Ob die sanierte Dorfkirche, das deutsch-polnische Polizeitandem in der Grenzregion, zahlreiche Beschäftigungs- oder Qualifizierungsprogramme oder die Umgestaltung des Falkenseer Bahnhofsvorplatzes - EU-Gelder sind immer dabei. Unser Alltag ist ohne ein vereintes Europa nicht denkbar: das Auslandssemester in Lissabon, der Jugendaustausch, die Familie aus Stettin, die in die Uckermark zieht, der brandenburgische Handwerker, der in Polen arbeitet.
Auch wenn uns Europa in Brandenburg auf Schritt und Tritt begegnet: Das Interesse an den Europawahlen ist gering. Die Wahlbeteiligung lag in Brandenburg mit 26,9 % 2004 und 29,9 % 2009 deprimierend niedrig. Dass der Vertrag von Lissabon die Rechte der Bevölkerung - Stichwort „Europäische Bürgerinitiative“ - und die Kompetenz des Europaparlaments gestärkt hat, wird kaum wahrgenommen.
Martin Schulz beklagte kürzlich, dass sich viele Lokalpolitikerinnen und -politiker das mit EU-Geldern realisierte Bauprojekt nur zu gerne an die eigene Brust heften, Misserfolg und Schwierigkeiten aber schnell bei dem „Moloch Brüssel“ abladen. Wir brauchen ein Narrativ, eine europäische Erzählung, die die Menschen wieder anspricht, die sie positiv berührt.
Überall in unserem Land sind Menschen unterwegs, ihr Europa mit Leben zu füllen. Es gibt Europaschulen und Europakitas, es entstehen Netzwerke von Städten, Gemeinden und Vereinen, seien es die europäischen Hansestädte oder das Netzwerk der Jakobswege, das Europa und Brandenburg durchzieht. Mit besonderer Aufmerksamkeit registrieren wir, dass gerade in der Grenzregion zu Polen die Kontakte kontinuierlich wachsen und vertieft werden. Es entstehen Infrastrukturen über Oder und Neiße hinweg, Grenzstädte wachsen immer weiter zusammen und versuchen, durch Kooperation Entwicklung voranzubringen. Kitas und Schulen, Sportvereine und Kulturinstitutionen entwickeln enge Kontakte ins Nachbarland. Diese Menschen füllen unseren Verfassungsauftrag in Art. 2 mit Leben. Hier leistet das Land Unterstützung, hier kann das Land aber auch noch mehr tun. Wir brauchen zum Beispiel endlich ein Mehrsprachigkeitskonzept des Landes, das Polnisch als Nachbarsprache besonders berücksichtigt.
Trotz zahlreicher Kontakte und Beispiele erleben wir momentan in vielen Ländern Europas eine regelrechte Renaissance von Europafeindlichkeit und Nationalismus. Es geht wieder ein Gespenst um in Europa, das des Rechtspopulismus, und dieses
Gespenst scheint jetzt auch Deutschland zu erreichen. Von der FPÖ in Österreich, der Freiheitspartei in den Niederlanden, dem Front National in Frankreich bis zur UKIP in Großbritannien reicht das Spektrum. Diese Parteien eint EU-Feindschaft, Ausländerfeindlichkeit bis hin zu unverhohlenem Rassismus, die Ablehnung von Arbeitsmigration und das Schüren sozialer Abstiegsängste.
Herrn Büttner danke ich sehr für seine klaren Worte zum Asyl. Europa als Ort der Freiheit kann kein Bollwerk gegen Flüchtlinge sein.
Prognosen, dass bis zu einem Viertel der Sitze im künftigen Europaparlament von ausgewiesenen Feinden Europas eingenommen werden können, sind Anlass zu ernster Sorge. Wir begrüßen es daher sehr, dass dieses Hohe Haus im Anschluss einen Wahlaufruf zur Stärkung der Demokratie in Brandenburg und Europa verabschieden wird.
