Ziel der europäischen Regional- und Strukturpolitik war, ist und bleibt auch in Brandenburg, die Unterschiede im Entwicklungsstand der Regionen zu verringern. Die Erneuerung der Infrastruktur und ein Großteil der Maßnahmen zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in Brandenburg sind ohne diese Mittel nicht denkbar.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Bemerkung zum Beitrag der CDU: Mir scheint, Sie lesen die Operationellen Programme der Landesregierung von 2014 bis 2020, die Internationalisierungsstrategie, die Energiestrategie sowie die Nachhaltigkeitsstrategie der rot-roten Landesregierung mit dem Anspruch, etwas zu fordern, was die rot-rote Landesregierung bereits beschlossen und auf den Weg gebracht hat,
um im Erfolgsfall der rot-roten Landesregierung wenigstens feststellen zu können, Sie wären immerhin die Impulsgeber gewesen. Aber da gilt ein guter alter Spruch, meine Damen und Herren von der CDU: Wer sich mit fremden Federn schmückt, wird nie fliegen lernen!
Unser Anspruch ist es, die Standards für Arbeitnehmerrechte europaweit zu verbessern. Beispiele dafür sind Mindeststandards für Arbeitszeitregelungen, so zum Beispiel für die Lenkzeiten für Lkw-Fahrer oder auch die hohen Verbraucherschutzstandards, die wir wesentlich mit beförderten, keine genmanipulierten Lebensmittel, keine schädlichen Chemikalien in Kosmetikartikeln, hervorragende Trinkwasserqualität und mehr.
Die Kohäsionspolitik der EU soll auch künftig von der Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren getragen sein. So wie Brandenburg seit 1990 erheblichen Nutzen von der EU-Regionalpolitik hatte, haben jetzt Regionen wie der Nordwesten Bulgariens und Ostpolen eben einen Anspruch auf diese erhöhte Förderung. Die Regionen, die trotz erfolgreicher Entwicklung immer noch einen erheblichen Rückstand zum europäischen
Durchschnitt haben, sollen auch künftig eine angemessene Unterstützung von der EU bekommen, etwa im Bereich der Wirtschaftsförderung oder auch der Arbeitsmarktpolitik. Alle Regionen sollen weiter den Freiraum haben, entsprechend ihren Bedingungen Schwerpunkte bei der Nutzung der europäischen Fonds zu setzen. Überbordende Regelungen, eine einengende Quote, wie die EU-Kommission sie vorschlägt, sind entbehrlich. Der große Vorzug der Strukturfonds, passfähige Lösungen vor Ort zu entwickeln, sollte erhalten bleiben.
Um die gewachsenen Aufgaben erfüllen zu können, braucht die EU einen angemessenen Finanzrahmen. Die von der Europäischen Kommission für die Jahre 2014 bis 2020 vorgeschlagenen 1,025 Billionen Euro sind das Minimum. Wenn sich hingegen die Bundesregierung mit ihrer Forderung nach zehnprozentiger Kürzung durchsetzen würde, bedeutete das, dass die Übergangsförderung für Brandenburg-Südwest infrage gestellt wird - von einer Erhöhung der Mittel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit ganz zu schweigen.
Neben Aus- und Fortbildung und neben der Förderung von Beschäftigung braucht Brandenburg nicht nur Arbeitsplätze, sondern gute Arbeit, Arbeit, von dem Mann, Frau und ihre Kinder angemessen leben können, ohne Sozialleistungen vom Staat zu beantragen. Davon sind wir trotz aller wichtigen Schritte, die wir in Brandenburg in den letzten Jahren gemacht haben, weit entfernt.
Auch wenn wir LINKEN starre Quoten für bestimmte Ziele oder für bestimmte Fonds aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen, betrachten wir die im Verordnungsentwurf ausgesprochene Anforderung an die Regionen, 20 % aller ESF-Mittel für soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung einzusetzen, als Schwerpunkt, den das künftige Operationelle Programm setzen sollte. Vor allem die Bekämpfung der Kinderarmut muss ein prioritäres Ziel in der nächsten Förderperiode werden.
