Protocol of the Session on July 8, 2015

Ich frage daher die Landesregierung: Wie beurteilt sie die Auswirkungen dieser Beschlüsse des Bundeskoalitionsausschusses, insbesondere von der sogenannten CO2-Minderungsabgabe abzukommen und Braunkohlekraftwerksblöcke in eine Kapazitätsreserve zu überführen?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Gerber.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Holzschuher, eine jederzeit sichere und bezahlbare Energieversorgung ist für den Wirtschafts- und Energiestandort Deutschland von existenzieller Bedeutung. Erst recht nach dem Atomausstieg müssen wir absolut darauf achten, jederzeit mit sicherer Energie versorgt zu werden.

Deutschland ist ein Exportland. Glücklicherweise haben wir eine breit aufgestellte Industrie in unserem Land - eine Industrie, die oftmals energieintensiv ist, die sehr kapitalintensiv ist und die einen erheblichen Anteil an unserer Wertschöpfung, unserem Wohlstand und damit unserem Sozialstaat hat. Vor allem bietet diese Industrie vielen Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine gut bezahlte Arbeit.

(Beifall SPD)

Die nunmehr nach einer ewigen Debatte vom Bund gefundenen Regelungen zur Braunkohle sind energiepolitisch vernünftig und sie führen im Ergebnis zu den vom Bund angestrebten CO2-Einsparungen. Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich gemeinsam mit der IG BCE, mit Verdi und der Industrie für diese Lösung eingesetzt. Der Landtag Brandenburg hat uns in diesen Verhandlungen mit zwei Beschlüssen in unserer Position unterstützt. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Noch einmal zur Erinnerung: Die Bundesregierung hat Ende März einen Vorschlag vorgelegt, der sich einseitig und ausschließlich gegen die Braunkohle gerichtet hat. Uns war von Anfang an klar, dass dieser Vorschlag zu einer Schließungswelle von Kraftwerken und Tagebauen geführt hätte. Wertschöpfung wäre verlorengegangen. Das Auftragsvolumen für die Dienstleister in den Revieren wäre weggefallen. Viele Tausend Menschen in den Revieren hätten schnell ihre ebenfalls gut bezahlte Arbeit verloren.

Ein sicherer, aber vor allem auch ein preiswerter Energieträger wäre ohne Not und mit zweifelhaftem klimapolitischem Nutzen quasi von der Politik aus dem Markt gedrängt worden. Denn bekanntlich muss sich die Braunkohle am Markt behaupten, während die derzeit - ich sage ausdrücklich derzeit - noch teuren erneuerbaren Energien mit einem Einspeisevorrang privilegiert sind, deren Betreiber von den Stromkunden, also von uns allen, pro Jahr 22 000 Millionen Euro über die Einspeise

vergütung erhalten, bzw. das gesamte EEG verursacht diese Umlagekosten.

Meine Damen und Herren, was die ursprünglichen Pläne des Bundes angeht, so haben wir von Anfang an klar dagegengehalten - mit Erfolg, wie sich gezeigt hat. Darüber bin ich sehr erleichtert.

(Beifall SPD)

Wie geht es jetzt weiter? Zunächst müssen die Vereinbarungen vom Bund in eine konkrete rechtliche Regelung umgesetzt werden. Wir werden ganz genau hinschauen, dass es jetzt keine weiteren Änderungen oder Probleme im Detail gibt.

Meine Damen und Herren, noch etwas ist über den Tag hinaus wichtig: Wir brauchen in der deutschen Politik und der öffentlichen Debatte dringend wieder einen realistischen und vernünftigen Blick auf die Energiepolitik in unserem Land.

(Beifall SPD sowie des Abgeordneten Bretz [CDU])

Ich bin besorgt, wie naiv und teilweise ideologisch sich das grün eingefärbte Empörungskartell dieses Themas bemächtigt hat.

(Vereinzelt Beifall SPD, CDU und AfD)

Es ist nicht gut für unser Land, zu glauben, man müsse nur ordentlich die erneuerbaren Energien ausbauen und alle lägen sich dann glücklich in den Armen. Das ist angesichts wachsender Akzeptanzprobleme naiv.