Nachdem die EU den Tiefpunkt der wirtschaftlichen Krise langsam zu überwinden scheint, droht Europa mit dem Ukraine-Konflikt die schwerste politische Krise seit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall Jugoslawiens. Angesichts der Gefahr einer militärischen Eskalation, von Bürgerkrieg und Krieg in Europa wird vielen klar, wie wichtig ein geeintes, solidarisches Europa ist, um solchen Belastungen standzuhalten. Doch im Innern muss sich die EU mit den destabilisierenden Effekten des wachsenden Rechtspopulismus auseinandersetzen, nach außen mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim.
Mit großer Sorge sehen wir, dass die fortgesetzten Destabilisierungsversuche Russlands der Ukraine gegenüber Wirkung zeigen. Die selbstorganisierten Referenden vom Wochenende ohne jegliche rechtsstaatliche Grundlage, ohne klare Abstimmungsalternative und ohne internationale Beobachter sind haltlos. Nebenbei bemerkt: Das schönste proeuropäische Votum haben die 180 Millionen Zuschauer des European Song Contest abgegeben, die für Vielfalt und Freiheit in Europa stimmten.
Trotz der zunehmend außer Kontrolle geratenden Situation muss weiterhin an diplomatischen Lösungen gearbeitet und jeder Anheizung militärischer Gewalt Einhalt geboten werden. Oberstes Ziel muss weiterhin die Durchführung von Präsidentschaftswahlen an diesem 25. Mai unter Einbeziehung von OSZE-Beobachtern sein. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gelten unser Respekt und unser Dank für seine diplomatischen Bemühungen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir sind gegen jegliche Art von militärischen Drohgebärden und Muskelspielen auch vonseiten der NATO; wir sehen Fehler auf beiden Seiten.
Ausrichtung Russlands, krude geostrategische Phantasien, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit, ultrareaktionäre Frauenund Familienbilder unter dem Beifall des orthodoxen Klerus und die Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte sind mit dem Wertesystem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unvereinbar.
Es sollte auch zu denken geben, dass Marine Le Pen und die extreme Rechte in Westeuropa ihre Liebe zu Russland entdeckt haben und offensichtlich in Moskau ein- und ausgehen. Für uns aber ist klar: Wir sind gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Antifeminismus und Unterdrückung demokratischer Freiheitsrechte, egal, ob sie in West- oder Osteuropa postuliert werden.
Vielleicht sollten einige Mitglieder der Linkspartei - eher nicht in diesem Haus, sondern woanders, und ich sage ganz bewusst „einige“ - mal ihr ideologisches Koordinatensystem putzen und sich fragen, wo genau sie denn stehen.
Das Friedensprojekt Europa ist nicht abgeschlossen, nein, es ist momentan akut bedroht. Die Europäische Union muss sich als Solidargemeinschaft auch in harten Zeiten von Schuldenkrise und außenpolitischen Krisen erweisen. Wir wollen nicht weniger Europa, sondern Ziel grüner Politik ist ein besseres Europa mit einer starken demokratischen Legitimation. Wir wollen mehr Beteiligung und Mitbestimmung für das Europaparlament, aber auch für nationale und regionale Parlamente, auch hier in Brandenburg.
Die europäische Wirtschaftskrise ist noch lange nicht ausgestanden. Wir wollen Millionen Menschen nicht durch eine verfehlte Sparpolitik in die Verelendung treiben, die Krise der Finanzmärkte gesamteuropäisch angehen und vor allem Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam bekämpfen. Hier danke ich Ihnen, Frau Melior, ganz ausgesprochen für Ihre klaren Worte zur Jugendarbeitslosigkeit. Wir müssen der Jugend Europas eine gesicherte Lebensperspektive bieten, ihr die Vorzüge unseres gemeinsamen Europas von der Schulpartnerschaft über die Anerkennung von Hochschulabschlüssen bis zum gemeinsamen Arbeitsmarkt nahebringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa ist am Elend des Nationalismus im 20. Jahrhundert fast zugrunde gegangen. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts können wir nur gemeinsam bewältigen. Was kann der Nationalstaat besser als ein vereintes Europa? Umwelt- und Klimaschutz kann nur supranational bewältigt werden, wenn wir eine Klimakatastrophe noch verhindern wollen. Ein Freihandelsabkommen muss gesamteuropäisch und vor allem transparent und öffentlich verhandelt werden, um Begehrlichkeiten multinationaler Konzerne gemeinsam abzuwehren und europäische Verbraucherschutz- und Sozialstandards zu verteidigen.