Brandenburg in Europa, Brandenburg und Europa, das ist im abgelaufenen Vierteljahrhundert eine fast rundum gute Geschichte. Warum? Sie zeigt, dass die europäische Idee lebendig und wirksam ist und dass es sich lohnt, sie zu verteidigen und für sie zu kämpfen. Die europäische Idee hat ihre Wurzeln in den grausamen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, aber sie ist auch aus dem Schatten dieser grausamen Erfahrungen herausgetreten.
Die europäische Idee stellt die Gemeinsamkeiten von Interessen über nationale Egoismen. Sie ergänzt die Idee des Wettbewerbs dadurch, dass sie bewusst Entwicklungschancen für die Schwächeren schafft, also sie ist auch eine Art Solidargemeinschaft.
Die europäische Idee ist nicht extensiv, sondern vorrangig auf die effektive Regelung der inneren Beziehungen orientiert und gewinnt dadurch ökonomische, kulturelle und politische Attraktivität.
Und diese europäische Idee beinhaltet ein Prinzip, das auf neue Situationen angewendet wurde und angewendet wird, das Deutungskämpfen unterliegt, aber auch vor Abwegen nicht gefeit ist, das weiterentwickelt und vervollständigt werden muss.
Liebe Brandenburgerinnen, liebe Brandenburger, wir sind proeuropäisch. Vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern unseres
Landes lehnen einen Austritt unseres Landes aus der EU klar ab. Umgekehrt überwiegen nur für jeden Fünften im Land bei der EU-Mitgliedschaft Deutschlands vermeintliche Nachteile. Bei den Anhängerinnen und Anhängern der hier im Landtag vertretenen Parteien ist diese proeuropäische Stimmung noch deutlicher ausgeprägt. Das ist eine gute Basis für eine gute Zukunft Europas, für eine gute Zukunft Brandenburgs in Europa.
Nun gilt es, meine Damen und Herren hier im Parlament, liebe Wählerinnen und Wähler: Es reicht nicht, nur ein warmes europäisches Herz zu haben. Dieses Europa soll unser werden, und dafür braucht es unsere Stimme für Europa am 25. Mai, für eine der Parteien, die es ernst meinen mit Brandenburg und Europa.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zum Beitrag der FDP: Wenn Sie kritisieren, dass der Ministerpräsident mit seiner Rede in den Wahlkampf eingreift, sage ich: Ja, er tut es, und es ist auch verdammt seine Verantwortung für das Land Brandenburg, dass er mit darum kämpft, dass Nationalisten, Neofaschisten, Demagogen und Antieuropäer keine Chance auf den Einzug in das Europaparlament haben.
Ja, es ist seine Verantwortung, parlamentarisch und außerparlamentarisch mit uns gemeinsam dafür auf die Straße zu gehen. Ich freue mich, dass auch Sie dazu aufgerufen haben, am 25. Mai für ein friedliches, solidarisches Europa zur Wahl zu gehen.
Für meine Partei, für DIE LINKE, kann ich mit gutem Gewissen sagen: Ja, wir meinen es ernst, und wir meinen es gut mit Europa, mit den Europäerinnen und Europäern. Uns LINKEN ist Europa wichtig. Wir bitten Sie: Gehen Sie zur Wahl, wählen Sie demokratisch! - Danke.
Wir begrüßen neue Gäste: Schülerinnen und Schüler des beruflichen Gymnasiums Falkenberg (Elster) und Schülerinnen und Schüler der Oberschule Wittenberge. Herzlich willkommen im Landtag!
