Protocol of the Session on December 15, 2016

Schaut man sich die Unterschriftenzahlen bei Volksbegehren in Brandenburg an, erkennt man, dass zwei Drittel davon nicht das erforderliche Unterschriftenquorum erreicht haben und demzufolge gar nicht zustande gekommen sind. Bei der von uns vorgeschlagenen Variante hätte man zumindest noch vier weitere Volksbegehren zulassen können. Zurzeit ist Branden burg laut Auswertung des Vereins „Mehr Demokratie“ von die sem Jahr bundesweit auf dem vorletzten Platz.

So kann es nicht weitergehen, meine Damen und Herren. Wir spüren das auch bei der immer weiter sinkenden Wahlbeteili gung. Wir müssen die Bürger Brandenburgs mehr in politische Entscheidungen einbeziehen. Wir müssen den Menschen die Chance geben, mitzuentscheiden. Demokratie lebt ausschließ lich von der Beteiligung der eigenen Bürger.

Seit die AfD-Fraktion in den Landtag eingezogen ist, hat sich keine andere Fraktion so für direkte Demokratie eingesetzt.

(Beifall AfD - Lachen bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD - Zuruf von der CDU)

Mit einem unserer Anträge haben wir versucht, die Hürden für Bürgerbegehren, die zurzeit ebenfalls viel zu hoch sind, zu sen ken. Mit einem anderen Antrag wollten wir den Zeitraum für die Eintragung in die Listen verlängern, um mehr Menschen die Beteiligung an Volksbegehren zu ermöglichen. Kürzlich haben wir einen Antrag eingebracht, um das Quorum bei den Landtagswahlen zu senken, meine Damen und Herren. Unsere Anträge wurden von Ihnen immer wieder mit den fadenschei nigsten Argumenten abgelehnt.

Sogar die Grünen haben unser Thema der direkten Demokratie aufgegriffen und einen Gesetzentwurf eingebracht, der freie

Unterschriftensammlungen bei Volksbegehren ermöglichen sollte.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE und B90/GRÜNE - Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Das war ein Lob, Frau Nonnemacher - das haben Sie hoffent lich gemerkt.

Auch die FREIEN WÄHLER haben sich in den vergangenen Plenarsitzungen für die Senkung der Hürden bei Bürgerent scheiden eingesetzt. Aber Rot-Rot lässt es einfach nicht zu, dass wir die direkte Demokratie in Brandenburg stärken. Dafür werden Ihnen die Bürger des Landes bei der nächsten Wahl die Quittung präsentieren. Kleben Sie den Menschen weiter den Mund zu!

Die Linke in Sachsen ist schon etwas fortschrittlicher als die Linke hier in Brandenburg. Zusammen mit den Grünen haben sie im August dieses Jahres einen vergleichbaren Gesetzent wurf in den Landtag eingebracht. Die Regierungspartei DIE LINKE hierzulande könnte vor allem einmal ihr eigenes Wahl versprechen halten. Sie haben den Bürgern vor den Wahlen mehr direkte Demokratie versprochen, jetzt stimmen Sie gegen alle Gesetzentwürfe und Anträge, die sich für direkte Demo kratie einsetzen. Was ich davon halte, habe ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Linken, schon gesagt.

Die direkte Demokratie darf nicht nur auf dem Papier existie ren. Lassen Sie uns für unsere Bevölkerung gemeinsam das Richtige tun: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Stim men Sie für die direkte Demokratie! - Vielen Dank für die Auf merksamkeit.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Kosanke für die Fraktionen SPD und DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von zwölf in Brandenburg angestrengten Volksbegehren hat ein Drittel das dazu notwendige Quorum erreicht; in acht Fäl len wurde es nicht erreicht. Damit ist die Gesetzgebung durch die außerparlamentarische Opposition nicht nur praktisch mög lich - anders, als von Ihnen behauptet -, sondern sogar deutlich erfolgreicher als die Gesetzgebung der parlamentarischen Op position. Insofern verwundert es nicht, wenn sich die parlamentarische Opposition bei der außerparlamentarischen Oppo sition anzubiedern versucht, indem sie versucht, plakative Bündnisse einzugehen.