(Jungclaus [B90/GRÜNE]: Gott sei Dank sind Sie so uni- deologisch!)

- Ich komme gleich auf Weiteres zu sprechen. Es ist auch naiv, weil Fragen der Preissteigerung durch das EEG und solche nach einer sicheren und preiswerten Grundlastversorgung ausgeblendet werden. Das mag daran liegen, dass die einen oder anderen nicht so genau auf jeden Euro schauen müssen. Aber die Kassiererin von Aldi, der Handwerker in der Uckermark oder der Mittelständler in der Lausitz müssen das tun. Wir müssen und wollen auch für diese Menschen Politik machen, die alleinerziehenden Mütter und Rentner. Viele Millionen Menschen in Deutschland und Brandenburg haben es nicht so dicke.

(Beifall SPD - Jungclaus [B90/GRÜNE]: Gerade die Armen dieser Welt sind vom Klimawandel bedroht!)

Für sie ist die Kostenfrage wichtig. Es ist gleichermaßen naiv und ideologisch, Kohlekraftwerke als „Dreckschleudern“ zu bezeichnen. Ja, sie haben einen hohen CO2-Ausstoß, aber sie versorgen uns jederzeit mit sicherer Energie - zum Beispiel auch heute Nacht, wenn es wieder dunkel wird.

Ich will daran erinnern, dass alle unsere Kraftwerke eine Betriebsgenehmigung haben - weil sie die in Deutschland geltenden Grenzwerte für Schadstoffemissionen einhalten. Zudem: Was bringt die Schließung der deutschen Braunkohlekraftwerke außer dem Verlust von einheimischer Wertschöpfung und Tausenden Arbeitsplätzen? Sie bringt auf dem deutschen Papier eine CO2-Einsparung - da kann man sich dann über ein

reines Gewissen freuen. Aber tatsächlich führt sie dazu, dass wir von französischen Atom- oder polnischen Kohlekraftwerken Energie beziehen müssen, wenn es zu Engpässen kommt. Ob das dem reinen Gewissen oder dem Weltklima hilft? Ich wage es zu bezweifeln.

(Beifall SPD, AfD sowie des Abgeordneten Bretz [CDU])

Meine Damen und Herren, realistisch, vernünftig und pragmatisch ist es, wenn wir stattdessen die wahren Herausforderungen der Energiewende anpacken. Es gibt vernünftige Diskussionsprozesse und -ansätze - auch hier in diesem Haus. Wir müssen die Netze so ausbauen, dass wir die Erneuerbaren-Erzeugung vom Norden in den Süden bringen, und viel stärker an der Forschung und Entwicklung von leistungsfähigen und wirtschaftlichen Speichertechnologien arbeiten.

(Beifall der Abgeordneten Schade [AfD])

Zu beidem steht die Landesregierung. Deshalb werden wir die Entwicklung von Speichern weiterhin nachdrücklich fördern.

Herr Minister, Entschuldigung, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass die Geschäftsordnung eine maximale Beantwortungszeit von fünf Minuten vorsieht.

(Beifall B90/GRÜNE)

Es gibt Nachfragen. Fast acht Minuten - das ist im Rahmen der Fragestunde ganz schön heftig. Ich schlage Ihnen vor: Lassen Sie Zusatzfragen zu; dann können Sie Ihre Ausführungen noch einbringen.

Ja, das können wir so machen.

Zunächst erhält der Fragesteller das Wort, anschließend Frau Abgeordnete Schinowsky. Bitte schön.

Herr Minister, vielen Dank für die klare Antwort. Ich denke, wir sind uns einig, dass die vier Säulen unserer Brandenburger Energiestrategie weiterhin zentral gelten. Warum brauchen wir die Energiewende? Wegen des Klimaschutzes. Aber wir brauchen auch Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Akzeptanz. Geben Sie mir Recht, dass - insbesondere auf Bundesebene - ein weiterer Aspekt von zentraler Bedeutung ist: die Verlässlichkeit von Politik und Rahmenbedingungen für die Energieversorgung, die Energiewirtschaft in unserem Land?

