Der demografische Wandel und die Entwicklung der ländlichen Räume - das beschäftigt uns hier in Brandenburg ganz besonders. Deshalb brauchen wir innovative Lösungen für die Sicherung der Daseinsvorsorge. Dazu gehören medizinische Versorgung, Pflege, Mobilität, Einkaufsmöglichkeiten und vieles andere mehr. Mit einem fondsübergreifenden Wettbewerb werden wir für die Zukunft auch die Stadt-Umland-Kooperation stärken. Die vielen kleinen und mittelgroßen Städte in der Fläche unseres Landes müssen als Anker ihrer Region, als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung gestärkt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In wenigen Tagen können wir alle die Mitglieder des nächsten Europäischen Parlaments mitbestimmen. Wir - gerade wir Ostdeutsche - haben hart um ein demokratisches Mitbestimmungsrecht gekämpft. Nehmen wir es wahr! Wir alle müssen jede Möglichkeit bis zur
Schließung der Wahllokale nutzen, um auf die Bedeutung dieser Wahl für unser Land Brandenburg hinzuweisen. Es geht um viel - sagen wir es also laut und deutlich: Jede einzelne Stimme für Europa am 25. Mai muss eine Stimme für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit sein!
Brandenburg ist eine selbstbewusste und starke europäische Region geworden. Wir sind das aufgrund der Leistungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Wir sind es auch aufgrund der Politik, die in diesem Lande gemacht wurde und gemacht wird. Wir sind es aber auch, weil Europa es uns ermöglicht hat. Deshalb appelliere ich heute ausdrücklich an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger: Überlassen Sie Europa nicht den Populisten und Extremisten!
Machen Sie Europa zu Ihrer Sache. Wählen Sie demokratische Parteien. Stärken Sie unser gemeinsames Europa - stärken Sie damit den Frieden, und stärken Sie damit Brandenburg! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir beginnen die Aussprache zur Regierungserklärung mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Schierack, bitte.
Geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger! Am 18. April 1951 unterzeichnete Konrad Adenauer den Vertrag der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und legte damit den Grundstein insbesondere mit unseren französischen Partnern für die heutige Europäische Union. Am 7. Februar 1992 unterzeichnete Helmut Kohl den Vertrag von Maastricht und begründetete damit mit überzeugten Europäern die heutige Währungsunion. Am 1. Mai 2004 traten mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Zypern, Slowenien, Tschechien, Ungarn und der Slowakei zehn neue Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in der sogenannten Osterweiterung bei. Knapp zehn Jahre später, in wenigen Tagen, wählen wir wieder ein Europäisches Parlament.
Leider werden diese Wahlen von unserer Bevölkerung immer noch als Wahlen zweiter Ordnung angesehen, obwohl ein Großteil der Gesetze von Brüssel aus gemacht wird. Dabei entscheiden wir dann nicht nur über das Europäische Parlament, sondern auch schon indirekt über den Kommissionspräsidenten, und erstmalig gibt es auch eine Richtungsentscheidung in Europa.
Ich weiß, die Europäische Union ist nicht perfekt, sie ist von Menschen gemacht, und sie kann durchaus auch kritisiert werden, aber gerade für mich als geborenen Ostdeutschen ist dadurch auch der Traum von Freiheit und grenzloser Reisefreiheit und Freizügigkeit in Erfüllung gegangen, und dafür bin ich im 25. Jahr des Mauerfalls sehr dankbar. Ich lebe gern in Europa!
Machen wir uns doch einmal klar, was diese Gemeinschaft im 20. Jahrhundert geleistet hat. Stellen Sie sich doch für fünf Minuten einmal Nationalstaaten mit unüberwindbaren Grenzen in Europa vor. Oder schauen wir doch einmal über den Tellerrand hinaus in andere Teile der Welt: Während wir über Regularien diskutieren, werden dort Menschen eingesperrt, gefoltert und ermordet, weil sie für Demokratie, Menschenrechte und Gleichberechtigung eintreten. Das sind Werte, die für uns selbstverständlich sind und über die wir nicht mehr diskutieren, wenn wir über Europa sprechen.
Oder schauen Sie in den Osten: die Ukraine - ein Land an der Schwelle eines Bürgerkriegs. Oder erinnern Sie sich einmal zwei Jahre zurück, als wir das friedliche Fest der Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine gefeiert haben. Erinnern wir uns an das Spiel in Donezk - Spanien spielte gegen Portugal -, Donezk, wo jetzt die Barrikaden brennen und Menschen sterben. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig Stabilität ist, und für die sorgt die Europäische Union mit ihren Mitgliedsstaaten.