Wie so oft wird hier suggeriert, dass direkte Demokratie des halb demokratischer sei als indirekte Demokratie. Diese These ist falsch. Bei der Herrschaftsform Demokratie geht es im Ge gensatz zu aristokratischen und oligarchischen Herrschaftsver hältnissen darum, dass das gesamte Volk an der Gesetzgebung angemessen beteiligt ist. Dass dabei nicht jeder Wunsch und der Wille jedes Einzelnen in Gänze umgesetzt wird, ergibt sich von selbst. Aber die Demokratie ist eben die Herrschaftsform, in der jeder Wunsch und der Wille des ganzen Volkes, also je

des Einzelnen, in aufwendigen parlamentarischen Abwägungs prozessen berücksichtigt werden muss.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, auf einen kleinen begrifflichen Unterschied aufmerksam machen: Demokratie wird immer gern als „Herrschaft des Volkes“ übersetzt. Diese Übersetzung ist genau genommen falsch. Die reine Volksherr schaft ist die Laokratie, manchmal auch als Ochlokratie be zeichnet. Demos ist nicht das Volk, sondern das Staatsvolk. Demos ist damit nicht das Volk aus „Blut und Boden“, sondern der durch Staatsverfassung bestimmte personelle Zusammen hang, der ohne staatliche Zusammenhänge und eine innere po litische Verfasstheit gar nicht zu denken ist.

In diesen staatlichen Zusammenhängen sollen Interessengrup pen angemessen berücksichtigt werden. Ihre Absichten dürfen aber nicht kritik- und korrekturlos politisch umgesetzt werden. Deshalb ist es sinnvoll, Quoren zu haben, die auch schon über wunden wurden, und zwar immer genau dann, wenn die Ab sichten hinter den Volksbegehren durchdacht und durchset zungsfähig waren. Deshalb, meine Damen und Herren von der AfD, lehnen wir Ihren Antrag ab.

Kurz zum Entschließungsantrag der CDU: Statt das Quorum zu senken, soll es den Initiatoren eines Volksbegehrens einfa cher gemacht werden, ein solches zu erreichen. Aber, meine Damen und Herren, bei allen wichtigen Bestrebungen, politi sche Beteiligung zu ermöglichen, muss man eines bedenken: Politische Entscheidung ist mehr und muss deshalb auch auf wendiger sein, als bei Facebook „Gefällt mir“„ zu klicken. In sofern wird die Wahrnehmung des Abstimmungs- und Eintra gungsrechts immer auch mit einer gewissen bewusst machen den Hürde verbunden sein müssen.

Die schriftliche Benachrichtigung bzw. die Zusendung von Unterlagen ist für den Volksentscheid als dritte Stufe der Volks gesetzgebung vorgesehen. Dort gehört es auch hin, weil dort die letzte Entscheidung getroffen wird, wenn es den meinungsvermittelnden Gremien, den Parlamenten, nicht gelungen ist, eine ausgewogene Lösung im parlamentarischen Verfahren umzusetzen. Insofern lehnen wir auch Ihre versuchte Anbiede rung an die außerparlamentarische Opposition ab und ermun tern Sie, die Vorschläge der Bevölkerung - auch einzelner und kleiner Gruppen - mit uns und den anderen Fraktionen zum Wohle unseres Landes zu diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Zu uns spricht Dr. Redmann für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass unser Entschließungsantrag in der aktuellen Fassung erst so kurzfristig vorgelegt wurde. Es gab ein Büroversehen, das dazu führte, dass eine andere Versi on unterschrieben als Onlineversion eingereicht wurde. Die Onlineversion war die ältere; jetzt bekommen Sie die aktuelle. Der inhaltliche Unterschied ist fachlicher Natur.

(Frau Lieske [SPD]: Kurz vor Mitternacht!)

