Natürlich war mir völlig klar, dass die Regierungskoalition auch beim letzten Sachantrag dieser Wahlperiode nicht über ihren Schatten springen kann. Das ist auch nicht anders erwartet worden. Nötig war dieser Antrag trotzdem. Das Konzept müsste bis Ende August problemlos vorzulegen sein, weil es längst da sein müsste, wenn die Ankündigung, 275 Anwärter für dieses Jahr und die Folgejahre vorzusehen, ernst gemeint war.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen, ich habe in den vergangenen fünf Jahren sämtliche Wachen und Reviere besucht.
Einige habe ich nur einmal besucht; das mag so gewesen sein. Den Standort Babelsberg gibt es nicht mehr, das Revier kann man nicht mehr besuchen. Die meisten Wachen und Reviere habe ich zweimal besucht, manche auch viel öfter. Ich war beim SEK und beim MEK. Ich habe alle Hundertschaften besucht. Ich war beim ZDPol, beim LKA - und natürlich an der Fachhochschule der Polizei. 160, 170 Besuche müssten es gewesen sein, vielleicht auch ein paar mehr. Das macht aber nichts.
Was ich von den Kollegen zur inneren Sicherheit in Brandenburg stets überall zu hören bekam, war - kurz zusammengefasst -: Mach dir keine Sorgen, wir haben hier alles im Griff - solange nichts passiert!
Genauso ist die Situation im Land Brandenburg, so sieht es gegenwärtig aus. Wir haben massive Motivationsprobleme. Auch das hört man bei den Beamten: dass viele mit großem Enthusiasmus und viel Idealismus ihren Beruf ergriffen haben, Polizeibeamte geworden sind, es ihnen aber von diesem Land verdammt noch mal sehr schwer gemacht wird, sich diesen Idealismus zu erhalten und ihren Dienst entsprechend fortzuführen.
Inzwischen haben wir die Situation, dass eine große Anzahl von Beamten mehr oder weniger auf den Ruhestand wartet. Die im vorigen Jahr eingeführte Erhöhung der Lebensarbeitszeit ist bei vielen deshalb auf Widerstand gestoßen, denn viele haben sich auf ihren Ruhestand gefreut, weil sie die Ausübung
ihres Dienstes angesichts der Verhältnisse in der Brandenburger Polizei so nicht mehr ertragen wollen.
Das ist gegenwärtig für dieses Land Brandenburg auch festzustellen. Natürlich gehört es dazu, dass man den Beamten, die ihren Dienst trotzdem weiter versehen, bei der Gelegenheit auch dankt und sagt: Ja, es ist ein toller, verantwortungsvoller Job. - Ich wünsche weiterhin viel Erfolg bei der Ausübung dieses Jobs - das in jedem Fall -, wünsche aber auch, dass die Landesregierung, dieser Landtag es ihnen leichter macht, diesen Job auch tatsächlich wahrzunehmen, und sie sich nicht wegen Überlastung im Grunde in die Krankheit flüchten müssen, wie es in Teilen bereits feststellbar ist, weil man den Anforderungen, die gegenwärtig an sie gestellt werden, nicht mehr gewachsen sein kann.
Wenn wir sagen, die Beamten machen einen tollen Job und leisten viel, dann möchte ich - wenn ich schon einmal dabei bin noch ein Wort an diesen Landtag richten:
Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Die Landesregierung bestellt sich bei Ihnen irgendwelche Anträge und brav wird von Rot-Rot geliefert. Das heißt, die Landesregierung wünscht sich, was Sie beantragen mögen, das die Landesregierung hinterher tun soll.
Was im Land Brandenburg geschieht, das entscheiden wir hier als Abgeordnete in diesem Landtag. Das ist unsere Verantwortung.
Und die Damen und Herren hier links und rechts von der Landesregierung dürfen dabei gern zuschauen und hinterher ausführen, was wir als Landtag dieses Landes Brandenburg ihnen aufgetragen haben. Das sind die Verhältnisse in diesem Land. Sie haben das völlig umgekehrt. Das kann doch nicht der Ansatz sein, mit dem wir hier arbeiten.
Meine Damen und Herren, das ist auch meine letzte Rede - das ist auch der letzte Tagesordnungspunkt mit Sachantrag -, daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen auch zu bedanken. Ich habe tatsächlich über die fünf Jahre in allen Fraktionen - nicht nur in der eigenen - Kollegen kennengelernt, mit denen man gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Ich habe auch andere kennengelernt, tatsächlich aber auch in allen Fraktionen auch immer wieder Einzelne, von denen man sagen kann: Da ist eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich, da wird sachlich fundiert gearbeitet. Das beginnt bei
Ursula Nonnemacher, auch wenn sie den Antrag jetzt nicht so schön findet, und setzt sich über den Kollegen Jürgen Maresch fort. Der Unterschied zwischen den Grünen und den Roten ist übrigens: Die Kollegin, die sachlich und fundiert arbeitet, mit der man gut zusammenarbeiten kann, ist bei den Grünen jetzt Spitzenkandidatin. Der Kollege bei den Linken, mit dem man das kann, wird im nächsten Landtag nicht mehr vertreten sein.
Auch das sei ganz im Rande erwähnt. Das betrifft auch Kollegen bei der SPD, bei der CDU und in der eigenen Fraktion auch da selbstverständlich, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen.
Und wenn man dieses Verhältnis schon so vorfindet, schaut man nicht nur zurück, sondern auch nach vorn und wünscht sich für das nächste Mal einen stärkeren Landtag, der auch seine Verantwortung im Bereich der inneren Sicherheit entsprechend wahrnimmt.
