Protocol of the Session on February 27, 2013

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE)

Ich bin mir sicher, wenn Gunter Fritsch im Präsidium gesessen hätte, hätte er das auch getan.

(Ooch! bei der Fraktion DIE LINKE)

- Moment! - Denn der Minister Markov hat ja einen Abgeordneten der Lüge bezichtigt, weil er das Gleiche gesagt hat, was vorher Frau Mächtig gesagt hat, was im Protokoll stehen wird, nämlich: Jawohl, wir haben bei den privaten Schulen gekürzt, weil wir ein anderes soziales Modell favorisieren; wir wollen die staatlichen Schulen fördern. - Das wird im Protokoll stehen. Meine Damen und Herren, ich finde, wir sollten das auch ertragen. Freiheit ist eben mehr, als dass diejenigen, die gerade ein bisschen mehr zu sagen haben, anderen vorschreiben, was sie tun oder lassen dürfen.

(Beifall CDU und FDP)

Wenn ich gesagt habe: „Es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung“, so gilt das für alle Fraktionen. Unsere Fraktionen, unsere Parteien haben eine Geschichte. Die längste Geschichte hat die Sozialdemokratische Partei, eine Geschichte, die mit viel Leid, mit viel Druck, aber auch mit vielen, großen Erfolgen verbunden ist.

Die CDU wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Erfahrungen der Weimarer Republik heraus gegründet; sie hat sich in Ost und West geteilt. Auch wir als CDU müssen sowohl zu

der CDU von Konrad Adenauer und Helmut Kohl als auch zu der CDU in der DDR stehen. Dazu bekennen wir uns auch.

Sie, meine Damen und Herren von den Linken, müssen sich egal, wie alt Sie sind, auch wenn Sie die Gnade der späten Geburt haben - zu der Gesamtverantwortung der SED, der PDS und der Linken bekennen, wie wir als deutsches Staatsvolk unsere gemeinschaftliche Schuld am Holocaust auch 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht leugnen werden. Von daher, meine Damen und Herren: Seien wir alle ein bisschen demütiger, ein bisschen toleranter und nicht so rechthaberisch. Dann können wir für Brandenburg mehr tun als durch solche verunglückten Stunden wie der ersten am heutigen Tag. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dombrowski. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Abgeordneter Jürgens hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Dombrowski, ich danke für die Anregung. Ich glaube nur nicht, dass meine Fraktion und meine Partei dieser Anregung bedurft haben.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben heute den Zweiten Tätigkeitsbericht der Beauftragten des Landes zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Frau Poppe, gehört. Der Bericht zeigt aus meiner Sicht, dass die Einsetzung genau dieser Beauftragten richtig war. Die Behörde von Frau Poppe ist Beratungsstelle, sie ist Anlaufstelle, sie ist Informationsstelle, sie ist ein Lernort gerade für Schülerinnen und Schüler, für junge Menschen. Die Angebote für die junge Generation sind ja auch ein Schwerpunkt in dem Bericht.

Was ich ganz besonders wichtig finde, ist, dass eben diese Beauftragte, diese Behörde, die Menschen, die dort arbeiten, beraten, Hilfe geben und zuhören. Ich glaube, das sind drei ganz wichtige Aufgaben. Deswegen, Frau Poppe, möchte ich Ihnen und Ihrer Behörde für den Bericht und die Tätigkeit ihrer Behörde ausdrücklich danken.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Über 180 Veranstaltungen - davon über 90 eigene und rund 90, bei denen sie dazugekommen ist -, das ist eine beachtliche Bilanz der letzten zwei Jahre Tätigkeit.

Besonders wichtig ist - das will ich hier noch einmal ausdrücklich betonen -, dass Frau Poppe mit ihrer Behörde beim Landtag angebunden ist. Es war richtig und wichtig, dass wir 2010 in einem gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen diese Anbindung an den Landtag beschlossen haben und dass sie nicht weiter an die Landeszentrale für politische Bildung angegliedert ist.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Ich möchte aus den vielen Veranstaltungen drei Aspekte herausgreifen, die mir besonders wichtig sind.

Erstens: Wirklich wichtig finde ich die vielen Veranstaltungen zum Thema Kinder, Jugend und DDR. Es gab viele Veranstaltungen zum Thema Heimkinder, aber auch über das Thema Heimkinder hinausgehend. Das finde ich eine ganz wichtige Sache.

Zweitens: Sie haben auch Veranstaltungen zum Thema Frauen und DDR durchgeführt, Frauen in der Revolution zum Beispiel. Ich finde das auch ein ganz wichtiges Thema.

Drittens: Auch wichtig finde ich den Themenbereich Kirche und Opposition in der DDR. Auch dazu haben Sie viele Veranstaltungen durchgeführt.

