Protocol of the Session on November 9, 2016

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

(Beifall B90/GRÜNE)

Für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER spricht die Abgeord nete Schülzke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Zukunft des Digitalen war das Thema des Energiekonvents vor wenigen Tagen in Leipzig. Ausgangspunkt waren die intelligenten Energiezähler, die ent sprechend gesetzlicher Vorschriften ab dem kommenden Jahr auch in Haushalten eingebaut werden sollen. Diese Zähler sol len erkennen, wann auf dem Energiemarkt zu viel elektrische Energie zur Verfügung steht. Diese sollen dann Empfehlungen geben, energieintensive Haushaltsmaschinen wie Kühlgeräte, Waschmaschinen oder Heizungen zu steuern. Unstrittig eine gute Idee, waren sich die vielen Anwesenden einig, aber noch weit von der Realität und dem praktischen Einsatz entfernt; denn auch die Geräte müssen Signale erkennen, die Steuernden müssen über ein Grundwissen verfügen und das digitale Netz muss zuverlässig zur Verfügung stehen.

Im Antrag der CDU war vieles auf den Punkt gebracht. Eine digitale Strategie mit Zeitplan und Umsetzungsfeststellung ist notwendig, um endlich ein zuverlässiges digitales Netz zu schaffen. Es ist die Grundlage für Entwicklung und Wachstum, für Erfahrungs- und Datenaustausch, für innovatives Handeln überhaupt. Es ist gut, dass die Regierungskoalition nun auch diesen Antrag begleitet.

Digitale Bildung ist in aller Munde, jedoch wie sieht die Reali tät aus? Erinnern möchte ich immer wieder an das Telelear ningprojekt in Schlieben im Süden Brandenburgs. 10 Jahre vergingen von der Idee bis zur Umsetzung. Im schwedischen Ljusdal war es schon im Jahr 2001 gang und gäbe. In dieser Zeit verändern sich nicht nur die Formen der Rechner und die Softwareprogramme, auch das Grundwissen der Schüler ist in diesem Bereich viel weiter, als es manch ein Beamter im Bil dungswesen wahrhaben will.

Hier geht es aber nicht nur um Schulen, die Allgemeinbildung vermitteln, es trifft alle Qualifikationsbereiche. In Elbe-Elster soll ein Projekt aus dem Landaufschwungprogramm auf das Telelearning aufsetzen. Seit mehr als einem Jahr wird daran ge arbeitet, wird es umgeschrieben, an Fördervorgaben angepasst und wird nochmals und nochmals in Richtung Fördermittel stelle erläutert, warum die Qualifikation im Bereich der digita len Bildung notwendig ist.

Ein ähnlicher Antrag eines Bildungsträgers liegt aus Elsterwer da vor. Da geht es um Qualifizierung für Unternehmensnach folger, seit über einem Jahr im Referat für ländliche Entwick lung. So lange braucht man, um sich eine Meinung zu bilden.

Sehr geehrte Kollegen, hier wird nicht gefördert, sondern aus gebremst. Es geht kaum noch um die Sache des Antrags, son dern um die Erfüllung von fragwürdigen Formularvorgaben. Herr Wirtschaftsminister Gerber sagte der Presse:

„Wenn die Unternehmen eine Idee für ein innovatives Produkt haben, dann können sie beim Land Fördermittel beantragen.“

Das haben viele Unternehmer probiert. Jeder, der in diesem Be reich tätig ist, weiß, dass innovative Dinge zügig umgesetzt wer den sollten, sonst sind es alte Hüte. Wenn die Bearbeitung von Fördermitteln Jahre dauert, passt wohl Einiges im System nicht.

Der Appell des Wirtschaftsministers an Unternehmen, sich für die digitale Zukunft zu öffnen, klingt schon fast wie ein Ver spotten der Unternehmer. Überall im Land fordern die Unter nehmen besseren digitalen Zugang, um den Anschluss an die rasante globale Entwicklung nicht zu verlieren. Wenn der eine oder andere Unternehmer die Digitalisierung ablehnt, ist ihm ohnehin nicht zu helfen - soll er doch mit Rauchzeichen arbei ten. Aber mehr als 95 % der Unternehmen und der Haushalte erwarten, dass sie in absehbarer Zeit ausreichende Breitband anschlüsse haben, um weiterhin Wertschöpfung gestalten zu können.

Erinnern möchte ich an meine Kleine Anfrage „Wo sind digita le weiße Löcher“? Die Antwort war, dies sei dem Land nicht bekannt. Wenn man dann aber fordert, Unternehmer sollen sich für die digitale Zukunft öffnen, unterstützt das die Aussage der Bürger und Unternehmer, in Ministerien wolle man von den Realitäten wenig wissen. Eine kleine Umfrage im Land könnte für Aufklärung sorgen.