Wir setzen die Debatte zur Regierungserklärung mit dem Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, fort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen außerordentlich, dass der Ministerpräsident dieses Plenum zu einer Regierungserklärung und Aussprache zu Brandenburg und Europa nutzt. Kaum eine Region könnte besser als Brandenburg, hart am ehemaligen Eisernen Vorhang gelegen, geografisch und politisch für die Mitte Europas stehen. Und kaum ein Datum wie der vor uns liegende 25. Mai im Jahr 2014 bietet so viel Gelegenheit, an historische Ereignisse anzuknüpfen. Das Jahr 2014 ist ein Europajahr.
Wir gedenken des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren, des Überfalls auf Polen und Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren, wir gedenken der Landung der Alliierten in der Normandie vor 70 Jahren, der manipulierten Kommunalwahlen, der Montagsdemonstrationen und der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR vor 25 Jahren. Das Jahr 1989 steht auch für die Umwälzung in Mittel- und Osteuropa hin zu Demokratie, es steht für das Zerreißen des Eisernen Vorhangs und das Ende des Kalten Krieges. Zudem begehen wir dieser Tage das zehnjährige Jubiläum der EU-Osterweiterung, einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Der Gedanke der europäischen Integration geht auf Robert Schuman zurück, der schon 1950 vorausschauend formulierte:
„Der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa für die Zivilisation leisten kann, ist unerlässlich für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen.“
Der Beginn der europäischen Integration stand im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft. Das Fortschreiten des Integrationsprozesses nach Mittel- und Osteuropa ist ohne die Aussöhnung und Freundschaft zwischen Polen und Deutschland nicht denkbar.
Wir Grünen sagen ja zu Europa. Für uns ist die Europäische Union verknüpft mit dem Gedanken an Freiheit und Vielfalt, an einklagbare Menschenrechte, an Demokratie und offene Grenzen. Diese offenen Grenzen sind ein hohes Gut, meine Damen und Herren, und der Ruf nach dem Schlagbaum wegen der Kriminalitätsbelastung kontraproduktiv. Auch die Organisierte Kriminalität können wir nur partnerschaftlich bewältigen, und deshalb ist die morgige Unterzeichnung des deutschpolnischen Polizeiabkommens ein ganz großer Schritt in die richtige Richtung.
Die EU hat geholfen, jahrhundertealte Gegensätze und Konflikte zu überwinden und dem Kontinent eine historisch einmalig lange Friedensperiode zu bewahren. Dafür ist sie zu Recht 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
Die Europäische Union, das sind heute 500 Millionen Menschen, 24 Sprachen und 28 Staaten; das ist der größte Binnenmarkt der Welt. Brandenburg profitiert durch seine Lage im Herzen Europas in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht ganz außerordentlich von den Vorteilen der europäischen Zusammenarbeit. Die Europäischen Strukturfonds haben entscheidend zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Brandenburg beigetragen. Seit 1991 flossen 10 Milliarden aus dem EU-Haushalt nach Brandenburg, von 2007 bis 2013 allein 3,1 Milliarden Euro. Wenn wir in der jetzt beginnenden Förderperiode als Übergangsregion weniger Mittel - immerhin noch 2,2 Milliarden Euro - erhalten werden, so ist dies fair. Brandenburg hat große Fortschritte gemacht, und andere Regionen haben jetzt höheren Förderbedarf.
Knappere Mittel und strengere Vorgaben bedeuten aber auch eine Chance, das Geld zukunftsweisender in die Kernbereiche Innovation, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Inklusion zu investieren. Daran hat es in der Vergangenheit ja häufig gehapert. Die Brandenburger Landwirtschaft erhielt in der letzten För
derperiode 360 Millionen Euro an Direktzahlungen, die als Flächenprämien an die Betriebe ausgezahlt wurden.
Während die EU-Kommission die Zahlungen stärker an Naturschutz- und Umweltauflagen binden und nach Betriebsgröße staffeln wollte, hat sich die Brandenburger Landesregierung im Bund und bei der EU massiv für die Verteidigung dieses Status quo, gegen Greening, gegen Degression und Kappungsgrenzen eingesetzt.
