Protocol of the Session on April 3, 2014

Frau Vizepräsidentin, die Beantwortung dieser Anfrage fällt nicht in meine Redezeit, oder?

Nein.

Okay. - Dann aber herzlichen Dank für die Frage. Das verlängert ja meine Redezeit. Das möchte ich gerne beantworten.

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Ich möchte es gerne ver- stehen! - Zurufe: Oh!)

Es gibt doch drei Dinge, um ein Konzept zu erstellen: Wir müssen ein Problem erkennen. Ich glaube, da sind wir uns jetzt einig. Ich sehe das übrigens nach dem Lesen aller Unterlagen genauso. Ich glaube, dass erkannt ist, a) wo das Problem liegt und b) - jetzt können wir ja herzhaft darüber lachen - wir sind uns nicht darüber einig, oder noch nicht, wie diese Aufgabe tatsächlich bewältigt werden kann. Ich sage Ihnen: Sie kann nicht bewältigt werden, indem wir einfach 750 000 Euro mehr ins System geben. Das ist nicht die Lösung des Problems.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Die Lösung des Problems: Und jetzt wird es fachlich interessant, weil tatsächlich rechtlich und sozialpolitisch gedacht werden muss, wenn ich sage: Ich will eine stärkere Selbsthilfeorganisation, weil auch das Betreuung ist. Übrigens braucht jemand weniger Betreuung, wenn er stärker in Selbsthilfegruppen unterstützt werden kann, nämlich zur Selbsthilfe. Das wäre ein Problem weniger, da sind wir uns doch einig. Dann ist das Zweite, dass ich sage: Wir brauchen eine Stärkung Ehrenamtlicher,

(Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Die Erkenntnisse waren doch schon da!)

nur Hauptamtliche retten das System nicht.

- Daran ist nichts neu. Das Problem ist, dass die Zugangsbedingungen für soziale Leistungen - ich hatte das vorhin gesagt - einen erheblichen Umfang der hauptamtlichen Betreuung ausmachen. Die hauptamtlichen Betreuer - Herr Vogel war ja zeitweise beim Landestreffen der hauptamtlichen Betreuer - sagen auch, es würde möglicherweise ausreichen, Einzelleistungen in die Hauptbetreuung zu geben, weil es eben rechtliche Probleme sind, deren Klärung man nicht aus dem Ärmel schüttelt, oder aber darüber nachzudenken, wie eine Verbindung zwischen haupt- und ehrenamtlicher Betreuung stattfinden kann. Das ist, glaube ich, wirklich ein diffiziler Bereich, denn er hat rechtliche und finanzielle Konsequenzen, und es bedarf natürlich auch immer einer Sozialkompetenz der handelnden Personen.

Wenn ich in Ihrem Antrag lese, dass Sie eine Stärkung der Personen fordern, dann nehme ich an, dass Sie damit die Familienbetreuung, die bisher stattgefunden hat und die durch die Auflösung der Familienstrukturen nun über die Ehrenamtsagentur oder aber die ehrenamtlichen Betreuungsvereine erfolgen soll,

meinen. Dann sage ich erstens: So einfach geht es auch nicht. Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob hier wiederum die Schaffung der Doppelstruktur auf kommunaler Ebene tatsächlich die Lösung ist. Ich sage: Nein, das ist sie definitiv nicht, sondern auch hier gehört Verantwortung in eine Hand.

Und das Zweite, worüber wir nachdenken müssen - ich sage es noch und noch mal -, ist: Auch Betreute haben ein Selbstbestimmungsrecht, und wir müssen über diesen Katalog genau nachdenken. Ich weiß nicht - das müssen Sie das Ministerium fragen, warum es die Konzeption nicht in diesem Umfang erstellen kann. Nachdem ich mir aber alle Aufgabenbereiche der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Betreuung angesehen habe, habe ich zumindest Verständnis dafür, dass das innerhalb von wenigen Monaten oder auch einem Jahr unter Umständen nicht zu leisten ist. Es bedarf dazu - aus meiner Sicht zumindest - auch einer bundesrechtlichen Regelung im Betreuungsbereich, und ich hoffe sehr - sonst nützt uns nämlich unser eigenes Konzept relativ wenig -, dass das gelingen wird. Und dann bin ich guter Dinge, wenn es einer der ersten Beschlüsse des neuen Landtages im Oktober oder November wäre, dass wir dann hier tatsächlich ein ordentliches Konzept vorlegen, und ohne Doppelstrukturen auskommen. Ich will kein Geld in Strukturen stecken, ich will Hilfe für Betreute. Wenn uns das gelingt, denke ich, haben wir die Aufgabe gut erfüllt, und ich gehe davon aus, dass die Landesregierung das schafft. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Es wurde eine Kurzintervention angemeldet. Frau Schulz-Höpfner, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Mächtig, ich möchte nur eines klarstellen, weil unser Antrag von Ihnen quasi als Verhinderungsgrund für die Vorlage eines gemeinsamen Konzeptes angegeben wird: Ich hatte ausdrücklich angeboten - Herr Büchel ist mein Zeuge, es steht sogar im Protokoll -, diesen Antrag zum Bestandteil der weiterführenden Diskussionen zu machen. Ich habe sogar angeboten weil Sie ja abgelehnt hatten, zusätzliches Geld für die Betreuungsvereine in den Nachtragshaushalt einzustellen -, dass wir diesen Passus herauslösen. Dem Ganzen wollten Sie in keiner Weise folgen. Sie vertagen das einfach auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, auf die nächste Wahlperiode. Jetzt stellen wir uns einmal vor, dass in der nächsten Wahlperiode die Hälfte der Abgeordneten neu ist, dann wünsche ich Ihnen jetzt schon einmal viel Spaß, wenn Sie von vorn anfangen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schulz-Höpfner. - Frau Abgeordnete Mächtig hat Gelegenheit, darauf zu reagieren.