Das sind aus meiner Sicht zwar nur drei Teilbereiche, aber drei Teilbereiche, die wichtig sind.

Was mich beim Lesen sehr beeindruckt hat, sind die Ausführungen zu Ihrer neuen Aufgabe, nämlich als Anlauf- und Beratungsstelle für die Heimkinder tätig zu werden. Hier kann man gern Einzelfallbeispiele nachlesen; ich empfehle das. Das sind sehr eindrückliche Berichte über die Art und Weise, wie Heime später noch nachwirken, wie aber auch die Beratungsstelle in solchen Fällen helfen konnte, was sie erreichen konnte. Das hat mich persönlich sehr beeindruckt.

Am Ende möchte ich - auch weil Frau Poppe darum gebeten hat - zwei Anregungen geben. Die erste Anregung bezieht sich auf einen Punkt aus dem Bericht selbst. Es heißt ganz am Anfang, dass die Beauftragte den besonderen Fokus auf die weiter von Potsdam entfernten Kreise richtet, was, glaube ich, ein richtiges Anliegen ist.

Das ist ein richtiges Anliegen. Insofern finde ich es auch richtig, die mobile Vorortberatung zu machen. Wenn ich aber die Veranstaltungen durchgehe und feststelle, dass trotzdem 50 % der Veranstaltungen in Potsdam stattfinden, wäre meine Anregung, die Veranstaltungen in den weiter entfernten Kreisen noch ein bisschen mehr auszudehnen. Das nur als erste Anregung.

(Wechsel des Präsidenten)

Als zweite Anregung möchte ich sagen: Im Gesetz über die Beauftragte heißt es:

„Der Landesbeauftragte trägt dazu bei, die Öffentlichkeit über die Wirkungsweisen diktatorischer Herrschaftsformen, insbesondere in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR, zu unterrichten.“

Wenn ich mir die Veranstaltungen ansehe, stelle ich fest: Es gab ganze zwei von 190 Veranstaltungen, die sich mit der Zeit vor 1945 befasst haben. Meine Anregung oder mein Wunsch wäre, dass Sie sich eben auch ein bisschen stärker mit der Wirkungsweise diktatorischer Herrschaftsformen vor 1945 befassen, nicht mehr als mit der der DDR - dazu sind Sie auch explizit die Beauftragte für die kommunistische Diktatur, das ist ganz klar -, aber ein paar mehr als zwei Veranstaltungen im Zeitraum von zwei Jahren könnten es meines Erachtens durchaus sein. - Insgesamt aber danke ich sehr für diesen Bericht.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Die Abgeordnete Teuteberg spricht.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies wird nach fast fünf Jahren meine letzte Rede in diesem Landtag sein. Mein allererster Beitrag in der konstituierenden Sitzung galt der Frage, wo und wie wir als Abgeordnete uns auf eine Zusammenarbeit mit der Stasi überprüfen lassen. Insofern schließt sich da ein Kreis für mich, denn die Beschäftigung mit dem DDR-Unrecht war ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Abgeordnete.

Ulrike Poppe hat es gesagt: 25 Jahre sind gar kein so großer Abstand. Deshalb lohnt es sich, sich zu erinnern, was konkret vor 25 Jahren hierzulande geschah. Heute vor 25 Jahren schnitten die Außenminister Ungarns und Österreichs ein Loch in den Stacheldrahtzaun. Ich glaube, wir verdanken, wenn es darum geht, dass wir Feste der Freiheit feiern konnten, unseren europäischen Nachbarn so viel mehr, als uns oft im Alltag bewusst ist.

(Beifall FDP, CDU und B90/GRÜNE sowie der Abgeord- neten Melior [SPD])

Zur Realität hierzulande gehörte eben auch in diesen Tagen die Drohung vor 25 Jahren, dass China nicht so weit weg sei. Nicht zuletzt von dem Mann, der die auch hierzulande gern gepflegte Legende von der Wende prägte. Im DDR-Fernsehen hieß es, dass westliche China-Korrespondenten 3 000 Tote erfunden hätten.

Manche haben die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung nicht verstehen wollen und reden dann davon, dass der Blick zurück doch wenig bei dem Versuch helfe, aktuelle Probleme zu bewältigen und zukünftige schon im Ansatz zu verhindern.

Doch der Bericht, den uns Ulrike Poppe vorgelegt hat, zeigt sehr anschaulich das Gegenteil. Wir werden auch in der Gegenwart scheitern, wenn wir die Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht als Lernprozess verstehen. Das war übrigens auch immer die Parole des sogenannten antifaschistischen Kampfes der SED, und es ist natürlich auch Grundlage und Ziel von Initiativen gegen Rechtsextremismus. Was aber für die Zeit vor 1945 gilt, sollte seine Berechtigung auch für die Machtverhältnisse in der DDR haben.