Die Übergriffe der NSA oder die Begehrlichkeiten von Internet-Giganten wie Google muss Europa gemeinsam stemmen, und die Regulierung der Finanzmärkte kann auch nur in einem gestärkten Europa gelingen. Auch die Herausforderungen der Außen- und Sicherheitspolitik müssen wir gemeinsam bewältigen. Der Prozess der demokratischen Transformation in Osteuropa muss gemeinschaftlich vorangetrieben werden.
Ja, das europäische Haus ist nicht vollkommen, seine Umbaumaßnahmen sind nicht abgeschlossen. Einige Räume warten noch auf neue Mieter. Am Dach bedarf es dringender Reparaturarbeiten. Die Gemeinschaftsräume müssen ausgebaut werden. Trotzdem dürfen wir nicht zulassen, dass nationalistische Brandstifter an unserer gemeinsamen Wohnstätte zündeln und sie in Schutt und Asche legen wollen. Bei aller Unvollkommenheit ist Europa ein Projekt, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Wenn wir demokratische Wahlen aus Bequemlichkeit den Feinden Europas oder gar den Feinden der Demokratie überlassen, dann haben wir auf ganzer Linie verloren und versagt. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren. Damit ist die Redeliste abgearbeitet. Ich beende die Aussprache. Sie haben die Regierungserklärung zur Kenntnis genommen.
Es ist eben deutlich geworden, dass Europa einer breiten demokratischen Legitimation bedarf, über alle Fraktionen hinweg. Deshalb ist auch vereinbart worden, zum Aufruf zur Europaund Kommunalwahl nicht zu debattieren. Wer dem Antrag in der Drucksache 5/9000 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag wurde bei drei Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. - Herzlichen Dank.
Thema: Antibiotika in der Nutztierhaltung - Antibiotikaresistenzen als Gefahr für die menschliche Gesundheit
Des Weiteren liegt in Drucksache 5/9053 ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher, Sie werden sich möglicherweise fragen, warum die Gesundheitspolitikerin der grünen Landtagsfraktion zu dem Thema „Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung“ das Wort ergreift. Ihrer Vermutung, dass es mit den nahenden Landtagswahlen zu tun haben könnte, würde ich nicht allzu vehement widersprechen wollen. Viel wichtiger ist mir aber, darauf hinzuweisen, dass wir ein dringendes gesundheitspolitisches Problem haben, nämlich die Zunahme von Antibiotikaresistenzen bei einer Vielzahl von Krankheitserregern, und dass wir dieses Problem nur durch eine Erweiterung unseres Blickwinkels wirksam bekämpfen können.
Dazu müssen wir nicht nur auf unsere Krankenhäuser schauen und von Hospitalismuskeimen, Krankenhaushygiene und Multimorbidität reden, sondern wir müssen unsere Blicke auch auf die Ställe, insbesondere auf die Intensivtierhaltung, richten. Im November letzten Jahres hat die Bundesregierung eine grundlegende Überarbeitung der deutschen Antibiotikaresistenzstrategie vorgestellt, mit der seit 2008 ressortübergreifend versucht wird, dem Problem zu begegnen. Dabei sagte der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Dr. Kloos:
„Wir sind uns alle bewusst, dass wir die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen gemeinsam bekämpfen müssen, Veterinär- und Humanmedizin Hand in Hand.“
Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass zum 1. April 2014 die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes in Kraft getreten ist, mit der erstmals strategisch versucht werden soll, den Antibiotikaeinsatz in Mastbetrieben flächendeckend zu verringern und damit einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen die Resistenzproblematik zu leisten. Wie die Antwort auf unsere Kleine Anfrage ergeben hat, fehlt es ja auch in Brandenburg bisher an jeglicher systematischer Erfassung und Auswertung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung. Antibiotika haben sich seit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming als eine ungeheure Erfolgsgeschichte der modernen Medizin erwiesen. Viele bislang tödlich verlaufenden Krankheiten konnten nun sicher und zuverlässig behandelt werden.