Mein Damen und Herren, ja, wir machen es den Menschen in Brandenburg zu schwer, sich an direkter Demokratie zu be teiligen, ich sage: unnötig schwer. Ein Beispiel dafür ist die Pflicht, die Unterschrift für ein Volksbegehren in Behörden leisten zu müssen. Wir schlagen vor: Man könnte sich künf tig beispielsweise auch von zu Hause aus beteiligen. Die meisten von uns haben bereits Personalausweise mit einem Chip, mit dem man die Identität zweifelsfrei nachweisen kann. Man könnte sich dann auch online in die Volksbegeh renslisten eintragen. Seit Kurzem ist es mithilfe dieses Ver fahrens möglich, seine Punkte in Flensburg zu erfahren. Es sind also auch weitere Anwendungen denkbar. Eine solche weitere Anwendung schlagen wir Ihnen mit unserem Ent schließungsantrag vor.

Wir denken auch, dass es bürgerfreundlich ist, die Bürger über die Möglichkeit, sich in Volksbegehrenslisten eintragen zu können, zu informieren. Ebenso wäre es bürgerfreundlich, im Zuge des Informierens über einen Volksentscheid gleich einen Abstimmungsbrief mitzuschicken, sodass auch von der Mög lichkeit der Briefwahl Gebrauch gemacht werden kann. All das animiert zur Beteiligung an direkter Demokratie, ohne jedoch die Hürden des Quorums senken zu müssen; denn aus unserer Sicht ist es ganz wichtig, dass mit der Hürde eine gewisse Re levanz zum Ausdruck kommt, dass es nicht nur um Partikular interessen, sondern um ein Problem geht, das breite Teile der Bevölkerung betrifft, das die Menschen für so relevant halten, dass sie sich entschließen, sich an Volksinitiativen, Volksbe gehren oder Volksentscheiden zu beteiligen.

Der Antrag der AfD kommt zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem in Brandenburg eine Volks initiative recht erfolgreich läuft: die Volksinitiative gegen die Kreisgebietsreform. Gerade in dieser Zeit kann ich den Antrag der AfD nicht verstehen. Warum, Kolleginnen und Kollegen der AfD, sind Sie eigentlich so mutlos, so verzagt? Warum fehlt Ihnen das Selbstbewusstsein im Hinblick auf die Volksin itiative zur Kreisgebietsreform, die angeblich auch von Ihnen unterstützt wird? Ich kann mich gut erinnern: Bei der ersten Unterzeichnung vor dem Landtag haben Sie sich gegenseitig auf den Füßen gestanden, um zu unterschreiben. Danach ist von der AfD nicht mehr viel gekommen.

Ich habe den Eindruck, Sie sind unserem listigen Innenminister Schröter ein bisschen auf den Leim gegangen, als er gesagt hat, für die Kreisgebietsreform würden sich nur Oberamtsräte inter essieren. Dass das Gegenteil der Fall ist, erfährt man, wenn man bei den Menschen in den Landkreisen, kreisfreien Städ ten, Ämtern und Dörfern ist. Wenn Sie dort wären und nicht nur hier im Landtag, würden Sie erfahren, dass die Kreisge bietsreform ein Problem ist, das die Menschen, ihr Heimatge fühl und ihre Identität betrifft, und dass wir bei der Kreisge bietsreform überhaupt keine Angst haben müssen, bei der Volksinitiative oder dem Volksbegehren irgendwelche Quoren nicht zu schaffen. Insofern ist Ihr Antrag ein Signal der Schwä che, welches die Volksinitiative bzw. das Volksbegehren schlicht nicht nötig hat.

(Beifall CDU)

Ich empfehle Ihnen: Verlassen Sie den Elfenbeinturm, sam meln Sie auch einmal ein paar Unterschriften. Dann werden Sie merken, dass der Zuspruch ein anderer ist.

Wissen Sie, ich habe in dieser Woche - das finde ich ganz span nend - eine Pressemitteilung von Ihnen gelesen. Da schreiben Sie mit stolzgeschwellter Brust, dass Sie am Freitag einen Ak tionstag durchführen. Ganze vier Infostände sind darin aufge führt, ich wiederhole in Worten: vier. Das nennen Sie schon Aktionstag. Der Inhalt der Pressemitteilung ist eigentlich nicht, dass Sie einen Aktionstag durchführen, sondern sie offenbart, wie wenig Aktion ansonsten von Ihnen ausgeht, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, SPD, B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)

Insofern gilt auch beim Thema Volksinitiative gegen die Kreis gebietsreform: Wer sich auf die AfD verlässt, der ist verlas sen. - Danke schön.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Danke schön. - Wir sind damit bei der nächsten Rednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abge ordnete Nonnemacher.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Bünd nisgrünen setzen uns seit jeher für die Stärkung der direkten Demokratie als sinnvolle und notwendige Ergänzung der parla mentarischen Demokratie ein.

