Protocol of the Session on November 19, 2014

Wir reduzieren bildungspolitische Themen in der politischen Debatte ja auf etwas blutleere, abstrakte Kennziffern: Betreuungsschlüssel, Stundenausfallquoten und dergleichen. Wir müssen vielmehr darüber reden, was all diese Schlüsselquoten und Zahlen bedeuten.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Richtig!)

Wir werden in den kommenden fünf Jahren vereinbarungsgemäß 4 300 neue Lehrerinnen und Lehrer einstellen. 4 300 ist wieder so eine Zahl - aber was bedeutet sie? Sie bedeutet zunächst einmal: Das sind richtig viele, und zwar so viele wie seit 1990 nicht mehr.

(Beifall SPD)

Das bedeutet - das muss man sich vor Augen halten -, dass in den kommenden fünf Jahren mit jedem Schuljahresbeginn fast tausend neue Lehrer in Brandenburgs Schulen kommen. Das bedeutet, dass in den kommenden fünf Jahren jede vierte Lehrkraft in Brandenburg eine junge Lehrerin oder ein junger Lehrer sein wird. Ich bin mir ganz sicher: Das wird die Schulen bei uns in Brandenburg tiefgreifend verändern, erneuern und verbessern. Das wird ein wirklicher Umbruch. Das wird ein anderes Lernklima entstehen lassen, vielleicht sogar eine neue Kultur des Lehrens und des Lernens hier bei uns im Land.

(Beifall SPD)

Ich möchte nicht missverstanden werden: Ich habe absolut nichts gegen erfahrene Lehrkräfte. Erfahrung ist sehr viel wert. Erfahrung schafft Orientierung. Erfahrung ist wichtig. Aber auf das Ganze gesehen ist der altersmäßige Abstand zwischen Lehrkräften und Schülern in Brandenburg zu groß geworden.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Das stimmt!)

Die 4 300 neuen Lehrerinnen und Lehrer werden prägende Schrittmacher an Brandenburgs Schulen sein.

Im Übrigen: Hinzu kommen 100 zusätzliche Schulsozialarbeiter und mehr als 1 000 neue Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kitas. Das ist insgesamt ein beachtliches Paket. Das zeigt, dass wir hier wirklich in die Offensive gehen.

(Beifall SPD)

Aber das ist längst noch nicht alles. Unverändert stolz bin ich auch auf unser Brandenburger Schüler-BAföG. Die CDU - die Grünen im Übrigen auch - wollte es abschaffen. Diese Regierung wird es ausbauen und um einen Leistungsanreiz ergänzen.

(Beifall SPD und des Abgeordneten Domres [DIE LIN- KE])

Wer besonders gute Noten hat, bekommt einen Zuschlag.

(Bretz [CDU]: Wie hoch?)

Das ist ein richtig tolles Signal. Das bedeutet nämlich zweierlei, zum einen: Ja, Leistung soll sich lohnen. Und Leistung lohnt sich tatsächlich.

(Bretz [CDU]: Wie hoch?)

Aber zum anderen: Jede und jeder Einzelne muss überhaupt erst einmal die Gelegenheit erhalten, die eigenen Talente zu entfalten, und zwar unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Das wird die CDU in diesem Land nie verstehen.

(Beifall SPD - Bretz [CDU]: Wie hoch ist der Zuschlag?)

Wir Sozialdemokraten glauben an die Idee vom Aufstieg durch Bildung. Mit unserem Schüler-BAföG tragen wir ganz konkret dazu bei, dass der Aufstieg durch Bildung in Brandenburg Wirklichkeit wird, und darauf sind wir verdammt stolz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinbekommen müssen wir in den kommenden Jahren eine zeitgemäße Erneuerung unserer Verwaltung. Das Schlagwort, das in diesem Zusammenhang

in aller Munde ist, lautet: Kreisgebietsreform. Ich glaube, das greift zu kurz. Es geht im Kern um etwas anderes. Na klar, eine Kreisgebietsreform müssen wir durchführen. Dafür sprechen überwältigende demografische, finanzielle und auch demokratiepolitische Argumente.

(Dr. Redmann [CDU]: Quatsch!)

Was wir in Brandenburg aber vor allem brauchen, das sind starke Städte. Cottbus, Brandenburg und Frankfurt (Oder) sind jede auf ihre Weise starke Städte. Aber diese Städte müssen auch in Zukunft starke Städte bleiben können, leistungsfähige Oberzentren mit Ausstrahlung und Ankerfunktion für ihre Region.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Dr. Redmann [CDU]: Das können Sie doch machen!)