Das ist ein Grund, warum sich viele junge Menschen zu diesem Teil Europas hingezogen fühlen. Innerhalb der Europäischen Union kommt es immer mehr zur Verständigung zwischen den Völkern, insbesondere bei der jungen Generation.
1987 wurde das ERASMUS-Programm aufgelegt. Seit dieser Zeit haben 2,5 Millionen Studenten dieses Programm genutzt, um ein oder zwei Semester im europäischen Ausland zu studieren. Sie haben dort nicht nur studiert, sie haben auch die Kultur der Menschen in ihr Heimatland mitgenommen. Der BolognaProzess, der seit 12 Jahren läuft, fordert ja gerade die europäische Mobilität. Für die meisten jungen Menschen ist es heute selbstverständlich, dass sie einen Teil ihres Lebens, einen Teil ihrer Ausbildung im europäischen Ausland verbringen. Das ist doch ein großer Erfolg, und dadurch wachsen auch das Vertrauen und das gegenseitige Verständnis in Europa.
Der europäische Einigungsprozess ist aber kein festgefügter Zustand. Er ist, wie das Wort sagt, ein Prozess, an dem wir tagtäglich arbeiten müssen, gerade in den Zeiten der Krise der Banken, der Schuldenkrise, aber auch der Skepsis vieler Menschen gegenüber Europa. Deswegen sage ich: Wir brauchen einen offenen, ehrlichen Dialog über Europa - aber nicht in populistischer Weise, um Brüssel zu verteufeln, wie das europafeindliche Parteien und Politiker machen. Nein, wir brauchen eine offene Diskussion, um den Menschen klarzumachen, dass wir ihre Sorgen und Kritik gegenüber Brüssel und Straßburg verstehen. Parlament, Kommission und Rat sind kein anonymer Moloch, der den Menschen und ihren regionalen Identitäten droht. Im Gegenteil: Die Europäische Union ist ein Garant für Toleranz, für Frieden, aber auch für Freiheit.
Deswegen ist der Wahlspruch der EU richtig, der heißt „In Vielfalt geeint.“ Das bedeutet, dass die Vielfalt und die Regionalidentitäten geachtet und geschützt werden. Das bedeutet, dass die großen Fragen natürlich global gemeinsam diskutiert
und angegangen werden müssen, aber auch, dass über die kleinen Dinge die Regionen und Kommunen selbst entscheiden können müssen, über das, was die Menschen vor Ort viel besser entscheiden und beurteilen können als Straßburg oder Brüssel. Das ist das Prinzip der Subsidiarität, und dafür ist die Christlich Demokratische Union immer eingetreten.
Jede Stimme für eine europafeindliche extremistische Partei ob von Links oder Rechts - schwächt dieses Europa und ist eine verlorene Stimme für Europa.
Deswegen ist es wichtig, zur Europawahl zu mobilisieren, für ein Europa des Wohlstands, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freiheit.
Unsere Wirtschaft und damit unser Wohlstand in Brandenburg sind mit Europa fest verknüpft. Brandenburg ist eine Erfolgsgeschichte - trotz Eurokrise, trotz Schuldenkrise. Das ist ein Verdienst der Menschen und der Unternehmer in diesem Land.
Brandenburg erhielt in den letzten fünf Jahren allein 3,2 Milliarden Euro Fördermittel. Bereits in diesem Jahr, mit der nächsten Förderperiode 2014 bis 2020, werden die Fördermittel in Brandenburg um ein Drittel auf 2,3 Milliarden Euro schrumpfen. Deswegen müssen wir jetzt die Weichen dafür stellen, dass Brandenburg ab 2020 auf eigenen Beinen stehen kann. Zu dieser Herausforderung und ihrer Bewältigung hätte ich vom Ministerpräsidenten heute gern mehr gehört.
Wir wollen, dass die Mittel dort eingesetzt werden, wo sie wirtschaftliches Wachstum fördern, Beschäftigung sichern und nachhaltig wirken.
Das sind aus unserer Sicht die demografische Herausforderung, der Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur, der Ausbau der Verkehrswege - insbesondere auch nach Polen -, die Stärkung der Exportfähigkeit und eine leistungsfähige Breitbandversorgung. Darüber hinaus müssen wir Forschung und Entwicklung zu den Schwerpunkten der Brandenburger Wirtschaft an den Hochschulen fördern, natürlich entsprechend unserer Cluster wie Energiewirtschaft, Gesundheitswirtschaft und Kunststoff- und Chemieproduktion.
Gleichzeitig haben wir dafür zu sorgen, dass die bürokratischen Hemmnisse abgebaut werden. Darum geht es in den nächsten fünf Jahren in der Wirtschafts- und Förderpolitik in Brandenburg.