Was können wir also daraus lernen? Eine Demokratie ist nur dann lebendig, wenn sie Menschen Raum für kritische, unbequeme Teilhabe am politischen Prozess gibt. Zugleich führt die Gewaltherrschaft einer Partei nicht nur zur Unterdrückung derer, die eine andere politische Meinung äußern oder auch nur haben. Wenn weite Teile der Bevölkerung keine Gelegenheit haben zu lernen, wie ein demokratisches Fundament mit Leben zu erfüllen ist, sondern sich gezwungen sehen zu schweigen, sich anzupassen oder aber wegzugehen, dann hat auch das nachhaltige Spuren hinterlassen. Darauf gibt der Bericht der Landesbeauftragten ebenfalls einige Hinweise.

Auch deshalb ist die Beschäftigung mit der Vergangenheit ein Gegenwartsproblem. Wir werden in absehbarer Zeit in den

neuen Bundesländern nicht mehr vor allem die Arbeitslosigkeit, sondern den Mangel an fachlich Qualifizierten zu bewältigen haben. Und wir wissen nur zu genau, dass wir da im Vergleich zu den sogenannten alten Bundesländern dürftig dastehen, weil wir es teilweise noch nicht schaffen, die Willkommenskultur zu pflegen, die den Zuzug erleichtert. Übrigens auch die Rückkehr derer, die das Land zwischen 1949 und 1989 verlassen haben.

Die Auseinandersetzung mit Diktatur - das ist schon mehrfach angesprochen worden - ist vor allem die Auseinandersetzung mit dem Leben von Menschen, mit einzelnen Schicksalen, aber auch mit dem, was ihre Familien und ihre Nachkommen prägt. Da gibt es manchmal nur begrenzt Handlungsmöglichkeiten für Härtefälle; auch das sagt der Bericht. Es braucht eine Sensibilisierung. Sie kann und muss von oben erfolgen. Es ist Aufgabe der Politik, ein Klima zu schaffen. Es ist vor allem aber Aufgabe von Bildungsarbeit - und zwar sowohl staatlich, in unseren Schulen, als auch zivilgesellschaftlich. Beides muss sich ergänzen und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Die Sorge der Betroffenen ist ganz stark die, ob auch die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission wirklich umgesetzt werden. Meines Erachtens ist es wichtig, dass wir insofern zur Normalität finden, jetzt einfach einmal die Existenz einer Landesbeauftragten als positive Normalität in Brandenburg zu sehen, sie nicht so sehr als besonderes Verdienst darzustellen - so, wie es eben lange ein Defizit und ein Nachholbedarf war -, nicht mehr so sehr ihre allgemeine Existenz noch besonders betonen zu müssen, sondern die konkrete Unterstützung einfach zu leisten.

(Beifall FDP, CDU und B90/GRÜNE sowie des Abgeord- neten Bischoff [SPD])

Wir haben jetzt, nach fünf Jahren - und dass Ulrike Poppe berufen wurde, erfolgte auch zu Beginn dieser Koalition - eine erste Bilanz. Dazu kann ich hier leider nicht näher ausführen. Was aber den notwendigen Mentalitätswandel betrifft, auf den die SPD setzen musste - auch bei ihrem Koalitionspartner -, möchte ich doch eines noch zu der Beschlussempfehlung sagen, die die Koalition vorgelegt hat.

Da hat der Landtag, der durch Wahlen bestimmte Vertreter des Souveräns und des Volkswillens, seine Vorstellungen, wie die Landesregierung handeln sollte, und bittet - ich wiederhole: er bittet - die Landesregierung. Hier wäre mehr Selbstbewusstsein geboten. Das ist eine etwas vordemokratische Sicht auf die Landesregierung. Ich glaube, der Landtag sollte ruhig fordern.

(Beifall FDP und CDU)

Das signalisiert, dass die Beschäftigung mit den Erblasten der Vergangenheit eine Notwendigkeit bleibt. Ich werde mich weiter dafür engagieren, unter anderem im Heimkinderbeirat und bei „Gegen Vergessen - Für Demokratie“. Dabei freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ulrike Poppe und wünsche ihr und unserem Land Brandenburg für ihre Tätigkeit als Landesbeauftragte weiterhin viel Erfolg.

Ich bitte um eine kurze persönliche Bemerkung in der letzten Rede hier: Es war eine Ehre, diesem Haus anzugehören. Das ist es, Abgeordnete zu sein und ein Mandat für fünf Jahre zu haben. Ich habe hier viele - nicht nur, aber sehr viele - gute Erfah

rungen gemacht. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich hier fachlich und menschlich begleitet haben, bei allen, die in der Lage waren, hart in der Sache und dabei herzlich im persönlichen Umgang zu sein, die in der Lage waren, Ermutigung und Anerkennung persönlich auszudrücken.