Ja, ich gebe Ihnen absolut Recht. Das Thema ist einerseits gesellschaftlich umstritten und bedarf andererseits einer langfristigen Perspektive - und zwar für alle Bereiche der Energiepolitik. Wir haben durch das EEG gewisse Sicherheiten, was die langjährige Einspeisevergütung bei den Anlagen von erneuerbarer Energie betrifft. Aber es gibt Herausforderungen beim

Netzausbau und der Entwicklung von Speichertechnologien, die nur langfristig durchgesetzt und marktwirtschaftlich etabliert werden können. Wir brauchen in unserem Land zu allen Aspekten der Energiepolitik - nicht nur einzelnen Ausschnitten - einen Konsens: zum Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze, zur Entwicklung von Speichertechnologien und der Rolle der konventionellen Energieerzeugung. Auch Unternehmen dieser Branche brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Ich glaube, dass wir diese Debatte nach der Sommerpause auch auf bundespolitischer Ebene dringend voranbringen müssen.

(Vereinzelt Beifall SPD sowie des Abgeordneten Bretz [CDU])

Frau Abgeordnete Schinowsky, bitte schön.

Irgendjemand muss Ihnen einmal erklären, was der Unterschied zwischen einer Regierungserklärung, einer Aktuellen Stunde und einer Fragestunde ist. Dafür habe ich jetzt keine Zeit. Sie allerdings haben gleich noch viel Zeit, zu antworten.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Sie sind nicht auf die Folgen für Brandenburg bzw. Jänschwalde eingegangen. Selbst Vattenfall hat inzwischen gesagt, dass es Auswirkungen auf das dortige Kraftwerk geben wird. Es steht in Aussicht, dass zwei Kraftwerksblöcke heruntergefahren werden könnten - soweit die Einschätzung der Kollegen von Vattenfall; das muss man sehen.

Die Reduzierung der Stromerzeugung im Kraftwerk von Vattenfall bedeutet: Weniger Kohle wird verbraucht. Zugleich ist aufgrund der Klimaschutzziele von Bund und Land klar, dass in Jänschwalde kein neues Kraftwerk gebaut wird. Der Kohlebedarf erhöht sich demnach nicht mehr. Ist das Anlass für die Landesregierung, darüber nachzudenken, das Planverfahren für Jänschwalde Nord zu beenden und dadurch den Menschen in Grabko, Kerkwitz und Atterwasch endlich Planungssicherheit zurückzugeben?

Sie haben gerade auf die teuren erneuerbaren Energien hingewiesen. Letzte Woche wurde ein milliardenschweres, subventioniertes Paket für die Braunkohle beschlossen. Können Sie dazu einen Satz sagen? - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Mit der Bitte um eine kurze Antwort gebe ich das Wort an Minister Gerber zurück.

Zu den konkreten Auswirkungen auf das Kraftwerk Jänschwalde - es geht um insgesamt 2,7 Gigawatt in Deutschland: Diskussionen gehen zum einen dahin, dass zwei Blöcke von Vattenfall Bestandteil der Kraftwerksreserve werden. Das muss der Bund mit dem Unternehmen verhandeln. Ein anderer

Punkt: Gemessen an den von mir erwähnten 22 Milliarden Euro nach dem EEG sind die Kosten, die für die Kraftwerksreserve entstanden sind, vergleichsweise gering.

(Frau Schinowsky [B90/GRÜNE]: Sieben Milliarden für vier Jahre!)

Die Energiewende ist nicht umsonst zu haben. Den Hauptanteil an den Kosten machen Netzausbau, Erdverkabelung bei den Gleichstromtrassen und die Förderprogramme für KraftWärme-Koppelung und Gebäudeeffizienz aus. Die Kosten für die Kraftwerksreserve bilden einen im Vergleich dazu geringeren Anteil.

Zu Auswirkungen auf den Tagebau Jänschwalde-Nord kann man gegenwärtig keine belastbare Aussage treffen. Das Antragsverfahren wird vom Bergbauunternehmen betrieben. Wie Vattenfall bzw. ein neuer Eigentümer sich dazu verhalten, das müssen wir noch sehen.

Danke schön. - Wir kommen zur Frage 223 (Verpflichtungen Brandenburgs in der Asyl- und Flüchtlingspolitik), gestellt vom Abgeordneten Lakenmacher.