Auch im Fall der Braunkohle ist Brandenburgs Landesregierung immer wieder gegen Ausweitung des Emissionshandels tätig geworden, hat CCS propagiert und sich für die Befreiung der Braunkohleförderung von der EEG-Umlage in die Bresche geworfen. Die Vorgabe der Union, Projekte, die die Minderung des CO2-Ausstoßes zum Ziel haben, zu fördern, wird durch die Energiepolitik der Landesregierung konterkariert.
Mit den Entwürfen zu den Operationellen Programmen hat die Landesregierung ihre Schwerpunkte für die kommenden sieben Jahre benannt. Während bisher noch ein Großteil der Mittel des Fonds für Regionalentwicklung EFRE in Infrastrukturprojekte geflossen ist, dürfen ab jetzt 80 % der Gelder nur noch für Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Innovationsförderung und zur Senkung des CO2-Ausstoßes eingesetzt werden.
Jetzt kann Brandenburg endlich gezielt seine Schwäche im Bereich der betrieblichen Innovation beheben. Auch kleine und mittlere Unternehmen, die in Brandenburg mit 98 % die überwiegende Mehrheit der Unternehmen darstellen, werden jetzt dank geänderter EU-Regeln endlich deutlich bessergestellt. Eine solche mittelstandsfreundlichere Regelung haben wir bisher vermisst. Wir erwarten, dass die Neuausrichtung der EU-Förderung ernst genommen und die Mittel nicht wieder durch die Hintertür vornehmlich bei großen Logistikunternehmen, bei Hotelkomplexen oder Erweiterungen klassischer Industrieunternehmen landen.
Auch der Entwurf der neuen Agrarförderung Brandenburgs hat immer noch die Industrialisierung einer exportorientierten Agrarwirtschaft mit immer weniger Betrieben und Beschäftigten zum Ziel. Der Ausverkauf unserer ländlichen Räume an Kapitalgesellschaften ist so nicht zu stoppen.
Gerade im wichtigen Natur- und Umweltbereich hat die Europäische Union weitreichende Kompetenz. Etwa 80 % der nationalen Gesetzgebung fußen auf europäischem Regelwerk. Europa hat hier ohne Zweifel großen Einfluss auch auf Brandenburg. Wir verdanken Europa zum Beispiel das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, welches sich hierzulande mit FFH- und Vogelschutzgebieten auf 26 % der Landesfläche erstreckt. Europa will auch für bessere Wasserqualität sorgen. Mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie sollen sämtliche Grund- und Oberflächengewässer einen guten chemischen und ökologischen Zustand erreichen. Hierfür werden entsprechende Gewässerentwicklungskonzepte erarbeitet.
Für die Umsetzung dieser Maßnahmen stellt die EU auch viel Geld zur Verfügung. Gut gedachte EU-Richtlinien und darauf
fußende Pläne helfen aber nicht, wenn die Landesregierung diese nicht ernst nimmt. Das Verschlechterungsverbot der EUWasserrahmenrichtlinie scheint die Landesregierung beispielsweise im Hinblick auf die Erweiterung des Tagebaus WelzowSüd und die Auswirkungen auf die Spree und ihre Zuflüsse nicht die Bohne zu interessieren,
wohl wissend, dass sie schon jetzt mit der Eisenocker- und Sulfatproblematik und der Versauerung von Gewässern überfordert ist, Frau Ministerin Tack.
Ob die sanierte Dorfkirche, das deutsch-polnische Polizeitandem in der Grenzregion, zahlreiche Beschäftigungs- oder Qualifizierungsprogramme oder die Umgestaltung des Falkenseer Bahnhofsvorplatzes - EU-Gelder sind immer dabei. Unser Alltag ist ohne ein vereintes Europa nicht denkbar: das Auslandssemester in Lissabon, der Jugendaustausch, die Familie aus Stettin, die in die Uckermark zieht, der brandenburgische Handwerker, der in Polen arbeitet.