Meine Damen und Herren, ein gemeinsamer Binnenmarkt erfordert auch eine gut abgestimmte europäische Energiepolitik. Das innovative, industrielle Europa ist für die globale Umwelt verantwortlich. Ich sage deutlich: Was Europa schafft, schafft die Welt. - Deswegen tragen wir eine besondere Verantwortung für unsere Umwelt. Entsprechend sind nationale Alleingänge
und Vorstellungen autarker Energie- und Wirtschaftspolitik ökonomisch und politisch gefährlich. Hier müssen wir insbesondere mit unserem polnischen Partner in einen intensiven Dialog eintreten. Ich bin gespannt, welche Impulse der neue Polenbeauftragte dort setzen wird. Denn nur durch eine abgestimmte Energiepolitik können wir das energiepolitische Zieldreieck von Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit erreichen.
Wir haben uns in Deutschland auf den langen Weg der Energiewende gemacht und werden natürlich kritisch von unseren europäischen Partnern beobachtet: Schaffen das die Deutschen oder schaffen sie es nicht? Und nicht nur die Versorgungssicherheit muss in den nächsten Jahren gewährleistet werden, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit und die Bereitstellung bezahlbarer Energie.
Wohlstand und Arbeitsplätze werden inzwischen direkt von unseren Strompreisen gefährdet. Brandenburg könnten erhebliche Einschnitte im industriellen Bereich - wenn hier nicht Einhalt geboten wird - drohen. Deshalb müssen wir dieses Problem noch ein Stück konsequenter angehen. Dazu ist national ein Umdenken bei der EEG-Umlage zu diskutieren, aber das ist heute nicht das Thema. Notwendig ist gleichzeitig ein innovatives Gesamtkonzept in Brandenburg, beispielhaft für Deutschland und Europa.
Wir haben in Brandenburg mit Braunkohle, Wind- und Solarkraft sowie Biogas eine deutschlandweit besonders breit aufgestellte Energieerzeugung. Natürlich erleben wir dadurch hautnah die Probleme, die damit entstehen, auch die Akzeptanzprobleme unserer Bevölkerung. Wir haben die Universitäten und Hochschulen, die an dem Energieprojekt forschen. Deswegen könnte Brandenburg in der Summe all dieser Faktoren eine erfolgreiche Modellregion für Energiewirtschaft für ganz Europa werden.
Das sichert nicht nur die Zukunft und Arbeitsplätze in unserem Land, sondern auch Millionen von Fördermitteln, die zusätzlich ausgegeben werden könnten, weil sie in dem Programm der Europäischen Union zur Verfügung stehen. Aber dazu muss jetzt ein Gesamtkonzept entwickelt werden. Wir wollen, dass Brandenburg ein europäisches Modellland für eine erfolgreiche Energiepolitik wird, die auch von den Menschen akzeptiert wird.
Welche Rolle ich mir - neben der Energiemodellregion für Europa - für Brandenburg noch vorstellen könnte, wäre die eines Paradebeispiels für eine gelungene Euroregion zwischen Ost und West, so wie das besonders gelungene Beispiel der Oberrheinregion ein Paradebeispiel für die gelungene Integration zwischen Schweiz, Frankreich und Deutschland ist. Diese Region ist gekennzeichnet von einem besonderen interkulturellen Austausch - also nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der
Kultur und der Menschen. Da stelle ich mir die Frage: Warum entspricht das Budget des Deutsch-Französischen Jugendwerks immer noch nicht dem des Deutsch-Polnischen Jugendwerks? Und warum gibt es heute, zehn Jahre nach der Aufnahme Polens in die EU, immer noch kaum vernünftige Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Polen? Und warum sind die zivilgesellschaftlichen Kontakte zwischen Brandenburg und Polen immer noch weniger entwickelt als zwischen Deutschland und Frankreich? Wenn wir das wirklich wollen, dann muss beispielsweise dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.
Meine Damen und Herren, Europa ist ein Friedensprojekt. Deswegen hat sich die CDU als die deutsche Europapartei direkt nach dem Zweiten Weltkrieg für die Westbindung und die europäische Einigung entschieden. Deshalb hat die CDU die Montanunion, die Europäische Gemeinschaft und schließlich auch die Europäische Union vorangetrieben. Konrad Adenauer, Helmut Kohl, viele Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale haben den europäischen Einigungsprozess geprägt und auch vorangebracht. Heute wird ihr europäisches Erbe von Angela Merkel nicht nur verwaltet, sondern auch erfolgreich gestaltet. Sie hat Europa gut durch die Krise gebracht.