Es ist ja relativ einfach: Es geht gar nicht um das, was Sie vorgeschlagen haben. Sie hätten nur einen Änderungsantrag ein

bringen müssen, dann hätten wir darüber reden können. Aber uns liegt ein Antrag zur Abstimmung vor, der beinhaltet, dass wir die Personalkostenzuschüsse in Höhe von 750 000 Euro aus den dem Land Brandenburg aufgrund des Zensus 2011 zusätzlich zugeflossenen Einnahmen gewähren sollen - und zwar in einem Nachtragshaushalt. Sie wissen, dass das nicht geht. Lassen Sie uns nicht über die Methode streiten. Lassen Sie uns bitte über den Inhalt streiten. Wenn wir uns hier wirklich einig sind, dass wir eine Stärkung der Betreuung und eine Sicherung für Betreute wollen, dann, das kann ich Ihnen versichern, stehen wir auf der gleichen Seite. Dazu brauchen wir den Antrag nicht. Wir bekommen das hin.

(Beifall des Abgeordneten Büchel [DIE LINKE])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir setzen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Büttner hat das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass Frau Kollegin Lehmann es immer sehr gut schafft, mit vielen Worten ihre Betroffenheit darzustellen und auch, wie wichtig ihr ein Thema sei, dann aber zu dem Ergebnis kommt, dass wir erst einmal gar nichts tun sollten, das wussten wir schon. Dass aber Sie, Frau Kollegin Mächtig, das noch besser können - ich gebe zu: sogar noch etwas wortgewaltiger -, war mir neu. Das habe ich heute gelernt.

Das, was Sie gesagt haben, Frau Kollegin Mächtig, wissen wir. Das ist alles seit längerem bekannt. Ich frage mich immer: Wie lange wollen Sie eigentlich nachdenken?

(Beifall FDP - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Bis ein ver- nünftiges Ergebnis herausgekommen ist!)

Es gibt eine relativ einfache Lösung in einem Teilbereich; da sind wir uns ja einig. Dass wir das gesamte Thema nicht gleich hier und jetzt lösen können, ist uns allen klar. Aber wir haben im letzten Jahr einen Nachtragshaushalt verabschiedet und darin hätten Sie die 750 000 Euro locker unterbringen können.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

- Frau Kollegin Mächtig, Sie geben jeden Monat, jeden Tag deutlich mehr Geld für andere Projekten aus, die wir hier gar nicht mehr erwähnen wollen; da wäre eine Einstellung der 750 000 Euro in den Nachtragshaushalt jederzeit möglich gewesen. Das ist das eine.

(Beifall FDP und CDU)

Wir haben die Diskussion im Sozialausschuss erlebt. Genau so, wie Sie im Sozialausschuss agierten, Frau Kollegin Lehmann, agieren Sie auch hier, so kennen wir Sie. Sie haben uns auch im Sozialausschuss in einem langen Redebeitrag erklärt, dass Sie das Problem erkannt hätten,

(Frau Lehmann [SPD]: Schon lange! Schon bevor Sie hier waren!)

dass es wichtig sei und wir die Lösung natürlich erarbeiten müssten. Das Einzige aber, was Sie inhaltlich konkret vorgeschlagen haben, war, der CDU zu raten: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück. Wir, die Regierungsfraktionen, lösen das schon. Das ist ein bisschen einfach und im Übrigen auch ziemlich billig, Frau Kollegin Lehmann.