Vor einigen Wochen hatten wir hier im Hause Abgeordnete aus Finnland und Lappland zu Gast. Es wurde berichtet, 4G seien auch in Zwei-Einwohner-je-Quadratkilometer-Gebieten vor handen. Da gebe es keine Probleme. Gleiches durften wir als Enquetekommission in Spanien feststellen. Jedoch wird dort in vielen Gebieten mit Funk gearbeitet. Bundeswehr und Ret tungsdienste tun dies in Deutschland auch. Nicht überall und erst recht nicht in ländlichen Räumen sind leitungsgebundene Lösungen notwendig. Hier wäre Innovationsaustausch, zum Beispiel mit Finnland, für uns Brandenburger von Vorteil. Viel leicht sollte man sich in Finnland einmal darstellen lassen, wie Entwicklungsförderungen funktionieren. Auch Finnland unter liegt den Vorgaben der EU.

Wir unterstützen den Antrag der CDU-Fraktion, der SPD-Frak tion und der Fraktion DIE LINKE, sich der Aufgabe der Digi

talisierung als gesamtgesellschaftliche Herausforderung aktiv zu stellen und zügig eine praktikable Strategie zur Lösung des Problems der digitalen Unterversorgung zu erstellen, um so gu te Entwicklungsvoraussetzungen für alle zu schaffen. Wir for dern jedoch einen straffen Zeitplan, der vom Wirtschaftsaus schuss überwacht werden sollte, und konkrete Arbeitsaufträge an die Landesregierung. Das sind Sie der Wirtschaft und den Bürgern schuldig. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie vereinzelt AfD)

Danke. - Für die Landesregierung spricht der Chef der Staats kanzlei, Staatssekretär Kralinski.

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Her ren! Gestatten Sie mir, bevor ich zum Thema rede, ein paar Sätze in eigener Sache:

Ich stehe nicht zum ersten Mal in diesem Saal, aber zum ersten Mal in dieser Funktion hier und zum ersten Mal an diesem Pult. Der eine oder andere von Ihnen kennt mich aus vergange nem Tun in diesem Haus. Die Anderen werden mich kennen lernen.

(Heiterkeit SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE - Verein zelt Beifall)

Das ist ausdrücklich keine Drohung.

Deshalb möchte ich gern ein paar Sätze zu meinem Politikver ständnis sagen. Meine erste Überzeugung ist: Wir alle sind in diesem Haus, um zusammen dafür zu arbeiten, dass die Bran denburger, die Menschen in diesem Land, hier eine gute Hei mat haben, und zwar heute und in Zukunft,

(Beifall der Abgeordneten Schade [AfD])

egal woher sie kommen und wo sie wohnen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Probleme zu lösen und, wo immer möglich, auch präventiv und vorausschauend zu verhindern, darum geht es mir.

Meine zweite Überzeugung ist, dass wir diese Aufgaben unter Demokraten am besten mit Kompromissbereitschaft, Kreativi tät, Kooperation und Kommunikation bewältigen. Ich kann Ih nen versichern: Meine Bereitschaft dazu ist im Dienste der bes seren Lösungen fast unendlich groß, denn ich stehe nicht als Chef der Staatskanzlei von zwei Fraktionen, sondern als Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg vor Ihnen.

(Zurufe von der CDU: Haha!)

Ich freue mich deshalb sehr auf eine konstruktive Zusammen arbeit mit Ihnen.

Damit bin ich auch schon beim Thema der Debatte. Ich möchte nämlich mit einem Dank an die Fraktionen von CDU, SPD und

der Linken anfangen, weil sie bei einem so wichtigen Thema wie der Digitalisierung gemeinsam die Initiative ergriffen ha ben. Ich glaube, der Antrag kommt genau zur richtigen Zeit.

(Beifall SPD, DIE LINKE und CDU)

Ich halte diese Gemeinsamkeit für äußerst wichtig, denn zu sammen mit der Globalisierung ist die Digitalisierung zwei fellos der große transformative Prozess unserer Zeit. Wir tun gut daran, uns immer wieder klarzumachen, dass es dabei eben nicht nur um Innovation bei Wirtschaft und Technik geht. Mindestens ebenso sehr haben wir es mit Umbrüchen zu tun, die unsere Gesellschaft als ganze betreffen. Ob Sozialstaat oder Beruf, Bildung oder Arbeitsbeziehung, Kultur oder Pri vatleben - ich glaube, jeder von uns und Ihnen weiß, dass die Digitalisierung alle unsere Lebensbereiche verändert. Hierin liegt gleichsam das Dilemma oder - um es positiver zu formu lieren - die Herausforderung, vor der wir stehen. Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit in unserer Gesellschaft hän gen eben von der Fähigkeit zur - auch digitalen - Erneuerung ab.

