einer Zeit sprudelnder Steuer einnahmen, wie wir gestern vom Finanzminister - er ist jetzt nicht da - erfahren haben. Also: Nicht nur kurzfristig gedachte Anträge auf der Grundlage uralter Konzepte stellen, sondern bitte auch nachhaltig finanzieren. Herr Barthel, dass 300 000 Euro im Haushalt reichen, wage ich zu bezweifeln. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Schinowsky. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Spuren, die der Strukturwandel in fast allen altindustriellen Re gionen Europas hinterlassen hat, erfordern die Entwicklung von Nachnutzungskonzepten, die nicht allein auf den Touris mus setzen müssen, sondern auch neue Formen des Wohnens, die Neuansiedlung von Unternehmen oder die städtebauliche und die naturräumliche Entwicklung beinhalten können.

Welche Potenziale die Befassung mit der Industriekultur für Brandenburg hat, wurde - darauf hat Frau Schade schon hinge wiesen - im Bericht an das Wirtschaftsministerium 2010 sehr deutlich. Der Bericht betonte, dass die Beschäftigung mit dem Thema Industriekultur einen positiven Beitrag zur wirtschaftli chen und identitätsstiftenden Entwicklung des Landes zu leis ten vermag. Passiert ist seither jedoch nicht sehr viel. Erst im letzten Jahr hat es mit der Gründung des Netzwerkes für Indus triekultur erste Aktivitäten in dieser Richtung gegeben.

Bei uns in der Lausitz zum Beispiel wird derzeit sehr deutlich, wie wichtig solche Nachnutzungskonzepte werden könnten. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht auch uns in ers ter Linie darum, industrielle Kerne zu erhalten, aber auch neue Formen des Wohnens oder des Tourismus haben dort in Zu kunft vermehrt ihren Platz. Das gilt es in konzeptioneller Art und Weise zu gestalten und mit allen Beteiligten umzusetzen.

Der genannte Bericht an das Ministerium sah den Handlungs bedarf zunächst vor allem auf touristischer Ebene, indem Auf klärungsarbeit bei den Touristikern gefordert wird, um die Ak zeptanz des Themas Industriekultur zu verbessern, oder indem die Vernetzung der industriekulturellen Angebote mit anderen Themen - wie Natur- und Landschaftserlebnis, Fahrradtouris mus und sonstige kulturelle Sehenswürdigkeiten - gefordert wird.

Aber ich denke, wir müssen deutlich darüber hinausgehen. Denn die Lausitz wird allein vom Tourismus nicht satt. Da wird es nicht reichen, Radwege, Bootsstege und Badestellen anzule gen. Neue Formen in anderen Bereichen sind nötig. Das wird in dem vorliegenden Antrag ja auch ein Stück weit benannt.

Lassen Sie mich nun aber noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen, der meiner Fraktion sehr wichtig ist. Eines der ältesten Industriereviere Brandenburgs liegt am Finowka nal. Dieser verdient in diesem Zusammenhang daher auch eine Würdigung und Unterstützung. Schon 1620 war der erste Fi nowkanal fertig. Der wirtschaftliche Aufschwung der Region begann allerdings erst mit dem Ausbau des Kanals im 18. Jahr hundert. Heute ist der Kanal für die Industrie nicht mehr von Bedeutung, und auch hier fehlt es an einem Nachnutzungskon zept. Während sich der Tourismus, vor allem der Wassertouris mus, hier schon gut entwickelt hat, fehlt es an einem Betreiber konzept für die alten Anlagen. Die TMB wirbt für den Finow kanal mit folgendem Text:

„Besucher erhalten einen interessanten Einblick in eine einmalige Industrie-, Kultur- und Wasserbaugeschichte, erfreuen sich an der idyllischen Landschaft und genießen Ruhe und Ursprünglichkeit. Der Finowkanal ist aus schließlich den Sportbooten vorbehalten und steht seit 2007 gänzlich unter Denkmalschutz.“