Aber wir müssen noch grundsätzlicher verstehen, warum wir unsere Verwaltung erneuern. Verwaltungen sind nämlich kein Selbstzweck. Wir werden deshalb eine Verwaltungsreform anpacken, damit die öffentliche Verwaltung in Zukunft noch stärker für die Bürger und Unternehmer da ist - als Dienstleister, als Ermöglicher und als verlässlicher Helfer in praktischen Fragen des Lebens. Wir brauchen solch eine moderne Verwaltung auf der Höhe der Zeit. Wenn wir sie nicht haben, wird es uns schwerfallen, erfolgreich im Wettbewerb der Regionen um Arbeitsplätze, Unternehmensansiedlungen und private Zuzüge mitzuhalten.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin ist eine rasant wachsende Stadt, eine der attraktivsten Metropolen der Welt, und überall rund um diese boomende Hauptstadt Berlin ist Brandenburg. Das schafft auch für uns jede Menge neue Chancen, aber auch neue politische Herausforderungen, denen wir gerecht werden müssen. Allein in den letzten drei Jahren sind 130 000 Menschen neu nach Berlin gezogen.

Man muss sich diese Größenordnung einmal vor Augen halten: Das entspricht der kompletten Bevölkerung von Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) zusammen. Ein Ende dieses Wachstumstrends ist nicht absehbar. Die Folge: In Berlin wird es eng. Wohnungen werden knapper und teurer, für neue Gewerbebetriebe wird es schwieriger, Platz zu finden. Deshalb ist völlig klar, dass dieses Wachstum Auswirkungen auch über die Berliner Landesgrenzen hinaus hat. Es wird zu vermehrten Umzügen nach Brandenburg kommen, zu erhöhten Gewerbeansiedlungen, zu privatem Hausbau sowie zu verstärktem Tourismus in unserem Land - und das alles ist gut so. Die Menschen, die neu zu uns nach Brandenburg ziehen, sind uns von Herzen willkommen. Wir wünschen uns, dass sie sich hier bei uns niederlassen. Wir wünschen uns, dass sie Brandenburger werden.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Aber dafür müssen wir ihnen auch ordentliche Perspektiven bieten, denn sie erwarten nicht nur anständige Hotelbetten und eine gute Gastronomie, sondern auch gute Kitas und Schulen, ordentliche Straßen und Radwege, einen modernen öffentlichen Nahverkehr und zeitgemäße Sportanlagen. Sie erwarten ein modernes Gemeinwesen auf der Höhe der Zeit. Auch deshalb,

um all dies leisten zu können, brauchen wir dringend eine moderne Verwaltungsstruktur.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Sorge: Es wird in der Brandenburger Politik nicht plötzlich nur noch um die berlinnahen Räume gehen. Wir werden auch, insbesondere als Sozialdemokraten, in Zukunft wie die Schießhunde aufpassen, dass die berlinfernen Regionen unseres Landes zu ihrem Recht kommen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es bleibt dabei: Nichts wird aufgegeben, niemand wird abgehängt. Dies gilt selbstverständlich gerade auch für die Lausitz. Und um es angesichts der anhaltenden Diskussionen um einen Ausstieg des Vattenfall-Konzerns aus der Braunkohle noch einmal ganz klar zu sagen: Ob mit Vattenfall oder ohne - die Braunkohleverstromung in der Lausitz wird fortgesetzt werden.

(Beifall SPD)

Sie wird fortgesetzt, weil das Industrieland Deutschland den Strom aus der Lausitz auch weiterhin brauchen wird. Machen wir uns nichts vor: Ohne unsere heimische Braunkohle kann es auf absehbare Zeit keine Versorgungssicherheit geben. Wir haben uns in Deutschland richtigerweise dafür entschieden, aus der Atomenergie auszusteigen.

(Beifall AfD)

So weit, so gut. Das bedeutet aber zugleich, dass es absolut unrealistisch ist, jetzt gleichzeitig auch noch aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. Ein doppelter Ausstieg geht schlicht und einfach nicht. Das würde bedeuten, die industriellen Fundamente der deutschen Volkswirtschaft zu zerstören.

(Zurufe von der SPD: Oh! Ach!)

Beides zusammen würde bedeuten, der Lausitz insgesamt den Stecker zu ziehen. Wir würden die Lausitz ihrer wirtschaftlichen Grundlagen berauben. Hierbei geht es um Zehntausende direkt oder indirekt von der Kohleverstromung abhängige Arbeitsplätze, und wem die real existierenden Menschen in der Lausitz nicht gleichgültig sind, der wird auch alles dafür tun, den dortigen Strukturwandel systematisch weiter voranzutreiben. Genau dies tun wir nämlich. Es ist nur so, dass wir die Braunkohleverstromung in den kommenden Jahren noch nicht sicher und zuverlässig durch erneuerbare Energieträger ersetzen können. Bis wir das können, brauchen wir unsere heimische Braunkohle, und zwar, um die Energiewende - heraus aus der Atomenergie - ohne volkswirtschaftlichen Totalschaden überhaupt zu ermöglichen.