Zugleich aber macht der schnelle digitale Umbruch manchen Menschen Sorgen und Angst, Angst, nicht mehr mithalten zu können, Angst, an den Rand von Entwicklungen zu geraten, oder dass es zu schnell geht. Meine Erfahrung ist: Angst ist ein ziemlich schlechter Ratgeber. Deswegen ist unsere Aufgabe, die Aufgabe der Politik, anhand von zwei Seiten gut zu um schreiben: Einerseits müssen wir technische und wirtschaftli che Innovationen, gesellschaftliche Mobilität, beruflichen und sozialen Aufstieg auch unter den Bedingungen von Digitalisie rung ermöglichen. Andererseits kommt es darauf an, dass wir mit moderner Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft sorgen. Nur dann, glaube ich, kann der Prozess der Digitalisierung am Ende leb bar und erfolgreich sein. Ich glaube, es geht darum, Digitalisie rung mit menschlichem Maß hinzubekommen.

Es bleibt dabei: Fortschritt, auch digitaler Fortschritt, und sozi ale Sicherheit gehören zusammen, sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Nach meiner festen Überzeugung ist das eine ohne das andere nicht zu bekommen.

Die gute Nachricht ist, meine Damen und Herren, dass wir in Brandenburg ganz und gar nicht bei null anfangen - das schien in der Debatte schon an der einen oder anderen Stelle durch. Die Digitalisierung findet überall statt. Auch die Landesregie rung hat sich längst auf den Weg gemacht, die digitalen Poten ziale zu erschließen. Dazu nenne ich einige Beispiele:

Das Wirtschaftsministerium fördert seit 2013 bis zum heutigen Tag mit 65 Millionen Euro innerhalb der Glasfaserstrategie 2020 die Errichtung einer glasfaserbasierten Infrastruktur. Bei der Breitbandversorgung der Haushalte liegt Brandenburg dank des Landesförderprogramms unter den ostdeutschen Län dern auf Platz 1. Diesen Platz wollen wir mindestens halten und deswegen dafür sorgen, dass wir das neu aufgelegte Bun desprogramm vollständig kofinanzieren. Für kleine und mittel ständische Unternehmen, die sich der Digitalisierung stellen wollen, bietet das 2015 an der BTU Cottbus-Senftenberg ge gründete Innovationszentrum Moderne Industrie Brandenburg Beratung und Unterstützung an - Herr Homeyer und Herr Bar thel haben das vollkommen zu Recht gelobt und Prof. Berger ihren Dank ausgesprochen.

Wer Industrie 4.0 sagt, muss auch Arbeit 4.0 sagen. Deshalb müssen die Sozialpartner, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaf ten und Betriebsräte einbezogen werden. Arbeit 4.0 war des halb das Kernthema der letzten Betriebsrätekonferenz. Auch im Bildungswesen brauchen wir - wie schon erwähnt wurde - digitale Innovationen. Viele Schulen arbeiten heute schon bis in die Klassenzimmer vernetzt, haben das Netz als Lern- und Lehrort längst entdeckt. An modernen Medien führt im Unter richt in der Tat kein Weg vorbei. Unser Bildungsministerium ist im Rahmen der KMK-Strategie zur Bildung in der digitalen Welt gut aufgestellt, etwa mit dem neuen Basiscurriculum Me dienbildung als Teil des Rahmenlehrplans.

Meine Damen und Herren, diese Beispiele zeigen: Es tut sich viel auf dem Feld der Digitalisierung in Brandenburg. Aber - das ist überhaupt keine Frage - es bleibt noch viel zu tun. Rich tig ist, dass es bislang keine gemeinsame, ressortübergreifende Brandenburger Digitalisierungsstrategie gibt, die das Thema als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe begreift. Das wollen wir jetzt angehen. Dabei werden wir - davon bin ich fest überzeugt - nicht alle Fragen sofort und umfassend beant worten können. Ich bin ziemlich sicher, dass eine Reihe von Fragen auftauchen werden, die wir heute noch gar nicht ken nen. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung uns viele Jahre beschäftigen wird, vor allen Dingen aber auch, dass sie nie fer tig sein wird. Das Ziel der Landesregierung ist auf jeden Fall, dass wir die Chancen, die die Digitalisierung für Brandenburg in Brandenburg bietet, nutzen wollen, und zwar, Herr Homey er, mit großer Leidenschaft. In diesem Sinne: Auf gute Zusam menarbeit!

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, auch für Ihre Einstandsworte zu Ihrem Amtsverständnis. Damit haben Sie große Erwartun gen geweckt.

Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Abstim mung über den Antrag „Zukunftsstrategie Digitales Branden burg“ der Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE auf Drucksache 6/5185 - Neudruck. Wer stimmt dem Antrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungs punkt 5 auf:

„Alle inklusive in Brandenburg“ - Das Bundesteilha begesetz verbessern

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/4539

Beschlussempfehlung und Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales,

Gesundheit, Frauen und Familie