Welcher Aufhänger es am Ende war, ist mir auch völlig egal; da gebe ich Ihnen sogar einmal Recht, Frau Kollegin Mächtig. Aber aus der Anhörung sind, glaube ich, einige Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Ziel ist doch die weitere Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung sowie der selbstbestimmten Vorsorge. Das heißt, die rechtliche Unterstützung sollte so weit wie möglich individuell zugeschnitten sein. Vor diesem Hintergrund ist die Vernetzung zwischen den unterschiedlichen Systemen, Einrichtungen und Leistungserbringern eine elementare Voraussetzung für deren Stärkung. Dabei muss der Betreuungsbehörde künftig eine Lotsenfunktion zukommen. Das bedeutet, dass vor dem Gang zu den einzelnen Landgerichten die Betreuungsbehörde als zentrales Gremium eingebunden werden soll.

Der Punkt 2: Die seit dem Jahr 2003 - Sie haben es erwähnt, Frau Kollegin Mächtig - ausgesetzte landesseitige Förderung der Betreuungsvereine ist wieder einzuführen. Das ist das Ergebnis der Anhörung. Aber Sie haben hier gerade gesagt - ich habe mir den Satz notiert -, obwohl wir uns alle einig seien, wüssten Sie nicht, ob Sie diesen Fehler - Sie haben die Streichung der landesseitigen Förderung als Fehler bezeichnet - korrigieren könnten. Das ist eine eindeutige Aussage Ihrerseits. Wir sind der Überzeugung, dass es möglich ist. Wir hätten den Fehler korrigieren können. Wir werden natürlich gegen die Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmen, weil wir die Grundintention der CDU-Fraktion absolut unterstützen.

Gegenwärtig gewähren neun Landkreise und kreisfreie Städte den in ihren Regionen tätigen Betreuungsvereinen finanzielle Unterstützung. Umfang und Qualität der Arbeit der Betreuungsvereine dürfen aber nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt abhängig sein.

(Beifall FDP und des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Deswegen ist es angemessen, dass das Land Brandenburg eine Sockelfinanzierung für die Betreuungsvereine bereitstellt. In allen Regionen ist der Zugang zu sozialen Hilfeleistungen zu gewährleisten.

Ein dritter Punkt: Die in Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention enthaltenen Regelungen zur Barrierefreiheit sind bei der Ausgestaltung der Betreuungsangebote zu berücksichtigen. Es ist ein gleichberechtigter Zugang zu physischer Umgebung wie Transportmitteln, zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sicherzustellen.

Der vierte Punkt, der uns als FDP-Fraktion besonders wichtig ist: Mit Unterstützung des Landes ist sicherzustellen, dass der Vollzug des am 1. Juli 2014 in Kraft tretenden Gesetzes zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbehörden in der Praxis gesichert ist. Entsprechend ist die personelle, fachliche und sächliche Ausstattung der Betreuungsbehörden in allen Regio

nen Brandenburgs sicherzustellen, damit die Behörden ihren Aufgaben entsprechend nachkommen können.

Fünftens und letztens: Hinsichtlich der Prozesssteuerung steht das Land in der Pflicht. Aus diesem Grund sind flächendeckend die Möglichkeit einer internen statistischen Erfassung von Daten zur Qualitätssicherung, Dokumentation und zum Controlling sowie die Zurverfügungstellung eines ausreichenden Fortbildungsangebotes sowie regelmäßiger Supervisionen sicherzustellen.

Selbstverständlich ist es so, dass Herr Staatssekretär Schroeder seinerzeit im Arbeits- und Sozialausschuss - Frau Kollegin Schulz-Höpfner hat es dargelegt und ihn zitiert - gesagt hat, dass in dieser Legislaturperiode ein Konzept erstellt werde. Wenn das erwähnte Gesetz zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbehörden zum 1. Juli 2014 in Kraft treten soll, das heißt, wenn Sie das sichern wollen, dann müssen Sie dieses Konzept vorlegen. Der 1. Juli 2014, Frau Kollegin Mächtig, fällt in diese Legislaturperiode.

(Beifall der Abgeordneten Schulz-Höpfner [CDU])

Sie, Frau Kollegin Lehmann und Frau Kollegin Mächtig, verschieben dieses wichtige Problem in die nächste Legislaturperiode; Frau Schulz-Höpfner hat alles gesagt, was zu sagen notwendig war. Sie werden ab Oktober 2014 wieder von vorn anfangen, und wir werden von Ihnen, Frau Kollegin Lehmann, wieder bedeutungsschwanger dieselben Worte hören. - Vielen Dank.

(Jürgens [DIE LINKE]: Wir aber nicht von Ihnen!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. Wir waren Zeuge, dass Sie Ihre Stimme glücklicherweise wiedergefunden haben.

(Büttner [FDP]: Ricola!)

Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Vogel hat das Wort.

Bevor er es ergreift, begrüßen wir ganz herzlich Mitglieder des Heimatvereins Altlandsberg unter uns. Seien Sie herzlich willkommen in dieser munteren Debatte.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Wir sind über den Umgang von Rot-Rot mit dem vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion maßlos enttäuscht.