Einige der großen Themen, mit denen wir es dabei in den kommenden Jahren zu tun haben werden, habe ich genannt. Es geht um soziale und innere Sicherheit, um effektive und effiziente Verwaltungsstrukturen, um strategische Investitionen in Bildung, Aufstieg und Chancengleichheit sowie um Energiesicherheit auch im Strukturwandel, um Unterstützung für wachsende ebenso wie für schrumpfende Regionen im Land. Es geht insgesamt darum, den Zusammenhalt unseres Landes zu sichern. Das ist nicht wenig. Das sind ziemlich dicke Bretter, die wir zu bohren haben werden, und zwar „mit Leidenschaft

und Augenmaß“, wie es der große Soziologe Max Weber einmal formuliert hat.

Hinzu kommen zunehmend äußere Stressfaktoren, die aber auch uns in Brandenburg ganz massiv betreffen. Die Konjunktur in Europa und auch bei uns in Deutschland droht in Richtung Rezession zu kippen. Auch wir in Deutschland bekommen die Auswirkungen internationaler Krisen und Kriege in Osteuropa und im Nahen Osten zu spüren. Geschätzte 50 Millionen bedauernswerter Menschen weltweit befinden sich derzeit aufgrund von Krieg und Vertreibung auf der Flucht. Davon nimmt Deutschland in diesem Jahr möglicherweise 200 000 auf. Das sind also lediglich 0,4 % der weltweiten Flüchtlingszahlen. Ich denke, auch dies müssen wir uns angesichts mancher Diskussion vor Augen halten. Brandenburg nimmt von diesen 200 000, die nach Deutschland kommen - bzw. den insgesamt 50 Millionen - lediglich 6 000 auf.

Diese Aufgabe ist nicht einfach. Ich weiß, dass sich viele in den Kommunen - Kommunalpolitiker, Landräte, auch Verwaltungsmitarbeiter - sehr engagieren, um dies hinzubekommen. Aber - und diese Botschaft muss heute hinausgehen - das überfordert unsere Gesellschaft nicht, und ich denke, alle Demokraten sollten daran mitwirken, dass wir diesen Verfolgten helfen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist die Welt, in der wir leben. Das ist die Lage, angesichts derer wir alle hier im Saal Verantwortung für unser Gemeinwesen tragen - gerade dann, wenn es unbequem wird. Wir in Brandenburg haben die globalen Verwerfungen nicht gemacht, und wir können sie auch nicht an der Wurzel packen. Aber sie haben Auswirkungen, die auch uns betreffen und mit denen wir umgehen müssen, genauso wie wir die Herausforderungen hier bei uns im Land annehmen müssen. Ich glaube nicht, dass es uns besonders gut ansteht, dieser besonderen Verantwortung auszuweichen, ganz besonders dann nicht, wenn man, wie etwa Herr Prof. Schierack, im zurückliegenden Wahlkampf erst den hohen Anspruch geltend gemacht hat, das Land Brandenburg als Ministerpräsident regieren zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Ich muss Ihnen vor dem Hintergrund einer Debatte über Verantwortung für dieses Land in diesem Land sagen, dass mich eine Episode aus unseren Sondierungsgesprächen auch nachhaltig sehr berührt und einen sehr schalen Nachgeschmack vor dem Hintergrund der heutigen Äußerungen von Herrn Senftleben, aber auch jener der letzten Tage hinterlassen hat, und zwar im Hinblick auf Ihren Willen und Ihre Fähigkeit, tatsächlich Verantwortung für Brandenburg zu tragen. Dabei geht es übrigens nicht allein um Herrn Prof. Schierack, dem nun alle den Schwarzen Peter zuschieben, weil es mit der Regierungsbeteiligung nicht geklappt hat.

(Frau Heinrich [CDU]: Das sagen Sie! - Weiterer Zuruf der Abgeordneten Heinrich [CDU])

Es geht auch um Sie, Herr Senftleben. Sie haben sich hier gerade hingestellt und uns mannhaft erklärt, warum die Einkreisung von Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) mit Ihnen auf keinen Fall zu machen ist. Herr Senftleben, darf ich Sie ganz vorsichtig daran erinnern, dass die Position Ihrer Partei in unseren Sondierungsgesprächen eine völlig andere war?

Damals waren Sie nämlich nicht nur mit der Einkreisung von Brandenburg und Frankfurt einverstanden, sondern ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Sie um 10 Minuten Auszeit baten, als wir Ihnen ein Papier zur Sondierung vorlegten, in dem die Formulierung stand, dass wir eine Kreisgebietsreform mit maximal 10 Kreisen und der Einkreisung der kreisfreien Städte anstreben.