Die vielen Volksinitiativen - mittlerweile sind es 42 - im Land zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger großes Interesse dar an haben, sich für ihre Belange einzusetzen. Bei Stufe 2, dem Volksbegehren, verläuft das Engagement jedoch fast regelmä ßig im Sande. Lediglich vier von 42 abgeschlossenen Volksini tiativen oder Volksbegehren wurden vom Landtag ganz oder teilweise übernommen. Wobei man sich natürlich trefflich streiten kann, ob die Annahme des Volksbegehrens gegen ein Nachtflugverbot am BER als Erfolg zu werten ist, wenn bisher überhaupt nichts geschehen ist. Auch wird erst die Zukunft er weisen, ob der Kompromiss beim Volksbegehren gegen Mas sentierhaltung Fortschritte im Sinne der Initiatoren erbracht hat. Die Arbeit der Tierschutzbeauftragten und die Erstellung des Tierschutzplanes werden wir sehr kritisch begleiten.

Ein Volksentscheid im Rahmen der Volksgesetzgebung kam in Brandenburg noch nie zustande. Kein Wunder, dass Branden burg beim Volksentscheidsranking 2016 des Vereins „Mehr Demokratie e. V.“ den bundesweit vorletzten Platz belegt.

Die AfD-Fraktion hat nun einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem sie die Landesverfassung ändern will. Sie möchte die An zahl der für ein Volksbegehren erforderlichen Unterschriften von derzeit 80 000 auf 40 000 reduzieren. Ja, es gibt viele Baustellen bei der direkten Demokratie. Das Unterschriftenquorum beim Volksbegehren gehört aber mit Sicherheit nicht dazu.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ganz im Gegenteil: Im Länderranking handelt es sich bei den erforderlichen knapp 4 % der Abstimmungsberechtigten um

ein vergleichsweise sehr niedriges Quorum. So beträgt das Be teiligungsquorum bei Volksbegehren in Hessen und NRW 20 %, in Sachsen ca. 12 % und in Bayern 10 %. Freilich muss man hier auch das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen der Volksgesetzgebung betrachten. So kennen Hessen, Bayern, NRW und Sachsen aufgrund des hohen Beteiligungsquorums auf der Ebene des Volksbegehrens kein Quorum auf der Ebene des Volksentscheides, ganz im Gegensatz zu Brandenburg; hier sind es 25 %. In Berlin liegt das Unterschriftenquorum bei frei er Sammlung bei 7 %, ebenfalls in Verbindung mit einem Zu stimmungsquorum von 25 % beim Volksentscheid.

Es kommt also sehr entscheidend auf die Abstimmung der Stellschrauben auf den verschiedenen Ebenen an. Genau diese Betrachtung vermisse ich im Gesetzentwurf der AfD völlig. Kann ich aus verfassungsrechtlicher Sicht das Beteiligungs quorum für Volksbegehren pauschal auf 2 % senken, ohne eine Veränderung auf einer anderen Ebene vorzunehmen?

Abgesehen von diesen verfassungsrechtlichen Zweifeln sind wir der Meinung, dass das Verbot der freien Unterschriften sammlung die entscheidende Hürde für erfolgreiche Volksbe gehren ist.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir werden uns weiterhin für die freie Unterschriftensamm lung einsetzen. Den unausgereiften Vorstoß der AfD lehnen wir ab.

Der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion hat mich schon sehr überrascht, muss ich sagen. Sie postulieren hier die digita le Demokratie - das finde ich gut -, aber schreien auf, wenn die Kreisverwaltung nicht fußläufig zu erreichen ist.

(Wichmann [CDU]: Welche Kreisverwaltung ist denn fußläufig zu erreichen?)

Sie fordern hier unter anderem die Möglichkeit, Eintragungen bei Volksbegehren am Computer vorzunehmen.