Protocol of the Session on November 10, 2016

Gesichtsverschleierungsverbot in Landeseinrichtungen und Landesbehörden

Antrag

der Fraktion der AfD

Drucksache 6/5357

Wir beginnen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Bessin. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Brandenburger! Die AfD-Fraktion bringt heute erneut einen Antrag in den Landtag ein, der sich mit dem Thema Gesichtsverschleierung beschäftigt. Die AfD-Fraktion beantragt darin, die Gesichtsverschleierung in Landeseinrichtungen und -behörden zu verbieten. Ein solches Verbot soll beispielsweise in Gerichten, Melde- und Standesämtern, Hochschulen, Kitas und Rathäusern gelten.

Bereits in der letzten Plenarsitzung haben wir das Thema Gesichtsverschleierung zur Debatte in den Landtag eingebracht. Unseren damaligen Gesetzentwurf bezüglich eines generellen Gesichtsverschleierungsverbotes im Land Brandenburg haben die Damen und Herren hier im Haus leider mit abstrusen Argumenten abgelehnt. Auch eine Mehrheit bezüglich einer Diskussion im Ausschuss konnte nicht erreicht werden. Manchmal ist es hier so wie mit Lampen: Man kann sie an- und ausschalten, so oft man möchte - wenn keine Birne drin ist, kann es nicht leuchten.

(Beifall AfD)

Es gibt auch Energiesparlampen, die wenigstens ein bisschen leuchten.

Gestern konnten wir dank des Antrags, der sich damit beschäftigte, die Kriminalität in Erstaufnahmeeinrichtungen einzudämmen, feststellen, dass bei den Grünen wenigstens angekommen ist, dass es strafbare Handlungen auch in Erstaufnahmeeinrichtungen gibt - und zwar unter Asylsuchenden.

(Beifall AfD)

Ich bin zuversichtlich, dass bald auch der Letzte verstanden haben wird, dass Vollverschleierung bei uns nichts zu suchen hat. Ich denke, dass wir uns alle schon auf Ihren Antrag freuen können, der auf unserem basiert und den Sie dann vielleicht in einem halben Jahr einreichen werden.

Meine Damen und Herren, wir und unsere Anträge wurden schon so oft als rechtspopulistisch bezeichnet.

(Domres [DIE LINKE]: Nein! Um Gottes willen! Nur ein paar Mal! - Bischoff [SPD]: Donnerwetter! - Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Nun können wir uns allerdings seit einiger Zeit freuen, dass unsere Themen auch von anderen Seiten aufgenommen werden. Selbst die CSU hat mit ihrem jüngsten Beschluss das wichtige Thema Vollverschleierung aufgegriffen, und ich möchte hier einmal aus dem Beschluss des CSU-Parteivorstandes vom 9./10. September dieses Jahres zitieren:

„Die Burka hat in Deutschland nichts verloren. Wir wollen das Tragen von Burka und Niqab in der Öffentlichkeit, wo immer dies rechtlich möglich ist, verbieten. Die Burka ist eine Uniform des Islamismus, ein maximales Integrationshindernis und ein in unserer Kultur nicht zu akzeptierendes Zeichen der Unterdrückung der Frau.“

(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Das ist eine Aussage der AfD!)

„Wer auf Burka und Niqab nicht verzichten möchte, sollte sich ein anderes Land aussuchen.“

(Beifall und Zurufe von der AfD: Bravo!)

Und wenn Sie hier dazwischenrufen, das sei die Aussage der AfD, dann kann ich Ihnen nur ans Herz legen: Lesen Sie einmal diesen Beschluss der CSU.