Das Thema wird uns weiter begleiten. Die Landesregierung hat die Evaluierung dieser Polizeistrukturreform für diesen Landtag, für diese Wahlperiode verweigert. Natürlich war 2009, 2010 - als wir anfingen - klar, dass, wenn 2014 evaluiert wird, es in diesem Landtag, in dieser Wahlperiode passieren soll, damit die, die die Strukturreform begleitet haben, sich auch damit befassen können. Das tun Sie nicht, Sie verschieben es auf die nächste Wahlperiode,
(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie wissen doch, dass wir die Zahlen genannt haben! Sie wissen das doch!)
in der Hoffnung, dass manche Leute nicht mehr dabei sind, dass manches in Vergessenheit geraten ist, sodass leichter mit dieser Evaluierung umgegangen werden kann. Auch das ist ein Grund, solche Anträge, wie wir sie heute auf der Tagesordnung haben, zu stellen.
Insgesamt, meine Damen und Herren, danke ich Ihnen für die Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren, freue mich auf ihre Fortsetzung in den nächsten fünf Jahren - selbstverständlich auch das -, wünsche Ihnen für die bevorstehende Zeit - für den Wahlkampf wie auch für die Ferien - alles Gute. Und wenn Sie schon im Wahlkampf sind, habe ich noch eine Bitte an Sie: Vergessen Sie mir meine Brandenburger Polizeibeamten nicht! - Ich danke Ihnen.
Wir sind am Ende der Aussprache angelangt. Ich komme zur Abstimmung. Es liegt der Antrag auf Drucksache 5/9229 der FDP-Fraktion „Fachhochschule der Polizei stärken - jährlich 300 Anwärter aufnehmen!“ vor. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Umsetzung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ der Landesregierung (gemäß Beschluss des Landtages vom 25.03.2010 - Drs. 5/632-B)
Es wurde vereinbart, dass der Präsident des Landtages einen Redebeitrag hält und ansonsten auf die Debatte verzichtet wird. Ich erteile dem Präsidenten - Gunter Fritsch - das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir heute aus drei Gründen, noch einmal das Wort zu ergreifen:
Erstens. Die Arbeit des Toleranten Brandenburgs ist inzwischen ein Aushängeschild unseres Landes geworden.
Zweitens. Wir befinden uns am Ende dieser Wahlperiode, und das ist eine gute Gelegenheit, ein wenig Rückblick auf unsere Arbeit zu halten.
Drittens nutze ich auch sehr gern die Gelegenheit, um mich in die neue und immer größer werdende Fraktion derer einzureihen, die ihre letzte Rede in diesem Landtag halten.
Das Land Brandenburg hat im Kampf gegen den Rechtsextremismus große Erfolge zu verzeichnen. Vor 17 Jahren haben wir begonnen, uns dieser Thematik offensiv zu stellen. Die Arbeit des 1997 gegründeten landesweiten „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“, das übrigens gerade überlegt, ob es sich nicht eine neue Bezeichnung geben sollte, da die derzeitige etwas sperrig wirkt, und die Umsetzung des vor 16 Jahren beschlossenen Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ der Landesregierung haben durchaus Früchte getragen.
Unter aktiver Beteiligung des Landtages Brandenburg gelang es zum Beispiel, zum Volkstrauertag am 18.11.2006 in Halbe und Seelow rund 10 000 Bürgerinnen und Bürger gegen einen geplanten Aufmarsch von Rechtsextremen zu mobilisieren. Das hat Schule gemacht. Bis in die kleinste Gemeinde sind fast über die gesamte Fläche des Landes regionale Bündnisse als Mitglieder des landesweiten Aktionsbündnisses entstanden, insgesamt nunmehr 67. Das „Tolerante Brandenburg“ selbst arbeitet mit 36 Institutionen im Land zusammen. Die Strategie des offenen Umgangs mit diesem Thema und nicht des Verschweigens ist aufgegangen.
Mit Beschluss vom 25. März 2010 „Rechtsextremismus konsequent bekämpfen“ hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, jährlich einen Bericht zur Umsetzung des Handlungskonzepts vorzulegen. Nunmehr liegt der fünfte und damit letzte Bericht dieser Wahlperiode vor. Und eine Evaluierung des Konzepts - auch von der Enquetekommission 5/2 erbeten liegt zusammen mit diesem fünften Bericht in Form einer wissenschaftlichen Expertise des Erziehungswissenschaftlers Prof. Schubert, des Humangeographen Dr. Wolfes und des Politikerwissenschaftlers Dr. Kohlstruck vor. Diese stellen dem Handlungskonzept des TBB Bestnoten aus und geben einen Ausblick mit interessanten Handlungsempfehlungen, die von Landesregierung und Landtag in der nächsten Legislaturperiode auszuwerten sind.
Toleranz als Standortvorteil für das Land Brandenburg lautet ein Fazit. Dieser Standort - einst Schloss, jetzt moderner Landtag - ist durchaus mit dem Wort Toleranz in Verbindung zu bringen. Bereits 1685 erließ der Große Kurfürst im Stadtschloss das Potsdamer Toleranzedikt. Toleranz lautet auch eine der von den hier einst residierenden Königen geprägten preußischen Tugenden. Davon hat das Land in der Vergangenheit stets profitiert.
Die Trockenlegung des Oderbruchs durch niederländische Bauingenieure, seine Besiedlung durch Hugenotten mit den noch heute existierenden Orten Vevais, Croustillier, Beauregard - was übrigens „schöner Rückblick“ heißt - zeugen vom Nutzen dieser Offenheit für unsere Region.
Toleranz und Tourismus gehören auch zusammen. Anfang der 90er-Jahre hatten wir das Prädikat „No-go-Area“ für Ausländer.