Ich hätte dies nicht gesagt, wenn der Inhalt Ihrer Regierungserklärung so gewesen wäre, dass man wirklich etwas Neues daraus hätte entnehmen können, warum es gerade zum jetzigen Zeitpunkt wichtig ist, eine Regierungserklärung zum Thema Europa zu halten. Aber auch da haben Sie leider enttäuscht, Herr Ministerpräsident.
Sei‘s drum! - Wir als Liberale sind natürlich gerne bereit, uns über Europa zu unterhalten, denn wir sind mit Leidenschaft Europäer,
Eine gute Entwicklung, gesellschaftlich wie wirtschaftlich, wird unserem Bundesland nur gelingen, wenn wir diese mit unseren europäischen Partnern gestalten.
Aber, meine Damen und Herren, die Idee des vereinten Europas hat eben auch Probleme. Wenn wir als Politiker des demokratischen Parteienspektrums diese Probleme nicht mehr ansprechen, dann werden es die Populisten und Extremisten von Rechts und Links in unserem Land tun und es damit immer einfacher haben, Stimmen zu gewinnen.
Wir als überzeugte Europäer sind aufgefordert, unser Bekenntnis zu dem europäischen Einigungsprozess und unsere Leidenschaft für ein freies Europa immer wieder neu zu artikulieren und dabei nicht zu vergessen, die Probleme der Europäischen Union anzusprechen.
Meine Damen und Herren, in den vergangenen Wochen und Monaten gab es viele Entwicklungen in Europa, die nicht gut waren und die dringend einer politischen Klärung bedürfen. Sie gestatten mir, dass ich einige davon anspreche:
Noch vor wenigen Monaten, ja Wochen, hätten wir uns Schlagzeilen in der Presse wie „In Europa droht Krieg“ niemals vorstellen können. Kollege Schierack hat auf die Europameisterschaft noch vor wenigen Jahren in Polen und der Ukraine hingewiesen. Diese Krise in der Ukraine führt uns deutlich vor Augen, dass die Sicherung des Friedens in Europa keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt. Sie sichert uns den Frieden auf einem Kontinent, der viele Jahrhunderte lang seine eigene Definition aus der Ablehnung des einen Nationalstaats gegenüber dem anderen hatte. Wer hätte sich vor 60 Jahren vorstellen können, dass Deutschland und Frankreich eine enge Partnerschaft pflegen? Wer hätte sich denn vor 1990 vorstellen können, dass sich die Beziehungen zu unserem Nachbarn Polen so positiv und freundschaftlich entwickeln? Ich
komme nachher noch darauf. All das sind Erfolge der europäischen Integration und der Aussöhnung der Völker, und das gilt es zu bewahren.
Gleichzeitig aber muss die Europäische Union auch die Grenzen der Belastbarkeit unserer Nachbarn erkennen. Für mich steht absolut fest: Die Annexion der Krim durch die Russische Föderation ist eine Verletzung internationalen Rechts und ein Bruch des Budapester Vertrages. Sie ist völkerrechtswidrig, ja, Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht. Wir müssen uns auf unsere Partner auch außerhalb der EU verlassen können.
Die Aggression gegen einen souveränen Staat durch Russland darf nicht folgenlos hingenommen werden. Deshalb wäre ein entschiedenes Handeln der Europäischen Union notwendig. Aber gleichzeitig, meine Damen und Herren, muss die Frage erlaubt sein, ob es klug und sinnvoll war, das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine so schnell voranzutreiben und den Abschluss des Abkommens an immer neue Bedingungen zu knüpfen.
Gleichzeitig muss auch die Frage erlaubt sein, ob man in der EU die geopolitische Lage der Ukraine für Russland nicht falsch eingeschätzt hat.
An der gegenwärtigen Situation in der Ukraine tragen alle Seiten Mitverantwortung. Damit wir uns da nicht falsch verstehen, noch einmal: Ich sehe es als völlig klar an, dass der Aggressor insbesondere in der russischen Regierung zu sehen ist.
Die Aufgabe der Politik heute aber ist es, diese Krise mit friedlichen Mitteln, diplomatisch zu lösen. Wir als Liberale lehnen alle Maßnahmen ab, die dazu führen, dass diese Krise weiter angeheizt wird. Die Diplomatie und das Gespräch miteinander ist der einzige Weg, um eine Lösung zu finden.