(Zurufe der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE] und Bretz [CDU])

- Hören Sie doch mal zu, Frau Mächtig, dann verstehen Sie vielleicht noch mehr.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE] - Weite- re Zurufe)

Auch die Kollegen von der sächsischen CDU möchten ein unserem Antrag vergleichbares Verschleierungsverbot in den Lan- deseinrichtungen und Landesbehörden durchsetzen. Ich lese es Ihnen vor, damit Sie es nachvollziehen können. Es gibt eine Empfehlung der Antragskommission vom 31. Landesparteitag der CDU am 05.01.2016, in der es heißt - Annahme in geänderter Fassung -:

„Die Sächsische Union spricht sich für ein rechtliches Gebot zum unverhüllten Zeigen des Gesichts in all jenen Bereichen aus, in denen es für das Zusammenleben und das Funktionieren unserer Gesellschaft notwendig ist. Sie fordert die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages auf, sich für eine gesetzliche Verankerung eines solchen Gebotes beispielsweise im öffentlichen Dienst, in Kitas, im Gesundheitswesen, Schulen und Hochschulen, Justiz, bei Pass- und Verkehrskontrollen, im Melde- und Standesamt sowie bei Demonstrationen einzusetzen.“

(Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])

- Herr Bretz, ich antworte Ihnen gern. - Auch wir fordern mit unserem heutigen Antrag die Landesregierung Brandenburgs auf, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die die Gesichtsverschleierung in Brandenburg in Landeseinrichtungen und Landesbehörden ebenfalls verbietet.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU] - Heiterkeit bei der SPD)

Herr Bretz, hätten Sie den Antrag vorher gelesen, bräuchten Sie mich gar nicht zu fragen, was wir fordern; dann wüssten Sie es schon.

Das sind wir unserer Kultur und der freien und ungehinderten Entwicklung eines jeden Individuums schuldig.

(Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Bei uns muss man nichts verbergen; bei uns darf und soll jeder sein Gesicht zeigen. Wir leben in einem demokratischen Land, und unsere Gesellschaft gründet sich auf Transparenz und Offenheit. In einer offenen und freien Gesellschaft vermittelt vor allem ein vermummtes Gesicht den Eindruck, dass hier gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung verstoßen wird. Da vor allem Frauen Objekt einer Gesichtsverschleierung sein kön

nen, manifestiert sich darin leider auch der Herrschaftsanspruch des Mannes gegenüber der Frau. So etwas lehnen wir in unserer freien und demokratischen Grundordnung eindeutig ab.

(Beifall AfD)

Ich freue mich jetzt auf Ihre Argumentationen und hoffe, dass wir diesen Antrag nachher gemeinsam an den Ausschuss überweisen. - Danke.

(Beifall AfD - Bretz [CDU]: Ich stelle mir gerade vor: Wenn Sie so einen Schleier trügen, würde Sie das klei- den. - Heiterkeit - Gegenruf des Abgeordneten Schröder [AfD] - Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Kosanke für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD möchte die Gesichtsverschleierung in Landeseinrichtungen und Landesbehörden unterbinden und möchte dazu ein Verbotsgesetz erlassen haben. Sie stellt darauf ab, dass sich unsere Gesellschaft auf Transparenz und Offenheit gründet und verschleierte Personen wohl etwas verbergen wollen. An dieser Stelle hat die AfD Recht. Unsere Gesellschaft gründet sich auf Transparenz und Offenheit, und ja, Menschen, die sich verschleiern, wollen ihr Gesicht verbergen. Aber was die AfD nicht weiß - da werden wir Ihnen jetzt mal die Birne reinschrauben -,

(Lachen bei der CDU)

ist, dass die Menschen in Deutschland grundsätzlich das Recht haben, ihr Gesicht zu verbergen; sie müssen es nicht zeigen. Da gibt es aber genau drei Ausnahmen. Die erste betrifft die Feststellung der Identität im behördlichen Kontext, zum Beispiel auf Meldeämtern. Da reicht jedoch zur Feststellung der Identität ein kurzer Blick auf das Gesicht, dann ist die Identität festgestellt, und danach kann das Gesicht wieder verschleiert werden.