Die Krise zeigt aber noch mehr: Wir benötigen endlich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Dazu bedarf es einer Reform des noch neuen Europäischen Auswärtigen Dienstes. Und auch das Europäische Parlament muss gestärkt werden, um die außenpolitischen Strategien und Missionen der Union mitgestalten und mitkontrollieren zu können.
Ein zweiter Punkt: Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Wenn man gegenwärtig durch Brandenburg fährt, liest man Schlagzeilen wie „Masseneinwanderung stoppen!“, „Vorbild Schweiz“ - natürlich mit der klaren Richtung: Es geht um die Volksabstimmung in der Schweiz zur sogenannten Masseneinwanderung und ähnlichen politischen Müll, alles mit der klaren Intention, Ablehnung gegenüber Menschen aus anderen Ländern zu fördern. Dies wird es mit uns Liberalen keinesfalls geben, meine Damen und Herren!
Diese EU ist keine Festung. Ja, sie muss im globalen Wettbewerb bestehen und daher für kluge Köpfe aus Drittstaaten at
traktiver werden. Aber, meine Damen und Herren, sie muss vor allem auch die Verantwortung für Menschen in Notsituationen übernehmen. Das darf nicht nur Aufgabe einiger weniger Mitgliedsstaaten sein. Asyl ist ein Recht und keine Gnade.
Das Asylrecht ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer freiheitlichen Grundordnung und wir können stolz darauf sein, verfolgten Menschen - woher auch immer sie kommen Zuflucht bieten zu können. Bilder, wie wir sie im Oktober gesehen haben, wo zwei Boote vor der italienischen Insel Lampedusa gekentert sind, möchte ich, möchten wir alle nie wieder in Europa erleben. Immer wieder werden Flüchtlingsboote im Mittelmeer aufgegriffen und in zumeist afrikanische Transitund Herkunftsländer zurückgeschickt. So nimmt man vielen Flüchtigen die Möglichkeit, Asylanträge auf dem Gebiet der Europäischen Union zu stellen. Manch kritischer Beobachter gewinnt den Eindruck, bei der europäischen Asylpolitik gehe es mehr um den Schutz vor Flüchtlingen als um den Schutz von Flüchtlingen,
Es liegt auch eine Chance für Brandenburg darin. Ich halte es für falsch, wenn wir Asylanten, Flüchtlinge, die in unser Land kommen, in Übergangswohnheimen möglichst außerhalb von Gemeinden und Städten wohnen lassen und ihnen keine vernünftige Möglichkeit der Integration in unsere Gesellschaft bieten. Aber das sind diejenigen, die unser Land, die unsere Heimat Brandenburg auch in Zukunft bereichern werden. Sie sind nicht nur diejenigen, die hierherkommen, weil sie Schutz brauchen, sondern sie sind für uns auch gut, für uns auch wichtig - für unsere eigene Einstellung und für unser Bundesland Brandenburg.
Meine Damen und Herren! In den 90er-Jahren haben die Arbeitskosten über den Unternehmenssitz entschieden. Die Arbeitskosten in Deutschland, in Europa waren hoch, die Arbeitsmärke nicht flexibel. Deshalb hat der Kontinent, hat auch Deutschland bekanntlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Antwort darauf in Deutschland war eine maßvolle, weise Tarifpolitik von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Und, meine Damen und Herren: Ja, die Agenda 2010 hat zur Flexibilisierung der Arbeitsmärkte geführt.
Heute entscheiden in ungleich größerem Maße als damals die Energiekosten über den jeweiligen Unternehmenssitz, über den Produktionsstandort, über die Frage, ob Wachstum möglich ist oder nicht, und das bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis beispielsweise Deutschlands zu unseren Nachbarn, sondern wir stehen längst in einem internationalen Wettbewerb. Die Frage, die wir hier in Brandenburg beantworten müssen, lautet: Wie wollen wir davon als Land profitieren, was die Braunkohle hat, als Land der erneuerbaren Energien? Und da ist es eben nicht nur das energiepolitische Dreieck, Kollege Schierack, es ist das energiepolitische Viereck.