Dann gibt es einen zweiten Bereich im privatrechtlichen Kontext, wenn zum Beispiel die Sprechstundenhilfe in der Arztpraxis ihr Gesicht verschleiert. Natürlich kann der Arzt seiner Sprechstundenhilfe privatrechtlich im Sinne des Arbeitsvertrages untersagen, eine Burka zu tragen, wenn er das nicht möchte; das kann er tun.

Schließlich gibt es einen dritten Bereich: das Vermummungsverbot. Es wird immer so getan, als ob das in Deutschland grundsätzlich gelten würde. Nein, es gilt nicht grundsätzlich, sondern bei Versammlungen. § 17a Abs. 2 Versammlungsgesetz regelt klar, dass es Teilnehmern von Demonstrationen verboten ist, sich mit Kleidungsstücken oder Gegenständen einer Identitätsfeststellung zu entziehen. Das hat seinen Grund im Versammlungsrecht selbst: Die Teilnahme an einer Demonstration hat den Zweck, zu zeigen, dass man als Person mit einem bestimmten politischen Inhalt konform geht oder eben nicht. Wenn man sein Gesicht verbirgt und sich anonym macht, läuft

der Demonstrationszweck ins Leere, und dann ist die Unterstellung berechtigt, dass es hier möglicherweise um die Durchführung oder Vorbereitung von Straftaten geht.

Um eines ganz klar zu sagen: Der religiöse Schleier ist eine - ich zitiere das Gesetz - „Aufmachung, die geeignet […] ist, die Feststellung der Identität zu verhindern“. Damit ist die verschleierte Teilnahme an Demonstrationen eindeutig verboten und durch die Polizei zu verhindern bzw. sind verschleierte Personen aus Demonstrationszügen herauszulösen. Im äußersten Fall ist eine solche Demonstration dann auch aufzulösen. Das, meine Damen und Herren, ist geltendes Recht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. van Raemdonck [AfD])

Die Unterstellung der Absicht strafbarer Handlungen aber darf im demokratischen Rechtsstaat nicht ohne Anlass getroffen werden. Nicht erst vor Gericht, sondern gerade im allgemeinen staatlichen Handeln hat der Staat von Unschuld und Rechtstreue der Menschen auszugehen. Und nur weil es Menschen gibt, die sich unwohl fühlen, wenn sie Menschen mit Schleiern, Springerstiefeln, germanisch-keltischen Tätowierungen, Punkfrisuren oder auch starkem Übergewicht sehen, die sich davon ganz individuell gestört, geängstigt oder angewidert fühlen, haben wir nicht das Recht, Schleier, Springerstiefel, keltische Tätowierungen, Punkfrisuren oder eben starkes Übergewicht im öffentlichen Raum oder in Landeseinrichtungen zu verbieten.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE sowie der Abge- ordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE] und Wichmann [CDU])

Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, die offene Gesellschaft zu schützen. Die offene Gesellschaft wird aber nicht durch den Einzelnen zerstört, was auch immer er gegen sie tut. Die offene Gesellschaft leidet dann, wenn staatliche Gewalt zu genau, zu konkret individuelles Verhalten vorschreiben will, selbst dann, wenn damit tatsächlich oder gefühlt ein Mehrheitswille umgesetzt werden sollte. Da hilft es auch nicht, wenn man quasi „by the way“ die Gleichberechtigung der Frau bzw. ihre Befreiung aus männlichen Herrschaftsstrukturen durchsetzen will, und zwar genauso wenig, wie es aus frauenpolitischen Erwägungen eine Verschleierungserlaubnis bei Demonstrationen geben dürfte. Es ist falsch, hieraus eine Debatte über die Gleichberechtigung der Geschlechter zu machen.

Meine Damen und Herren, es geht auch nicht um Religion, schon allein weil es nicht unsere Aufgabe ist und auch nicht sein kann, zu entscheiden, ob der Koran den Schleier fordert. Das gehört in den Kreis der Religionsausübung, und dieser ist frei von staatlicher und somit auch von parlamentarischer Einmischung.

(Galau [AfD]: Eben nicht!)

Das geht uns und Sie nichts an.