Das ist nämlich in der Energiestrategie des Landes dazugekommen. Schönen Gruß von Herrn Beyer, jetzt kommt nämlich die Akzeptanz dazu.
Und es geht darum, dass wir selbst in Brandenburg uns die Chance nicht nehmen, sondern wir diese Energiestrategie endlich operativ umsetzen, unterlegen und einfach einmal erklären: Was wollen wir eigentlich in Brandenburg? Wie wollen wir den Ausbau erneuerbarer Energien befördern, und wie sehen wir die Zukunft der Braunkohle in diesem Land?
Es gibt auch zur Energiestrategie keine Umsetzungsstrategie dieser Landesregierung, und damit verlieren wir natürlich. Damit verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit in einer Region, die so zentraleuropäisch ist wie keine andere. So wie es in den letzten Jahrzehnten eine Agenda gegeben hat, um flexible Arbeitsmärkte und Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, so brauchen wir heute auch eine Agenda für bezahlbare und sichere Energie.
Meine Damen und Herren, ich will einiges zu dem Verhältnis Brandenburg-Polen sagen: Herrn Kollegen Schieracks Worte haben mich etwas verwundert. Natürlich brauchen wir eine gute Infrastruktur. Natürlich wollen auch wir den Ausbau der Eisenbahnstrecke Berlin-Stettin. Ja, wir wollen auch eine bessere Infrastruktur, eine bessere infrastrukturelle Anbindung an Polen haben. Aber entschuldigen Sie, es ist doch die CDU/CSU, die den Bundesverkehrsminister stellt!
Es ist doch Aufgabe der Bundesregierung, hier voranzukommen und mit den Polen einen entsprechenden Vertrag zu schließen.
Meine Damen und Herren, die deutsch-polnischen, die deutschbrandenburgischen Beziehungen haben eine lange und jetzt auch positive Geschichte. Ich will auch dies sehr deutlich sagen: 17, 18 Jahre nach dem Krieg haben die Bundesrepublik und Polen diplomatische Beziehungen aufgenommen. Und: Ja, es war ein Sozialdemokrat in einer sozial-liberalen Koalition, der diesen Weg sehr bewusst gegangen ist. Es war Willy Brandt mit seinem Kniefall im Warschauer Getto, der den Anfang zu neuen deutsch-polnischen Beziehungen gelegt hat. Und, meine Damen und Herren, es war ein liberaler Außenminister, der 1989/90 in den Verhandlungen über die 2plus4-Verträge seinen polnischen Amtskollegen Skubiszewski zu Gesprächen eingeladen hat, als es um die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ging. Es war Hans-Dietrich Genscher, der liberale Außenminister, der diese Initiative ergriffen und letztendlich damit auch die Grundlage für freundschaftliche Beziehungen mit unserem Nachbarn Polen gelegt hat.
Heute gibt es Normalität, aber auch Aufgaben, vor denen wir als Brandenburger bei der Entwicklung unserer Partnerschaft mit unseren polnischen Nachbarn stehen. Seit vielen Jahren sa
gen wir, wir müssen einen gemeinsamen Arbeitsmarkt, einen gemeinsamen deutsch-polnischen Arbeitsmarkt, brandenburgisch-polnischen Arbeitsmarkt in unserer Region entwickeln.
Wir brauchen auch gemeinsame Planungsregionen. Ich habe nie verstanden, warum man, wenn zum Beispiel die Planungsregion Uckermark-Barnim Entscheidungen treffen will - meist kommt ja nichts dabei heraus -,
nie gleichzeitig die polnischen Partner in die konzeptionelle Entwicklung einer Region einbezieht. Das erschließt sich mir nicht. Da scheint die Grenze, die Oder, doch viel zu sehr in unseren Köpfen zu sein.
Es macht zum Beispiel keinen Sinn, wenn auf der deutschen Seite ein Verkehrsinfrastrukturprojekt geplant wird, gleichzeitig die polnische Seite aber - ein paar Kilometer weiter auf der anderen Seite der Oder - ein ganz ähnliches Infrastrukturprojekt plant. Das können wir besser gemeinsam. Deswegen plädieren wir dafür, dass wir diese Regionalen Planungsgemeinschaften auch auf die westpolnischen Regionen ausweiten, meine Damen und Herren,